Mittwoch, 13. März

pdf der Druckfassung aus Sezession 53 / April 2013

5.45 Uhr – Schlechte Nacht. Viel sinniert über Macht und Ohnmacht des Wortes und den daran ausgerichteten Rhythmus zwischen Schaffensdrang und Lähmung. Gelingt ein Text, strömt Kraft zu; wird er gelesen und gelobt (oder kritisiert), endet die Einsamkeit des Schreibens; setzt er etwas in Gang, ertönt machtvoll der Ton der Werksglocke.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

7.30 Uhr – Rasche, kon­zen­trier­te Arbeit an jenem Fall, der das Nach­den­ken über den Wert des Publi­zie­rens erst aus­lös­te: Vor zwei Tagen ist in Kirch­wey­he, einem Ort kurz vor Bre­men, ein fünf­und­zwan­zig­jäh­ri­ger Deut­scher von einer Hor­de tür­ki­scher Schlä­ger ins Koma gedro­schen wor­den. Es gibt kei­ne Hoff­nung auf Gene­sung mehr, das Gehirn ist zer­stört, die lebens­er­hal­ten­den Maschi­nen sol­len heu­te abge­stellt werden.

Der Fall ist lücken­los doku­men­tiert: Dani­el S. war mit ein paar Freun­den unter­wegs von einer Dis­co zur nächs­ten und hat­te für die­sen Orts­wech­sel einen Bus bestellt. Weils pro Mann bil­li­ger kommt, je mehr Fahr­gäs­te an Bord sind, mach­te man auch fünf ange­trun­ke­nen Tür­ken die Türe auf. Die fin­gen an zu pöbeln, dann zu schla­gen. Über ihre Mobil­te­le­fo­ne rie­fen sie Ver­stär­kung, und als der Bus in Kirch­wey­he vor der Dis­co hielt, war­te­te drau­ßen der Mob. Dani­el S. trat schlich­tend vor die Tür und wur­de so lan­ge trak­tiert, bis er mit zer­schmet­ter­tem Kopf lie­gen­blieb. Von den sechs mut­maß­li­chen Haupt­tä­tern war am Mor­gen nur noch einer in Gewahrsam.

Was ange­sichts die­ses Mords mit Ansa­ge unbe­greif­lich ist: Neben der Lokal­aus­ga­be der Bild-Zei­tung und dem Weser­ku­rier hat kei­ne ein­zi­ge ande­re Zei­tung die­sen lupen­rei­nen Fall von deut­schen­feind­li­cher Aus­län­der­ge­walt zum The­ma gemacht. Alles spielt sich auf den Inter­net­sei­ten von poli­ti­cal­ly incor­rect, Jun­ger Frei­heit und Sezes­si­on ab, und Felix Men­zel hat die­sen Mord natür­lich in die Chro­nik unse­res Netz-Pro­jekts deutscheopfer.de aufgenommen.

11.50 Uhr – Anruf eines befreun­de­ten Redak­teurs: Wie die­se neue Par­tei ein­zu­schät­zen sei, die »Alter­na­ti­ve für Deutsch­land« um die Publi­zis­ten Kon­rad Adam und Alex­an­der Gau­land und die Euro-Kri­ti­ker Bernd Lucke und Joa­chim Star­bat­ty? Mei­ne Ant­wort ist so kon­ser­va­tiv, daß ich mir selbst ein biß­chen fremd wer­de, wäh­rend ich sie gebe: daß es näm­lich völ­lig egal sei, ob sich die­se Leu­te vor ihrem Ruhe­stand (nur Lucke ist jün­ger) je ein Bein aus­ge­ris­sen hät­ten für unser Land, egal also etwa Gau­lands Null-Enga­ge­ment für rech­te The­men, wäh­rend er Chef­re­dak­teur der Mär­ki­schen All­ge­mei­nen war – egal dies alles: wenn es ihnen nur jetzt gelän­ge, unser Land ein wenig vor dem zu bewah­ren, was der Kom­plex »Euro« noch alles anrich­ten könn­te. Sol­len sie also machen, sol­len sie sich ruhig ein biß­chen von uns und unse­ren Kirch­wey­he-The­men distan­zie­ren, wenn es ihnen dabei hilft, bis zur Bun­des­tags­wahl durch­zu­hal­ten und ein The­ma in den Focus zu rücken, das auf eta­blier­ter Sei­te schon als abge­hakt galt.

13.00 Uhr – In die letz­ten Feil­ar­bei­ten an die­sem Heft der Sezes­si­on platzt die Nach­richt, daß Mar­kus Bei­sicht, Chef von PRO-NRW, nur knapp einem Mord­an­schlag ent­kom­men sei: Die Poli­zei hat ges­tern Abend die mög­li­chen Täter – Sala­fis­ten, unter ihnen zwei kon­ver­tier­te Deut­sche – auf der Fahrt zur Woh­nung Bei­sichts stop­pen kön­nen, sie sei­nen durch eine Abhör­ak­ti­on auf­ge­flo­gen. Bei­sicht steht ab sofort unter Personenschutz.

16.10 Uhr – Druck­frei­ga­be für die Bild­in­nen­sei­ten und den Umschlag erteilt. »Wer ist der Gral?« – viel­leicht reicht es die­ses Jahr wie­der nach Mann­heim zur Par­zi­val-Insze­nie­rung, die seit 1953 stets an Kar­frei­tag und Fron­leich­nam gege­ben wird und jenes Mys­te­ri­um her­vor­zu­brin­gen ver­mag, das auch in den end­lo­sen Lit­ur­gien tra­di­tio­nel­ler Got­tes­diens­te auf­schei­nen kann. Lan­ze, Opfer und Kelch – dort sind wir noch unter uns.

19.30 Uhr – Wei­ßer Rauch in Rom – ein Argen­ti­ni­er ist erwählt, Fran­zis­kus. Gilt als »inter­es­siert an öko­lo­gi­schen Fra­gen«. Man hört, daß auf­ge­at­met, man spürt, daß ange­knüpft wird: Öko­lo­gie ist eine Art Welt­re­li­gi­on, der Glau­bens­kern der Zivil­ge­sell­schaft. Von hier ist’s nur ein klei­ner Schritt zur Öku­me­ne und zu jenen Papp­kar­ton-Got­tes­diens­ten, die Par­zi­val in einer moder­nen Insze­nie­rung auf sei­ner Suche nach dem Gral durch­rei­ten müßte.

23.05 UhrMein Bei­trag über Dani­el S. ist im Netz-Tage­buch der Sezes­si­on seit zehn Uhr online und wur­de bis­her vier­und­zwan­zig­tau­send Mal gele­sen. Das ist sehr viel. Das ist gar nichts.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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