sollte man über den ARD-Monitor-Beitrag anläßlich des zwischentags in Bonn in Ergänzung zu Felix Menzels Tagesprotokoll vielleicht doch noch einige Worte verlieren.
Nicht obwohl, sondern gerade weil dort einmal mehr die ewiggleiche Fünfte Kolonne “der” Neuen Rechten an die Wand gemalt wurde. Und weil man sich beim ausführenden WDR in Sachen investigativer Journalismus mal wieder ganz, ganz viel Mühe gegeben hat – obgleich das ganze Schema schon sehr an die Kollegen von 3sat bei ihrem seinerzeitigen Besuch in Anderland, bei “Deutschlands erfolgreichstem Rechtsintellektuellen”, erinnerte.
Mit den augenfälligen, spätpubertären Witzchen über die amüsanten Koinzidenzen des Beitrags (666. Sendung am 11. September…) mögen sich die Esoteriker beschäftigen; kommen wir lieber direkt zur Sache. Besonderen Eindruck macht natürlich zuerst die Tatsache, daß es den wackeren Studio-Streitern wider die “Schreckgespenster für die Demokratie” (übrigens so eine Formulierung, mit der auch wirklich nur Journalisten daherkommen können) mühelos gelungen ist, an Videomaterial von drinnen zu kommen: Drinnen, das ist da, wo sich an jenem Samstag laut wohlinformiertem Kommentator “abgeschirmt von der Polizei […] Deutschlands neue Rechte” traf, auf dem Haus der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn.
Auf die Frage nach “Deutschlands neuer Rechter” – ich kürze das ab hier mal mit “DnR” ab – kommen wir später zurück. Was den so sehr um Öffentlichkeitsarbeit bemühten Gast des zwischentags angeht, kann man nun natürlich ganz furchtbar erschrocken sein; natürlich kommt solcherlei Recherchearbeit nicht nur eine informative, sondern ganz dezidiert auch eine appellative Funktion zu: “Spiel’ nicht mit den Schmuddelkindern, kauf’ nicht ihre Bücher, wir haben viele Helferlein mit dem richtigen Riecher!”
Daß insbesondere in Nordrhein-Westfalen die Öffentlich-Rechtlichen ganz auf Linie mit den regionalen Schlapphüten jederzeit Gewehr bei Fuß stehen, wenn es um nonkonforme bis dissidente Veranstaltungen geht, ist aber nun wahrlich nichts Neues. Wer da angesichts des klandestinen Aufrüsselns jedes Hauchs von Abweichlertum durch den WDR noch kalte Füße bekommt, der scheint sich bis dato nicht allzuviele Gedanken darüber gemacht zu haben, wie in diesem unserem Lande öffentlicher Ruch zustandekommt.
Das gilt auch und insbesondere für den im Monitor-Beitrag besonders fokussierten Hans-Thomas Tillschneider; immerhin war der Aufhänger für die Berichterstattung diesmal ja der in den Sendeanstalten befürchtete AfD-Durchmarsch in Brandenburg und Thüringen, damit gleichwohl ziemlich läppisch gegenüber den Breivik-Morden 2011 oder der NSU-Mutmaßungserstattung 2012. Die beiden anderen öffentlich vorgeführten, wenn auch unkenntlich gemachten angeblichen ehemaligen oder aktuellen AfD-Mitglieder kann man getrost außer Acht lassen; was nicht belegt wird, ist gerade in solchen Berichten nichtig und hat allenfalls Unterhaltungswert.
Tillschneider jedenfalls wurde vom WDR erwartungsgemäß zielgenau auf seine Teilnahme am zwischentag festgenagelt und erklärte laut Bericht, sich “ein Bild vom Spektrum der Aussteller” gemacht zu haben – eine simple Antwort auf eine simple Frage. Daß es dem WDR darum geht, eine Benimmfibel für Parteipolitiker zusammenzustellen und Distanzierungen herauszukitzeln, ist nichts Neues – daß es in diesem Fall nicht gelang indes schon.
Aber zurück zum “Monitor”. Als demonstrative “Ih bah”-Beispiele für die gewitterte “ultrarechte Ideologie” dürfen dann die Identitären mit einer immerhin ulkigen Karte der Bundesrepublik herhalten – und Patrick Buchanans Buch “Irrweg Einwanderung. Die weiße Welt am Abgrund”, weil der Titel so schön ins Konzept paßt. Der Rundgang des Inkognito-Kameramanns, der seine Aufnahmen im Anschluß dem Sender “zugespielt” haben soll (ist klar, das entsprechende Equipment gehört ja bekanntlich zur neurechten Grundausstattung…), fiel offensichtlich nicht allzu ertragreich aus, was schmissiges Bildgut angeht. Wohl deshalb mußten sich die Praktikanten beim Sender doch noch ein paar Nächte mit AfD-Stalking um die Ohren hauen, was sie zum “rechtsnationalen Blatt” (man höre und staune!) Blaue Narzisse führte. Begriffsgulasch allerorten, und der alarmierte Zuschauer fragt sich, was nach all den “rechtsnationalen”, “stramm rechten”, “völkischen”, “rechtsradikalen”, “ultrarechten” und “rechtspopulistischen” Offenbarungen diese regelrecht holistisch niederträchtige DnR wohl noch bereithalten mag.
Auftritt Alexander Häusler! Ein gutes Porträt des “Experten” von der Arbeitsbeschaffungsstelle Neonazismus(!) an der Fachhochschule Düsseldorf hat Götz Kubitschek hier vor eineinhalb Jahren bereits geliefert. Anstatt den eigens beorderten “Experten” nun aber eine konkrete und trennscharfe Einordnung vornehmen zu lassen (meinetwegen selbst der AfD, falls das irgendjemanden interessiert hätte), kommt der Alex gerade mal mit zwei Sätzen zu Wort und darf einen vom Identitätsbegriff erzählen.
Nun bin ich – gottseidank – kein Sozialwissenschaftler, aber ich stelle mir das schon etwas frustrierend vor, extra ein Diplom erworben zu haben, nur um dem eigenen Mentor (das ist übrigens genau der Christoph Butterwegge, den aufgrund seines endgültig abstrusen “Die Neue Rechte fängt schon beim Neoliberalismus an!”-Gekaspers nicht einmal mehr Fachkollegen ernstnehmen) ein wenig zuarbeiten zu dürfen und im Anschluß gelegentlich mal für ein, zwei Minuten ins Fernsehen zu kommen, wenn man gerade nicht Expertisen in “leichter Sprache” für Antifa-Postillen abfaßt.
Zuviel Analyse hätte sich Monitor wohl ohnehin nicht erlauben können, weil ansonsten doch etwas offensichtlich geworden wäre, wie lieblos man mit den eigenen politischen Phrasen umgeht. Stattdessen gibt es also nur Häuslers Gefasel vom “Container-Begriff” der Identität, das erkennen läßt, daß er nicht nur die gesamte neurechte Beschäftigung mit Identitätsfragen seit den 1970er Jahren Henning Eichbergs nicht verstanden (und wahrscheinlich auch gar nicht verfolgt) hat, sondern auch im Gegensatz zu Onkel Butterwegge mit seiner geradezu innovativen Feindmarkierung des “Standortnationalismus” auch noch beim mittlerweile wirklich abgestandenen “Mimikry”-Schreckgespenst stehengeblieben ist, dessen unausgesetzte Zerdehnung in der Warner- und Mahnerliteratur mindestens seit 1989 schon einen eigenen Artikel wert wäre.
Was also hat uns das in mehr als zeitlichem Wortsinn “Erste Deutsche Fernsehen” nun beigebracht? Daß es einzelne AfD-Mitglieder (die beim WDR scheinbar allesamt “Funktionäre” darstellen; vielleicht kennt man es dort von den althergebrachten Parteien nicht anders?) gibt, die beim Distanzierungsringelpiez noch nicht mitspielen, das vielleicht. Dann waren da noch ein paar nette Blenden über Bücher und Kalender, sowie Einblicke in den Kneipsaal des Raczekhauses in Bonn, nüchtern betrachtet die reinste Werbung. Das war es dann aber auch schon.
Wenn man mal von der üblichen Etabliertenpropaganda aus dem immer prallgefüllten GEZ-Säckel absieht, bleiben neben einer weiteren Realsatire-Abmoderation für Begriffsstutzige – man erinnere sich an das glorreiche “mir jagt dieser Bericht MEHR als EINEN Schauer über den Rücken” – allenfalls noch die hölzern aufgesagten Jammerformeln und traurigen Gesichter einiger Gutmenschentrottel. Daran gemessen steht die Gegenöffentlichkeit geradezu vorbildlich da.
Ein Fremder aus Elea
Bei solchen Beiträgen kommt es auf den richtigen Schnitt und die richtige musikalische Untermalung an.
Man könnte sagen, das Format nähert sich der Oper an.
Man sollte nicht glauben, daß es seinen Zweck verfehlt, weil es keinen Wert auf intellektuelle Redlichkeit, etwa Höcke gegenüber, legt.
Ich habe auch schon ganz gute Beiträge in diesem Stil von der anderen Seite gesehen, d.h. gestern einen von Jakari Jackson:
https://www.youtube.com/watch?v=rSFFK8bhOO0&t=128m30s
Stimmungsmache im wörtlichsten Sinne. Natürlich ein Zeichen des Verlusts des Anspruchs auf einen eigenen Stil, auf eine eigene Art Weise, eine öffentliche Diskussion zu führen. Fing mit Gerhard Schröder an, entwickelt sich fort. Die Frage nach den Weiterungen wird offenbar nicht gestellt.