Ob es um Kampfdrohnen oder Hubschrauber ging – immer blieb der Eindruck von organisierter Verantwortungslosigkeit zurück. Der Eindruck, der dadurch entstand, könnte ungünstiger nicht sein, denn man durfte vermuten, daß die Bundeswehrführung ähnlich mit den ihr anvertrauten Soldaten umgeht.
Daß diese Vermutung nicht unberechtigt ist, macht ein Buch deutlich, das gestern in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Es heißt Soldatentum und die Autoren befinden sich darin Auf der Suche nach Identität und Berufung der Bundeswehr heute. Herausgegeben haben es die Oberleutnante Böcker, Kempf und Springer, die sich im Spätsommer 2011 gegen einen Maulkorberlaß an der Bundeswehr-Universität München wehren mußten. Das Buch ist nicht zuletzt die Folge aus dieser Erfahrung, weil die Universitätsleitung damals Anstoß an der offen geführten Diskussion über das soldatische Selbstverständnis in der Gegenwart nahm.
Daß die drei Oberleutnante den Gesprächsfaden mit diesem Buch wieder aufnehmen, ist bemerkenswert und wird dadurch erstaunlich, wenn man bedenkt, daß der ehemalige Generalinspekteur Klaus Naumann und der aktuelle Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Ulrich Kirsch Geleitworte beigesteuert haben. Bei der gestrigen Vorstellung waren neben Kirsch und den drei Herausgebern noch die Mitautoren Prof. Carlo Masala und Hauptmann Bohnert sowie der Wehrbeauftrage Helmut Königshaus nicht nur anwesend, sondern auch durch Wortbeträge beteiligt.
Über mangelnde Unterstützung können sich die Herausgeber damit nicht beklagen und es ist zu hoffen, daß es ihnen gelingt, die Wahrnehmungsschwelle zu überspringen. Das Anliegen, das sie mit diesem Buch vorbringen, ist für die Zukunft der deutschen Armee entscheidend. Es geht ihnen um eine ehrliche Antwort auf die Frage, wozu und wem sie eigentlich dienen, wenn sie sich freiwillig bereiterklären, für die Bundesrepublik den Kopf hinzuhalten. Daß es darauf keine selbstverständliche Antwort mehr gibt, zeigte die Buchvorstellung, bei der sich vor allem über die mangelnde Wertschätzung der Soldaten durch die Gesellschaft beschwert wurde.
Von den eigentlichen Gründen für dieses Mißverhältnis wurden einige wenigstens erwähnt. Neben der Abschaffung der Wehrpflicht und dem demographischen Niedergang Deutschlands dürften aber die mangelnde Souveränität unseres Staates, die bewußte Feminisierung unserer Gesellschaft und unsere Distanzierung von der eigenen Geschichte die Hauptrolle spielen. Die Autoren hatten dazu ein Thesenpapier vorbereitet, das gestern leider kaum zur Sprache kam, was nicht zuletzt an die offiziellen Unterstützung für die Herausgeber liegen dürfte. Deren Janusköpfigkeit besteht darin, daß sie den radikalen Fragen die Spitze abbrechen muß, weil die Interessenvertreter der Bundeswehr für die Misere mitverantwortlich sind. Und auch hier wird der Schwarze Peter munter zwischen Politik und Bundeswehr hin- und hergeschoben.
Man hat gelernt, daß es eines Ventils bedarf, wenn der Druck steigt und der Kessel zu platzen droht. Die gewollte Folgenlosigkeit der Fragen nach Identität und Selbstbild der Bundeswehr könnte sich allerdings in Zukunft als verheerend erweisen. Was die Verantwortlichen übersehen, ist, daß die Fragen aus einer echten Not heraus gestellt werden und daß es die Besten sind, die durch die wohlwollende Interessenloigkeit der Antworten verprellt werden. Klar ist auch, daß diese Fragen nur für eine Minderheit ein existentielles Problem darstellen. Die meisten führen Befehle aus und erfüllen damit, was man von ihnen erwartet. Doch eine Armee muß nicht nur militärisch, sondern auch geistig geführt werden, wenn sie ihren Auftrag verantwortungsvoll erfüllen soll.
Raskolnikow
Ein so grundlegendes Sujet,
das Konservative wohl nur noch wenig interessiert ... Spricht für die Verfettung einer ganzen Geistesrichtung.
In der Bundeswehr laufen, wie in allen Armeen, zu neun Zehnteln Karrieristen und Geldverdiener durch die Flure. Die interessieren nicht!
Das eine Zehntel, man könnte es das soldatische Zehntel nennen, besteht aus zwei Typen: dem Vaterlandsverteidiger und dem Landsknecht.
Der Vaterlandsverteidiger (die Autoren zähle ich mal zu dieser Gruppe) hat eigentlich in der BW nichts verloren, aber eine idealistische Sicht auf den Soldatenberuf. Er reibt sich an den Umständen, eckt an, kapituliert schließlich auf die eine oder andere Art. Meist ist er ein etwas kopflastiger Schlaumilek, daher natürlich standesbewusst und Offizier. Konservativ selbstverständlich! Selten im Einsatz, viel lesend und besorgte Herrengespräche im Offz-Casino führend. Es gibt da so Zirkel, das weiß ich wohl ...
Der Landsknecht will Blut! Ihn findet man in Seedorf, Bad Reichenhall oder Calw. Seine Abenteuerlust lässt ihm keine Zeit, über politischen Firlefanz nachzudenken. Trotzdem liest auch er nicht selten. Seine Kampfkraft ist hoch, er sieht den Krieg als Sport. Ihn stört auch nicht, dass seine Gefechte in der Presse nicht genannt werden, ihm zählt nur die Anerkennung der Kameraden. Die Anderen interessieren ihn ohnehin nicht. Der Landsknecht hat eine BW-Uni nie von innen gesehen, denn da hätte man ihn aussortiert ...
"Das Fehlen von soldatischer Identität und Berufung" kann der Landsknecht nicht beklagen, denn der Sinn seines Soldatseins ist der Schusswechsel! Die leitende "Idee von sich selbst und ... (seinem) ... Tun" ist, sich selbst zu überwinden (auch wenn er das so nicht erklären kann).
Zu allen Zeiten waren die Landsknechte im Krieg, egal unter welchen Herren ...
Vielleicht sind die Vaterlandsverteidiger heute Verleger ...
Glück ab!
R.