aus ethischer, sozialer, frauenrechtlerischer, religiöser Sicht. Allein: Wer tut das schon? Das Thema, wiewohl wochentäglich hundertfache Praxis in Deutschland, wird ausgeklammert vom Diskursrauschen.
Die sich dennoch dazu äußern, argumentieren gerade aufgrund dieser tabuartigen Einkapselung des Themas (»darüber spricht man nicht«) emotional. Appelle an verleugnete Muttergefühle einerseits, andererseits Selbstbestimmungsparolen und blanker Haß, tertium non datur. Man denke an die aggressiven Gegendemonstranten, die alljährlich in Berlin den Defensiv-»Marsch für das Leben« flankieren!
Der pensionierte Wirtschaftsanwalt Wolfgang Philipp verleugnet nicht, auf welcher Seite er steht; auf der des ungeborenen Lebens. Sein profundes Buch widmet sich gleichwohl (fast) nüchtern der Rolle des demokratischen Rechtsstaats in der Abbruchfrage. Daß Philipp dabei knapp 150 Seiten Text in 38 Kapitel (etwa »Das Verhalten der gesetzlichen Krankenkassen«, »Hebammen unter Druck«, »Die politische Indikation«) aufgeteilt hat, gereicht dem dichten Büchlein zum Vorteil. Minutiös zeichnet der Autor die juristischen und politischen Querelen rund um die Abtreibungsfrage der vergangenen 40 Jahre nach. Wie verdruckst und paradox doch die Begründungen sind, die eine bis heute rechtswidrige Tat zu einer nicht nur straffrei geduldeten, sondern weithin aus staatlichen Mitteln finanzierten »medizinischen Versorgung« werden ließen!
»Wer ein Kind abtreibt, spart auf Jahre dessen Unterhalt. Dann ist ihm wenigstens zuzumuten, die Kosten der Abtreibung zu tragen und nicht der Solidargemeinschaft aufzubürden«, so Philipp. Allein, daß er seine eigene Person – Philipp hatte in den achtziger Jahren als Anwalt eine Redakteurin vertreten, die mit ihren Kassenbeiträgen keine Abtreibungen finanzieren wollte – stets als »der Autor« ins Spiel bringt, erschwert den Lesefluß auf mancher Strecke. Immerhin kommen neben dem Autor ungezählte andere Autoren ins Spiel. Etwa die Bundesregierung, die eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Hubert Hüppe beantwortete: Von 1996 bis 2003 hatten die Länder den Krankenkassen exakt 250.532352,60 Euro für die Tötung von 810947 Ungeborenen erstattet. Die paar Hundert Millionen Euro dürften dabei die bedeutungslosere Saldostelle ausmachen.
Wolfgang Philipp: Zerstörte Zukunft. Wie Deutschland seinem Nachwuchs die Geburt verweigert. Eine fällige Abrechnung, Bad Schussenried: Gerhard Hess Verlag 2012. 160 S., 16.80 €