Als die Regierung Hollande bald nach Amtsantritt verkündete, unter der Parole „Ehe für alle“ die völlige Gleichstellung der Ehe mit homosexuellem Zusammenleben, einschließlich des Adoptionsrechts, bewirken zu wollen, kam es zu Massenprotesten in Paris und anderen französischen Städten. Nun zieht eine sehr engagierte Gruppe in Deutschland nach: Die nächste Demonstration in Stuttgart findet morgen, am 5. April, um 15 Uhr statt.
In der Bundesrepublik fand das Thema zunächst eher wenig Beachtung. Als Ende 2013 ein internes Arbeitspapier des SPD-regierten baden-württembergischen Kultusministeriums über einen „Bildungsplan 2015“ bekannt wurde, der die Zielrichtung für die weitere Entwicklung der Lehrpläne an staatlichen Schulen vorgeben sollte, änderte sich dies.
Nach und nach wurden – überwiegend außerhalb der großen Presseorgane – Details bekannt, die im noch nicht weitgehend entchristlichten südwestdeutschen Bundesland bis dahin eher ungewohnt und als Phänomene nur „aus Berlin“ bekannt waren: der neue Bildungsplan sehe vor, die Förderung von Toleranz und Akzeptanz jeglicher sexuellen Ausrichtung in den Lehrplänen zu verankern – fächer- und altersübergreifend. Angeblich „auf Schulhöfen“ weitverbreiteten Vorurteilen und Vorbehalten gegenüber Homosexuellen solle vorgebeugt bzw. durch die Lehrer aktiv entgegengewirkt werden. Hinzu kam – Schützenhilfe der Lehrergewerkschaft GEW – ein bizarrer „Fragebogen“, in dem Schulkinder mit peinlichen und indoktrinierenden Fragen zu Homosexualität und zu sexuellen Praktiken traktiert werden sollten. Gedacht war dies als perspektivische Verkehrung zu sogenannten heteronormativen und ergo altbackenen Ansätzen.
Die erste öffentlich wahrnehmbare Reaktion aus dem Volk war die von dem Realschullehrer Gabriel Stängle initiierte Petition gegen den Bildungsplan: „Kein Bildungsplan unter der Ideologie des Regenbogens“. Stängle war zu diesem Zeitpunkt Referatsleiter für Schulpolitik im Realschullehrerverband seines Bundeslandes. Der zunehmend professioneller auftretenden Gruppe um Stängle gelang es, innerhalb weniger Wochen fast 200.000 Unterschriften gegen den Bildungsplan zu sammeln, damit das selbstgesteckte Ziel um das Doppelte zu übertreffen und das Thema schlagartig in die Presse zu bringen.
Während die Kritik ungesteuerter Masseneinwanderung, zügellosen Konsumismus‘ und der kulturellen Zerstörung Europas auf keine große Resonanz hoffen darf, hatte das Thema der Petition offenkundig viele Baden-Württemberger wachgerüttelt. Vor allem christliche Kirchen und Gruppen empörten sich in einem für das bürgerlich-konservative Milieu bisher ungekannten Ausmaß.
Bedenkt man die schon oft thematisierte Präsenz von Homosexuellen in der Medienlandschaft, so können die heftigen Reaktionen auf die Petition nicht verwundern. Zunächst versuchten „engagierte“ Journalisten, die Petition auf pietistische Frömmler zu reduzieren und auf diese Weise den Protest zu marginalisieren. Gleichzeitig wurde Gabriel Stängle persönlich massiv angegriffen, wurde strafrechtlich und dienstaufsichtsrechtlich belangt (ohne jedes Ergebnis) und mehrfach auf allen Kanälen indirekt für verrückt erklärt.
Stängle, wußte die linksliberale ZEIT,
„schürt mit seinen abstrusen Ausführungen erfolgreich Angst. So schreibt er, homosexuelle Jugendliche seien besonders suizidgefährdet und anfällig für Alkohol und Drogen, für HIV oder psychische Erkrankungen.“
Daß genau solche „abstrusen Ausführungen“ eine soziologische Studie der Universität Austin (Texas) zumindest für Jugendliche, die als Kinder eines homosexuellen Elternteils aufwachsen, zum Ergebnis hat und die Frage nach den Auswirkungen des Aufwachsens unter solchen Umständen damit aus wissenschaftlicher Sicht zumindest als umstritten gelten muß, verschwieg das Hamburger Blatt. Ebenso wie den für Propagandisten eher unangenehmen Umstand, daß die „Gay and Lesbian Medical Association“ in ihren Ratgebern die von der ZEIT verleugneten Risiken selbst zugibt. Mit Halbwahrheiten läßt sich eben besser polemisieren und titeln: „Homosexuellen-Hetze aus dem Schwarzwald“.
Spiegel Online ließ wieder einmal seinen Mann für besonders grobe Dummheiten von der Kette. Georg Diez, in den letzten Jahren mehrfach öffentlich blamiert (z.B. wegen seiner Äußerungen zu Christian Krachts Buch „Imperium“), schrieb einen immer noch lesenswerten Text, der so unglaublich widersprüchlich und einseitig ist, daß es zum Lachen wäre, wenn es nicht zum Heulen wäre:
„Und so fragt man sich: Wie viel Blut muss eigentlich noch fließen im Namen der Religion, wie viele Leben müssen noch ruiniert werden, wie viele Menschen müssen noch gebrochen werden?
Denn das antiliberale Ressentiment addiert sich – die Homophobie trägt zu einem generellen Gefühl von Abgrenzung und Ausgrenzung bei, sie verbindet sich etwa leicht mit Ausländer- und Fremdenhass, weil sie auf ähnliche Ängste und Aggressionen rekurriert: Es entsteht so eine diffuse, trübe Gemengelage von Verachtung, die sich wahlweise ihre Opfer sucht.
Sexualität ist Privatsache – und Religion übrigens auch: Keines von beidem sollte politisiert werden, weil die Folgen nur Hass, Häme, Verletzungen sein können – mit gutem Grund regelt das unsere Verfassung so.“
Dies schreibt er angesichts einer Debatte, in der Eltern und andere besorgte Bürger gegen die Politisierung von Sexualität durch aktive Einflußnahme im Schulunterricht protestieren!
Aber Diez wäre nicht Diez, hätte er nicht noch ein paar schlecht versteckte Drohungen hinterhergeschoben:
„Wenn man also davon ausgeht, dass in der Demokratie alle Menschen gleich sind und alle Menschen die gleichen Rechte haben – dann gibt es keine homophoben Demokraten.“
Das Machwerk endet dann mit einer Bezugnahme auf einen aktuellen Kinofilm und der Vision,
„welche Folgen es haben kann, wenn Irrationalität und Manipulation diese Fragen beeinflussen: Tausende von Toten, die sterben, weil der Mainstream sie verdammt, schon bevor sie tot sind“
und so weiter. Man lese es selbst nach, welche Geschütze hier in Stellung gebracht werden.
Auch das Fernsehen trug sein Scherflein bei und sendete eine Diskussionsrunde bei Sandra Maischberger, in der immerhin zwei Kritiker der Homosexuellenpropaganda drei Befürwortern, darunter einem grotesk als Boulevardtänzerin verkleideten und geschminkten, großen Mann gegenübersaßen, sowie eine Art Medientribunal nach Johannes‑B.-Kerner-Art im SWR-Nachtcafé. In letzterem saßen mit Stängle und dem Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Deutschland, Hartmut Steeb, zwei Kritiker ganzen sieben gegnerisch eingestellten Gästen gegenüber, die offensichtlich nach propagandistischen Maßstäben ausgesucht worden waren. Steeb („menschenverachtend“ laut Kultusminister Stoch) und Stängle wurden vom parteiischen Moderator und manipulativer Kameraführung professionell vorgeführt, was anscheinend so viel Protest hervorrief, daß der Moderator, immerhin längstgedienter „Talkmaster“ der Republik, fünf Tage später überraschend den Rückzug aus der Sendung verkündete.
Die Schärfe und Unsachlichkeit der Gegenreaktionen zeigt, daß man mit Kritik an Frühsexualisierung und einseitiger staatlicher Einflußnahme zugunsten von Homosexuellen in ein Hornissennest stößt. Die Destrukturierungsversuche der globalisierten Leitideologie eines bindungslosen „neuen Menschen“ als konsumfixierter Migrationsmonade betreffen selbstverständlich und sogar in besonderem Maße die Familie als Keimzelle aller weiteren Identifikationsstrukturen. Auch im Hinblick auf den Abbau weißer Vormachtstellung und die Lösung des Überbevölkerungsproblems scheint die Förderung homosexuellen Verhaltens befürwortenswert zu sein. Fortpflanzungsverweigerung, habitueller Individualismus, Abkehr von traditioneller Sittlichkeit und ein Kinderlosigkeit kompensierendes konsumorientiertes Verhalten sind eine unwiderstehlich versuchende Mischung für „Antirassisten“ ebenso wie für große Teile der Großindustrie und Sozialingenieure aller Couleur.
Derweil kommt der Widerstand gegen dieses Programm tatsächlich aus der vielbeschworenen gesellschaftlichen Mitte. Die französische Bewegung um das „Manif Pour Tous“ (inklusive einer handfesten Aktivistengruppe namens „Hommen“, deren Männer nach „Femen“-Vorbild mit freiem Oberkörper auftreten und Veranstaltungen stören, und einer antifeministischen Frauengruppe namens „Les Antigones“) hat sich weiter entwickelt. Inzwischen wendet man sich (auch) gegen die Freigabe künstlicher Befruchtung und Leihmutterschaft für Homosexuelle sowie – wie in Baden-Württemberg – gegen die „Unterrichtung der Gender-Theorie“. Am 2. Februar demonstrierten Bürger parallel in Paris, Luxemburg, Brüssel, Warschau, Madrid, Rom und Bukarest, jeweils unterstützt von Aktionsbündnissen in diesen Ländern. In Paris wurden über 500.000 Teilnehmer gezählt. Von der bundesdeutschen Presse wurden die Proteste weitgehend beschwiegen.
Hierzulande fanden, parallel zur Petitionsinitiative, im Januar und Februar Demonstrationen spontan gegründeter Elterninitiativen in Köln und Stuttgart statt. Die Kundgebung in Stuttgart am 1. Februar zählte, trotz der mangelnden Organisation, bereits bis zu 800 Teilnehmer. Bei einer zweiten Demonstration am 1. März konnte die Initiative, die inzwischen eine eigene Netzseite mit fast täglichen Meldungen und Presseverweisen besitzt, schon geschätzte 1800–2000 Teilnehmer zählen und ein halbes Dutzend Redner und Grußworte von Parteien und Kirchen aufbieten.
Hierauf änderte die Presse ihre Strategie. Die Kritiker wurden nicht mehr zu Wort gebeten, auch nicht, um sie vorzuführen, stattdessen griff man tiefer in die Diffamierungskiste. Die Demonstranten, die ein großes Polizeiaufgebot vor gewalttätigen „Antifaschisten“ hatte schützen müssen, werden „homophober Schlossplatz-Mob“ aus „Schwabistan“ genannt, der NDR meldet sich mit offener Manipulation zu Wort und Spiegel-TV warnt vor einer „unheiligen Allianz radikaler Christen, russischer Immigranten und profaner Schwulenhasser“. Hier scheint die Fernstenliebe der Migrationsbefürworter wieder einmal dort zu enden, wo die Einwanderer nicht die Positionen vertreten, die man sich wünscht.
Eine andere Strategie verfolgt die baden-württembergische Landespolitik. Der verantwortliche Kultusminister Stoch bezeichnete die Vorwürfe einer versuchten Indoktrination von Kindern in der vergangenen Woche als „so absurd, daß man schon fast darüber lachen kann“ und sah eine „unselige Melange aus Ressentiments und chauvinistischen Gedanken“. Der für die geplante staatliche Einflußnahme des „Aktionsprogramms“ verantwortliche Minister entblödete sich nicht einmal, zu argumentieren, es würden hier „Eltern Diskussionen zu gesellschaftlichen Fragen anzetteln, die die Kinder gar nicht wollen“. Sein Kabinettschef traf sich unterdessen mit ausgewählten Kirchenvertretern (nicht aber mit den Demonstrations- oder den Petitionsorganisatoren) um hernach in wolkigen Worten zu verkünden, man habe sich unterhalten, sei im Prinzip einer Meinung – und werde nun nichts ändern. Und das Bundesfamilienministerium setzt auf die bewährte Tradition propagandistischer Comics und bereichert Schulkinder künftig mit „coolen“ Regenbogenfamilien.
Zusätzlich werden im Hintergrund unbeirrt strategische Fäden gezogen. Die Junge Freiheit hat darauf hingewiesen, daß in Baden-Württemberg schon längst ein Grundlagenpapier mit dem Titel „Gleichstellung beginnt im Kindergarten“ Geltung hat, dessen Autor folgende Ansicht vertritt:
„Geschlechter werden gemacht, können aber auch neu ausgebildet und verbessert werden. Es gilt, Geschlechterpotenziale zu nutzen! Wir sehen Geschlechter besonders in ihren gestaltbaren Seiten und nutzen dieses Potenzial bei der Entwicklung von Organisationen und Unternehmen“
, was dann zu Richtlinien wie diesen führt:
„Bei der Auswahl und Zusammenstellung von Spielmaterialien wird darauf geachtet, daß Geschlechtsrollenstereotypen aktiv und bewußt entgegengewirkt wird“.
Geschrieben hat diese Anleitung zur geschlechtlichen Orientierungslosigkeit der Tübinger „Pädogoge“ Gunter Neubauer, der im Literaturverzeichnis u.a. mit folgendem Beitrag erscheint: „Neubauer, Gunter: „Sex“ im Kinderhaus: Auch kleine Jungen tun’s. In: Winter, R. (Hrsg.): Stehversuche. Tübingen (Neuling) 1993, 39–53“.
Um gegen solche Experimente an Kleinkindern zu kämpfen, hat sich aus der die Demonstrationen organisierenden Initiative heraus inzwischen ein Kampagnenbündnis gebildet, das Christen aller Konfessionen ebenso wie säkulare Eltern und konservative Gruppierungen umfaßt. Auftreten und Öffentlichkeitsarbeit erinnern deutlich an das französische Vorbild. Solidaritätsbekundungen und teils aktive Unterstützung gibt es aus AfD, CDU und mehreren Kleinparteien, während die Stellungnahmen der Großkirchen noch verhalten sind. Die nächste Demonstration in Stuttgart findet morgen, am 5. April, um 15 Uhr statt.
Der Aufruhr um den „Bildungsplan 2015“ ist jedenfalls – nach dem Aufstieg der freiheitlich-liberalen AfD: erneut – eine potentiell einen sehr großen Teil der Bevölkerung ansprechende Initiative, die innerhalb weniger Monate im Sturmlauf die etablierten Parteien erreicht hat und in diesem Fall eindeutig konservativ ausgerichtet ist. Dies nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, in denen organisierte, eine breite Öffentlichkeit erreichende politische Kampagnen lediglich vom linken Spektrum ausgingen, zu beobachten, wird auch neurechte Analytiker und Skeptiker kaum ganz kalt lassen, sofern sie das Interesse am Gang der Welt noch nicht völlig verloren haben.
t.gygax
Sehr erfreulich, dass hier auf diese Demo in Stuttgart hingewiesen wird. Es ist immerhin noch die Chance, öffentlich den Herrschenden seine Meinung zu vermitteln.
Allein das reciht schon- ob sich die Politiker in irgendeiner Weise davon beeindrucken lassen, sei dahingestellt. Kretschmann spielt den landesväterlich-katholisch-biederen Patriarchen, aber wer sich mit seiner politischen Biographie befasst, findet ganz anderes. Und Hoffnungen auf die Kirchen oder in Württemberg den Pietismus? Auch da sollte man nichts erwarten, im Ernstfall sind die der Obrigkeit untertan und speziell in der evangelischen Kirche gibt es unter den Amtsträgern eine überwältigende Mehrheit von Befürwortern der Gender-Ideologie, und das schon seit über dreißig Jahren; bereits 1977 war man in Tübingen, wenn man sich nur vorsichtig kritisch zur Propagierung der Homosexualität äußerte, sofort bei den Funktionären unten durch-die sattsam bekannten Totschlagvokabeln gab es damals schon, nur nicht so flächendeckend und das Leben beherrschend wie heute.