Pochen ungehört bleibt, wenn es bloß argumentativ erfolgt. Recht bekommt, wer die Macht hat, es sich zu verschaffen, ernten kann, wer das Feld besetzt hält. Dies gilt vor allem auf dem Feld der Politik, das wie kaum ein anderes dem Besitzanspruch unterworfen ist und die historische Gerechtigkeit nicht kennt.
Der Verlust der urkonservativen Idee des Umweltschutzes an die radikal linken Grünen ist ein Lehrbeispiel für politische Okkupation, und alles Klagen heimatbewußter Öko-Urgesteine hilft nichts: Die Kronjuwelen sind geraubt, und mit Fukushima, Klimawandel und der umweltbewußten Art des Konsumierens werden Wahlen gewonnen.
Konrad Adams Warnschrift ist ein gutes Beispiel dafür, warum es einem echten Konservativen nicht gelingen kann, jene Verbiegungen mitzumachen, die den Grünen von heute so mühelos gelingen: Technik- und Wissenschaftskritik im eigentlichen Sinn ist vor allem der radikale Verzicht auf das Machbare. Dieses Machbare nämlich bleibt nicht im Stadium seiner Möglichkeit, sondern wird stets organisiert und erprobt. Adam zitiert schockierende Äußerungen jener Wissenschaftler, die den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki vorbereiteten und jede Verantwortung dafür der Politik zuschoben, und gelangt zu einem mutigen Fazit: »Als technisches Problem betrachtet, das Kosten mit Nutzen vergleicht, erscheint nicht Auschwitz, sondern Hiroshima als die Untat, die dem Jahrhundert sein Gepräge gab.«
Welche Untat wird die nächste sein? Oder sind wir längst Zeugen und Opfer eines schleichenden Frevels – jenem gesamtgesellschaftlichen Umbau in eine Ökodiktatur, die dem Konsumenten das gute, CO2-neutrale Gewissen zurückgegeben hat? Wie weit weg ist das alles von jenen Gesellen, die sich Ende der Siebziger ihre Pullis selber strickten und am liebsten gar nichts mehr gekauft hätten? Adam hat recht, wenn er den urkonservativen Begriff des »Lebens« gegen die Machbar- und Manipulierbarkeit in Stellung bringt, wenn er von Respekt und Behutsamkeit, Anschauung und Rücksichtnahme schreibt. Sein Buch ist klug – und hilflos wie jeder Versuch, machtlos auf das Recht zu pochen.
Und leider gibt Adam den Konservativen nicht einmal die eigenen, grünen Wurzeln zurück: Zwar ruft er das berühmte Meißner-Treffen des Wandervogels von 1913 in Erinnerung – jener radikalen Anti-Industrialisierungsbewegung, die einen anderen, deutschen Weg in die Moderne suchte. Aber aus unerfindlichem Grund knüpft er nicht an jene Technik- und Wissenschaftskritik an, die von konservativer Seite bereits ausformuliert war: Friedrich Georg Jüngers Perfektion der Technik und Martin Heideggers Die Technik und die Kehre kommen nicht vor. Das ist kaum zu glauben.
Konrad Adam: Kampf gegen die Natur. Der gefährliche Irrweg der Wissenschaft, Berlin: Rowohlt 2012. 272 S., 19.95 €