eine Lichtmesz-Stürzenberger-Kontroverse geworden ist, ist gestern von Martin Lichtmesz in diesem Blog um ein weiteres Kapitel bereichert worden. Die Antwort auf Stürzenbergers giftige Unterstellungen war notwendig, und Lichtmesz hat diese Unterstellungen – die ja letztlich nicht nur ihm galten, sondern der gesamten Neuen Rechten und ihrer politischen Theorie – Punkt für Punkt zerpflückt. So weit, so gut.
Weniger gut und Anlaß für meinen Artikel sind die letzten drei Absätze, die ich deshalb hier noch einmal zitiere:
Sollten solche krassen Fehlleistungen [Gemeint ist die Interpretation des Anti-Mohammed-Videos als “Dokumentarfilm”, MKH] keine Ausrutscher sein, sondern symptomatisch für den Wirklichkeitszugang der „Islamkritik“, dann haben wir es weniger mit „Kritik“ als mit bloßer Krawallmache zu tun. Ich höre diese Art von Aktivismus oft mit dem Argument verteidigt, daß sie zumindest in einem Teilbereich aufklärend und wachrüttelnd wirke. Wenn sich etwas ändern soll, dann brauche man nicht nur Weißmanns, sondern auch Bierzeltredner, die die Massen mobilisieren und motivieren.
Ich habe Respekt vor den Machertypen und Praktikern, kann aber den Glauben an diese Romantik des Brachialen und des Polternden beim besten Willen nicht teilen. Ich hege die tiefste Skepsis, daß aus blindwütiger Schwarzweißmalerei etwas Vernünftiges und Brauchbares erwachsen kann. Rein praktisch sehe ich nur die Installation eines Dampfablaßventils, das von einem erkenntnisfeindlichen weltanschaulichen Rahmen ummauert bleibt. Das Klischeebild „Hemdsärmelige Täter gegen intellektuelle Quatschköppe“, das nun in Anschlag gebracht wird, ist irreführend, die faule Ausrede der getroffenen Hunde, die laut bellen.
Es bleibt aber unerläßliche Pflicht, stets eine genaue Erkenntnis der Lage zu gewinnen. Gerade das Beispiel dieser Art von „Islamkritik“ zeigt, wie einengend und blockierend sich derartige Mentalitäten und Einäugigkeiten auswirken können. Die Qualität der Ansprechenden wird sich in der Qualität der Angesprochenen spiegeln, was nur erneut dazu führen wird, daß der „colère des imbéciles“ (Georges Bernanos) die Welt überflutet.
Provokation ist keine Krawallmache, auch wenn sie Krawalle der Gegenseite hervorruft; sie könnte es nicht, wenn es das, was sie sichtbar machen soll, nicht gäbe. Übrigens: Wenn Stürzenberger wirklich so naiv wäre, den bewußten Film für eine Eins-zu-eins-Abbildung des Lebens von Mohammed zu halten statt für eine simple Provokation, dann hätten wir es erst recht nicht mit “Krawallmache” zu tun, sondern eben mit Naivität. Ich glaube aber nicht, daß er so naiv ist.
Ferner ist an dem Argument, daß man nicht nur die intellektuellen Vordenker benötigt, sondern auch die, die eine Botschaft ins Volk tragen, nicht die Spur von Romantik. Es ist einfach nur realistisch. Politik und Metapolitik sind unterschiedliche Schlachtfelder, auf denen unterschiedliche Gesetze gelten. Metapolitik will Begriffe prägen, deuten und besetzen, um Eliten (und erst auf diesem Umweg Massen) beeinflussen; Politik, speziell politische Propaganda, zielt direkt auf Massen. Ich kann nicht erkennen, welchen Sinn es haben soll, einem Kämpfer vorzuwerfen, daß er sich an diejenigen Regeln hält, die auf seinem Schlachtfeld nun einmal gelten. Die Finger vom Schmutz der Politik zu lassen, wenn sie einem nun einmal nicht liegt, ist jedermann unbenommen. Ob allerdings ein Konzept, das ausschließlich auf Metapolitik setzt und auf den direkten Appell ans Volk nicht nur selbst verzichtet, sondern ihn mit aristokratischem Naserümpfen auch dann verächtlich macht, wenn Andere ihn suchen, bezweifle ich.
Praktisch die gesamten Funktionseliten unseres Landes sind geistig, moralisch und materiell korrupt. Sie sind für Argumente nicht erreichbar, weil Argumente – zumindest gute Argumente – weder karrierefördernd noch prestigeträchtig sind; nicht einmal essen kann man sie. Für Menschen, die ihre eigene Vernunft rein instrumentell verwenden, sind sie buchstäblich “nicht zu gebrauchen”. Metapolitik wird die etablierten Eliten nur marginal erreichen; sie wird sich darauf konzentrieren müssen, Gegeneliten heranzubilden. Deren Angehörige werden aber leicht zu komischen Figuren, wenn es ihnen an einem Resonanzboden fehlt. Wo keine Masse, da keine Elite. Die Massenloyalität gegenüber dem herrschenden Regime zu unterminieren: Das ist Politik, nicht Metapolitik. Es ist im Kern Propaganda.
Propaganda kann “brachial und polternd” sein, muß es aber nicht, und was Stürzenberger angeht, ist sie es nicht – oder doch zumindest weitaus weniger als die Art von Propaganda, die die Gegenseite uns täglich serviert, man denke allein an den “Kampf gegen Rechts” oder die Kriegshetze gegen Syrien. Was immer man Stürzenberger (und überhaupt der liberalen Islamkritik, die aber nicht einfach die Islamkritik ist) an Verkürzungen vorwerfen mag: Was er über den Islam sagt, ist wahr, was auch Lichtmesz nicht bestreitet; und wenn es auch im politischen Feld nicht die Wahrheit gibt (auch das Mohammed-Filmchen ist selbstverständlich nicht einfach die Wahrheit), so gibt es sehr wohl die Unwahrheit, und eine Propaganda, die wenigstens ohne Unwahrheiten auskommt, steht allein damit schon turmhoch über allem, was in der etablierten deutschen Politik und Publizistik gang und gäbe ist. (Das gilt zumindest für Stürzenbergers Islamkritik. Was seine Ausfälle gegen Lichtmesz und zum Teil auch gegen die Sezession angeht, so sei ihm zugute gehalten, daß sich hier der Zorn des heftig Kritisierten mit aufrichtigem Unverständnis gegenüber Positionen mischt, mit denen er anscheinend bisher noch nicht konfrontiert wurde, und die in seiner politischen Landkarte nicht vorgesehen sind.) Wenn es also stimmt, daß “die Qualität der Ansprechenden sich in der Qualität der Angesprochenen spiegelt”, dann brauchen die, die sich von Stürzenberger angesprochen fühlen, den Vergleich mit der Anhängerschaft der etablierten Parteien gewiß nicht zu scheuen.
Womit wir bei Stürzenbergers “weltanschaulichem Rahmen” wären, also der liberalen Ideologie, von der er ausgeht, und die in der Tat Erkenntnisblockaden begünstigt, wie Lichtmesz richtig feststellt und hier bei der Sezession keiner bestreiten wird. Allerdings ist “das Klischeebild ‘Hemdsärmelige Täter gegen intellektuelle Quatschköppe’, das nun in Anschlag gebracht wird”, keine Spezialität von liberalen Islamkritikern. Der vulgäre antiintellektuelle Affekt zeigte dieser Tage in den Kommentarsträngen sehr verschiedener, auch rechter Blogs seine Fratze; das ist eine Frage der Bildung, nicht der Ideologie.
Die “unerläßliche Pflicht, stets eine genaue Erkenntnis der Lage zu gewinnen”, ist unbestritten, aber Erkenntnis ist etwas Individuelles, um das Jeder sich selbst kümmern muß. Es hieße aber das Kind mit dem Bade auszuschütten und sich selbst zur Politikunfähigkeit zu verurteilen, wenn man es ablehnte, mit benachbarten politischen Kräften zu kooperieren, nur weil man ihrer Ideologie wegen ihre Erkenntnisfähigkeit anzweifelt. Wenn Kommentatoren sowohl bei PI als auch bei der Sezession und anderswo verkünden, der jeweils Andere könne solcher Unterschiede wegen kein Partner sein, dann drückt sich darin gerade nicht eine realistische Antwort auf die zentrale Frage aus, wer Freund und wer Feind ist.
Der Feind selbst ist da viel weiter: In gewisser Hinsicht haben dessen Propagandisten, Ideologen und Sturmabteilungen nämlich vollkommen Recht, wenn sie alles, was irgendwie rechts ist, in einen Topf werfen. Das hat selbstredend nichts mit ideologiekritischer Analyse zu tun – dazu sind die aufgeblasenen, aber wohlsubventionierten “Rechtsextremismusexperten” des Regimes weder in der Lage, noch entspricht es ihrem Kampfauftrag -, sondern mit der Erkenntnis, daß Jeder, der irgendeinen Aspekt des Eigenen verteidigt, damit den Projekten der Eliten im Weg steht, über deren Inhalt sie die Öffentlichkeit keineswegs belügen, sondern mit gefälligen Phrasen einlullen: Da wird das Chaos zur “Buntheit”, die Zerstörung ganzer Völker zur “Vielfalt”, Diskriminierung zur “Antidiskriminierung”, Handeln gegen die eigenen Interessen zur “Toleranz”, die Ausplünderung des deutschen Steuerzahlers zur “europäischen Solidarität”, die Zerstörung des Nationalstaates zum “europäischen Projekt” oder zur “globalen Zusammenarbeit”, und so weiter und so fort.
Sie wissen genau, was sie wollen, und deshalb wissen sie auch, wer ihr Feind ist, nämlich Jeder, der an irgendeinem der Güter und Werte festhält, die auf ihrer Abschußliste stehen: am Nationalstaat, an der verfassungsmäßigen Ordnung, an der Meinungsfreiheit, an der Integrität des eigenen Volkes, der Souveränität des eigenen Staates, oder auch schlicht an der vertrauten Lebenswelt, in der man aufgewachsen ist, und die den gigantischen Menschenversuchen der sogenannten Eliten geopfert werden soll. Menschen, die sich nicht daran gewöhnen wollen, daß ihre Töchter auf der Straße mit “Isch fick disch” angepöbelt werden; die merken, wie das Faustrecht eine vormals friedliche Lebenskultur verdrängt; die feststellen, daß ihr eigenes soziales Verhalten von Schmarotzern ausgenutzt wird; die das, was sie in den Zeitungen lesen, nicht mit ihrer Wahrnehmung in Einklang bringen können.
Sie versuchen, sich darauf einen Reim zu machen, Erklärungen zu finden und sich politisch zu orientieren. Die Erklärungen und Orientierungen werden sich unterscheiden, allein schon deshalb, weil nicht Alle von denselben Fragen ausgehen und dieselben Probleme im Vordergrund sehen; aber auch deshalb, weil sie einfach – Menschen sind.
Es tut mir leid, die Leser mit einer Platitüde zu belästigen, aber Menschen sind verschieden. Sie denken unterschiedlich und empfinden unterschiedlich, und deswegen wird ein und dasselbe Argument, ein und dieselbe Ideologie oder Theorie den einen überzeugen und den anderen eben nicht. Es ist schlicht unmöglich, ein ganzes Volk, oder auch nur eine Mehrheit, unter der Flagge einer einzigen Weltanschauung zu versammeln. Das mußten die Kommunisten lernen, die es trotz massiver Propaganda nicht schafften, wie auch die Nazis, die feststellen mußten, daß sie die Deutschen nicht zu einem Volk von Antisemiten umerziehen konnten; und dieselbe frustrierende Erfahrung machen die heutigen Herrscher, die sich mit einem Phänomen konfrontiert sehen, das ihre Ideologen in der ihnen eigenen Orwellsprache den “Extremismus der Mitte” nennen, also die hartnäckige Resistenz gerade des einfachen Volkes gegen ihre konzertierten pädagogischen Bemühungen. Oppositionellen Bewegungen wird es erst recht nicht gelingen.
Politische Koalitionsbildung ist nur möglich, wo man die Vielfalt (hier paßt das Wort wirklich) der ideologischen Ausgangspunkte nicht als zu überwindendes Hindernis, sondern als selbstverständliche Vorgabe betrachtet. Die Frage lautet dann nicht, wer dieselben Ansichten vertritt wie ich, sondern wessen Ansichten und Ziele mit meinen kompatibel sind. Gemeinsam muß nur der Feind sein.
Wenn ich als Konservativer eine freiheitliche Ordnung verteidige, dann verteidige ich die Rechte von Homosexuellen mit: nicht, weil sie mir besonders am Herzen lägen, sondern implizit, weil ich nicht anders kann. Ein Nationalist, der die Identität und Integrität des eigenen Volkes verteidigt und deshalb gegen Masseneinwanderung ist, kämpft implizit auch gegen Islamisierung, auch wenn er persönlich mit dem Islam vielleicht sogar sympathisiert. Ein liberaler Islamkritiker wiederum kann gar nicht anders, als zugleich mit seiner Islamkritik auch die Vorstellung von der Existenz kultureller Inkompatibilitäten zu untermauern, und so weiter. Instinktiv wissen die meisten durchaus, wer der Feind ist, auch in der PI-Szene. Es spricht Bände, mit welcher Selbstverständlichkeit dort zum Beispiel die Übertragung von Kompetenzen an die EU abgelehnt wird, obwohl das Thema mit Islamkritik auf den ersten Blick überhaupt nichts zu tun hat.
Überhaupt sollte man nicht unterschätzen, wieviel identitäres Potenzial auch in der PI-Szene (und darüber hinaus sogar bis weit in den Mainstream hinein) vorhanden ist. Als rechter Intellektueller ärgert man sich über naive Ansichten wie: “Wer loyal zum Grundgesetz steht, ist hier willkommen”. Man sollte nur nicht den Subtext übersehen: “Dies ist unser Land, und hier gelten unsere Regeln”; das Grundgesetz ist dann nicht viel mehr als eine Chiffre für “unsere Regeln”. Ideologische Konsistenz ist für Intellektuelle, die sich öffentlich äußern, naturgemäß enorm wichtig und muß es auch sein. Den meisten unserer Mitbürger aber liefert eine politische Ideologie nur die Worte, in die sie ihre Gefühle kleiden. Nein, es ist keine Intellektuellen-Arroganz, dies auszusprechen: Es ist einfach so.
Ich bin wirklich der Letzte, der eine sauber begründete theoretische und ideologische Position geringschätzt, oder der Meinungsverschiedenheiten auf diesen Gebieten für unwichtig hielte. Man muß sich nur darüber im Klaren sein, in welchen Zusammenhängen sie wichtig sind und in welchen nicht. In metapolitischen Zusammenhängen sind sie entscheidend, in politischen meist weniger. Politische Kräfte nach ihren ideologischen Motiven zu beurteilen statt nach ihren praktischen Wirkungen ist ein unpolitischer Standpunkt.
Die entscheidenden Fragen lauten: 1. Hat diese Kraft denselben Feind wie ich? (Im Zweifel liefert der Feind selbst die zuverlässigste Antwort.) 2. Beeinflußt ihr Handeln das politische Kräfteparallelogramm in einem Sinne, der meinen Zielen entgegenkommt, oder nicht? Alles andere ist Judäische Volksfront.
Wer unter diesem Gesichtspunkt, also dem der Wirkung, nicht der Ideologie, die Arbeit von Michael Stürzenberger beurteilt, kann über das Urteil keinen Zweifel hegen.
Ben_Diako
Ich wäre ingesamt dankbar, wenn die Frequenz der Artikel auf Sezession.de abnehmen würde. Mehr Innerlichkeit!
antwort kubitschek
es kommen auch wieder ruhigere zeiten. derzeit brennt halt ein feuerchen. lesen Sie fleißig, es geht ja um essentielles.