Der antiliberale Affekt: Fundamentalismus ohne Fundament

von Manfred Kleine-Hartlage

Felix Menzels Artikel "Fetisch Nationalstaat" und Martin Böckers "Über Vorhäute, die uns nichts angehen" offenbaren,...

daß das Ver­hält­nis der Rech­ten zum libe­ra­len Ver­fas­sungs­staat klä­rungs­be­dürf­tig ist, und dies nicht zum Zwe­cke “ver­fas­sungs­schüt­zen­der” Gesin­nungs­zen­sur, son­dern weil der anti­li­be­ra­le Affekt in bei­den Arti­keln so skur­ri­le Blü­ten treibt, daß er sich selbst ad absur­dum führt.

Für Men­zel ist man bereits des “Ver­fas­sungs­pa­trio­tis­mus” ver­däch­tig, wenn man ESM-Ver­trag als das bezeich­net, was er ist, näm­lich als Staats­streich – so, als ob das blo­ße Behar­ren auf der Gül­tig­keit von Ver­fas­sung, Recht und Gesetz not­wen­dig jeg­li­che Kri­tik an deren frag­wür­di­gen Sei­ten aus­schlie­ßen wür­de; und Böcker läßt in sei­nem Arti­kel zum Beschnei­dungs­ur­teil durch­bli­cken, daß man in sei­nen Augen bereits ein Anhän­ger säku­la­ris­ti­scher Reli­gi­ons­feind­lich­keit ist, wenn man dar­auf hin­weist, daß eine Reli­gi­on nicht alles darf.

Für bei­de scheint aus­ge­macht, daß die Ver­fas­sung, nur weil sie not­wen­dig auf abs­trak­ten Rechts­sät­zen beruht, in sich etwas Abs­trak­tes, Wirk­lich­keits­fer­nes und Künst­li­ches ist, das dem Gewach­se­nen, der Tra­di­ti­on, dem Glau­ben, dem Volk nur feind­lich gegen­über­ste­hen kann. Viel­leicht gehen sie auch davon aus, daß eine Ver­fas­sung, die wesent­lich von den Sie­ger­mäch­ten vor­ge­zeich­net wur­de, bereits die­ser Her­kunft wegen zwangs­läu­fig nur so etwas wie deren stän­di­ge Ver­tre­tung im besieg­ten Deutsch­land dar­stellt und allein des­halb schon nicht beach­tens- oder gar ver­tei­di­gens­wert ist.

Selbst­ver­ständ­lich hat der libe­ra­le Ver­fas­sungs­staat sei­ne frag­wür­di­gen Sei­ten: die Ten­denz zur künst­li­chen Gleich­ma­chung des Unglei­chen, zu einer ideo­lo­gi­schen Indi­vi­dua­li­sie­rung, die das sozia­le Leben und des­sen auf Wech­sel­sei­tig­keit beru­hen­de Struk­tu­ren nur als Addi­ti­on von Ein­zel­per­so­nen auf­fas­sen kann, die Nei­gung, aus Ver­fas­sungs­nor­men volks­päd­ago­gi­sche Pro­gram­me abzu­lei­ten. Ja, es stimmt schon: Der libe­ra­le Ver­fas­sungs­staat ist die zur staats­recht­li­chen Theo­rie erho­be­ne Auf­klä­rung und teilt mit ihr den Grund­irr­tum, den Men­schen nur als sein eige­nes Geschöpf auf­fas­sen zu kön­nen; er läuft wie sie Gefahr, alle vor­ge­fun­de­nen, nicht selbst­ge­wähl­ten und ‑geschaf­fe­nen Bin­dun­gen zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len und gege­be­nen­falls zu zer­stö­ren; und er teilt ihre Ten­denz, in Tota­li­ta­ris­mus umzu­schla­gen und sich letzt­lich selbst zu ver­nich­ten. Frei­lich ist all dies nicht mehr als eine Ten­denz; und zwar eine, deren Gefähr­lich­keit Gegen­ge­wich­te erfor­der­lich macht.

So sehr es also zutrifft, daß der libe­ra­le Ver­fas­sungs­staat der Ein­he­gung, der Ver­an­ke­rung, der Ver­or­tung bedarf, so wenig kann man doch dar­aus, wie Böcker, schlie­ßen, daß jeg­li­che Tra­di­ti­on, die nicht aus libe­ral-auf­klä­re­ri­schem Den­ken stammt, und wäre es ein bar­ba­ri­sches Noma­den­ri­tu­al aus vor­bi­bli­scher Zeit, ein geeig­ne­tes Gegen­ge­wicht dar­stellt, noch mit Men­zel schluß­fol­gern, daß die gan­ze Ver­fas­sung ohne­hin nichts tau­ge und es daher auf ihre Ver­let­zung poli­tisch nicht ankomme.

Das Ver­hält­nis von Chris­ten­tum und libe­ra­lem Ver­fas­sungs­staat ist nicht ein­fach ein simp­ler Ant­ago­nis­mus, so als ob das Grund­ge­setz natur­ge­mäß das Reich des Anti­chris­ten und sein Gel­tungs­be­reich daher mög­lichst ein­zu­däm­men wäre. Nicht zufäl­lig ist der libe­ra­le Staat auf christ­li­chem – und kei­nem ande­ren! – Boden gewach­sen. Das Chris­ten­tum ver­ficht ein Ethos der Gewalt­lo­sig­keit und dem­zu­fol­ge auch der Loya­li­tät zum säku­la­ren Staat, ohne den ein sol­ches Ethos nicht leb­bar ist; ein Ethos der Selbst­kri­tik (“Rich­tet nicht, auf daß Ihr nicht gerich­tet wer­det”), das einen guten Nähr­bo­den für poli­ti­sche Tole­ranz abgibt; und es ist eine Reli­gi­on, die das Reich Got­tes nicht in die­ser Welt ver­or­tet, mit­hin auch kei­ne Gesell­schafts- oder Rechts­ord­nung vor­schreibt und damit nicht nur dem säku­la­ren Gesetz­ge­ber größt­mög­li­chen Spiel­raum läßt, son­dern vor allem an die Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit kei­ne poli­ti­schen Soli­da­ri­täts­er­war­tun­gen knüpft. Für einen demo­kra­ti­schen Natio­nal­staat, der das Staats­volk als eth­nisch homo­ge­ne Soli­dar­ge­mein­schaft vor­aus­set­zen muß, ist dies über­le­bens­wich­tig: Für ihn ist kaum etwas so zer­set­zend wie die Exis­tenz gro­ßer eth­ni­scher Min­der­hei­ten (mit klei­nen kann er leben), ins­be­son­de­re wenn Eth­ni­zi­tät und Reli­gi­on sich über­lap­pen und die Min­der­heit des­halb nicht im Staats­volk auf­ge­hen kann.

Das Chris­ten­tum ist also exakt das Kom­ple­ment, das der libe­ra­le Staat braucht, um über­haupt exis­tie­ren zu kön­nen, und er selbst ist eine dem Chris­ten­tum, und kei­ner ande­ren Reli­gi­on, ange­paß­te poli­ti­sche Form. Er ist nicht ein­fach der Feind des Chris­ten­tums, son­dern des­sen legi­ti­mes Kind – ein Kind frei­lich, das eine fata­le Nei­gung zum Vater­mord und damit zugleich zur Selbst­zer­stö­rung hat. Das Chris­ten­tum ist der Anker, den der libe­ra­le Ver­fas­sungs­staat braucht, um von den Wel­len nicht hier­hin und dort­hin gespült und letzt­lich gegen die Klip­pen gewor­fen zu wer­den. Selbst wenn der reli­giö­se Glut­kern lang­sam erkal­tet und es nur noch in gesell­schaft­li­chen Nischen wirk­lich geleb­te Reli­gi­on ist, ist es doch als selbst­ver­ständ­li­che Basis unse­rer Kul­tur, selbst als blo­ßes Kul­tur­chris­ten­tum, noch stark genug (gewe­sen?), die selbst­zer­stö­re­ri­schen Ten­den­zen des Libe­ra­lis­mus im Zaum zu halten.

So sehr es abs­trakt rich­tig ist, daß Reli­gi­on die Basis jeder Gesell­schaft ist, so wenig besagt dies, daß jeg­li­che Reli­gi­on die Basis unse­rer Gesell­schaft, unse­res Vol­kes und unse­rer Kul­tur sei. Das not­wen­di­ge und heil­sa­me Gegen­ge­wicht zum libe­ra­len Staat ist die christ­li­che Reli­gi­on; die jüdi­sche ist es allen­falls, sofern sie in der christ­li­chen ent­hal­ten ist, und die isla­mi­sche ist es über­haupt nicht.

Wenn Mar­tin Böcker sug­ge­riert, Reli­gi­on schlecht­hin (und nicht etwa eine bestimm­te Reli­gi­on) sei gegen­über den For­de­run­gen, mei­net­we­gen auch Zumu­tun­gen, des säku­la­ren Rechts­staa­tes schüt­zens­wert, dann läuft er genau in die Fal­le des abs­trak­ten, ort­lo­sen Den­kens, das man als Rech­ter übli­cher­wei­se den Libe­ra­len vor­wirft, und ver­läßt damit den Boden, von dem aus Libe­ra­lis­mus­kri­tik über­haupt sinn­voll for­mu­liert wer­den kann. Zu Ende gedacht, läuft sei­ne Posi­ti­on dar­auf hin­aus, unter­schied­li­ches Recht für unter­schied­li­che Grup­pen zu for­dern. Mit dem ori­en­ta­li­schen Poli­tik­mo­dell – bei­spiel­haft ver­kör­pert etwa im osma­ni­schen Mel­li-Sys­tem – ist dies ver­ein­bar, mit dem abend­län­di­schen nicht.

Wer einem ste­ri­len anti­li­be­ra­len Affekt folgt, des­halb den libe­ra­len Rechts­staat nur unter dem Gesichts­punkt sei­ner auf­klä­re­ri­schen, revo­lu­tio­när-zer­set­zen­den Ten­den­zen betrach­ten kann und nicht wahr­ha­ben will, wie sehr er in Volks­cha­rak­ter, Kul­tur, reli­giö­sen und geis­ti­gen Tra­di­tio­nen Deutsch­lands ver­an­kert ist, lan­det fol­ge­rich­tig bei einem Kon­ser­va­tis­mus, bei dem nicht erkenn­bar ist, was über­haupt war­um bewahrt wer­den soll, und der schon des­halb revo­lu­tio­nä­ren Umvolkungs‑, Ent­chris­tia­ni­sie­rungs- und Ent­wur­ze­lungs­pro­jek­ten nichts ent­ge­gen­zu­set­zen haben wird.

Noch absur­der sind die Kon­se­quen­zen des anti­li­be­ra­len Affekts bei Felix Men­zel, der – ohne irgend­ei­nen ande­ren erkenn­ba­ren Grund als eben die­sen Affekt – ent­schlos­sen zu sein scheint, sich der stärks­ten Waf­fe zu bege­ben, die eine poli­tisch mar­gi­na­li­sier­te Oppo­si­ti­on gegen die Anma­ßun­gen der herr­schen­den Kas­te über­haupt ins Feld füh­ren kann, näm­lich daß deren Aktio­nen schlicht und ein­fach ille­gal sind. Dies ist unge­fähr so klug, als wür­de ein Ertrin­ken­der den ihm zuge­wor­fe­nen Ret­tungs­ring ableh­nen, weil er aus poli­ti­schen Grün­den die Her­stel­ler­fir­ma zu boy­kot­tie­ren ent­schlos­sen ist. Auch hier ist es eine abs­trakt rich­ti­ge Kri­tik am libe­ra­len Ver­fas­sungs­staat, die den Kri­ti­ker dazu ver­lei­tet, das ein­mal erreich­te Abs­trak­ti­ons­ni­veau nicht mehr zu ver­las­sen und dabei den Boden unter den Füßen zu ver­lie­ren. Abs­trak­te Fun­da­men­tal­kri­tik ist kei­ne poli­ti­sche Ana­ly­se und kann sie auch nicht erset­zen. Man kann die Ver­fas­sung gut oder schlecht fin­den, sie ist nun ein­mal die Ver­faßt­heit der deut­schen Nati­on, und ohne sie ist die Nati­on nicht in bes­se­rer, son­dern in über­haupt kei­ner Ver­fas­sung – sie hört ein­fach auf, poli­tisch zu existieren.

Inso­fern ist es frei­lich kon­se­quent, wenn Men­zel mit der Ver­fas­sung zugleich den Natio­nal­staat preis­zu­ge­ben bereit ist und für ein Euro­pa der Regio­nen plä­diert; der Preis, den er für die­se Kon­se­quenz bezahlt, ist aber, daß man bei ihm nicht erst wie bei Böcker auf den zwei­ten, son­dern bereits auf den ers­ten Blick die Absur­di­tät sei­ner Posi­ti­on erkennt:

Zunächst ein­mal ist ein Euro­pa der Regio­nen eine Idee, die so – wenn über­haupt – höchs­tens in Deutsch­land und Ita­li­en, den bei­den ver­spä­te­ten Natio­nen, über­haupt dis­ku­ta­bel ist. Ein Euro­pa der Regio­nen setzt aber vor­aus, daß zum Bei­spiel die Fran­zo­sen ihr Dog­ma “La France une et indi­vi­si­ble” auf­ge­ben. Sofern Men­zel sie dazu über­re­den will, wün­sche ich ihm viel Spaß.

Zum ande­ren wer­den die­se Regio­nen ent­we­der das leis­ten, was bis­her der Natio­nal­staat leis­tet, d.h. ihre Bür­ger als Volk, also als Soli­dar­ge­mein­schaft und poli­ti­sches Sub­jekt kon­sti­tu­ie­ren; dann ist nicht zu erken­nen, war­um man die­se Auf­ga­be nicht wie bis­her dem Natio­nal­staat anver­trau­en soll, der im Gegen­satz zu den Regio­nen sei­ne Völ­ker nicht erst neu erfin­den muß. Oder sie leis­ten das nicht, zie­hen aber die letz­ten ver­blie­be­nen Kom­pe­ten­zen des Natio­nal­staa­tes an sich: Dann sind sie genau das, was die Euro­kra­tie braucht, weil mit den Völ­kern und Natio­nal­staa­ten das ein­zi­ge Gegen­ge­wicht gegen ihre Macht­an­ma­ßung besei­tigt wird. Es spricht Bän­de, daß die Auf­wer­tung der Regio­nen bereits voll im Gan­ge ist, aber nicht auf­grund irgend­wel­cher Initia­ti­ven von unten, also weil das Volk sie braucht, son­dern von oben, von Brüs­sel, weil die Euro­kra­tie sie braucht.

Men­zels Euro­pa der Regio­nen schwebt in zwei­er­lei Hin­sicht in der Luft:

Ers­tens ent­spricht ihm kei­ner­lei poli­ti­sche, sozio­lo­gi­sche oder sozi­al­psy­cho­lo­gi­sche Rea­li­tät; es han­delt sich ledig­lich um eine Kopf­ge­burt, und zwar um eine voll­kom­men will­kür­li­che: Ein Euro­pa der Regio­nen? War­um nicht eines der Eth­no­kan­to­ne, der Pol­eis, der Räte­re­pu­bli­ken, der Mel­li-Kom­mu­nen? War­um nicht ein­fach das Hei­li­ge Römi­sche Reich wie­der­her­stel­len oder sich in ein glo­ba­les Kali­fat eingliedern?

Ein poli­ti­sches Gemein­we­sen kann nicht exis­tie­ren, es sei denn als Dik­ta­tur, wenn es nicht als die selbst­ver­ständ­li­che Form des poli­ti­schen Zusam­men­le­bens wahr­ge­nom­men wird, wenn es also nicht auf einem all­ge­mein akzep­tier­ten Kon­sens beruht, und ein sol­cher wächst ent­we­der his­to­risch oder über­haupt nicht. Die Vor­stel­lung, er kön­ne von ideo­lo­gi­schen Iden­ti­täts­de­si­gnern geschaf­fen wer­den, ist tech­no­kra­ti­scher Grö­ßen­wahn, der fol­ge­rich­tig in den Köp­fen Brüs­se­ler Tech­no­kra­ten zuhau­se ist; sie wird nicht über­zeu­gen­der, son­dern man­gels Macht nur noch absur­der, wenn sie von frei­schwe­ben­den Intel­lek­tu­el­len pro­pa­giert wird.

Es ist schon rich­tig, daß auch ande­re poli­ti­sche For­men als der Natio­nal­staat in der Ver­gan­gen­heit exis­tiert haben und zwei­fel­los auch in Zukunft exis­tie­ren wer­den. Nur muß der, der dies sagt, hin­zu­fü­gen, daß der Weg vom einen zum ande­ren Ord­nungs­mo­dell in der Ver­gan­gen­heit mit Hekatom­ben von Lei­chen gepflas­tert war und jede neue Ord­nung in blu­ti­gen, oft jahr­hun­der­te­lan­gen Kri­sen gebo­ren wur­de. Es mag sein, daß auch uns sol­che Kri­sen bevor­ste­hen, es ist sogar wahr­schein­lich; aber sie sind nichts, was irgend ein ver­nünf­ti­ger Mensch wol­len kann, schon gar kein Kon­ser­va­ti­ver, selbst wenn er sich als kon­ser­va­ti­ver Revo­lu­tio­när versteht.

Zwei­tens führt Men­zel nicht die gerings­te Begrün­dung dafür an, war­um die­se Idee, selbst wenn sie sich rea­li­sie­ren lie­ße, eine gute Idee sein soll. Wem soll sie nüt­zen? Was soll sich dadurch ver­bes­sern? Was wird dadurch an Bewah­rens­wer­tem bewahrt?

Sei­ne Pole­mik gegen den Natio­nal­staat macht sich an des­sen “jako­bi­ni­schem Anspruch” und dem ihm inne­woh­nen­den “Pos­tu­lat der Gleich­heit” fest, d.h. an sei­ner Her­kunft aus revo­lu­tio­nä­rem Gedan­ken­gut. Genau der­sel­be blin­de anti­li­be­ra­le (oder anti­re­vo­lu­tio­nä­re) Affekt wie bei Böcker und mit dem­sel­ben Ergeb­nis: näm­lich, daß man zu Kon­se­quen­zen gelangt, die die Prä­mis­sen ad absur­dum füh­ren. Denn Men­zels Ideen, so anti­re­vo­lu­tio­när er sie begrün­det, lau­fen dar­auf hin­aus, eben das Pro­jekt der Ent­wur­ze­lung Euro­pas und sei­ner Unter­wer­fung unter eine Dik­ta­tur glo­ba­lis­ti­scher Ideo­lo­gen vor­an­zu­trei­ben, durch die die Ideen der Auf­klä­rung und der Revo­lu­ti­on gera­de in ihren destruk­tivs­ten und zivi­li­sa­ti­ons­feind­lichs­ten Aspek­ten ver­wirk­licht würden.

Wenn Kon­ser­va­ti­ve sol­che Ideen for­mu­lie­ren, beschleicht mich ein gewis­ses Déjà-vu. Kon­ser­va­ti­ve sind meist ziem­lich gut dar­in, zu defi­nie­ren, was sie nicht wol­len, aber rela­tiv schlecht dar­in zu defi­nie­ren, was sie wol­len, ins­be­son­de­re dann, wenn die von ihnen ver­tei­dig­te Ord­nung ins Rut­schen gerät oder schon zer­stört ist. Die merk­wür­di­ge Mischung aus Prin­zi­pi­en­rei­te­rei im Hin­blick auf das, was man nicht will, und eklek­ti­scher Luft­schloß­ar­chi­tek­tur im Hin­blick auf das, was man will, erin­nert fatal an den Kon­ser­va­tis­mus der frü­hen drei­ßi­ger Jah­re, der sich weder für die Repu­blik noch für Hit­ler zu erwär­men ver­moch­te und des­halb von der Quer­front bis zum Stän­de­staat mit aller­lei Poli­tik­mo­del­len spiel­te, die kei­ne Aus­sicht auf Rea­li­sie­rung hat­ten. Bis ande­re Kräf­te voll­ende­te Tat­sa­chen schufen.

Kri­tik an den Illu­sio­nen libe­ra­ler und lin­ker Ideo­lo­gie, War­nung vor den selbst­zer­stö­re­ri­schen Ten­den­zen des libe­ra­len Ver­fas­sungs­staa­tes sind nicht nur legi­tim, son­dern not­wen­dig. Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on gegen die Ver­fas­sung ist nicht im Hier und Jetzt zuhau­se. Sie ist Fun­da­men­ta­lis­mus ohne Fundament.

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Kommentare (38)

Ein Fremder aus Elea

25. Juli 2012 09:44

Das Christentum verficht ein Ethos der Gewaltlosigkeit und demzufolge auch der Loyalität zum säkularen Staat, ohne den ein solches Ethos nicht lebbar ist;

"Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist." läßt meines Erachtens durchaus Raum für Steuerhinterziehung.

ein Ethos der Selbstkritik („Richtet nicht, auf daß Ihr nicht gerichtet werdet“), das einen guten Nährboden für politische Toleranz abgibt;

Ja.

und es ist eine Religion, die das Reich Gottes nicht in dieser Welt verortet, mithin auch keine Gesellschafts- oder Rechtsordnung vorschreibt und damit nicht nur dem säkularen Gesetzgeber größtmöglichen Spielraum läßt, sondern vor allem an die Religionszugehörigkeit keine politischen Solidaritätserwartungen knüpft.

Nein. Das ist grundfalsch. "An euren Taten soll man euch erkennen." heißt es und "Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden."

Defensor75

25. Juli 2012 10:23

Ich glaube nicht, dass Martin Böcker den säkularen Nationalstaat auf (kultur)christlicher Grundlage aus einem unreflektierten antiliberalen Affekt heraus in Frage stellt.

Tatsächlich ist es heute so, dass der "Liberalismus" sich nicht gleichgültig oder neutral gegenüber der christlichen Grundlegung auch des säkularen, liberalen Rechtsstaates verhält. Er sagt nicht nur gelebter (und besonders gelebter katholischer) Christlichkeit, sondern auch den "kulturchristlichen" Fundamenten des Staates mit wachsender Aggressivität den Kampf an. Aus Sicht dieses "Liberalismus" ist das keineswegs selbstmöderisch. Und tatsächlich müssen die, die, wie auch Herr Kleine-Hartlage, von den unaufhebbar "christlichen" Fundamenten des liberalen Rechtsstaates raunen, sich fragen lassen, was vom bildungsbürgerlichen Kulturchristentum noch übrig bleibt, wenn es kein praktiziertes Christentum mehr gibt. Ein halbwegs funktionierender Rechtsstaat ist auch mit moralischen Atheisten à la Pierre Bayle zu machen. Wenn man aber den Staat auf (kultur)christlichen Fundamenten will, muss man jeden Angriff auf praktizierte Religion als Angriff auf die Grundlagen dieses Staates einordnen.

Denn darum geht es, darüber sollten ex- und implizite Vorbehalte gegenüber Islam oder Judentum nicht hinwegtäuschen: Um den Angriff auf die praktizierte Religion, dessen eigentliches Ziel hier bei uns das Christentum jenseits seiner liberalismuskonformen Schwundstufen ist, was sonst. Das ist dann morgen dran, wenn die Beschneidung endgültig verboten ist und das Exempel geliefert hat. Dann wird die Forderung nach zölibatärer Lebensweise für Priester und Ordensleute als unerlaubter Eingriff in die "sexuelle Selbstbestimmung" untersagt. Dann muss, wie Claudia Roth schon gefordert hat, die demokratische Verfasstheit des Staates sich in der Organisation der katholischen Kirche abbilden, in der es bis heute an den entscheidenden Punkten - Gott sei Dank - keine "Demokrarie" gibt. Insofern stünde das Verbot des Rituals der Beschneidung, sowenig der Christ "religiös" damit zu tun hat, auf keiner anderen Stufe, als das Verbot an britische katholische Adoptionsorganisationen, weiterhin tätig zu sein, weil sie sich weigern, Kinder an homosexuelle Adoptiv-"Eltern" zu vermitteln.

Christian

25. Juli 2012 11:01

die Tendenz zur künstlichen Gleichmachung des Ungleichen, zu einer ideologischen Individualisierung, die das soziale Leben und dessen auf Wechselseitigkeit beruhende Strukturen nur als Addition von Einzelpersonen auffassen kann,[...]

Ich frage mich, warum unter Konservativen der Irrglaube Aufklärung = Gleichheit (im Sinne von Uniformität) so verbreitet ist.

Und warum man meint, das Grundgesetz habe eine Tendenz zur Gleichmacherei.
Ganz im Gegenteil. Beschäftigt man sich auch nur ein paar Stunden mit den im Grundgesetz verankerten Gleicheitsgrundsätzen und womöglich auch mit den dazu vom BVerfG ergangenen Entscheidungen, wird man feststellen müssen, dass sich die Gleichheit vor dem Gesetz doch ganz deutlich von dem unterscheidet, was hier so allgemein angenommen wird.

Das gewissen Tendenzen nachgegeben wurde, AGG, § 622 II BGB etc., ist bedauernswert. Ich habe damals im Studium jedenfalls gelernt, dass so etwas wie Grundrechte aus dem Privatrecht herauszuhalten sind (allenfalls mittelbar wirken), da sie es sonst zerstören:
Wie sie wollen diese Jeans kaufen und nicht diese? Ich darf sie an Art 3 I GG erinnern, sie nehmen beide oder keine.
Nur eines der absurden Beispiele.
Das war alles vor dem AGG. Als das kam, kann ich mich kaum an jemanden erinnern, der das gut fand, weil es nicht zum Gleichheitskonzept des GG passte.

Ich würde mich über dieses Problem zu gerne mal mit Kleine-Hartlage unterhalten, da ich der Annahme bin, dass hier nicht der richtige Platz ist und er sicherlich gute Gründe für seine Ansicht hat.

Marcus Junge

25. Juli 2012 11:29

"noch mit Menzel schlußfolgern, daß die ganze Verfassung ohnehin nichts tauge und es daher auf ihre Verletzung politisch nicht ankomme."

Ich würde es griffiger formulieren. Das GG ist das Werk der Sieger des 2. WK und es regelt die Modialität einer Fremdherrschaft. Es ist damit untauglich als Verfassung und gehört durch eine bessere, unideologische Verfassung ersetzt. Diese darf sich gerne Anleihen beim GG nehmen, weil in diesem auch gute, nützliche Dinge zu finden sind, die man auch schon heute verteidigen muß.
Wer heute das GG bricht und zwar in der Weise, das es gegen das Volk geht, da ist Widerstand eine Notwendigkeit, weil in Abwesenheit einer echten, besseren Verfassung, wir leider nichts besseres als das GG haben und dieses daher nicht noch schlechter gemacht werden darf, als es eh schon ist.

"Man kann die Verfassung gut oder schlecht finden, sie ist nun einmal die Verfaßtheit der deutschen Nation, und ohne sie ist die Nation nicht in besserer, sondern in überhaupt keiner Verfassung – sie hört einfach auf, politisch zu existieren."

Ketzerisch muß man aber der Vollständigkeit halber einwerfen, die Aussage ist nicht ganz richtig. Wie das Verfassungsgericht (ohne Verfassung) 1971 urteilte, besteht ja das Deutsche Reich noch, es ist nur gerade handlungsunfähig. Der revolutionäre Schritt wäre also die BRD aufzulösen und das Reich wieder entstehen lassen, samt seiner ja auch noch vorhandenen Verfassung.

"Zunächst einmal ist ein Europa der Regionen eine Idee, die so – wenn überhaupt – höchstens in Deutschland und Italien, den beiden verspäteten Nationen, überhaupt diskutabel ist."

Der Kampfbegriff "verspätete Nation", sollte nun wirklich nicht verwendet werden. Die "verspätet Nation" ist ein antideutscher Kampfbegriff, der den deutschen Nationalstaat und das deutsche Volk verunglimpfen soll, aber keinen Inhalt hat, der für mich ein "verspätet" je belegt hätte.

Und wenn nur D + It es könnten, warum gibt es Abspalter in den alten Nationalstaaten, die ihre Region rausbrechen wollen? Schotten, Korsen, Basken? Alle in "uralten" Nationalstaaten gefangen.

Mein Dank an die Autoren, der Bereich "Europa der Regionen", sein Ursprung in Brüssel und der Verwendungszweck durch die EUdSSR, waren mir bisher entgangen. Wieder ein harmlos erscheinende Sache, die bei etwas mehr Einblick, ganz anders aussieht.

Ulfric

25. Juli 2012 12:19

"...Zunächst einmal ist ein Europa der Regionen eine Idee, die so – wenn überhaupt – höchstens in Deutschland und Italien, den beiden verspäteten Nationen, überhaupt diskutabel ist. Ein Europa der Regionen setzt aber voraus, daß zum Beispiel die Franzosen ihr Dogma „La France une et indivisible“ aufgeben. Sofern Menzel sie dazu überreden will, wünsche ich ihm viel Spaß.

Zum anderen werden diese Regionen entweder das leisten, was bisher der Nationalstaat leistet, d.h. ihre Bürger als Volk, also als Solidargemeinschaft und politisches Subjekt konstituieren; dann ist nicht zu erkennen, warum man diese Aufgabe nicht wie bisher dem Nationalstaat anvertrauen soll, der im Gegensatz zu den Regionen seine Völker nicht erst neu erfinden muß...", Kleine-Hartlage

Die Antwort darauf ist doch ganz klar die Islamisierung! Wenn wir die Mehrheiten in einem Nationalstaat verlieren, dann bleibt uns nur übrig unsere noch autochthonen Regionen zu stärken und mit anderen ethnisch-europäischen Regionen zu vernetzen, denn ein von den Mohammedaner gekarperter Nationalstaat bringt uns gar nichts. Im Gegenteil, denn er wird sich uns zur Beute machen und von seiner Macht werden wir nicht mehr profitieren(tun wir das überhaupt noch?). Dann wird ein deutscher Nationalstaat erst einmal zur Utopie und ein Europa der Regionen zur möglichen Realität. Das ist der Punkt. Den Nationalstaat, da haben Herr Kubitschek, Lichtmesz und Kleine-Hartlage sicher recht, gilt es als stärkeres Modell zu verteidigen und zu erhalten. Aber wenn die Zeit des Nationalstaates durch die demographische Entwicklung abläuft, dann müssen auch wir bereit sein neue Wege zu gehen um zu überleben. Jetzt mag ein Europa der Regionen ja noch ohne Fundament sein, die Demographie wird aber dazu beitragen, dass es in naher Zukunft dieses Fundament geben wird. Und auch wenn ich ansonsten den Nationalstaat befürworte, so sehe ich in Menzel's Europa der Regionen doch die einzige Alternative im Kampf gegen einen erstmal an den Feind verlorenen Nationalstaat. Auch wenn Herr Kleine-Hartlage recht hat, dass die EU erstmal auf eine Zerschlagung der Nationalstaaten hinarbeitet um eine multikulturelle Regionalisierung voran zutreiben. Das ändert aber nichts daran, dass wir den Kampf um den Nationalstaat eventuell bald verlieren und dann müssen wir halt zurück weichen, wenn wir nicht irgendwelchen Utopien von einem deutschen Nationalstaat hinterher rennen wollen. Dann müssen wir uns der Realität stellen und auch andere Wege gehen. Das wird dann auch für die Franzosen gelten mit ihrem "La France une et indivisible", denn davon kann man gerne Träumen, doch die demographische Realität wird wahrscheinlich eine andere sein. Und ein Europa der Regionen Anker im Überlebenskampf einer europäischen Minderheit. Hoffen wir das es soweit nicht kommt.

Martin Lichtmesz

25. Juli 2012 12:29

Der Kampfbegriff „verspätete Nation“, sollte nun wirklich nicht verwendet werden. Die „verspätet Nation“ ist ein antideutscher Kampfbegriff, der den deutschen Nationalstaat und das deutsche Volk verunglimpfen soll, aber keinen Inhalt hat, der für mich ein „verspätet“ je belegt hätte.

Als Bismarck, Cavour und Garibaldi zum Zug kamen, waren Frankreich und Großbritannien schon längst geeinte und starke Nationen. Das ist doch sehr einfach, und wertungsneutral ausgedrückt. Die deutsche und italienische Einheit hatten aus diesen und anderen Gründen nie die Festigkeit Frankreichs.

nino

25. Juli 2012 12:45

Dann wird die Forderung nach zölibatärer Lebensweise für Priester und Ordensleute als unerlaubter Eingriff in die „sexuelle Selbstbestimmung“ untersagt.

Dass eine gewisse Tendenz erkennbar ist, bestreitet MK-H ja gar nicht. Obiges Beispiel ist aber absurd. Kein Kind wird mit acht Tagen dazu verknurrt, künftig ein Leben als zölibatärer Priester zu führen. Katholischer Priester zu werden ist die freie Entscheidung eines erwachsenen Mannes, der dieses Amt auch wieder aufgeben kann, wenn er es nicht mehr als tragbar betrachtet.

Besten Dank an Herr Kleine-Hartlage für diese grösstenteils richtige und vorallem notwendige Antwort. Es täte offenbar einmal gut, zu klären, welche Aufgaben ein Konservativer an einen Staat stellt, was gehört dazu und was nicht, und vorallem, wer gehört dazu und wer nicht.

Druide

25. Juli 2012 12:52

Das bittere ist doch, dass wir bereits in "unserem" konkreten Nationalstaat in der Falle sitzen. Sinnlos ist die abstrakte Diskussion, was ein Nationalstaat leisten könne und was nicht. Was kann und wird die konkrete BRD für uns deutsche "Deutsche" tun?

Geht es weiter wie bisher, werden wir Deutschen in der BRD marginalisiert. Gelänge uns ein qualitativer Umbruch in politischer Hinsicht (innerhalb des bestehenden politischen Systems) könnten wir auch nur Maßnahmen bspw. gegen die demographische Katastrophe ergreifen, die alle "Deutschen" (=BRD-Bürger) gleichmäßig betreffen, was dazu führt, dass die Einwanderer wiederum überproportional aufgrund ihrer Alterstruktur davon profitierten (bspw. Familienwahlrecht, oder Steuervorteile für Kinderreiche). Da mit einer 2/3-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag keinesfalls zu rechnen ist, wird man das Ausbürgerungsverbot gemäß Art. 16 I GG nicht abschaffen können, das einzige, was uns - legalistisch betrachtet - retten könnte, wenn wir nicht dann noch ein BVErfG hätten, dass unter Umständen mit einem antinationalsozialistischen ungeschriebenen Verfassungskern argumentierte.

So. Das ist das eine. Andererseits ließe sich eben gut vertreten, dass diese intellektualistischen Spielchen zu nichts führen, weil wir - wollen wir etwas wirksames tun - uns diesem bereits gekaperten Schiff anschließen müssten, was unsere Zielsetzungen aufsaugt und zersetzt. Es ließe sich behaupten: Der Staatstreich liege materiell längst in der Vergangenheit. Wann genau? 1989/90 vielleicht? Wenn dies jetzt also auch noch formell bestätigt wird, ändert sich dadurch für unsere Handlungsoptionen im Grunde rein gar nichts.

Hier scheint mir Menzels Argumentation anzusetzen. Willst du etwas gelingendes schaffen, verschwende deine Zeit nicht damit die BRD verändern zu wollen, weil du hier nur verlieren kannst, sondern richte dich auf ein überschaubares Umfeld aus, das im Ernstfall die Möglichkeit bietet, dich als Sezessionisten zu schützen, wenn du etwas TUN möchtest. Wer nur liest, Traktate verfasst, Bücher schreibt und Skandale verfolgt, der wird das anders sehen. Wer aber etwas tut, i.S. einer primär nach außengerichteten Institutionen schaffenden Tätigkeit, dessen Anstrengungen verpuffen, oder nicht, also muss er interessiert sein die Handlungsoptionen zu ergründen.

Dass die BRD reformunfähig ist, davon bin ich überzeugt. Denn es gibt keine weltanschauliche Grundlage auf der der Staat der Deutschen sich neu begründen ließe.
Ob ich das will, ist hingegen völlig gleichgültig.
Die andere Option ist die Blutbadversion ...

Im Grunde widersprechen sich mE die Grundpositionen Menzels und Kleine-Hartlages nur insofern ihre Lagebeurteilung eine andere ist. Was für den einen Gegenwart ist, ist dem anderen bereits unwiderrufliche Vergangenheit. Der eine hat den Anlass und die Argumente für die frisch erwachten. Der andere eher die Argumente gegn die Ohnmachtsvisionen der alten Hasen.

Ein Aspekt noch: Weil bald die Hälfte der Deutschen im Rechtssinne keine Deutschen mehr sind, werden die gesetzgeberischen Zustände immer unhaltbarer werden. Denn diese beanspruchen ja für alle Deutschen im Rechtssinne Geltung zu haben. Auf mittlere Sicht müssen wir, wenn wir nicht untergehen wollen, uns als deutsche Deutsche rechtliche Autonomie erzwingen. Das geht nur mit (Schutz-)Macht, die wir uns selbst aufbauen müssen. Auch hier wieder das Dilemma: Also entweder planen, den Kopf des Leviathan aus der Kalten abzuschlagen, oder sich zwischen den Beinen zu verstecken und Gefahr laufen zertreten zu werden.

Biobrother

25. Juli 2012 13:30

Ein interessanter Artikel, den ich in weiten Teilen so unterschreiben würde. Dass sich liberale, die Rechte des Individuums in den Mittelpunkt stellende Gesellschaften auf Basis der christlichen Kultur entwickelt haben, scheint tatsächlich kein Zufall zu sein, postuliert das Christentum doch wie keine andere Religion die Einzigartigkeit des Individuums und (insbesondere im katholischen Christentum) dessen freien Willen und die daraus erwachsende individuelle Verantwortlichkeit. (Der konservativen und erzkatholischen Philosophin Alma von Stockhausen zufolge war man in der Antike noch davon ausgegangen, dass auch Persönlichkeitsunterschiede zwischen Menschen letztlich durch körperliche Unterschiede bedingt seien, eine echte Individualität gab es in diesem Weltbild also noch gar nicht.) Dass man diesem unwiederbringlichen Individuum dann irgendwann auch politisch-gesellschaftlich den entsprechenden Raum würde einräumen müssen („werde, der du werden kannst“), erscheint da eigentlich nur folgerichtig, wenngleich das Christentum sich an echten oder vermeintlichen Übertretungen einer bindungslosen individuellen Freiheit natürlich stets reiben wird (allerdings kann man auch hier der Meinung sein, dass diese beiden Pole - konservativ und liberal - sich gegenseitig als Selbstrechtfertigung, Widerpart und Korrektiv brauchen).

Der Islam, den ich hier gar nicht pauschal verdammen möchte, scheint tatsächlich nicht so recht in dieses Konzept hineinzupassen und macht zumindest hier im Westen v.a. durch Selbstabgrenzung, Gehorsamsansprüche und archaische Traditionen, zornig-eroberungsbereite Jungmänner und spirituell gestrandete Konvertiten auf sich aufmerksam (über die gemäßigteren Muslime wird natürlich auch nicht berichtet). Wobei eine Europapolitik, die ohne Einwilligung der Bürger Billionenvermögen und ganze Völkerschaften wie eine willenlose Verfügungsmasse hin- und herschieben und neu modellieren möchte, natürlich auch nicht so recht zur Würdigung von Freiheitsrechten zu passen scheint, es sei denn, man bricht Freiheit alleine auf das Versprechen völliger Mobilität, Wirtschafts- und Konsumfreiheit herunter.

Volker Faust

25. Juli 2012 13:40

Sehr geehrter Herr Kleine-Hartlage,

Sie schreiben: „[…]deshalb den liberalen Rechtsstaat nur unter dem Gesichtspunkt seiner aufklärerischen, revolutionär-zersetzenden Tendenzen betrachten kann und nicht wahrhaben will, wie sehr er in Volkscharakter, Kultur, religiösen und geistigen Traditionen Deutschlands verankert ist, landet folgerichtig bei einem Konservatismus, bei dem nicht erkennbar ist, was überhaupt warum bewahrt werden soll, und der schon deshalb revolutionären Umvolkungs-, Entchristianisierungs- und Entwurzelungsprojekten nichts entgegenzusetzen haben wird[…]

Und genau das ist doch der Punkt, an dem das Konservative gegenwärtig kränkelt. Viele Konservative wollen das Christentum als ein Axiom bewahren. Auch, und vor allem im Umfeld dieser Seite. Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber.
Sie stellen die Frage, was denn dann überhaupt bewahrt werden soll. Und ich kann nur mit einem Zitat von Edgar Julius Jung antworten:

Konservative Revolution nennen wir die Wiederinachtsetzung all jener elementaren Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann. An die Stelle der Gleichheit tritt die innere Wertigkeit, an die Stelle der mechanischen Wahl das organische Führerwachstum, an Stelle bürokratischen Zwangs die innere Verantwortung echter Selbstverwaltung, an die Stelle des Massenglücks das Recht der Volkspersönlichkeit.“

Ich finde den Begriff „konservative Revolution“ etwas falsch an dieser Stelle gewählt. Ich würde eher von einer „konservativen Evolution“ sprechen. Denn Es geht nicht darum, etwas Altes wieder zu begründen, sondern uns zu einem Konservativismus zu entwickeln, der die Gegebenheiten unserer Zeit mit einbezieht. Und genau dies bringt diese Definition meiner Meinung nach zum Ausdruck.

Wie dem auch sei, das Zitat spricht nicht vom Christentum, sondern lediglich von Gott. Und auch wenn das Christentum für unsere Kultur sehr prägend war, so ist dieses es nicht mehr. Wir brauchen einen neuen Ansatz, an den der deutsche Mensch glauben kann.
Viele der sog. Vertreter der Konservativen Religion hatten dies bereits erkannt und unterschiedliche Ideen eines neuen deutschen Glaubens entwickelt; angefangen von einem modifizierten deutschen Christentum, dass evtl. gar nicht mehr so genannt wird, bis hin zu einem neuen Heidentum.
Egal wie dieser Glaube aussehen sollte, mit dem uns fremden Christentum hat es wenig gemeinsam.

Sie selbst sagen es. Das Christentum stellt den Menschen in den Mittelpunkt und logischerweise konnte sich daraus nur der Liberalismus mit all seinen Folgen, die wir heute spüren, entwickeln.
Aber für die Bewahrung der Unsterblichkeit, also einem echten Konservatismus, bleibt hier kein Raum. Dies ist nur möglich, wenn ein Gottglaube den Menschen lediglich als Geschöpf seiner Mitwelt und nicht Umweltbegreift, und die Erhaltung seiner Lebensgrundlage und damit der Natur in den Mittelpunkt stellt. Soviel an dieser Stelle zum Religionsverständnis.

Zurück zum eigentlichen Thema. Die Konservativen sollten sich also in erster Linie einmal darüber klar werden, was sie eigentlich bewahren wollen. Und ob das Bewahren eines Christentums überhaupt bewahrenswert ist. Ich halte, wie gerade schon geschrieben, die Unsterblichkeit in Form unserer Kinder und Kindeskinder als erstrebenswert. Und dabei möchte ich ihnen eine Welt hinterlassen, auf der zu leben es sich lohnt, in der ein angemessener, aber nicht außerverhältnismäßiger Wohlstand herrscht, und in dem ein politisch vernünftiges, besser verständiges, System vorherrscht, dass ein Interesse an diesem Bewahrertum hat.

Und in diesem Zusammenhang ist mir das Verhalten all jener egal, deren Handeln auf mein Leben und das meiner Unsterblichkeit keinen Einfluss hat. Ob ein Moslem oder Jude in seinem Land seine Kinder beschneidet oder die Frauen Kopftücher tragen müssen, ist mir egal. Solange ich und die meinen nicht danach handeln müssen. Und mich interessiert jede Mitweltverschmutzung und Verbrauch von Rohstoffen für Nichts und wieder Nichts in diesen Ländern mehr, als irgendwelche religiösen Sitten. Und von dieser Einstellung kann mich auch keine Verfassung abbringen, sei sie in sich sinnig oder nicht.

Sicher, die Verfassung, oder besser das Grundgesetz, hat in seinem Grundrechtekatalog einige sehr nachvollziehbare und verständliche Grundsätze, die ich gerne zu den meinen zähle. Und auch der Aufbau des „Staates“ in einem föderalistischen System halte ich für sehr sinnvoll. Auch viele andere Themen sind nachvollziehbar und werden von mir genauso gesehen. Nicht desto trotz wird alles in der Verfassung geschriebene für mich belanglos, sofern die Meinen und damit auch mein Volk, in ihrer Unsterblichkeit gefährdet werden.

Und ist das nicht ein Wesenszug des Konservatismus? Nicht starr an abstrakten, ja liberalen Regeln festzuhalten, sondern die Welt zu beobachten und zu verstehen um dann entsprechend dem Verstehen zu handeln? Gesetze sind menschgemacht und können fehlerhaft sein. Wenn ich also glaube, eine Idee ist gut und regele dies in einem Gesetz, stelle aber später fest, dass es anders wirkt als erwartet, dann muss ich es ändern. Egal wo es steht.

Marcus Junge

25. Juli 2012 14:27

Martin Lichtmesz

Meinem Verständnis nach, wird der Begriff benutzt, um den Deutschen zu unterstellen, sie wären erst unfähig gewesen einen Zentralstaat zu schaffen und dann, als es ihn ab 1871 gab, hätten sie ihn nicht richtig zu betreiben vermocht und wären daher ein Störfaktor gewesen, dessen man sich in 2 Weltkrieg entledigen mußte. Jedenfalls habe ich diesen Eindruck gewonnen, aus den "Qualitätsmedien".

Es unterschlägt die Besonderheit des Heiligen Römischen Reiches, welches ganz wesentlich war für die Entstehung des Volkes der Dichter und Denken, wie wir es kennen. Fast ein Jahrtausend bestand es ja "nur". Dann fehlt die Erwähnung, was dieses Reich machtlos und zerrissen machte, z.B. die Taten ausländischer Mächte, die es 1618-1648 erst verwüsten und dann per Friedensschluß massiv schwächen, sich langfristig ins Reich schlichen, durch den Besitz von Randbereichen dieses Reiches. Es fehlt die logische Folgerung, was bei einem früher entstandenem Nationalstaat wohl passiert wäre, siehe Balance of Power Politik, die war weder 1914, noch 1939, als "Neuheit" betitelbar. Und es fehlt die ganz besondere Situation der Zeit nach dem Krim-Krieg, welche unabdingbar für den Erfolg Bismarcks war und wohl zu keinem Zeitpunkt vorher bestand.
Und aus diesen Gründen lehne ich die Verwendung des Begriffes "verspätete Nation" ab. Weil dieser ein gewisses Geschmäckle mit sich führt.

Mops

25. Juli 2012 15:05

"Und wenn nur D + It es könnten, warum gibt es Abspalter in den alten Nationalstaaten, die ihre Region rausbrechen wollen? Schotten, Korsen, Basken? Alle in „uralten“ Nationalstaaten gefangen."

Schotten, Korsen und Basken sind eigenständige Völker. Sie wollen sich auch nicht als "Regionen" abspalten sondern als eigenständige Nationen z.T. mit eigener Sprache. Das ist mit der besonders im süddeutsch-katholischen Raum verbreiteten (und vom Ausland geförderten) kleinkarierten Provinztümelei, die nicht selten auf schnödem Wohlstandschauvinismus basiert ("Ich will nicht für die faulen Ossies zahlen, baut die Mauer wieder auf, aber höher als vorher") überhaupt nicht vergleichbar. Die Bayern sind ein deutscher Stamm und kein eigenes Volk, fertig aus.

Landser

25. Juli 2012 15:23

"Als Bismarck, Cavour und Garibaldi zum Zug kamen, waren Frankreich und Großbritannien schon längst geeinte und starke Nationen. Das ist doch sehr einfach, und wertungsneutral ausgedrückt. Die deutsche und italienische Einheit hatten aus diesen und anderen Gründen nie die Festigkeit Frankreichs." (M.L.)

-Hier ist denn doch mal Widerspruch angesagt. Das Wort von der "verspäteten Nation" impliziert, daß es so etwas wie eine Norm-Nation, im Hinblick auf ein zeitliches Zustandekommen, gibt. Und jede Nation, die es bis zu einem von Historikern willkürlich festgelegten Zeitpunkt nicht geschafft hat, einen Nationalstaat auszubilden, ist dann eine angeblich verspätete Nation. Bezugspunkt für die Bemessung, was verspätet ist und was nicht, sind hierbei die von demokratischen deutschen Historikern als vermeintliche Vorbilder so geschätzten Nationen Großbritannien (wobei fraglich ist, ob man in diesem Fall von einer britischen Nation sprechen kann) und Frankreich. Doch was ist mit Ländern wie Portugal, Spanien, Dänemark, Schweden oder Island? Diese existieren viel länger als Nationalstaaten. Aus deren Perspektive sind GB und Frankreich ebenfalls "verspätete Nationen".

Zu "Ein Fremder aus Elea": "Nein. Das ist grundfalsch. „An euren Taten soll man euch erkennen.“ heißt es und „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“

- Dazu hab ich auch ein Bibelzitat:
MEIN REICH IST NICHT VON DIESER WELT.

Konservativer

25. Juli 2012 16:13

Noch ist in Deutschland gar nichts verloren, auch das Prinzip Nationalstaat nicht.
Ich denke, erst wenn Deutschland wirklich "abgeschafft" worden ist, läßt sich die Frage "Nationalstaat weg, was nun ?" sinnvoll beantworten.

Wer weiß denn heute schon, wie die Lage dann konkret aussehen wird, welche Optionen sich bieten werden und welche nicht?

Welcher Mensch kann sich schon auf alle Eventualitäten einstellen und sich entsprechend darauf vorbereiten?

Die gute Idee, der großartige Plan von heute kann sich morgen als "Schnee von gestern" herausstellen, da sie/er nicht zu realisieren ist.

Meines Erachtens ist es daher angezeigt, sich zunächst mit aller Kraft für den Erhalt des Nationalstaats Deutschland als das Land der Deutschen einzusetzen.

Wie auch immer, das ist nicht mehr und nicht weniger als meine Meinung.

Martin

25. Juli 2012 17:17

Man schüttet aus meiner Sicht das Kind mit dem Bade aus, wenn man gegen das Grundgesetz und dessen Grundrechtsordnung damit argumentiert, dass diese nur Mittel zur Repression und Egalisierung sowie Ausdruck der Fremdherrschaft darstellen.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Grundrechte wurden dereinst primär immer als Abwehrrechte des Bürgers gegen einen übermächtigen Staat, dem Leviathan, gesehen. Das heute "Rechte" oder "Konservative" gegen Grundrechte und Verfassung wettern, weil sie darin die Knute der "Gleichmacherei" sehen, ist ein Stück weit - Entschuldigung für den Ausdruck - bürgerliche Dekadenz angesichts des tatsächlich vorhandenen.

Anstatt den Wert einer Verfasstheit, die Abwehrrechte gegenüber einem Staat gerantiert, zu schätzen und diesen Wert wiederherstellen zu wollen, lehnt man diese ab, um dann über einen Etatismus und starken Nationalstaat oder starke Regionen zu reden, bei welchen man selber nicht weis, ob dieser/diese dann wie in Nordkorea aussehen wird/werden oder nicht oder wie und warum überhaupt, da man den Boden einer soliden Grundrechteordnung ohne jede Not verlassen hat. Wie - und das sieht Herr Kleine- Hartlage vollkommen richtig - will man denn überzeugen, wenn man selber kein schlüssiges Angebot hat? Mit dem Rabulieren von irgend einem "Reich" oder einem "Europa der Regionen" (das copyright für letzteren Spruch dürfte übrigens bei der CSU liegen, dass mal nur am Rande)?

Der antiliberale Affekt, den man auch zutreffend als antiliberalen Beißreflex bezeichnen kann, ist in einer Situation wie der heutigen, wo man, um einmal Otto Schily zu zitieren und ohne damit RAF-Apologie betreiben zu wollen, nur noch sagen kann:

Wir führen gegen die Macht das Argument des Rechts ins Feld

ein Kardinalfehler der meisten Rechten oder scheinbar Konservativen, die sehr oft (auch aufgrund einer Mohlerschen Polemik) glauben, der "Liberalismus" wäre die Sünde wider den heiligen Geist ohne oftmals Liberalismus und Liberalität und Libertär auch nur zu kennen, geschweige denn, diese Feinheiten richtig unterscheiden zu können.

Dabei geht Liberal und Konservativ beispielsweise sehr gut zusammen, auch wenn man es hier nicht glauben mag.

Der Konservative führt immer das Argument des menschlichen "Mängelwesens" an. Wenn die Menschen mängelbehaftet sind, was aus meiner Sicht voll und ganz zutreffend ist, dann ist auch der Staat, als menschliches Gebilde, mängelbehaftet. Vor dieser Ausgangslage kann man daher einem Staat nur kritisch gegenüber stehen, wie es auch ein echter Liberaler (kein Libertärer!) macht, der einen Staat ja nicht zwingend ablehnt (da er eben kein libertärer ist).

Ein logisches Ergebnis dieser Anschauung ist für einen konservativen (liberalen) dann, dass er einen Staat dann akzeptiert, wenn dieser nach den Grundsätzen der Mängelvermeidung aufgestellt ist. Man kommt damit relativ schnell dazu, eine System der "checks and balances" zu favorisieren und eine Verfasstheit zu bejahen, in welcher es Grundrechte, eine private Eigentumsordnung und einen starken Rechtsstaat gibt, eigentlich all das, wofür unser gutes Grundgesetz in der Fassung vor 1990 gestanden hat.

Unserem Land täte es daher mehr als gut, wenn es echte Verfassungskonservative gäbe, die deutlich darauf hinweisen, dass die Grundrechte nicht als Mittel der Egalisierung und Repression gedacht waren, sondern für das genaue Gegenteil geschaffen wurden. Das Recht auf Eigentum beinhaltet, trotz aller Sozialisierungsformeln im Grundgesetz, nicht das Recht des Staates auf Ausplünderung seiner Bürger. Der Gleichheitssatz nach alter, tradierter Auffasung bedeutet eben "Gleiches gleich und Ungleiches ungleich" zu behandeln und mitnichten, alles gleich zu machen. Das ist Verfassungskonservativismus, wie ich ihn meine und das hat mit Verfassungspatriotismus nichts zu tun. Patriot ist man unabhänig von der Verfassung. Ein Patriot wünscht sich vielmehr sein Land in einer vernünftigen Verfasstheit - und er wehrt sich gegen eine Perversion der Grundrechte, wie sie heute stattfindet, mit dem umso größeren Einfordern von Grundrechten.

Das Argument des Rechts gegen die Macht eben. Etwas anderes gibt es zur Zeit nicht. Daher auch die Richtigkeit des Arguments des "Verfassungsputsches". Daher auch die Richtigkeit der Argumente gegen frühkindliche Beschneidung, da diese das Recht des Kindes gegen die Macht der Religionsgemeinschaft setzt.

Sicher kommt jetzt der Einwand: Sklavenmoral? Ja! Aber jeder ist letztlich irgendeines anderen n... (frei nach einer Liedzeile von Herrn Manson aus den USA) - dies gilt es zu beachten ...

Manfred Kleine-Hartlage

25. Juli 2012 19:33

@ Defensor75:

Er sagt nicht nur gelebter (und besonders gelebter katholischer) Christlichkeit, sondern auch den „kulturchristlichen“ Fundamenten des Staates mit wachsender Aggressivität den Kampf an. Aus Sicht dieses „Liberalismus“ ist das keineswegs selbstmöderisch.

Selbstverständlich ist das selbstmörderisch. Der liberale Staat, der seinen Liberalismus immer weiter auf die Spitze treibt, schafft Probleme, deren er nur noch durch illiberale, undemokratische, totalitäre Praktiken Herr wird.

Denn darum geht es, darüber sollten ex- und implizite Vorbehalte gegenüber Islam oder Judentum nicht hinwegtäuschen: Um den Angriff auf die praktizierte Religion, dessen eigentliches Ziel hier bei uns das Christentum jenseits seiner liberalismuskonformen Schwundstufen ist, was sonst.

Wem der Angriff gilt, und zwar in der Absicht der Angreifer, ist zweitrangig, entscheidend ist, wen er trifft. Und das ist nicht das Christentum.

@ Christian:

Und warum man meint, das Grundgesetz habe eine Tendenz zur Gleichmacherei.

Dafür gibt es mannigfache Beispiele, etwa den zunehmend durchgesetzten Anspruch auf Gleichbehandlung von Christentum und Islam, weil ja beides "Religionen" seien.

@Marcus Junge, Landser

Was mit der verspäteten Nation gemeint ist, ergibt sich ziemlich unzweideutig aus dem Text und ist von Martin Lichtmesz auch korrekt wiedergegeben worden. Alles andere ist mutwilliges Missverstehenwollen.

@ Ulfric

Das Europa der Regionen mit den Regionen als christliche Homelands in einem islamischen Europa? Was für eine Vision!

@ Volker Faust

Wie dem auch sei, das Zitat spricht nicht vom Christentum, sondern lediglich von Gott.

Dieses entleerte Gottesbild, ein Gott zu dem jeder sich - irgendwie - bekennen kann, ist so gut wie überhaupt keins.

Wir brauchen einen neuen Ansatz, an den der deutsche Mensch glauben kann.
Viele der sog. Vertreter der Konservativen Religion hatten dies bereits erkannt und unterschiedliche Ideen eines neuen deutschen Glaubens entwickelt; angefangen von einem modifizierten deutschen Christentum, dass evtl. gar nicht mehr so genannt wird, bis hin zu einem neuen Heidentum.
Egal wie dieser Glaube aussehen sollte, mit dem uns fremden Christentum hat es wenig gemeinsam.

Das entspricht im religiösen Bereich ungefähr dem, was ich im politischen "technokratisches Identitätsdesign" genannt habe. Nicht nur der politische Konsens, auch der Glaube, und gerade der, wächst historisch oder gar nicht. Der Nation eine neue Identität zu verpassen, gelingt ja, wenn man genau hinsieht, nicht einmal deren Feinden, die seit 1945 alle Macht- und Propagandamittel in der Hand haben, ihr das Deutschsein auszureden. Trotzdem hält es sich hartnäckig. Verglichen mit F, GB oder USA hält das deutsche Volk sich sogar besonders wacker.

Diese Vorstellung, einen neuen Glauben zu erfinden und zur Basis der Gesellschaft zu machen, enthält genau den Denkfehler, aufgrund dessen bei linken Projekten stets das Gegenteil von dem herauskommt, was herauskommen soll, nämlich den Denkfehler, man könne die Gesellschaft nach wohlüberlegten Ideen beliebig formen. Das kann man nicht. Wir siegen "in hoc signo", oder wir gehen unter.

Reichsvogt

25. Juli 2012 19:45

Danke für den kontroversen Artikel! Er läßt innehalten und fordert zur mäßigenden Selbstkritik auf. Aufgrund vieler bodenloser Fehlentwicklungen in unseren sog. "westlichen" Gesellschaften neigt man als rechter Konservativer schnell zu Träumereien oder gar "Untergangsphantasien". Die Gedanken des Autors "erden" den Konservativen im Hier und Heute. Weitere Diskussionen sind sicher notwendig und können nicht zuletzt auf dem "Zwischentag" ausgetragen werden. Zur weiteren Leküre das Thema "Grundgesetz" betreffend empfehle ich in der Zeitschrift "Civitas" des Civitas Institutes die Nummer 8 vom April 2010 den Grundlagenartikel "Die Christliche Grundprägung unseres Staates in Theorie und Praxis" von Heinz-Lothar Barth. https://www.civitas-institut.de/index.php?option=com_rokdownloads&view=file&Itemid=38&id=17:civitas-heft-8-2010
Aus diesem Artikel ein passendes Zitat zu Kleine-Hartlage: "Je mehr man Demokrat ist desto mehr muß man Christ sein, weil nur die glühende und tatkräftige Verehrung des menschgewordenen Gottes das unentbehrliche Gegengewicht gegen die andauernde Hinneigung der Demokratie zur Selbstanbetung des Menschen ist, der sich für einen Gott hält." (Graf Montalembert, zitiert nach obigem Artike S. 66)
Ergänzende Literaturempfehlung; "Warum wir uns Christen nennen müssen: Plädoyer eines Liberalen" von Marcello Pera.

Ulfric

25. Juli 2012 20:16

@Kleine-Hartlage

Soweit stimme ich Ihnen ja zu, aber ist meine "Vision" denn so unvorstellbar? Ist die Islamisierung Europas nicht längst beschlossene Sache der Mächtigen? Ist diese nicht schon so weit voran geschritten, dass Gebiete wie das Ruhrgebiet fast schon als verloren bezeichnet werden können? Einmal wegen der Dekadenz der Deutschen, die wehrunfähig macht, und zum anderen eben wegen der demographischen Entwicklung. Ist es nicht so, dass die patriotischen Parteien um die 2% rumdümpeln? Es müsste schon einen Zusammenbruch der Wirtschaft oder einen Bürgerkrieg geben, damit sich von heute auf morgen die Situation ändert. Ich gehe aber eher davon aus, dass sich das ganze in die Länge zieht und das Volk der Frosch im Wasserglas ist. Die Chance über den Nationalstaat noch irgendwelche Macht zu unseren Gunsten auszuüben ist unglaublich gering.

Und worauf läuft das alles dann hinaus? Auf Regionen in denen noch europäisch-christliche Homelands gehalten werden können, weil die Bevölkerung dort noch zusammen hält und sich selbst schützen kann. Glauben Sie wirklich das dies so unwahrscheinlich ist?

Manfred Kleine-Hartlage

25. Juli 2012 20:27

Ja, weil unter solchen Umständen Deutschland zum Dar al-Islam gehören würde und die Moslems keine Exklaven dulden werden. Es kann schon sein, dass es zum Bürgerkrieg kommt, aber dann wird es darum gehen, ihn zu gewinnen.

Azo

25. Juli 2012 20:31

Dem Artikel ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, genau so verhält es sich. MKH ist, scheints mir, ein Bindeglied zwischen Sezession und Rechtsliberalismus á la PI-News.

Das ist am Fruchtbringendsten, finde ich, da die Sezession etwas zu sehr dazu neigt, von einem längst vergangenen Deutschland auszugehen und daher manchmal realitätsfern, wie eine reine Geschichtsstunde wirkt. Dies während der Rechtsliberalismus beizeiten zu sehr vom Gegebenen ausgeht, das bewahrt werden soll, ohne die Fehler im System anzuprangern. 60% Sezession, 40 % Rechtsliberalismus ist das optimale Verhältnis.

Cooperatores veritatis

25. Juli 2012 20:44

Kleine-Hartlage greift nach Begründungen, ohne Nennung seiner Gründe. Hier spricht er über zwei große Themen (was zusätzliche Kompetenznachweise einfordern lässt)
1. Christentum, möchte er funktional auf ein seinerseits bevorzugtes Ziel beziehen (z. B. Bestätigung von Teilen des Vorherrschenden). Hier spricht er als quasi-Theologe. 2. Positives Recht der Verfassung, will er mit seinem Vorverständnis irgendwie neu auslegen und anwenden. Hier spricht er als quasi-Bundesverfassungsgerichtspräsident und Gesetzgeber.

Eingeräumt wird immerhin, dass beide Gegenstände bloß als Form und Symbolik ihm dienen ("in signo"). Dass die dahinter liegenden Wertinhalte selbst nicht zur Diskussion gestellt werden, lässt vermuten, dass der Autor seinerseits an ihrer Zustimmungsfähigkeit zweifelt. Nur: Was nutzt die vernebelnde Rede?

Christian

25. Juli 2012 21:07

Sehr geehrter Herr Kleine-Hartlage,

das ist eben ein Stück zu kurz gedacht. Ich skizziere das ganz kurz und würde weiteres tatsächlich verschieben wollen auf eine Debatte zu der ich große Lust hätte. Vielleicht auf der nächsten Akademie sofern Sie diesesmal dabei sind?

Die Gleichheit allee Religionen ist im Grundgesetz konsequent und für den Staat völlig unschädlich, hätten unsere Eliten den Schneid, dass Grundgesetz auch zu vollziehen.

Ich schreibe leider vom Mobiltelefon, deswegen sehen Sie es mir nach, wenn ich keine genauen Normzitate liefere:

Art 4 I GG bestimmt nur den individuellen Freiheitsraum der Religionsausübung. Sobald der Einzelne mittels seiner Religionsausübung auf Dritte zugreift, darf der Staat selbstverständlich regelnd eingreifen. (Bei bedarf erläutere ich das juristisch). Art 4 I GG ist nur ein Abwehrrecht gegen den Staat. Forderungen können aus diesem gar nicht aus diesem heraus begründet werden. Nicht dass das allein schon reichen würde alle Religionen auf das Private zu beschränken und schädlichen Tendenzen entgegenzuwirken, bestimmt Art 137 (oder 140, nageln sie mich, wie gesagt, nicht fest) dass Teile der WRV weiter gelten. In diesen ist nochmal ausdrücklich klargestellt, dass die Religion nicht von den staatsbürgerlichen Pflichten entbindet.

Die Religionen müssen auch nicht vor dem Gesetz gleich behandelt werden, weil - eine Binsenweisheit - Religionen keine Grundrechte haben. Die Menschen, die ihre jeweilige Religion ausüben können ebenfalls in der Regel nicht mit Erfolg eine Gleichbehandlung zu einer anderen Religion verlangen. Wenn man nicht schon an dem Punkt aussteigt und sagt das es hier -auch sas wäre ein Verstoß den nur jeder zu vergessen scheint- um die Gleichbehandlung wesentlich Ungleichen geht, dann käme man dazu, zu fragen, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Sicherlich ist hier, wegen Art 3 III GG besondere Vorsicht geboten. Aber selbst der spricht ausdrücklich davon, dass es auch keine Bevorzugung geben darf. Wenn ein Gesetz verbietet, mit Kopftuch schwimmen zu gehen, benachteiligt das die Muslime nicht, weil sie Muslime sind. Gäbe es ein Gesetz, dass Muslimen verbietet mit Kopftuch schwimmen zu gehen, dann sähe das ganz anders aus.

Wie gesagt, das ist nur skizziert und auch ich sehe, dass es faktisch ganz anders läuft. Aber seien Sie sich sicher, dass das in der Rechtswissenschaft nicht untergeht und zumindest als Kompatibilitätsproblem erkannt wird. Dort finden sich dann auch die üblichen beschwichtigungsfloskeln, aber wenn man sich damit auskennt, weiß man zeimlich gut, was der jeweilige Autor sagen wollen würde, wären die Zeiten anders. Ich kann Ihnen, ollte Sie das interessieren, einen juristischen Aufsatz empfehlen der dieses Jahr in der JZ erschienen ist. In der JZ 02 diesen Jahres müsste das sein. Der Aufsatz hatte das Thema Islam Islamisches Recht und Grundgesetz (oder so ähnlich, wie gesagt ich bin unterwegs).

Bleibt festzuhalten das der konservative Beißreflex bzgl. Aufklärung und vorallem der Gleicheit zu kurz greift und im Grunde etwas ganz anderes kritisiert. Aber ich denke wir reden lange genug aneinandet vorbei, daher würde ich das auf eine Diskussion jenseits der Blogs und Kommentare verschieben.

Ein Fremder aus Elea

25. Juli 2012 21:30

Landser,

selbestverständlich ist Jesu Reich nicht VON dieser Welt, sondern VON Gott.

Ein Fremder aus Elea

25. Juli 2012 22:10

(Fortsetzung)

Sehen Sie, das ist ein doch ein erstklassiges Beispiel dafür, daß Leute, wenn sie die Bibel lesen, ihr Gehirn ausschalten und sich noch nicht einmal danach fragen, was der Satz, den sie gerade gelesen haben, überhaupt bedeutet.

Im Englischen heißt es "not of this world" und nicht "not from this world", gemeint ist aber dasselbe, nämlich "not of the nature of this world", "not receiving its authority from this world".

Und das ist ein zentraler Punkt: Mit weltlicher Autorität läßt sich das Reich Gottes nicht aufrichten. Es muß freiwillig aus innerer Überzeugung geschehen.

Das heißt aber nicht, daß das Ziel nicht die Aufrichtung des Reiches Gottes wäre, das Vaterunser ist da auch völlig unmißverständlich.

Was meinen Sie, warum sich Jesus darüber beklagt, daß seine Jünger ihn (nur) wegen seiner Wunder als Autorität akzeptieren?

Was meinen Sie, was das hier heißt?

Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum; du wirst noch Größeres denn das sehen. Und spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf und herab fahren auf des Menschen Sohn.

Das ist der Quell des Reich Gottes, das seine Natur. Nähe zu Gott ist nicht dazu bestimmt, eine Distanz zu anderen aufzubauen, nicht dazu bestimmt, ihnen zu befehlen.

Manfred Kleine-Hartlage

26. Juli 2012 00:29

@ Cooperatores veritatis:

Sie ergehen sich in aus der Luft gegriffenen Unterstellungen, und der Vorwurf, ich würde meine Gründe nicht nennen, fällt auf Sie selbst zurück. Und was die "Kompetenznachweise" angeht: Wenn Ihnen der historische Kontext des Satzes "In hoc signo vinces" nicht geläufig ist und Sie deshalb aus dem bloßen Wort "Signum" schließen zu müssen meinen, es gehe nur um Zeichen und nicht um Inhalte, dann sollten Sie sich tunlichst in die Geschichte des Christentums vertiefen, um Ihrer eigenen Kompetenz ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

Volker Faust

26. Juli 2012 11:21

Sehr geehrter Herr Kleine-Hartlage,

Sie antworteten mir

Wie dem auch sei, das Zitat spricht nicht vom Christentum, sondern lediglich von Gott.

Dieses entleerte Gottesbild, ein Gott zu dem jeder sich – irgendwie – bekennen kann, ist so gut wie überhaupt keins.

Wir brauchen einen neuen Ansatz, an den der deutsche Mensch glauben kann.
Viele der sog. Vertreter der Konservativen Religion hatten dies bereits erkannt und unterschiedliche Ideen eines neuen deutschen Glaubens entwickelt; angefangen von einem modifizierten deutschen Christentum, dass evtl. gar nicht mehr so genannt wird, bis hin zu einem neuen Heidentum.
Egal wie dieser Glaube aussehen sollte, mit dem uns fremden Christentum hat es wenig gemeinsam.

Das entspricht im religiösen Bereich ungefähr dem, was ich im politischen „technokratisches Identitätsdesign“ genannt habe. Nicht nur der politische Konsens, auch der Glaube, und gerade der, wächst historisch oder gar nicht. Der Nation eine neue Identität zu verpassen, gelingt ja, wenn man genau hinsieht, nicht einmal deren Feinden, die seit 1945 alle Macht- und Propagandamittel in der Hand haben, ihr das Deutschsein auszureden. Trotzdem hält es sich hartnäckig. Verglichen mit F, GB oder USA hält das deutsche Volk sich sogar besonders wacker.
Diese Vorstellung, einen neuen Glauben zu erfinden und zur Basis der Gesellschaft zu machen, enthält genau den Denkfehler, aufgrund dessen bei linken Projekten stets das Gegenteil von dem herauskommt, was herauskommen soll, nämlich den Denkfehler, man könne die Gesellschaft nach wohlüberlegten Ideen beliebig formen. Das kann man nicht. Wir siegen „in hoc signo“, oder wir gehen unter.

Zunächst einmal gebe ich Ihnen Recht, dass mein Gottesbegriff, wie ich ihn hier in diesen wenigen Zeilen beschrieben habe nur ein entleerter sein kann.

Gleichzeitig kann ich Ihnen aber auch nur entgegnen: „Gott ist tot“. Genauso, wie es Nietzsche gemeint hat. Das Christentum stirbt. Und leider haben es viele Konservative noch nicht verstanden oder wollen es nicht wahr haben. Wer sich auf etwas so altes, sterbendes verlässt und hofft, daraus ergibt sich für eine neue Bewegung neue Kraft, der ist verloren. Das Christentum ist wie ein Reh, das weiterläuft obwohl der Pfeil längst in seinem Herz steckt und glaub, es ist nichts passiert.
Und doch ist vor allem in Deutschland das Christentum tot. Nicht, weil dessen moralische Werte nichts mehr zählen. Ganz im Gegenteil. Der Liberalismus hat diese, wie Sie selbst schreiben, übernommen. Und ich gehe noch weiter, diese sogar perfektioniert.
Aber das Christentum ist mehr. Das muss ich Ihnen und vielen Konservativen nicht sagen. Jedoch leidet das Christentum an seinem eigenen metaphysischen Weltbild. Ich kenne außerhalb der hier lesenden und schreibenden Kreise sehr wenige gläubige Christen in meinem oder jüngeren Alter. Einfach, weil das Christentum spätestens seit Juri Gagarin alle Glaubwürdigkeit verloren hat.

Wenn Sie heute kritisieren, eine neue metaphysische Idee in die Welt zu bringen wäre mit dem „technokratisches Identitätsdesign“ vergleichbar und implizieren wollen, dass dies ein absurdes und unmögliches Unterfangen ist, so haben Sie den Blick auf die Religionsgeschichte des Christentums vernachlässigt. Denn im alten Rom mit seinen römischen Göttern war auch das Christentum einst eine neue Religion, mit sehr wenigen Anhängern. Und doch setzte sich diese über einen gewissen Zeitraum und mit dem nötigen Entbehrungen durch.
Doch dies konnte im alten Rom auch nur deswegen geschehen, da die polytheistischen Götter nicht mehr die Antwort auf die Zeit geben konnten. Genau wie das Christentum heute.

Voll auf Ihrer Linie bin ich allerdings bei Ihrer Aussage: „(…) auch der Glaube, und gerade der, wächst historisch oder gar nicht“
Glaube kann man nicht erfinden und braucht Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte um sich von seiner Idee und ersten Keimzelle zu etwas bedeutendem zu entwickeln. Aber genau um diese Keimzelle ging es mir. Und diese existiert bereits. Wer wie ich öfters in heidnischen Foren unterwegs ist, kennt natürlich viele „Neuheiden“ die einer romantischen Vorstellung des Asentums nachhängen, was mindestens, wenn nicht noch darüber hinaus so absurd ist, wie viele „Lehren“ des Christentums. Ich hoffe, Sie verzeihen mir letzteren Vergleich.
Aber ich treffe auch viele Menschen in diesen Foren, die erkannt haben, dass eben nicht der Mensch es sein kann, der im Mittelpunkt aller Betrachtungen steht. Ich treffe Menschen, die genau wie ich erkannt haben, dass die Mitwelt, die Natur das eigentliche Zentrum der Betrachtung sein sollte. Ich treffe Menschen, die nicht an einen „Gott“ glauben, der sich im unendlichen Universum nur auf den Menschen konzentriert und Ihn nach seinem Abbild schuf. In ihrer Welt sind Dinosaurier genauso möglich wie außerirdisches Leben. Einfach, weil die göttliche Kraft im ganzen Universum wirkt. Ihr Glaube erklärt, warum es sein kann, dass auch ein frommer Mensch im Krieg fällt, eine fromme Nation einen Krieg verliert oder ein unschuldiges Kind vom Krebs zerfressen werden kann. Alles fragen, deren Antworten aus christlicher Sicht oft unbeantwortet bleiben. Denn wie oft habe ich schon den Satz gelesen: „Wie konnte [der christliche] Gott Auschwitz zulassen“. Und letztlich kommt dann die Christen zu der meines Wissens nach noch nicht entschiedenen Frage: Ist Gott allmächtig und damit gut und böse zugleich oder ist Gott ein guter Gott, was natürlich bei all dem schlechten in der Welt die Frage aufwirft, ob Gott dann allmächtig ist oder einen ebenso mächtigen Gegenspieler hat.

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht weiter auf die metaphysische Frage eingehen. Mir ist nur wichtig zu sehen, dass das Christentum als Basis für den politischen Kampf nicht das passende Fundament ist. Mir liegt es fern, einem gläubigen Christen seinen Glauben auszureden. Wer bin ich, dies zu wollen? Aber es sind eben nicht alle Mitstreiter unserer „kleinen Bewegung“ Christen und doch haben wir das gleiche Ziel.

Ich glaube mich auch nicht vom Schicksal ausersehen, hier oder in der Welt allgemein die „neue Wahrheit“ zu verkünden. Ich habe lediglich meinen eigenen Glauben.

Daher sollten wir auch den politischen Kampf vom religiösen Gedanken trennen und nicht versuchen über den Umweg einer politischen Bewegung dem Christentum wieder Bedeutung zu verschaffen.

Dass der Islam trotzdem als Gegner erkannt werden muss, daran besteht anderseits auch wieder keine Frage. Aber nicht aus der religiösen Frage heraus, auch wenn er sein Fundament im islamischen Glauben hat. Unsere politische Bewegung hat nur deswegen sich mit dem Islam zu befassen, da seine fremden Sitten und seine fremde Moral das deutsche Volk angreifen und versuchen es zu beseitigen. Allerdings darf man dem Islam auf diesem Weg niemals folgen und mit gleichen Waffen kämpfen. Jedenfalls nicht in Deutschland, in dem das Christentum eben nicht mehr das tragende Fundament der Gesellschaft ist.

Zusammenfassend möchte ich also festhalten , dass ich höchstpersönlich anders glaube und auch der Überzeugung bin, dass das Christentum in unserer Gesellschaft keine Zukunft hat. Zudem bin der Überzeugung, dass insbesondere für die Bewahrer der Unsterblichkeit, also die Konservativen, ein metaphysisches Fundament unabdingbar ist und wir uns über sehr lange Zeit ein „Neues“ erarbeiten müssen. Egal wie dieses eines Tages aussieht und ob dieses dann ein reformiertes Christentum handelt oder etwas ganz anderes und neues. Schließlich aber ändert das nichts an der gegenwärtigen prekären Situation, worin das Vordringen des Islam eine gewisse Rolle spielt. Doch der Islam ist weder Ursache noch Kern des Problems sondern nur ein Syndrom. Diesem das Christentum entgegen stellen zu wollen ist der falsche Weg. Da die Ursache alles Übels in der Politik liegt, kann und muss auch dem Islam, sowie den restlichen Feinden nur eine politische Antwort entgegengestellt werden.

Reichsvogt

26. Juli 2012 13:16

Ich möchte im Zusammenhang des letzten Diskussionsbeitrages daran erinnern: Das authentische Christentum versteht sich nicht als eine Form "gemachter" Religion subjektivistischer Färbung und irgendein Kulturphänomen sondern als "objektive Wahrheit". Dafür ist es unerheblich wieviele Leute daran glauben. Das Christentum lebt aus der fleischgewordenen Wahrheit, dem Gottmenschen Jesus Christus. Selbstverständlich kann niemandem der Glaube aufgezwungen werden und auch ich bin der Auffassung dass im Konservativen Bereich überzeugte Christen und Nicht-Christen zusammenarbeiten müssen. Problematisch wird es allerdings bei antichirstlichen Positionen, die ich in dieser Diskussion bisher allerdings nicht eindeutig ausmachen kann.

Landser

26. Juli 2012 14:37

@Marcus Junge, Landser

Was mit der verspäteten Nation gemeint ist, ergibt sich ziemlich unzweideutig aus dem Text und ist von Martin Lichtmesz auch korrekt wiedergegeben worden. Alles andere ist mutwilliges Missverstehenwollen.

-Sehr geehrter Herr Kleine-Hartlage,
mein Einwurf galt eher generell dem Begriff "verspätete Nation", den ich, aus oben erwähnten Gründen, für falsch und irreführend halte. Also ich denke nicht, daß ich irgend etwas missverstehen wollte. Schon gar nicht mutwillig. Zumal ich Ihren Ausführungen (und denen von M.L.) vollständig zustimme.

Ein Fremder aus Elea
-Vielen Dank für die Ausführung. Das hab ich tatsächlich so noch nicht gesehen. Interessant und bedenkenswert. Nur das mit dem "Hirn ausschalten" hätten Sie sich sparen können.

zentralwerkstatt

26. Juli 2012 20:19

Das Christentum stirbt.

Für mich ganz im Gegenteil hat das Christentum im Rahmen der politischen Anmaßungen und Verbrechen gegen mich neues Leben erfahren. Es geht nicht um den Beweis der göttlichen Mission Jesu, es geht um seine Botschaft, und die ist meiner Ansicht nach höchstethisch, also ist es an mir zu versuchen, danach zu leben, das ist wohl eine Lebensaufgabe, wesentlich schwerer als anderen erzählen zu wollen, was sie zu tun und zu lassen haben. Grüne und Linke sind demnach Beispiele höchstunethischen Verhaltens, was sich mit meinen Alltagserfahrungen und dem Beobachten der Politiker deckt.

Ich bin genuin freiheitlich, und der Nationalstaat steht bei mir nicht zur Disposition, ich erkenne ihn als bestmögliche, weil naturgegebene Grundlage eines übergeordneten Gemeinschaftssystems an.
Der Nationalstaat nimmt mir aufgrund ethnischer, kultureller und historischer Selbstverständlichkeiten ein Spannungs- und Bedrohungspotential ab – negative Einwirkungen also, die ja gerade im natürlichen Verlauf zur Formierung von Gemeinschaften Gleicher als Überlebensstrategie veranlaßt haben.

Der Staatsapparat soll eingedämmt und damit verläßlich bleiben, ich befürworte die Position von Roland Baader. Ein deutscher Staat soll den eigenverantwortlichen Menschen als Staatsräson anerkennen. Die Präambel einer Deutschen Verfassung sollte sich an J.W. v. Goethe orientieren: "Welche Regierung die beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren."

Mit der Auflösung der deutschen Nation degeneriert unser Schutzraum zu einem linken Kleptokraten- und Obrigkeitsstaat mit einem politisch-verordneten Diskussionskorridor und dem psychischen und / oder physischen Einkerkern von Andersdenkenden. Die immigrationsbedingte, durch den Michel finanzierte Barbarisierung des öffentlichen Raumes, die politisch verordnet nicht angesprochen werden darf, schafft darüber hinaus einst überwunden geglaubte Bedrohungen für die ausgebeuteten Einheimischen.

Für uns Deutsche ist längst der Notwehrfall da, jede Waffe darf also gegriffen werden, auch eine Besatzerordnung, wenn sie dienlich sein kann.

Man kann sich durchaus etwas von den Linken abschauen, die zum Fechtduell eine Pistole mitnehmen und das in ihrem Wahn legitimieren, da sie sich für die Guuhten halten.

Im Kampf gegen Linke ist es nur ‚fair‘ (engl. angemessen, gerecht), wenn man auch link agiert.

Christoph Mike Dietel

27. Juli 2012 11:12

Lieber Herr Lichtmesz,

höre ich recht. Sie sprechen- als Wiener, wenn ich mich nicht irre- im Blick auf die Reichsgründung im Bismarckformat von der Einung der Nation? Mir fällt die Marille aus dem Knödel!

Lieber Herr Lichtmesz, solcherlei Leichtsinn muß einen Sachsen mit Stockerauer Großvater, Tanten, Vettern und Basen im 1. Bezirk! bis aufs ererbte Wienererblut sekieren ......Was wäre das, wenn sich Deutschland beim Blick auf die Österreiche ob und unter der Ens, die Steiermark und - nun ja,mit etwas Mut und Gott befohlen- auch das Burgenland nicht wiederekennte, wie im Spiegel? Ich will es Ihnen sagen: eine handfeste Nationalbewußtseinsspaltung.....womit zutreffend beschrieben ist, woran die Nation spätestens seit 1871 leidet; und nichts bekräftigt diese Diagnose mehr, als die Feststellung, daß die Nation an dieser Spaltung gerade nicht leidet.

Daß die Rede von der verspäteten Nation kaum gegen das Mißverständnis zu immunisieren sein wird, es gäbe einen Fahrplan, an dem gemessen die preußisch deutsche Staatsbahn eben verspätet eingefahren sei, ist hier schon festgestellt worden. Dieses Mißverständnis ist bedenklich, nicht wegen der ihm vorausgehenden Annahme eines den ordnungsgemäßen Geschichtsablauf vorschreibenden Planes- derlei fällt in den Bereich der Spekulationen und somit des mehr oder weniger unterhaltsamen Zeitvertreibes-sondern, weil die Verpätung zum Geburtsfehler erklärt wird, der die Nation unentrinnbar auf die schiefe Bahn gebracht habe und unvermeidlich bösartig entarten ließ. Ein in jeder Hinsicht fatales Urteil, finde ich, dem wir nicht fahrlässig das Wort reden sollten.

Wenn ich es recht verstehe, meint das dictum von der verspäteten Nation doch wohl nicht die Nation, sonderen deren Verstaatlichung. Die Frage ist freilich, und ich würde sie wie Menzel beantworten, ob die Nation Staat machen muß, um zu existieren. Ich jedenfalls fühle mich vom Staate eher belästigt und würde meine Angelegenheiten gerne selber regeln. Die Deutschen bedürfen des Staates nicht, um, so sie wollen, als Nation zu überleben und sie überleben - wenn überhaupt- als Sachsen, Bayern, Schwaben, Tiroler und Fischköppe aller Art!

Inselbauer

27. Juli 2012 11:57

Die Substanz hinter diesen Gefechten zwischen Rechten scheint mir das Ritual des "Zurechtstutzens der Jungen" im Interesse irgend einer Erwachsenheit zu sein, die deprimierender Weise mit einer Apologie der BRD zusammen fällt. Dieser vorgeblich wertfreie analytische Zugang zu einem vorgeblichen Verfassungsputsch ist albern. Die Verfassung der BRD ist keine Verfassung sondern eine Modalität der Fremdherrschaft, wie jeder Trottel weiß, noch dazu eine, die darauf angelegt ist, den Übergang in noch unfreiere Zustände zu regeln. Noch inmal: Wer erwachsen aein will, soll der SPD oder dem ADAC beitreten, alles andere wäre doch kindisch, ja ein unreifer Reflex. In den Schuldienst mit Ihnen, Herr Klein-Hartlage!

nino

27. Juli 2012 17:43

Wenn man die Fremdherrschaft daran erinnert, dass sie ihre eigenen Regeln bricht, hat das mMn nicht wirklich was mit Arschkriecherei zu tun. Abgesehen davon sind ja nicht alle Punkte des GG einfach schlecht. Gewisse könnte man problemlos in eine Verfassung übernehmen, für welche das deutsche Volk sich dann frei entscheiden dürfte oder eben auch nicht. Mit den Menschenrechten verhält es sich genauso. Obwohl ich erklärter Gegner der Menschenrechte bin, heisst das noch lange nicht, dass ich alle darin enthaltenen Punkte als schlecht empfinden muss.

Martin

27. Juli 2012 17:59

Inselbauer,

zu Ihrem letzten Beitrag fällt mir dann nur noch dieser alte Spruch ein:

Mit Fundamentalisten zu diskutieren ist wie mit einer Taube Schach zu spielen:
Selbst wenn man der beste Spieler der Welt wäre, die Taube würde nur alle Figuren umschmeißen, auf das Brett kacken und triumphierend umherstolzieren.

Ob Sie Fundamentalist sind, weis ich nicht, daher für den Fundamentalist schon einmal eine Entschuldigung im Voraus - der Rest passt aber leider zu Ihren Aussagen ...

Biobrother

27. Juli 2012 19:49

Auch wenn die Diskussion hier jetzt bereits weitgehend zu ihrem Ende gekommen zu sein scheint, noch ein Nachtrag mit der Bitte um Freischaltung: Meine obige Zustimmung zum Text von Herrn Kleine-Hartlage bezog sich vor allem auf die Beziehung zwischen Christentum und modernem liberalem Staat. Natürlich ist auch klar, dass letzterer den Zugriffsrechten von Religionen Grenzen setzt, was dann aber natürlich für alle Religionen gilt. Die Beschneidungsdebatte finde ich persönlich auch recht übertrieben (Sommerlochhysterie ?); natürlich ist auch die Beschneidung von Jungen eine milde Form von Körperverletzung und nicht, wie der m.E. etwas übereifrige Abenteuerkatholik Matthias Matussek meinte, "kaum schmerzhafter als eine Impfung". Aber sie ist eben auch eine uralte jüdisch-muslimische Tradition, die man nicht so einfach verbieten kann - mehr als eine Verpflichtung zu medizinisch sauberer Durchführung (sofern noch nicht gegeben) ist da wohl nicht praktikabel.

Inselbauer

28. Juli 2012 09:38

Lieber Martin! Ich habe es selbst erlebt, dass der ehemalige Schachweltmeister Kramnik davon abgehalten werden musste, im Rausch auf ein Schachbrett zu kacken; es sah so aus, als hätte er von der deutschen Bundesliga und den dortigen Klugscheissern ein wenig die Nase voll.
In der Sache könnte man noch sagen, dass es hier einen Drang zur differenzierenden Selbstbeschädigung gibt, wie er sonst für linke Splitterparteien typisch ist. Das tut mir weh, und es löst zugegebenermaßen einen gewissen Kackreiz aus. Außerdem gehen mir die Prosemibardebatten hier manchmal auf die Nerven. Lichtmesz bringt es noch ein wenig zuwege, hier eine nennenswerte dialektische Differenzierung heraushängen zu lassen, trotzdem ist das doch im Grunde unter Rechten eine exotische Haltung. Ohne Brutalität und Fundamentalismus, zumindest als Zutat, für die man sich unter Kameraden nicht zu schämen braucht, ist doch das ganze rechte Projekt eine Variante des Menschenrechtsgedankens (...)

Th.R.

29. Juli 2012 00:25

Herr Volker Faust,

ich möchte Sie wissen lassen, dass ich mit Ihren Ausführungen oben voll und ganz überein gehe. Jedes Ding hat seine endliche Lebensdauer, und diejenige des Christentums ist in Europa abgelaufen. Europa hat die christliche Vorstellungswelt schlicht "durch- und ausgelebt". Der europäische Mensch erhofft und erwartet sich nichts mehr von dieser Lehre, die nur mehr Leere ist. Er ist der christlichen Vorstellungswelt überdrüssig. 2000 Jahre sind genug, da kommt einfach nichts mehr.

Damit soll aber nicht gesagt sein, dass mit dem Niedergang des Christentums auch das religiöse Bedürfnis an sich aus den Menschen verschwunden wäre. Ganz im Gegenteil schlummert die religiöse Veranlagung auch im post-christlichen europäischen Menschen vor sich hin. Und nur weil das Christentum nicht mehr zu überzeugen weiß, heißt das nicht, dass eine neue religiöse Vorstellungswelt, hinter der auch religiöse Substanz stünde, dieses schlummernde Bedürfnis nicht wieder ansprechen und zur lodernden Willensflamme ( Was der Mensch will, glaubt und hofft er auch. Also: Wille->Glaube->Hoffnung/Verheißung!) entfachen könnte.

Sofern man eine religiöse Neukonstruktion ernsthaft in Erwägung zieht, sollte man sich bewußt machen, dass jede Neuschöpfung religiöser Vorstellungswelten heute nur mehr Synkretismus sein kann. Alle religösen Formen, die religiöse Bindungskräfte effektiv generieren können, waren in der Geschichte der Menschheit schon einmal da, hatten sich mal hier, mal da gezeigt, und das Rad braucht deshalb hier nicht neu erfunden zu werden. Man muß nur einen Blick zurück in die Geschichte nehmen, um zu erkennen, welche religiösen Formen sich durchgesetzt und bewährt haben und welche nicht - und durch welche Eigenschaften einige Religionskonstrukte anderen gegenüber überlegen wurden und sich gegen diese durchsetzen konnten.

Der Mensch heute ist mit seinen Trieben, Instinkten und psychischen Veranlagungen der selbe, der schon vor tausenden Jahren gelebt hat. Auf diesem Gebiet hat sich nichts geändert, und daher können auch die psycholgischen Gesetzmäßigkeiten, die in den alten religiösen Schriften stecken, ihre Gültigkeit auch heute noch beanspruchen. Denn das Prinzip jeder Religion, sofern sie Bindungskräfte effektiv zu generieren im Stande ist, ist, dass sie auf die Bezugnahmen und Einbindung eben dieser universellen menschlichen Triebe und zentralen Instinkte (d.h. des Willens) abstellt.

Mit ihrer Begeisterung für das sogenannte Neuheidentum kann ich deswegen nur teilweise konform gehen, weil ich hier die bewährten religiösen Formen vermisse. Inhaltlich mag die Absicht des Neuheidentums richtig sein (Ja, ich bekenne mich ausdrücklich zu dem Ziel der Erhaltung der weissen Rasse), aber ohne die entsprechenden erprobten und bewährten Formen ist eine effektive Durchdringung der Masse mit religiösen Vorstellungswelten unrealistisch - und ohne solche religiöse Vorstellungswelten eine Bindung und Verankerung der Lehre in der Masse nicht zu bewerkstelligen.

Ohne jetzt in die Details zu gehen, hier eine nichtabschließende Aufzählung von zentralen religiösen Formen bzw. von religiösen (Aus-)Gestaltungselementen und Eigenschaften, die sich in diesem Sinne bewährt haben und die hier gemeint waren:

Bejahung der Existenz von Gott und Generierung einer diesbezüglichen Gottesvorstellung, dualistische Strukturierung der Lehre in Gebote und Verbote, dualistische Einteilung der Menscheit in rein und unrein, Verheißung des Seelenheils durch den allwissenden, allsehenden, allmächtigen Gott dem einzelnen Gläubigen gegenüber, Gott als höchstpersönlicher Richter, Jenseitsvorstellung und Gottesgericht mit Verheißung von Lohn oder Strafe, Überhöhung des Jenseits und Relativierung des Diesseits, Schöpfungsmythen, Offenbarungsmythen, Niederlegung der Lehre in heiligen Schriften als zentrale Bezugsquellen, Standardisierte Gebetstexte und Predigten zur zyklischen Vergegenwärtigung der religiösen Vorstellung, Auserwähltheitsglaube (Nur wer weiß/glaubt/erkennt, etwas Besonderes bzw. einzigartig zu sein, wird sich selbst für wertvoll halten und dementsprechend einen Willen zur eigenen Selbsterhaltung innerlich aufbauen.), Riten, Gottesdienste, religiöse Texte zur Generierung und Pflege der religiösen Vorstellungswelt und zur Lebendighaltung des Glaubens (d.h. Pflege der Bindung zwischen Gott und Mensch sowie zwischen Mensch und Gott), Eindeutigkeit, Einfachheit und Klarheit der religiösen Lehre und Vorstellung insbesondere auch durch beispielhafte religiöse Schilderungen, Anekdoten, Geschichten, Beantwortung aller zentralen und elementaren Lebensfragen des durchschnittlichen einzelnen Gläubigen ("Wer bin ich?, Woher komme ich?, Wohin gehe ich?, Was muß ich tun, um zu bestehen, was ist meine Aufgabe? Was ist meine Mission im Diesseits?, Was kommt nach dem irdischen Leben? Wem muß ich gehorchen? Was ist der Lohn, was die Strafe? usw.)

Eine neue religiöse Lehre , sofern sie überhaupt je kommen wird, kann nur in diesen erprobten Formen möglich sein. Beim Neuheidentum kann ich das nicht sehen - aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Georg Mogel

29. Juli 2012 21:00

...Die Geschichte stellt immer wieder die extremen Situationen her, in denen das Richtbeil mit unermüdlichem Pflichteifer hinter der reinen Gesinnung herwandelt, denn dann polarisieren sich die Ethosformen, und die dadurch enthemmte Aggressivität erweist sich oft als die einzige Möglichkeit, aus verwickelten und verketteten Umständen Anfangszustände zu machen.

Arnold Gehlen,
Moral und Hypermoral

Christoph Mike Dietel

31. Juli 2012 11:27

Sehr geehrter Th.R., es ist ja nicht fraglich, daß jeglichem Dinge seine Zeit zugemessen sei, so daß also alle Dinge in zeitlichen und räumlichen Grenzen als Ding bestimmbar in Erscheinung treten, fragwürdig aber ist, inwiefern das, was Sie die christliche Vorstellungswelt nennen, Ding genannt werden darf. Welch Leiter man erklimmen muß, um diese Vorstellungswelt umfassend betrachten und erkennen zu können, daß sie in den zuletzt verflossnen zwei Jahrtausenden bis zum Überdruß restlos durch - und ausgelebt worden sei, vermag ich mir nicht vorzustellen.....aber, die Rede von einer Vorstellungswelt des Christentums, die ja zuvörderst der Vorstellung Ausdruck verleiht, es gäbe einen solchen Kosmos von Vorstellungen, außerhalb dessen der chrsitliche Glaube nicht mehr als Sprache zur Welt kommen könnte, in der wir leben, scheint mir Grunnd genug, an ihrer Diagnose zu zweifeln.

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