Vertreibung und Schlesien – zwei Empfehlungen

Der amerikanische Völkerrechtler Alfred de Zayas war hoher UNO-Beamter und Chef der Petitionsabteilung im Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte in Genf.

Er wirk­te unter ande­rem in den UN-Aus­schüs­sen gegen Fol­ter und gegen Ras­sen­dis­kri­mi­nie­rung mit; heu­te ist er UNO-Son­der­be­richts­er­stat­ter und Pro­fes­sor an der Gen­e­va School of Diplomacy.

De Zayas sitzt im Bei­rat des Zen­trums gegen Ver­trei­bun­gen und zähl­te zu den Unter­zeich­nern des skan­dal­träch­ti­gen »Appel de Blois« (Sezes­si­on 27/2008).

In den sieb­zi­ger Jah­ren war de Zayas nach Göt­tin­gen gekom­men, wo er in Geschich­te pro­mo­viert wur­de. Sei­ne Pro­mo­ti­ons­ar­beit, Neme­sis at Pots­dam (1977), gilt als Stan­dard­werk zu den Ver­trei­bun­gen der Deut­schen nach dem Zwei­ten Welt­krieg, die deut­sche Über­set­zung erfuhr 14 Auf­la­gen. 2008 ver­öf­fent­lich­te er in so poin­tier­ter wie grund­le­gen­der Form sei­ne 50 The­sen zu Ver­trei­bung. Hier­in prä­sen­tier­te er 17 his­to­ri­sche und 18 völ­ker­recht­li­che The­sen, die gewis­se Schluß­fol­ge­run­gen zwangs­läu­fig nach sich zie­hen. De Zayas betrach­tet die Ver­trei­bung der Deut­schen nicht nur his­to­risch in ihren umfas­sen­den Zusam­men­hän­gen (Ver­trä­ge von Ver­sailles, St. Ger­main, Tria­non, Rib­ben­trop-Molo­tow-Pakt, Gene­ral­plan Ost), son­dern vor allem in ihrer men­schen­recht­li­chen Dimension.

Für de Zayas ist der Zwei­te Welt­krieg zwar der Anlaß, nicht aber die Ursa­che der Ver­trei­bung gewe­sen. Sei­ne The­sen bezie­hen vehe­ment Stel­lung gegen die Baga­tel­li­sie­rung der Ver­trei­bung, gegen Auf­rech­nun­gen, gegen Kol­lek­tiv­schuld, gegen die Täter/Op­fer-Dicho­to­mie. Weil der­glei­chen his­to­risch gerecht, aber nicht unbe­dingt zeit­geis­tig kor­rekt ist, kam es im ver­gan­ge­nen Jahr zu einem klei­nen Sturm im Was­ser­glas, als das hes­si­sche Sozi­al­mi­nis­te­ri­um sei­ne Bro­schü­re in eini­gen hun­dert Exem­pla­ren unter ande­rem an Abend­schu­len und Stu­di­en­se­mi­na­re verteilte.

Das geschah in klu­ger Absicht: Die Bro­schü­re ist auch eine in didak­ti­scher Hin­sicht her­vor­ra­gen­de Zusam­men­stel­lung, die sich für Schul­un­ter­richt und Erwach­se­nen­bil­dung bes­tens eig­net. Soeben ist das for­mi­da­ble Büch­lein im glei­chen Ver­lag auch in eng­li­scher Spra­che (50 The­ses on the Expul­si­on of the Ger­mans from Cen­tral and Eas­tern Euro­pe 1944–1948, Berlin/London: Ver­lag Inspi­ra­ti­on Un Ltd. 2012, 72 S., 8 €) erschie­nen: www.viul.de.

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Daß unse­re Natio­nal­elf durch »Polen« wie Klo­se und Podol­ski berei­chert wird, ist längst eben­so trau­ri­ges Gemein­gut wie die sta­tis­tisch rele­van­te Zähl­wei­se, wonach Ver­trie­be­ne unter »Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund« gerech­net wer­den. Was dür­fen wir eigent­lich unter der Orts­an­ga­be »Schle­si­en« verstehen?

Der His­to­ri­ker und Sla­wist Hel­mut Neu­bach, gebo­ren 1933 in Grottkau/Oberschlesien, hat bereits vor Jahr­zehn­ten die Bro­schü­re Klei­ne Geschich­te Schle­si­ens erar­bei­tet, die immer wie­der rasch ver­grif­fen war und neu auf­ge­legt wer­den muß­te. Nun ist eine über­ar­bei­te­te Fas­sung über die Geschich­te (und Gegen­wart) des einst rei­chen Grenz- und Brü­cken­lan­des in der 9. Auf­la­ge erschie­nen. Die knap­pe, doch pro­fun­de Dar­stel­lung besticht auch des­halb, weil sie inhalt­lich sach­ge­recht ist und sprach­lich poe­tisch dort, wo es kaum anders geht, etwa bei der Nen­nung der Neben­flüs­se der Oder, die das Land eichen­blatt-ähn­lich durch­ä­dern: »Rechts flos­sen und flie­ßen ihr zu: Ost­ra­witza, Olsa, Ruda, Mala­pa­ne, Sto­der, Wei­de und Bartsch, von links: Oppa, Zinna, Hot­zen­plotz, Ohle, Lohe …« Man soll­te sie ken­nen, und sei es den Namen nach, die schim­mern, als sei dies Land unberührt.

Das 45seitige Büch­lein mit Kar­te, Regis­ter und aus­führ­li­chem Lite­ra­tur­ver­zeich­nis ist für 2.90€ zu bezie­hen über den Senf­korn Ver­lag, Brü­der­stra­ße 13, 02826 Gör­litz, senfkornverlag.de.

 

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