Was assozieren Sie mit dem Genre? Wohl Titel, die entweder Endlich Vollbürgerin! Der steinige Weg zum Wahlrecht titeln oder Mein trauriges Dasein als Mutter oder Helga, Elke, Janina: Drei starke Frauen im Wandel der Zeiten. Ja, denkt man so. So geht, so gehen normalerweise Frauengeschichte/n. Deshalb finde ich es kurios, daß die aktuelle Auszeichnung „Bestseller Nr.1. in Frauengeschichte!“ bei amazon.de sogar signalfarben unterlegt ist.
Daß ein männlicher Autor in „Frauengeschichte“ reüssiert, ist bereits extrem selten, noch dazu ist es in diesem Fall Akif Pirinçci, und daß der den „irren Kult um Frauen“ brandmarkt, verrät schon der Untertitel seiner Wutschrift Deutschland von Sinnen, die hier geordert werden kann und in zweihundert Exemplaren bereits gestern das Buchlager von Antaios verlassen hat.
Das Buch beinhaltet nicht nur ein eigenes Kapitel „Über die Frauen“ (das häßliche Wort „f…“ darin habe ich nicht gezählt, es findet inflationäre Verwendung); auch jenseits dieses Kapitels geht es durchaus anders zur Sache, als man es von „Frauengeschichte“-Büchern kennt. Kostprobe: Angeblich arbeiten
„auch Frauen gern, weil sie dabei ihre Erfüllung finden und sich selbst verwirklichen wollen. Nein, das tun sie nicht! Das ist eine Lüge. Wer so denkt, weil ihn linke Medien und aggressive Emanzen und Politikerinnen jahrzehntelang einer Gehirnwäsche unterzogen haben, kennt keine normale Frau.“
Das war noch vergleichsweise harmlos. Genretypisch ist es schon mal nicht. In Kapitel VI kommt der Autor auf sein angeblich erhebliches Genital zu sprechen:
„Und die Damen von der taz dürfen ihn auch gern mal anfassen, vor allem, wenn sie ganz, ganz lieb, vor allem jung sind.“
Man muß das hier nicht kommentieren. Wohl aber die süße Etikettierung als „Frauengeschichte“-Bestseller auf amazon! Hier nun die Rezension des Pirinçci-Buches, wie sie in Ausgabe 59 der Sezession nächste Woche erscheinen wird. Sie ist „So blaß, liebste Mutter!“ überschrieben:
Wer könnte sich über dieses Buch täuschen? Keiner, der je ein Stück Pirinçci gelesen hat, das in nichtliterarischer Absicht verfaßt wurde. Und selbst derjenige, der nur den Romanautor Pirinçci (Felidae und andere) kennt, sollte beim Titel des vorliegenden Buchs ahnen, was ihn erwartet. Pirinçci mangelt es weder an Wortgewalt noch an Selbstbewußtsein.
Der Mann, der über drei Millionen Bücher verkauft hat, die in dutzende Sprachen übersetzt und zum Teil verfilmt wurden, hatte prophezeit, daß auch sein erstes Sachbuch bombenmäßig einschlagen würde. Und voilá: Es belegte Wochen vor Erscheinen die vordersten Plätze der Netzbuchhandlungen. Es ist natürlich kein schönes Buch, es ist eine zornbebende Suada, ein Erguß. Es überschreitet an ungezählten Stellen die Grenzen des guten Geschmacks, allerdings, und das ist mehr, als man ahnen durfte, nur selten jene der menschlichen Vernunft.
Natürlich polarisiert und polemisiert der gebürtige Istanbuler und Wahl-Bonner, er hält sich nicht mit Fußnoten auf. Aber Pirinçcis Argumentation, so wutschnaubend sie daherkommt, geht in zahlreichen Passagen über den Gestus reiner Provokation hinaus. Unschön darf man die vom Autor vielerorts gewählten Sprachbilder finden, zumal dieser Verbalgeifer meist mit einer argumentativen Engführung einhergeht.
Um nur ein einziges Beispiel zu zitieren: Ein Kapitel, das den öffentlichen Rundfunk („Kommunistenkamera“) brandmarkt, titelt „Mit dem A…loch sieht man besser“. Pirinçci schreibt seine koprolalischen und anderen obszönen Kraftwörter freilich aus. Der Mann kennt keine Scham. Man staunt hingegen über sein offenbar vorhandenes Differenzierungsvermögen. Pirinçci nennt sich zwar „Islamhasser“, macht aber deutlich, das nur eine Minderheit der hier lebenden Moslems für ihn hassenswert sind.
Er feuert gegen die Homo-Pressuregroups („die mächtigste Lobby gleich nach dem Beamtenbund“), schränkt aber ein, daß er keineswegs für eine Verfolgung von Schwulen eintreten würde: Eine Gesellschaft ohne „Paradiesvögel, Abgründige und Exzessive“ wäre „stinklangweilig“. Die (halb)staatlichen Instanzen hätten nur vergessen, daß Heterosexualität das „Starterset der Menschheit“ sei; daher predigten sie die Überhöhung des „anormalen Sex“ und drohten: „Wehe, du findest die Figuren in dieser Geisterbahn nicht normal!“
Ziemlich hübsch lesen sich die ersten Kapitel, wohingegen später der fahrig runtergeschriebene Geifer Überhand gewinnt (Kapitel VI: „Der deutsche Intellektuelle und wie er die Welt sah – bevor er eine Eisenstange auf den Kopf bekam“). Das Buch beginnt als poetische Hymne. Pirinçci meint das ganz unironisch. „Deutschland, o du goldenes Elysium! Du kraftvoller Stier! Du bist die Macht, die ganz Europa trägt! (…) Und so nenne auch ich, meine Hübsche, dich ‘Mutter´, auch wenn ich nur dein Adoptivsohn bin. Du hast es mich nicht spüren lassen. Keine Sekunde lang!“
Als der Autor 1969 mit seinen bettelarmen Eltern nach Deutschland kam, leuchtete dieses Land – noch. Bald ging es abwärts: „Aber was ist los, Deutschland, liebste Mutter? Du bist so bleich, du blutest ja! Man hat sich an dir vergangen, sagt du?“ In der gut geölten Integrationsmaschinerie dieses Landes redet man nicht mehr von „Integration“, sondern von „Teilhabe“ und „Inklusion“, man spricht nicht von „Heimat“, sondern von „Herkunft“, dies sei ein von der „Multikulti-Front“ erfundener Manipulationsbegriff, um Migranten „gleich anonymen Paketsendungen aus den Tiefen des Alls gebeamt erscheinen zu lassen.“ Solche terminologischen Schautänze dienten dazu, dieses Land, geschwächt durch den Selbsthaß seiner Bürger auf die eigene Volkszugehörigkeit, zur Beute einer kranken Geisteshaltung zu machen.
In Kapitel III („Angst ist eine Entscheidung“) benennt Pirinçci die deutsche Angst („das größte Hosensch…volk auf Erden“) als schwerstwiegendes Hemmnis eines Volkes, das vor dem Rauchverbot sittsam kusche, aber Abtreibung (aus Angst vor Verantwortung!) als zivilisatorischen Fortschritt preise. Pirinçci ist gut im Zürnen & Wüten, doch er hält auch Ratschläge parat. Etwa, wie der Staat (als Lieferant sozialer Hängematten) abzumagern wäre. Was sonst geschehen müßte: „Einer müßte aufstehen und ein paar Selbstverständlichkeiten aussprechen!“ Pirinçci tut es, andere haben es bereits getan.
Da stehen sie also, die Selbstverständlichkeitsaussprecher. Sie ernten Applaus, auch pekuniären Ruhm. Ob´s was austrägt, drüber hinaus? Es steht wohl nicht in ihrer Macht.
(Akif Pirinçci: Deutschland von Sinnen, hier einsehen und erwerben.)
Belsøe
Seltsam, was für geschmacklosen, überheblichen Lümmeln die Rechte meint, hinterherlaufen zu müssen.
Und dann noch einer aus diesem Kulturkreis über Frauen? Es gibt wenig Stämme in denen die Männer so gründlich davon abgehalten werden etwas über Frauen (diese selbst, nicht Männerprojektionen) zu erfahren wie seinen.
Nee nee, dieser Relativismus ist mir zu dumm. Ein Kotzbrocken bleibt ein Kotzbrocken und dummes Zeug bleibt dummes Zeug, sonst wäre man ja genauso hilflos wie die Supporter vom Oraniencamp, die sich auch alles an ihren Refugees schönreden müssen um nicht in die Verlegenheit interner Widersprüche zu geraten.
An genau denen lässt sich aber am besten wetzen und verfeinern. An dümmlichen, wohl in diesem Falle tatsächlich auch verallgemeinernd-sexistischen Unflätigkeiten - nicht.
Wer braucht einen ahnungslosen Quotenorientalen, der die traditionell recht vielfältig wirkenden westlich-nordischen Frauen in Mama Piriccis 50er Jahre Küche projiziert? Doch wohl nur ebenso ahnungslose Kleingeister, die die kurze und hochmoderne Phase der weitgehend arbeitsentlasteten Rama-Mutti für "DAS traditionelle Familienmodell" halten? Quatsch mit Sauce sag ich da nur, und dann auch noch mit schmierigen Grabschersprüchen als (wohl bitter nötiges?) "Stil"mittel. Jesses...