Ankündigung, Begründung und ohne uns die Möglichkeit der Nachfrage einzuräumen -, eröffneten sich drei Wege: rechtliche Schritte, Solidarisierung, Ausbau der eigenen Vertriebsstrukturen.
Von hinten: Der Ausbau des Direktversands über unsere Internet-Präsenz antaios.de ist in vollem Gange. Noch vor Ostern wird es eine Suchmaske geben, über die im Bestand von über 100 000 Büchern gestöbert werden kann. Wer jetzt schon von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will, kann eine Nachricht mit den gewünschten Titeln an vertrieb(at)antaios.de senden: Wir melden, was wir liefern könnten und nehmen dann die endgültige Bestellung auf.
Der zweite Weg, die Solidarisierung, ist immer holperig: Wir fordern unsere Leser auf, unsere Sache zu ihrer Sache zu machen, obwohl wir (und Sie doch auch!) wissen, daß es einem milliardenschweren Konzern vollkommen egal sein muß, ob ihm pro Jahr ein paar tausend oder auch zigtausend Euro durch die Lappen gehen.
Aber dennoch war und ist dieser Weg richtig: Man muß schon wissen, daß das Bequeme in diesem Fall das Falsche ist, und man sollte als Leser und Buchkäufer jenes Mehr an Idealismus aufbringen, das einem Verlag wie Antaios oder auch dem Buchhändler vor Ort direkt zugute kommt.
Die Antworten übrigens, die viele von Ihnen auf Nachfrage von amazon erhielten, lassen sich als drei Bausteine beschreiben:
1. Zunächst griff amazon die Frage nach den verschwundenen Titeln auf, versprach Klärung und die Weitergabe des Buchwunsches an die Vertriebsabteilung;
2. Nach etwa einer Woche bekamen hartnäckige Frager zur Antwort, daß man sich die Streichung bestimmter Titel vorbehalte, und zwar dann, wenn die Bücher gegen interne Richtlinien verstießen. Lorenz Jäger und Marc Felix Serrao haben diese Hinweise zum Gegenstand zweier Beiträge in der FAZ und der Süddeutschen gemacht und jeweils das Bizarre einer Anwendung der Richtlinien auf die Bücher unseres Verlags herausgestrichen.
3. Irgendwann tauschte amazon die Textbausteine ein drittes Mal aus und verwies auf die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Im Wortlaut:
Werden wir darüber informiert, dass ein Titel nicht den geltenden Bedingungen entspricht, so überprüfen wir dies umgehend. Grundsätzlich zieht Amazon zur Überprüfung von Inhalten die offizielle Einschätzung der Stellen heran, die zu einer solchen inhaltlichen Bewertung berufen sind und die jeweiligen Produkte umfassend prüfen können: die Gerichte und Staatsanwaltschaften, sowie die Bundesprüfstelle jugendgefährdender Medien (BPjM). Der gesetzliche Jugendmedienschutz ist zentrale Aufgabe der BPjM. Aus diesem Grunde richten wir uns nach den Wertungen des BPjM, die für solche Entscheidungen einen gesetzlichen Auftrag hat.
Nachfragen unsererseits und die etlicher Kunden bei der BPjM ergaben, daß dort noch nie ein Buch unseres Verlags auch nur in Augenschein genommen worden wäre.
Bleibt zuletzt die Schilderung des Rechtswegs, der direkt in Kafkas Schloß führte: amazon teilte uns nach einigen heftigen Beschwerden, die wir per ePost über unseren Verkäufer-Zugang absandte, die Adresse der Rechtsabteilung in München mit. Der erste Brief unseres Rechtsanwalts kam als nicht zustellbar zurück, die Zustellung per Gerichtsvollzieher gelang dann irgendwo in Regensburg, blieb aber ohne Antwort. Eine erneute Anfrage ergab nun eine Adresse in Luxemburg, die Korrespondenz war ab sofort in französischer Sprache zu führen. Indes: Auch Luxemburg erwies sich als Sackgasse – die sogenannte Amazon EU Sarl ist nur über ein Postfach in Großbritannien zu erreichen, zusätzliche Korrespondenzsprache: Englisch.
An diesem Punkt stiegen wir aus, derlei Adressen und mögliche Gerichtsstände machen Klagen zu einem finanziell unkalkulierbaren Risiko. Für uns ist dies ein weiterer Beleg gegen die sowieso unhaltbare These, daß der freie Markt aufgrund ureigener Nachhaltigkeitsinteressen (und ähnlichem) eine ethische Grundierung in sich trage. Dem ist natürlich nicht so: Jener ehrbare Kaufmann, der Geschäfte betreibt, zu Entscheidungen steht, sie begründet und im Zweifelsfall vor Gericht verteidigt, mag in Deutschland, im Mittelstand, unter christlichen Unternehmern noch eine Leitfigur sein; die Schachtel in der Schachtel in der Schachtel, die eine Krake wie amazon anlegt, um nicht faßbar zu sein, ist jedenfalls das Gegenbild.
Als ob es dafür noch einen weiteren Beleg gebraucht hätte, kamen heute in drei Paketen rund 200 Bücher von amazon zurück – jene Titel, die dort nicht mehr verkauft werden. Eine Lieferungsbeschreibung:
+ Ineinandergestopfte Bücher, nach einer ersten Sichtung ist die Hälfte für einen Weiterverkauf nicht mehr zu gebrauchen;
+ der Lieferschein weist die Bücher als “Rücksendung beschädigter Ware” aus. Jeder, der bei unserem Verlag je ein Buch bestellte, weiß, daß wir die Titel sogar einzeln in Pergamin einschlagen, um saubere Lieferungen zu gewährleisten. Bisher hatte amazon noch nie ein Buch wegen Beschädigung zurücksenden müssen – nun auf einen Schlag 200;
+ Das Porto für derlei Sendungen tragen selbstverständlich wir.
+ Die Lieferung ist nicht vollständig. Es fehlen rund 40 aufgeführte Exemplare.
Ich sprach auf der Leipziger Buchmesse mit einem Verlegerkollegen, der wertvolle Bücher von amazon im Zustand einer Ramschware zurückgesandt bekam: Er führte danach über ein Jahr einen Briefwechsel, um am Ende 40 Prozent des Buchwertes erstattet zu bekommen. Bei jedem Buchhändler vor Ort, der von uns je beschädigte Ware bekam oder Bücher beschädigt remittierte, ging das bisher so: Anruf, Fallschilderung, Gutschrift, Ersatz – alles in allem eine Sache von zehn Minuten.
Summa: Es ist wohl gut, daß es so kam. Wir sind draußen, mußten umschalten und uns selbst verbessern. Das ändert nichts an der Wirksamkeit anonymer Denunziationen, das wissen wir. Aber es belegt zum einen unsere These, daß an uns die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit vermessen werden und daß wir in dieser Hinsicht Zeigerpflanzen sind.
Interessant ist, daß man sich mit den Klügeren unter den Linken in diesen Fragen recht gut verständigen kann. Lesenswert ist beispielsweise der Text von Thomas Wagner: Kampf dem Todesstern. Da wird die Buchpreisbindung als Grundelement des Schutzes vor dem freidrehenden Markt verteidigt. Ich kann gerne erläutern, warum diese Preisbindung existentiell ist für Buchhandlungen und kleine Verlage.
Zuallerletzt: Dank an alle Leser und Buchkunden, die sich eingesetzt haben oder nun ganz auf unseren Vertrieb zurückgreifen. Wir haben ja gleich die Versandgebühren gesenkt, sozusagen als Willkommensgruß. antaios.de wird jedenfalls weiter ausgebaut.
Langer
Ueberlebt Ihr auch ohne Amazon?
antwort kubitschek:
kommt darauf an, wieviel Sie heute noch bestellen.