Konstitutionell zucke ich reflexartig zurück, wenn mir irgendjemand ungefragt ein “Wir” aufnötigt, insbesondere, wenn dieser Versuch aus der symbolischen Blasenwelt des medialen Überbaus kommt, dem man leider kaum entrinnen kann. Immerhin spüre ich dadurch immer wieder deutlich und mit einer gewissen Befriedigung meine Asynchronizität zu den täglichen Spektakelinszenierungen, die sich als Kitt unserer “Gesellschaft” präsentieren (natürlich spiele ich hier auf Guy Debord an.)
Ich war also 2001 gewiß kein Amerikaner, und ich war auch nicht der Überzeugung, daß hier ein paar orientalische Finstermänner grundlos “die Freiheit” hassen, die sie selber nicht haben können oder wollen. Die USA, das war für mich damals der nahezu allmächtige globalistische Krake, dem heimgezahlt wurde, was er selbst tausendfach gesät hatte, die Türme des WTC die Tempel der Hochfinanz und des imperialkapitalistischen Babylons, das endlich zu wanken begann. Und als es das Pentagon erwischte, legte ich eine Platte auf: “We don’t need no water, let the motherfucker burn…”
Meine Freude währte allerdings nicht lange, denn bald ließ ich mich von den sogenannten “Verschwörungstheoretikern” überzeugen, daß die offziell aufgetischte Story über die Attentate in New York in dieser Form nicht stimmen könne. Ich bin heute nicht mehr so antiamerikanisch wie damals, aber ich bin immer noch der Überzeugung, daß sich “9/11” irgendwo zwischen “make it happen” and “let it happen” abgespielt hat.
Ich benutze mein verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung, um diese unpopulären Dinge zu sagen, die viele Leute ärgern und mich in ihren Augen nachhaltig diskreditieren werden, aber ich hoffe, daß jedem klar ist, daß ich hier cum grano salis spreche. Der Terror ist ein Instrument zur Manipulation der Massen, angewiesen auf mediale Vervielfältigung und Ausschlachtung, und spätestens seit dem Reichstagsbrand sollten wir wissen, daß bei einem Terrorakt in der Regel mehr als nur eine Partei die Strippen zieht und ihr Süppchen kocht.
“9/11” war für viele Menschen im Westen ein Erweckungserlebnis, was die Gefahren des politischen Islams und die Realität des von Samuel Huntington diagnostizierten “Kampf” oder “Zusammenprall” der Kulturen betrifft. Dieser hat mehrere Schichten und Fronten, die man leicht aus den Augen verlieren kann. Wenn man will, kann man aus dieser Perspektive einen Zusammenhang herstellen zwischen den religiösen Fanatikern, die die Mannschaft von Charlie Hebdo ermordet haben und den saudiarabischen Autoritäten, die einen liberalen Blogger zu 1,000 Peitschenhieben verurteilten, weil er “den Islam beleidigt” hatte – eine Prozedur, bei der er in Gefahr laufen wird, das Leben zu verlieren.
Man kann allerdings auch darauf hinweisen, daß Dschihadisten in Paris Massaker begingen, während Obamas Drohnen mit französischer Unterstützung Syrien und Libyen plattbomben. Pepe Escobar schrieb in der Asia Times:
What French President Francois Hollande defined as “an act of exceptional barbarism” – and it is – does not apply when the “West”, France in the front line, from King Sarko to General Hollande himself, weaponizes, trains and remote-controls assorted mercenaries/beheaders from Libya to Syria. Oh yeah; killing civilians in Tripoli or Aleppo is perfectly all right. But don’t do that in Paris.
Escobar zweifelt auch daran, daß die Sicherheitsbehörden, die die Attentäter nach Presseangaben schon längst auf dem Kieker hatten, das Attentat nicht vorausgesehen hätten:
So this, in the heart of Europe, is what blowback feels like. This is what people feel in the Waziristans when a wedding party is incinerated by a Hellfire missile. In parallel, it’s absolutely impossible that the oh so sophisticated Western intel network had not seen blowback coming – and was impotent to prevent it.(…)
Of course the ultra-elaborate Western counter-terrorism expert network – so proficient at strip-teasing us all at every airport – saw it coming; but in shadow warland, portmanteau “al-Qaeda” and its myriad declinations, including “renegade” Daesh/ISIS/ISIL, are used as much as a mercenary army as a convenient domestic threat “against our freedoms”. (…)
The Obama administration is already mobilized to offer “protection” – Mob-style – to a Western Europe that is just, only just, starting to be diffident of the pre-fabricated Russian “threat”. And just as it happens, when the Empire of Chaos mostly needs it, evil “terra” once again rears its ugly head.
And yes, I am Charlie. Not only because they made us laugh; but because they were sacrificial lambs in a much nastier, gruesome, never-ending shadowplay.
In diese Richtung gehen viele Spekulationen, die die Frage nach dem “cui bono” stellen: der Terror als Vorwand, um den staatlichen Überwachungsapparat auszubauen. Mag sein. “EU-Länder verstärken Terrorschutz” titelte am 9.1. der Standard, und wenn ich dergleichen lese, freue ich mich schon wahnsinnig darauf, so gut beschützt zu werden. Verheißungsvoll ist auch dieser Bericht aus der Presse:
Das Terror- und Geiseldrama in Frankreich führt in Österreich unmittelbar zum Ausbau der Vorkehrmaßnahmen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat, wie der „Presse am Sonntag“ bestätigt wurde, bereits weitere Aktivitäten für einen erhöhten Schutz der Bevölkerung eingeleitet. Seit gestern, Samstag, sind zusätzlich Hunderte Exekutivbeamte zur Überwachung öffentlicher Plätze im Einsatz; die technische Ausstattung und die Ausrüstung der Polizei wird nachgerüstet und auf EU-Ebene unternimmt die Innenministerin jetzt einen weiteren Vorstoß für eine Nachfolgeregelung der Vorratsdatenspeicherung.
Irritierend wirkt auch die seltsame Nachricht, daß ein ranghoher Kommissar, der mit den Ermittlungen zu dem Attentat beauftragt war, just am Tage des blutigen Finales, mitten im Geschehen, Selbstmord begangen haben soll – aufgrund von “Depressionen”, wie von der Polizeigewerkschaft mitgeteilt wird.
Man tut gut daran, diese Frage als Möglichkeit offen zu halten: Hat es sich hierbei um einen genuinen islamistischen Terrorakt gehandelt oder nicht? Die Motivationen der Täter können gewiß recht vielfältig sein, und sie müssen keineswegs immer von rationalem Kalkül getrieben sein. Zum echten Fanatismus gehört auch immer eine gehörige Portion destruktiver Emotionalität.
Der Schock, den das Attentat erzeugt hat, wird jedenfalls durchaus Kapital für fortlaufende Einschüchterungen von islamischer Seite abwerfen, auch wenn das “Image” des Islam nun nicht gerade besser geworden ist. Aber eine weitere Folge wird auf jeden Fall sein, daß in Europa das Unbehagen vor dem Islam und seiner Ausbreitung durch wachsende Einwanderergruppen ansteigen wird. Die nun wieder automatenhaft von den herrschenden Eliten wiederholten und variierten Mantras à la “Das Attentat hat nichts mit dem (eigentlichen) Islam zu tun”, sind längst zu Kalauern und running gags geworden; je öfter sie wiedergekäut werden, umso mehr sinkt die Glaubwürdigkeit ihrer Verbreiter.
Manfred Kleine-Hartlage schrieb hierzu aus einem ähnlichen Anlaß:
Würde bei einem Mordanschlag der Mörder “Heil Hitler” rufen und seine Tat mit Thesen aus “Mein Kampf” begründen, niemand würde daran zweifeln, dass der Mord etwas mit Rechtsextremismus zu tun hat. Ruft der Mörder aber “Allahu Akbar”, so marschiert prompt eine ganze Armee von wohlbezahlten Berufslügnern auf, um uns weiszumachen, dieser Anschlag habe selbstredend nichts mit dem Islam zu tun. Es lohnt sich nicht und wäre geradezu ein Akt der Selbsterniedrigung, mit solchen Menschen zu diskutieren. Wohl aber lohnt es sich zu fragen, was genau diese Art von Terror denn mit dem Islam zu tun hat.
Dieser Zusammenhang besteht nicht erst dann, wenn jeder einzelne oder auch nur eine Mehrheit von Moslems Gewalt gegen Andersgläubige praktiziert oder bewusst befürwortet. Dies ist nicht der Fall. Moslems, die so denken und handeln, gibt es zwar in erschreckend hoher Anzahl, aber sie sind, aufs Ganze gesehen, offenkundig eine Minderheit. (…)
Der Zusammenhang zwischen Islam und Gewalt besteht vielmehr darin, dass islamische Gemeinschaften solche Minderheiten mit hoher Regelmäßigkeit hervorbringen, und zwar dann,
- wenn muslimische mit nichtmuslimischen Volksgruppen im selben sozialen Raum, vor allem im selben Staat zusammengesperrt sind,
- die muslimische Gruppe zahlenmäßig stark genug ist, einen Herrschaftsanspruch zu erheben,
- und das Zusammenleben der Gruppen nicht durch die Scharia geregelt, der muslimische Herrschaftsanspruch also nicht verbindlich kodifiziert ist.
In solchen Konstellationen wächst die Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Übergriffe aller Art von Moslems gegen Nichtmoslems mit dem muslimischen Bevölkerungsanteil. Da dies bekannt und sogar offenkundig ist, ist der beliebte Gutmenscheneinwand, die meisten Moslems seien doch gar nicht gewalttätig oder religiös fanatisch, vollkommen gegenstandslos.
Daraus folgt, daß die Rede vom “Islamismus, der nichts mit dem Islam zu tun hat” in erster Linie dazu dient, den Bruch in der multikulturellen Agenda zu kitten. Denn eines der zentralen – und nebenbei von den Cameron, Sarkozy, Merkel usw. unverhohlen verkündeten Ziele – ist “die Zerstörung der ethnischen Homogenität der Völker Europas.”
Dieses Ziel – also die Umwandlung der europäischen Nationen in “multikulturelle”, multiethnische “Gesellschaften” – darf nicht in Frage gestellt werden, auch von so furchtbaren Einbrüchen wie dem Massaker an Charlie Hebdo nicht – denn dies ist das große “alternativlose” politische Projekt, an dem Generalkritik zu üben streng verboten ist, in schärferem Ausmaß noch als Kritik am Islam, dessen Ecken und Kanten schließlich geschliffen werden müssen, um das Projekt zu vollenden.
Folgen Bluttaten wie diese, die immerhin auf dem Boden einer aus dem Ruder gelaufenen Einwanderungs- und Einbürgerungspolitik gewachsen sind, fordern sie anstelle von – sagen wir – Beschränkung der Einwanderung und des islamischen Einflusses eine massive Erweiterung des polizeilichen Überwachungsnetzes. Keine Wunder: vermutlich wird in Zukunft eine vor “Diversity” und schwelenden bis offenen ethnisch-kulturellen Konflikten berstende Gesellschaft nur noch durch einen Polizei- und Überwachungsstaat zusammengehalten werden können.
Kleine-Hartlage fährt fort:
Wenn bekannt ist, dass die massenhafte Einwanderung von Angehörigen der Gruppe X die Folge Y hat, dann muss der, der solche Einwanderung befürwortet, darlegen, warum diese Folgen wünschenswert oder es doch zumindest vertretbar sei, sie in Kauf zu nehmen. Die allgegenwärtige Warnung vor dem “Generalverdacht”, unter den man Moslems – oder wen auch immer – nicht stellen dürfe (warum eigentlich?), hat eine rein propagandistische Funktion:
Ihr Zweck ist nämlich nicht, den einzelnen Moslem vor einem “Verdacht” zu schützen, den er doch durch sein eigenes Verhalten ganz leicht und ohne jegliche Anstrengung enttkräften kann, und den die meisten von ihnen ja auch tatsächlich entkräften.
Ihr Zweck ist, die Befürworter von muslimischer Masseneinwanderung vor der Frage zu bewahren, warum sie eine Einwanderungspolitik betreiben, die jeden einzelnen Bürger einem im Zeitverlauf exponentiell wachsenden Risiko aussetzt, zum Opfer von muslimischer Gewaltkriminalität bis hin zum Terrorismus zu werden.
Eine politisch-mediale Klasse, die die Kritik an Minderheiten zu unterbinden versucht, tut dies nicht, um diese Minderheiten, sondern, um sich selbst und ihre Machtposition zu schützen. Die Warnung vor dem “Generalverdacht” ist Teil einer Selbstimmunisierungsstrategie der Linken und des politischen Establishments, die eine destruktive und gegen die Interessen der eigenen Bürger gerichtete Politik betreiben, nicht in die Verlegenheit kommen wollen, diese zu rechtfertigen, es deswegen nötig haben, ihren Kritikern ethische Defekte und politischen Extremismus zu unterstellen, und aus solcher Unterstellung die Handhabe gewinnen, sie mundtot zu machen – mit allen legalen und zunehmend auch illegalen Mitteln.
Aus genau diesem Grund ist auch die Gereiztheit der deutschen Presse gegenüber Pegida seit dem Pariser Attentat ins Unermeßliche gestiegen. Denn das Massaker ist eine peinliche Blamage für alle, die bisher das Anliegen der Demonstranten blindlings verhöhnt und diffamiert haben. Die solchermaßen gedemütigte Presse sucht nun wutschnaubend einen Sündenbock.
Mit der Logik von Borderlinern und Psychopathen bringen es ihre Vertreter fertig, ausgerechnet Pegida mit den Attentätern auf eine Stufe zu stellen. Berthold Kohler ist kein Einzelfall; andere sind ihm bereits mit streicheresken Ausfällen nachgefolgt, während der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger diese mehr als hinterfotzige Gleichsetzung zur offiziellen Parteilinie erhoben hat.
Aus dem Kommentar des BDZV-Präsidenten Helmut Heinen:
Satire, Tabubruch, auch Blasphemie muss unsere Gesellschaft aushalten. Sie gehören zum Dialog über streitige Themen, selbst wenn dies dem Einzelnen nicht gefällt. Die Medien und gerade auch die Zeitungen tragen durch Kommentare und Hintergrundberichte zur Reflexion über unsere zivilen Standards bei.
Sie sind, mit allen Fehlern und Schwächen, mit ihren Stärken und Vorzügen, eine Errungenschaft unserer Demokratie, die wir stets aufs Neue verteidigen müssen. Das zeigt nicht nur der Anschlag auf „Charlie Hebdo“. Das zeigen auch Nazi-Schmierereien an den Wänden deutscher Verlagshäuser oder das dumpfe Verunglimpfen der „Lügenpresse“ durch die Pegida-Anhänger.
„Lügenpresse“ – das ist ein Kampfbegriff aus Deutschlands dunkelster Vergangenheit. Perfide Propaganda der Pegida-Anführer, Ignoranz und unklare Ängste drohen hier, eine üble Allianz einzugehen. Sie versprechen einfache Antworten auf komplexe Fragen. In unserer globalisierten Welt gibt es diese einfachen Antworten nicht.
Wehren wir uns. Beharren wir, Zeitungen und Leser gemeinsam, auch weiterhin selbstbewusst auf der Pluralität der Meinungen und der Freiheit, sie zu äußern. Bieten wir so allen Eiferern die Stirn, die im Namen von Religionen oder Ideologien pöbeln, Angst verbreiten und am Ende sogar morden.
Illustriert wird das ganze mit einem Cartoon, der zwei vermummte Terroristen vor dem Eingang zu Charlie Hebdo zeigt, die Richtung Pegida (“Lügenpresse!”) schielen und sagen: “Die reden nur! Wir tun was.” Der Schöpfer dieses subtilen Werkes, Klaus Stuttmann war nebenbei gesagt bis 1989 Hauszeichner der (West)-SED-Tageszeitung “Die Wahrheit”, ein Umstand, der seine Zeichnung fast schon wieder witzig macht.
Man muß die Ängste dieser Menschen und ihre dumpfen Ressentiments ernstnehmen; sie spüren langsam aber sicher, daß ihre Autorität und Machtposition ins Rutschen kommen. Sie plustern sich als Beleidigte und Entrüstete auf, wenn man sie Lügner nennt, aber jede einzelne ihrer Reaktionen zeigt, wie sehr diese Vorwürfe zutreffen. Ihre verbohrte Arroganz und ihr hypermoralisches Theater sind auch ein Zeichen einer tiefen inneren Verunsicherung. Hier fürchtet eine Kaste darum, ihr Monopol auf Meinungsmache zu verlieren.
Journalisten glauben, dass Pressefreiheit ein (Grund-/Menschen-)Recht wäre, das einer bestimmten geschlossenen Personengruppe zusteht, aber inhaltlich nicht näher bestimmt ist. Als sei Pressefreiheit ein Sonder-Recht der Journalisten, zu tun, was sie wollen. Quasi eine Elite, die mit einer Art Sonderrechtsblaulicht auf dem Dach herumfährt, so wie die Polizei im Straßenverkehr Sonderrechte hat. Deshalb stellen sich Journalisten auch so gerne in ihren Rechten verletzt dar.Dabei ist es genau umgekehrt:
Pressefreiheit ist ein Recht, das jedem zusteht, nicht nur einer Auswahl, geschlossenen Gruppe oder Elite, das jedoch nur zu bestimmten Handlungen berechtigt.
Es ist also kein Sonderrecht einer abgegrenzten Personengruppe, tun und lassen zu können, was sie wollen (also quasi eine Adels-Ersatz), sondern umgekehrt ein allgemeines, jedem zustehendes Recht, bestimmte Handlungen vornehmen zu können. (…)
Im Ergebnis führt das zu einer (eingebildeten) selbsterklärten „Zuständigkeit“: Für die Wahrnehmung von Pressefreiheit halten sich die Journalisten für allein zuständig, ebenso wie die Professoren glauben, das Monopol auf Wissenschaftsfreiheit zu haben. (…)
Es ist grotesk, aber: Die wenigsten Journalisten machen heute noch das, was inhaltlich unter Pressefreiheit fällt: Nämlich das Recherchieren. Ausgerechnet die, die Pressefreiheit schon lange nicht mehr verwenden, beschweren sich am lautesten über deren Verletzung. Als ob sich der Blinde beschwert, dass ihm jemand das Licht ausgeschaltet hat.
Ich sag’s mal so: Wer vorher die Pressefreiheit nicht in Anspruch nahm, kann hinter nicht Opfer eines Angriffs auf dieselbe sein, schon gar nicht, wenn der Angriff wie in Paris gar nicht der Presse‑, sondern eben der Meinungsfreiheit galt.
Das aber will man gar nicht so genau sehen, weil man es bei der Meinungsfreiheit nicht schafft, wie bei Presse und Wissenschaft ein Monopol eines Personenstandes zu stilisieren, sondern die Meinungsfreiheit gerade als Recht der Allgemeinheit und damit als Konkurrenz zur Presse wahrgenommen wird.
Der Groteske zweiter Teil ist nämlich, dass unsere Presse sich in den letzten Jahren auch nicht als Wahrer der Meinungsfreiheit hervortat, sondern sich im Gegenteil damit beschäftigt hat, die Meinungsfreiheit abzubauen und jeden zu beschimpfen, der eine andere als die von der Presse gestattete Meinung äußerte.
Diese Heuchelei sticht aus den Äußerungen der Kohlers, Heinens oder Friedmans hervor wie ein fetter, gigantischer, eitriger Pickel auf der Nase. Wie gesagt, die einzige Parallelle, die mir dazu einfällt, ist das projektive Verhalten von schwer Geistesgestörten. Hier hat man Leute vor sich, die mit petrifizierten pathetischen Phrasen um sich werfen, deren Sinn sie völlig ins Gegenteil verkehren. Die Wirklichkeit wird dreist auf den Kopf gestellt.
Ein Klassiker ist etwa dieser Satz von Heinen:
Sie versprechen einfache Antworten auf komplexe Fragen. In unserer globalisierten Welt gibt es diese einfachen Antworten nicht.
Dies, wohlgemerkt, geäußert im Verbund mit der “komplexe Antworten” gebenden Karikatur von SED-Stuttmann. Mit zu Tode gedroschenen Sprüchen wie diesen schmückt sich heute jeder nächstbeste Kretin, der in seinem Leben noch keinen “komplexen” Gedanken von weitem gesehen hat. Eine Art von Instant-Aufgeklärtheit zum Schleuderpreis. Solches Begriffslametta hängt man sich um wie die “richtige” politische Meinung.
Das ist eine Beleidigung und Provokation für alle, die nicht nur Phrasen nachplappern, sondern tatsächlich komplexe Fragen durchdenken können. Das gilt in noch stärkerem Maße für Sprücheklopferei wie diese:
Wehren wir uns. Beharren wir, Zeitungen und Leser gemeinsam, auch weiterhin selbstbewusst auf der Pluralität der Meinungen und der Freiheit, sie zu äußern.
Wunderbar, Helmut, meine Rede seit Jahr und Tag! Lauter Applaus von der “falschen” Seite für Euer Gnaden von Stirnbieten! Das unterschreibe ich gerne, wie auch mit Sicherheit jeder einzelne der 18,000 Dresdener Spaziergänger, denn das ist ja ein Hauptgrund, warum er überhaupt auf die Straße gegangen ist.
Nochmal Hadmut Danisch:
Insofern müsste die Karikatur des Dummkopfs Stuttmann eigentlich andersherum lauten: Die Parallele müsste zwischen Journalisten und Terroristen, nicht zwischen Demonstranten und Terroristen gezogen werden. Denn die qualitative Gemeinsamkeit, die sich nur im Grad der Gewaltanwendung unterscheidet, und das ist ja der Punkt hinter Stuttmanns Karikatur, liegt nicht nur darin, dass beide, Islamismus und deutsche Presse, Meinungsfreiheit und jede Kritik an einer vorgegebenen Linie, angreifen und als Nazitum, Ausländerfeindlichkeit usw. beschimpfen, sondern dass beide sich notorisch als Opfer stilisieren und diese Opferrhetorik gebrauchen.
Es wäre vielleicht mal ein interessantes Projekt, sich die Leitmedien einzeln vorzuknöpfen und ihr aktuelles Gejammer bezüglich der Meinungs- und Pressefreiheit dem gegenüberzustellen, wie sie bei den Mainstream-Themen wie Feminismus und Sozialpolitik auf Leute mit anderer Meinung eingedroschen und sie an den Pranger gestellt haben.
Im zweiten Teil dieses Artikels werde ich darstellen, welche Rolle der grassierende “Je suis Charlie”-Kult in der Heuchelei der politisch-medialen Eliten spielt.
Marcus Junge
Ich kopiere mal gnadenlos bei Michael Klonovsky, der den ganzen Wahnsinn um "Ich / Wir sind Charlie" gestern auf den Punkt brachte:
"Späterer 9. Januar 2015
Ach übrigens: Je suis Michael."
Wahlweise kann man auch einen alten Volker Pispers bei Youtube suchen, der schon vor einem Jahrzehnt Probleme damit hatte Amerikaner nach 9/11 zu sein oder später dann "Papst", ect.