sei sie hier verzeichnet: die derzeitige Lieblingspartei der Konservativen, die AfD, hat öffentlich einen islamkritischen Redner geköpft, der auf einer ihrer Veranstaltungen über „Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“ sprechen sollte.
Der Theologe Karl-Heinz Kuhlmann wurde mit folgender Begründung nach Hause geschickt:
Die eurokritische Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat den Islamkritiker Karl-Heinz Kuhlmann als Redner vorgesehen, aber vor seinem Vortrag wieder ausgeladen. Begründung der AfD nach seinen Angaben: Er werde im Internet als Rechtsextremist geführt, habe dies aber bei seinem Eintritt in die AfD „hinterlistig“ verschwiegen.
Der Ausladung war nicht genug. Vor Ort wurde die Situation auch noch genutzt, um sich an Kuhlmann die Schuhe abzuputzen:
Kuhlmann sollte in der vergangenen Woche auf einer Veranstaltung der AfD im Hotel Leckermühle in Bohmte bei Osnabrück über „Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“ sprechen. Dort wurde dann eine Erklärung verlesen, warum die AfD auf den Auftritt verzichtete.
Kuhlmann teilte dazu auf Anfrage unserer Zeitung per E‑Mail mit, ihm sei der Parteiausschluss aus der AfD „angedroht“ worden. Dem sei er durch einen Austritt zuvorgekommen. Der in Bohmte lebende Islamkritiker und emeritierte Professor für evangelische Theologie hält sich derzeit in San Francisco auf, wo er Doktoranden der Olivet University betreut.
Lassen wir uns nochmal den entscheidenden Satz auf der Zunge zergehen:
Begründung der AfD nach seinen Angaben: Er werde im Internet als Rechtsextremist geführt, habe dies aber bei seinem Eintritt in die AfD „hinterlistig“ verschwiegen.
Das hat der Autor des Artikels mal schnell nachgegoogelt und bestätigt gefunden:
Im Internet wird er unter anderem als „ neofaschistischer Festredner “ bezeichnet. Vorgeworfen wird Kuhlmann etwa, dass er am „Tag der Heimat“ am 2. September 2012 in Espelkamp die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bestritten hat. Unter anderem war er Autor der Wochenzeitung „Junge Freiheit“.
“Neofaschistischer Festredner”, der Sound klingt doch irgendwie vertraut? Und “im Internet” stand das also? Dann muß es ja stimmen. Wenn das im Internet steht. Und wenn wir nun auf den Link klicken, den die NOZ als Beleg anbietet, was sehen wir da zu unserer großen Überraschung?
Eine handelsübliche, linksextremistische Antifantenseite, der Optik und den Verlinkungen nach zu urteilen offensichtlich ein Ableger des für seine hochdifferenzierte Objektivtät und exakte Recherche bekannten Portals Indymedia. Dann hätte der NOZ-Autor auch gleich nachsehen können, was Indymedia so alles über die AfD schreibt. Blütenlese gefällig?
Rechtspopulistische Partei… RechtspopulistInnen… AfD-Nazis.… rassistische und chauvinistische Partei… Gegen AfD, Nazis und Rassisten… rassistische und nationalistische AfD… extrem rechte Machenschaften.… hellblaue Nazis… Beispiel für den Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft…
Das alles steht im Internet? Da hat uns die AfD aber “hinterlistig” getäuscht!
Daß das Urteil über Kuhlmann rechtskräftig und Sinne der Partei ist, wurde zusätzlich von einer Pressesprecherin aus Berlin bestätigt:
AfD-Pressesprecherin Dagmar Metzger erklärte in Berlin, die AfD als demokratische Partei distanziere sich klar vom rechten Rand. Das zeige auch das Beispiel Kuhlmann. Es sei wichtig, schnell zu reagieren und in solchen Fällen konsequent aus der Partei auszuschließen.
“Als demokratische Partei” – hier wird also wieder die Ente übernommen, daß “demokratisch” und “rechts” einander ausschließen, und was “demokratisch” und was “rechts” ist, läßt man sich von der Antifa definieren. Um die Ironie noch zu vervollständigen: Kuhlmann wollte wohlgemerkt über das Thema „Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“ referieren.
Wir erinnern uns außerdem daran, daß Mitglieder und Helfer der AfD in den letzten Wochen wiederholt Opfer von tätlichen Angriffen durch Antifas wurden. Sogar Bernd Lucke himself wurde mitten in einer Rede überfallen und mit den Worten “Scheiß-Nazi” von der Bühne geschubst.
In Osnabrück hat die AfD nun den Antifanten gezeigt, daß sie diesen Job auch selber und ganz freiwillig tun kann. Alles was nötig ist, ist irgendeinen Schmutz “ins Internet” zu setzen, und schon wird beflissen vor den Denunzianten gekrochen. Dieselben Leute, über die Parteichef Lucke sagt:
Es ist inakzeptabel und eine Herausforderung unseres Rechtsstaats, dass unser Wahlkampf so behindert wird. Das geht ja bis zu körperlichen Attacken auf unsere Wahlkämpfer: Faustschläge ins Gesicht, Tritte gegen den Kopf, eine Schnittverletzung mit einem Messer. Der Staat muss gegen Gruppierungen, die uns so einzuschüchtern versuchen, offensiv vorgehen.
Daß der Vorfall nicht bloß eine zufällige Entscheidung lokaler AfD-Funktionäre war, zeigt unmißverständlich ein aktuelles Interview mit Lucke im Kölner Stadt-Anzeiger, aus dem auch das obige Zitat stammt.
Warum zeigen Sie nicht klare Kante wie Ihre Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, die einen Aufnahmestopp von Mitgliedern der rechtspopulistischen Partei „Freiheit“ will?
Lucke: Ich neige nicht zu pauschalen Urteilen. Die „Freiheit“ ist ursprünglich eine erfolglose CDU-Abspaltung. Viele ihrer Mitglieder fühlten sich nur von der CDU verlassen und treten jetzt aus der „Freiheit“ aus, weil sie islamfeindliche Tendenzen entwickelt hat. Da muss man sich diese Leute eben anschauen: Enttäuschte CDU-Anhänger kann man gut aufnehmen, aber dumpfe Islamfeinde will ich in der AFD nicht haben.
Stören Sie sich am Beifall von der falschen Seite? Oder denken Sie vielleicht: Okay, das bringt uns über die Fünf-Prozent-Hürde?
Lucke: Ich will nichts mit irgendwelchen Rechtsextremen zu tun haben. Aber ich vernehme auch keinen Beifall von der falschen Seite. Ich sehe stattdessen, dass unsere Zustimmung aus der breiten Mitte der Gesellschaft kommt, insbesondere von den Volksparteien CDU und SPD. Auch von der Linken, der FDP und den Piraten haben wir viel Zulauf.
Diese Darstellung enthält gleich mehrere Schiefheiten: wenn nun der (nicht gerade verhaltene) Beifall etwa der Jungen Freiheit keine “falsche Seite” bedeutet, wieso wird dann einer ihrer Autoren (Kuhlmann) auf solch schäbige Weise entsorgt? Und was die andere “Freiheit” betrifft, so hat sie von Anfang an die Islamkritik (auf liberaler Basis!) zum Thema gemacht, und entwickelt nicht etwa “jetzt” erst entsprechende Tendenzen, die Lucke, der angeblich nicht “pauschal urteilen” will, pauschal abwertend als “islamfeindlich” bezeichnet.
Auch das Vokabel “dumpf” kennen wir doch von irgendwoher. Frage an Lucke: Wie sieht es denn mit hellsichtigen, nicht-dumpfen “Islamfeinden” aus? Wären die OK? Oder sagen wir lieber, mit hellsichtigen, nicht-dumpfen Islamkritikern, die beispielsweise ihren historischen Stoff gut kennen?
Ich weiß die Antwort schon jetzt: Lucke will natürlich nicht nur die grobschlächtigeren Fraktionen der Islamkritiker nicht in seinen Reihen haben, sondern überhaupt keine Islamkritiker. Sein Sprachgebrauch signalisiert das pauschale Urteil: Islamkritiker=Islamfeind=“dumpf”.
Wie sagte Dávila?
Wer das Vokabular des Feindes akzeptiert, ergibt sich ohne sein Wissen. Bevor die Urteile in den Sätzen explizit werden, sind sie implizit in den Wörtern.
Was nun die Zusammensetzung des Zulaufs betrifft, so weiß ich darüber nicht Bescheid. Ich zweifle allerdings, ob die AfD wirklich so ein fröhliches Allerweltssammelbecken ist, wie Lucke es hinstellt (die Grünen hat er doch glatt zu erwähnen vergessen). Und ich nehme einmal an, daß die Berichte vieler unserer Leser, die selbst AfD-Fans oder zumindest ‑sympathisanten sind, zutreffen, daß eine recht breite konservative Basis existiert. Die Stimmen für die AfD kommen vermutlich hauptsächlich von enttäuschten CDU- und FDP-Wählern, zu einem erheblichen Teil aber wohl auch von enttäuschten Freiheit- und Pro-Anhängern.
Einen guten Teil ihres Erfolgs hat die AfD gewiß der Tatsache zu verdanken, daß immer noch eine Menge ungenutzter post-sarrazinscher Dampf herrenlos durch Deutschland flottiert. Die AfD erscheint vielen zumindest als Annäherung an die damals so verheißungsvoll beschworene Fata Morgana einer Sarrazin-Partei. Sie hat neben der Euro-Kritik auch einige mild sarrazineske Punkte aufgenommen, wie etwa die Forderung, die Einwanderer ein bißchen günstiger für das Bruttoinlandsprodukt auszusieben.
Wie ich bereits anmerkte: die Feindseligkeit und Gereiztheit, mit der die AfD zum Teil niedergeschrieben wird (man vergleiche dies mit dem Hype um die inhaltlich völlig belanglose Piraten-Partei), läßt wohl mit gutem Grund aufhorchen. Die Feindspürigkeit der üblichen Verdächtigen sollte man nicht unterschätzen. Ich vermute dies: es gibt keinen Weg, ernsthaft die Euro-Frage zu stellen, und dabei die Frage nach der nationalen Souveränität unter den Tisch fallen zu lassen. Und diese ist der eigentlich heiße Punkt, vor dem sich alle fürchten.
Denn das Euro-Problem steht ja keineswegs isoliert da. Sarrazin hat in zwei Büchern dargestellt, daß es Teil eines viel größeren Komplexes ist, des “Deutschland-schafft-sich-ab”-Komplexes. Früher oder später müssen auch andere Fragen aufgeworfen werden, die Teil dieses Mikado-Stäbchen-Haufens sind, darunter auch die heikleren: die nationale Identität, das Geschichtsbild (das ja nicht gerade eine unbedeutende Rolle bei der Legitimierung der Euro- und EU-Politik gespielt hat), ob der Islam “zu Deutschland gehören“kann usw.
Man wird sich dem auf die Dauer nicht verschließen können wie die drei Tempelaffen, wird nicht sagen können, das alles interessiert mich nicht und geht mich nix an, Islamkritik ist pfui, ich will doch nur mein Sparschwein in Sicherheit bringen.
Nun denn: es ist sicher zu begrüßen, wenn mit der AfD eine eurokritische Position im Bundestag vertreten ist,und sei sie noch so winzig. Aber ich frage mich immer noch, was der Grund für die übertriebene Adventstimmung so vieler Konservativer ist. Sie scheinen immer noch zu glauben, daß die AfD ein konservatives trojanisches Pferd ist, das sich mit geschickter Mimikry in die merkelsche Festung vorarbeitet. Köpfe einziehen, Mund halten, ducken und durch, scheint mir die Parole zu sein.
Wenn aber schon im Vorfeld ohne Federlesen die Köpfe selbst so ehrenwerter Konservativer wie Kuhlmann rollen, mit Begründungen, die 1:1 von der Antifa und vom “Kampf gegen Rechts” übernommen sind, dann kann man kaum erwarten, daß die eigenen Häupter verschont werden, wenn man sie nach eventuell siegreichem Wahlgang wieder aus dem Gebüsch steckt, um die vermeintliche Morgenluft zu schnuppern.
Der Heißluftballon der AfD wird inzwischen fleißig gefüllt mit den Stimmen der Konservativen, aus welchem Eck oder welcher Partei sie auch immer kommen mögen, und wenn er dann in die Luft gestiegen ist, dürfen sie ihm wahrscheinlich nur mehr vom Boden aus nachwinken.
Stevenson
Herr Lichtmesz, Sie haben recht, Davila hat immer recht. Und trotzdem hat auch Herr Lichtschlag (https://ef-magazin.de/2013/09/18/4514-parteiensystem-vor-dem-umbruch-wind-of-change) recht. Kommen die in den deutschen Bundestag "rein", verschiebt sich endlich dieses Parteiensystem. Das ist ihr Zweck. Nichts sonst.
Die AfD ist eine Partei mit britischen Wurzeln. Hinweis: https://en.wikipedia.org/wiki/Bruges_Group . In deren Kreisen ist die UKIP wie dessen deutscher Zwilling"erfunden" worden.