in der ihm wohl gerade wenig zum Lachen zumute ist. Die hessische Kleinstadt Karben, laut Wikipedia mit einer Einwohnerzahl von 21.255 gesegnet, hat nun also frei nach Henrik Ibsen ihren “Volksfeind” gefunden, zumindest wenn es nach dem Willen einiger einschlägig motivierter Zeitgenossen geht.
In Ibsens Stück geht es bekanntlich um einen Arzt, der in seinem kleinen Kurort zur Zielscheibe eines gesteuerten “Mobbings” wird, weil er es gewagt hat, die für die Gemeinde äußerst unbequeme Wahrheit publik zu machen, daß ihre lukrativen Wasserquellen vergiftet sind. Korruption, Lüge, Feigheit und politisches Kalkül setzen sich durch und drängen den verstockten Dr. Stockmann zunehmend ins Abseits.
Das Stück kulminiert in einer großen Anklagerede Stockmanns gegen die korrupte Gemeinde- und Badeverwaltung. Doch in ihr sieht er nur die Spitze des Eisbergs:
… diese Art Leute sind es gar nicht einmal, die für die Gesellschaft die größte Gefahr sind; sie sind es nicht, die zur Vergiftung unserer geistigen Lebensquellen und zur Verpestung des Bodens, auf dem wir stehen, das meiste beitragen; nicht sie sind in unserm Gemeinwesen die gefährlichsten Feinde der Wahrheit und der Freiheit.
Denn:
Der gefährlichste Feind der Wahrheit und Freiheit bei uns – das ist die kompakte Majorität. Jawohl, die verfluchte, kompakte, liberale Majorität, – die ist es! Nun wißt Ihr’s!
Nun setzt allgemeine Empörung ein, die den Ankläger nur noch weiter in Rage treibt:
Aslaksen. Der Vorsitzende erwartet, daß der Redner seine unbesonnenen Ausdrücke zurücknimmt.
Stockmann. Ich denke gar nicht dran, Herr Aslaksen. Die überwiegende Mehrheit in unserer Gesellschaft ist es, die mich meiner Freiheit beraubt und mir verbieten will, die Wahrheit auszusprechen.
Hovstadt. Die Mehrheit hat immer das Recht auf ihrer Seite.
Billing. Und auch die Wahrheit; Gott verdamm’ mich!
Stockmann. Die Mehrheit hat nie das Recht auf ihrer Seite. Nie, sag’ ich! Das ist auch so eine von den gesellschaftlichen Lügen, gegen die ein freier, denkender Mann sich empören muß. Woraus besteht denn in einem Lande die Mehrheit der Bewohner? Aus den klugen Leuten oder aus den dummen? Wir sind, denke ich, uns wohl darin einig, daß die Dummen in geradezu überwältigender Majorität rings auf der weiten Erde vorhanden sind. Aber zum Teufel noch mal, es kann doch nie und nimmer in Ordnung sein, daß die Dummen über die Klugen herrschen!
Lärm und Geschrei.
Stockmann. Ja, ja; Ihr könnt mich wohl niederschreien, aber Ihr könnt mich nicht widerlegen. Die Mehrheit hat die Macht – leider –; aber das Recht hat sie nicht. Das Recht habe ich und noch ein paar andere. Die Minorität hat immer das Recht.
Diese Szenen haben Stoff für ungezählte Schulaufsätze und staatsbürgerkundliche Erörterungen geliefert. Blicken wir nun nach Karben, so will ich nicht behaupten, daß Andreas Lichert in irgendeiner Sache recht hat, bloß weil er in der Minderheit ist. Aber zweifelsfrei kann man feststellen, daß die zusammengetrommelte (und ‑gewürfelte) Mehrheit mit ihren Vorwürfen gegen ihn und seine Projektwerkstatt schon rein sachlich im Unrecht ist.
Was war sonst noch so in Hessen dieser Tage los? In Frankfurt lieferten sich 6,000 Linksextremisten wilde Straßenschlachten mit der Polizei und wurden von den Medien überwiegend wohlwollend als unterdrückte “Kapitalismusgegner” vorgestellt; in Offenbach griffen Salafisten ein Kamerateam der ARD an, wobei die Journalisten “erheblich verletzt” wurden. Diese Nachricht kam gerade noch im SWR, wanderte aber ansonsten in den Orkus des alternativen Medien. Auch Juden werden in Offenbach wieder auf offener Straße verprügelt, diesmal von “südländischen Jugendlichen” .
Und zur gleichen Zeit wird in Karben zur Hexenjagd auf einen Mann geblasen, der nichts anderes getan hat, als für “harte Debatten und freie Rede” einzutreten.
Wie schon in anderen Artikeln auf dieser Seite ausgeführt: der Wink kam aus dem Eck der CDU und versammelte unter anderem Linksradikale und Vertreter der türkisch-nationalistisch-islamistischen Organisation “DITIB”, die momentan Deutschland mit Moscheen zupflastert. Rein technisch gesehen gehört eine solche Organisation eindeutig der politischen Rechten an, und vertritt Werte, die die mit ihnen ins Bündnis getretene Antifa vehement und auch mit Gewaltanwendung bekämpft, sobald sie sich auch nur rudimentär und gemäßigt auf deutscher Seite äußern. Das Ergebnis dieser Koalition wirkt wie ein Titanic-Cover.
Offensichtlich wurde hier wieder einmal – ganz wie in Ibsens Stück mit willfähriger Unterstützung einer offenbar gänzlich kritiklosen Lokalpresse – das “Opium gegen Rechts” freigegeben, wie es Sophie Dannenberg einmal ausdrückte. Die Presse hantierte, wie in solchen Angelegenheiten üblich, mit infamen bis kitschigen Worthülsen. Man kennt das beliebte Nonsens-Genre: demnach etwa sei Karben “besonders bunt und weltoffen” , weil in “der ansässigen Ditib-Moschee” Imam Mustafa Eren “jeden Freitag seine Glaubensschwestern und ‑brüder zum Gebet ruft.”
Nun, ich bin sicher, die Karbener schweben vor Glückseligkeit darob meterweit über dem Boden. “Hurra, wir haben einen waschechten Imam, endlich sind wir total bunt und weltoffen!” DITIB arbeitet jedenfalls selbstlos daran, möglichst viele große und kleine Nester in Deutschland mit einem Muezzinruf zu beglücken, damit ihre ganz besondere “Buntheit und Weltoffenheit” zweifelsfrei bestätigt sei.
Was haben nun opportunistische und prestigegeile CDU-Politiker, türkische Nationalislamisten und linksradikale Antifanten gemeinsam? Was stört sie so sehr an einem einzigen Mann, der “freie Rede” fordert, daß sie ihn mit allen erdenklichen Mitteln diffamieren und unter Druck setzen müssen?
Man kann es wohl so aufdröseln: die einen brauchen einen passenden Sündenbock, an dem sie sich die Füße abstreifen und ins goldigglänzende Licht setzen können, die anderen wollen jedes Hindernis auf ihrem Kulturkampf beseitigt haben und sich PR-trächtig als “diskriminierte” Opfergruppe inszenieren, die dritten wiederum sehen wieder einmal eine Gelegenheit, unter dem Mäntelchen des “Antifaschismus” ihrem Selbsthaß als Deutsche und ihren unterdrückten SA-Neigungen freien Lauf zu lassen.
Die Farce von Karben, das ist die Bundesrepublik Deutschland in einer Nußschale, eigentlich schon mehr ein Fall für Ionesco als für Ibsen. Die “Projektwerkstatt Karben” fordert von ihren Teilnehmern “zwingend” folgende Bekenntnisse ein:
-Bedingungslose Ablehnung von Gewalt gegen Personen und Sachen
‑Bekenntnis zum Grundgesetz
‑Bekenntnis zum freiheitlichen Rechtsstaat und den demokratischen Grundfreiheiten
‑Achtung der Menschenwürde und Respekt vor Andersdenkenden
Das hat fast schon etwas Rührendes, wenn man sich die Gegner und Verleumder der Projektbetreiber ansieht: denn die Initiatoren des „Bündnisses offenes Karben“ sind im Gegensatz dazu offensichtlich nicht gar so doll anspruchsvoll, was die Auswahl ihrer Bundesgenossen betrifft. Nach dem Motto: Wer auf “dem Boden des Grundgesetzes steht”, bestimmen wir, und was sich durchsetzt, wird schon richtig sein.
Zum zweiten werden solche Bekenntnisse in der Regel ausschließlich “Rechten” und Konservativen abverlangt bis erpreßt, freilich ohne, daß ihnen nach Leistung des Eides oder Kniefalles eine Chance auf Anhörung gegeben oder der “Verdacht” zurückgenommen werde. Ansonsten schert sich kein Mensch mehr in Deutschland um diese Dinge, am allerwenigsten die Bundesregierung und die Richter von Karlsruhe.
Trotzdem sehen sich viele Konservative immer noch in einer potenziell staatstragenden Rolle, und während sie treuherzig zeigen, daß sie bereit sind, diesen Staat gemäß der Spielregeln mitzutragen, sind ihre Gegner tagtäglich mit dessen Abschaffung (durchaus im Sinne Sarrazins) beschäftigt. In Wirklichkeit sind sie es, die heute “Mimikry” und bloße Lippenbekenntnisse pflegen.
Und eine dritte Ironie: die wenigen noch verbliebenen wackerbraven, dabei so übel verleumdeten Konservativen sind heute wohl die einzigen, die ihre Grundgesetz-Bekenntnisse noch ernst nehmen, während der Rest des politischen Spektrums dazu nur mehr in einem opportunistischen, rein schlagwortartigen Verhältnis steht. Ihre Protagonisten suggerieren, daß ihre Agenda – sei sie “antifaschistisch”, pro-multikulturalistisch, pro-Brüssel, pro-Islam usw. – irgendwie mit “Grundgesetz und Menschenrechten” identisch sei, und je nebeliger diese Vorstellung umherzieht, desto besser.
Ebenso willkürlich wird mit Begriffen wie “extremistisch”,“antidemokratisch” oder dem allseits beliebten “Nazi”-Joker hantiert. Ein notorischer Antifarübezahl, gegen den gerade ein Ermittlungsverfahren wegen „schwerem aufwieglerischen Landfriedensbruch, Nötigung und Strafvereitelung” läuft, der die rechtswidrige Blockade von Demonstrationen unterstützt und vermutlich zur Gewalt gegen Polizisten aufgerufen hat, bekommt einen “Demokratiepreis” für seine “tollen Ideen gegen Rechtsextremismus” und für “eine demokratische und offene Alltagskultur”.
Oder: Ein Soziologe wirft einen Schmöker auf den Markt, in dem der AfD “antidemokratische Ziele” unterstellt werden, unter anderem, weil sie für mehr “direkte Demokratie” eintritt. Legal, illegal, scheißegal – auch hier ist man längst im absurden Theater angelangt.
Ich habe es hier schon oft wiederholt: man muß sehen lernen, was sich hinter all diesen Worthülsen verbirgt. Scheinbare “Volksfronten” wie das “Bürgerbündnis Karben” sind nichts weiter als Manifestationen des manifesten deutschen Anti-Staats auf lokaler Ebene. Das eigentliche Verbrechen, das nicht verziehen wird, bleibt nach wie vor der dreiste Anspruch auf irgendeine Art von kultureller und nationaler Selbstbehauptung – allerdings nur insofern sie vom eigenen Staatsvolk ausgeht, wie das Beispiel DITIB anschaulich zeigt.
W-D. L.
Zur Ergänzung Volkserbauungs- und -erziehungsartikel aus der lokalen Presse:
https://www.fnp.de/rhein-main/wetterau/Karben-sendet-ein-starkes-Signal;art677,554639
"Die anschließende Möglichkeit, Fragen an den Experten zu stellen, nutzen jedoch nicht nur interessierte Bürger, sondern auch einige Identitäre und deren Sympathisanten. Sie zitieren oft gehörte Phrasen rechtspopulistischen Gedankenguts und heizen so die Stimmung im Saal an. So sieht sich der Saal mehrfach gezwungen, den Provokationen ein Ende zu bereiten und destruktive Zwischenrufe lauthals in Unmutsäußerungen untergehen zu lassen.
Auch ein kurzes Gerangel um das offene Mikro wollen die Besucher nicht sehen. Zu wichtig sind ihnen ihre freiheitlich-demokratischen Prinzipien. Dennoch muss von Leonhardi insgesamt sieben Mal wie zuvor angekündigt von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Besucher, deren Verhalten einen konstruktiven Verlauf der Veranstaltung unmöglich macht, des Saals verweisen."
Und: https://www.wetterauer-zeitung.de/Home/Kreis/Staedte-und-Gemeinden/Karben/Artikel,-Karbener-setzen-klares-Zeichen-gegen-rechts-_arid,426945_costart,2_regid,3_puid,1_pageid,85.html
"Immer wieder versuchten einige anwesende Rechte mit den Veranstaltern zu diskutieren und laut ihre Parolen zu äußern. Von den Zuschauern wurden sie ausgebuht und ausgelacht. Diskussionsleiter Andreas Hofmann bat mehrmals darum, nur Fragen zu stellen und keine Statements abzugeben. Als die Störenfriede sich darauf nicht einlassen wollten, erteilte Stadtrat von Leonhardi ihnen ein Hausverbot und sie mussten die Veranstaltung verlassen. Von den Zuschauern wurde dies mit Applaus begrüßt. Einer der Provokateure schien einen Hitlergruß anzudeuten, doch auch das konnte der friedlichen Atmosphäre der Informationsveranstaltung nichts anhaben."
M.L.: Wahnsinn! DDR 2.0 mal wieder "live"...