zu keinem besseren Zeitpunkt auf den Markt kommen können. Die von Jean Raspail beschriebenen dystopischen Zustände sind jetzt ganz konkret um uns, und jeden Tag kommen neue unheimliche Parallelen hinzu.
Das schlägt sich auch merklich in den Bestellzahlen nieder: Schon mehrmals sind gleich mehrere Dutzend Heerlager an Firmenanschriften bestellt worden, wo sie vermutlich unter den Mitarbeitern verteilt worden sind. Ebenso sind die Geschenkbestellungen (also: Person a bestellt und bekommt die Rechnung, geliefert werden soll aber mit besten Empfehlungen an Person b ganz woanders) signifikant häufiger als bei anderen Antaios-Titeln.
Damit aber vor lauter Heerlager und seinen drastischen Bildern von der “Armada der letzten Chance” das Gesamtbild nicht verrutscht, muß noch einmal ausdrücklich auf einen anderen Aspekt in Raspails Werk hingewiesen werden. Der Romancier widmete sich schon 1973 mit besonderem Furor der unrühmlichen Rolle der Medien und ihrem hündischen Kriechen vor der politisch verordneten Schockbehandlung des Staatsvolks, in diesem Fall durch den großen Austausch – man kann klinisch (und philologisch!) schon von einer Dialyse des Staatskörpers sprechen.
Bei Raspail gibt es etwa den Radiomoderator Durfort, der sich den Kampf für alle nur denkbaren Minderheiten gleichzeitig auf die Fahne geschrieben hat und sich dabei unglaublich widerständig vorkommt. Ungefähr so wie die vollends durchgepeitschten Unterstützer von fluchthelfer.in, die sich mit ihrer Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt das Entréebillet zum Buffet der Gerechten unter den Völkern erkauft zu haben meinen. Raspail zerlegt diesen Typus des Tintenritters in seine Einzelteile:
Aber angefangen bei Durfort selbst merkte niemand, daß dieser Rächer der Enterbten ständig offene Türen einrannte. Lustigerweise galt ausgerechnet er als Inbegriff des kritischen, unbequemen Freigeists. Er wäre ehrlich verblüfft gewesen, hätte man ihm gesagt, daß er nichts weiter als ein stromlinienförmiger Konformist war, der sich gehorsam vor allen Tabus niederwarf, die der intellektuelle Terrorismus der letzten dreißig Jahre befestigt hatte.
Claus Kleber, »seriöser Nachrichtenmann des ZDF« (Bild), darf sich ruhig angesprochen fühlen!
Antaios hat bereits im vergangenen Jahr einen Roman veröffentlicht, der sich mit der unheilvollen Zersetzungsarbeit befaßt, die unsere Journaille seit langem betreibt. Hirnhunde war vor Raspails Werk der erste gebundene “Ausnahmeband” in der ansonsten broschierten edition nordost und gleichsam zwar vor allem die Innenschau eines schwer um Wahrhaftigkeit ringenden, vielleicht gefühlskonservativen Milieus – doch haben die (Selbst-)Beschreibungen darin ihre eigene Dialektik.
Protagonist Marcel nämlich, der aus Angst vor politischen Ressentiments gegenüber potentiellen Gesprächspartnern immer nur als »ein Reporter« und/oder »von der Presse« auftritt, erlebt konträr zu seinen Erwartungen das volle Mißtrauen des medienkonsumierenden Volks. Ein Grundmißtrauen gegenüber solchen, die angetreten sind zu vermitteln, was und wie man zu denken hat.
Das äußert sich nicht nur darin, daß die bereits von den Rassismussuchern unter seinen Kollegen gepeinigten Bürger rund um das improvisierte Zigeunerlager nicht mit Marcel sprechen wollen. Eine Vertreterin der speziellen Salbadererzunft ist im Gegenteil besonders redselig und spult fleißig ihr vorbereitetes »Haben wir uns doch einfach alle lieb!«-Stück ab:
Ja, sagte sie auf Marcels Nachfrage, sie habe natürlich von den Beschwerden aus der Nachbarschaft gehört. […] Achtzig Prozent Vorurteil, zwanzig Prozent berechtigt, aus deren Sicht jedenfalls berechtigt. Daß mal ein Fahrrad aus einer offenstehenden Hofeinfahrt ausgeliehen werde, die Küsterin lachte mütterlich, das sei natürlich ein Affront für den Deutschen, der Mein und Dein sorgsam unterscheide. Das müsse man verstehen! […] Wichtig sei, keine Front heranwachsen zu lassen zwischen denen und uns. Die hätten halt ihre kleinbürgerlichen Vorstellungen von Ruhezeiten, von mülltechnischer Vier-Tonnen-Ordnung, das könne man nicht einfach übergehen!
Marcel merkte, daß die Küsterin mit »denen« die kleinbürgerlichen Deutschen meinte, mit »uns« die Gemeinschaft der Sinti, Roma und des Küsterin-Haushalts. Anscheinend hatte die Frau in den letzten Tagen Übung gewonnen im Verkehr mit Berichterstattern. Sie mußte ihn für einen halten, der drauf und dran war, hier eine fremdenfeindliche Stimmung aufzuspüren!
Die hier nur angedeutete Wechselwirkung von Journalisten und Meinungsproduktionsmittelbau ist besonders fatal. Beide Parteien schaukeln sich in ihrer kognitiven Dissonanz ständig weiter hoch, weil sie von der jeweils anderen erwarten, daß dieses dies von ihnen erwarte. Circulus vitiosus.
Dieser Umstand aber macht Hirnhunde ein Jahr nach der Veröffentlichung zu einer tiefsinnigen Ergänzung zum Heerlager der Heiligen. Während Raspail die Vision eines Untergangs unter eifriger Beihilfe der be-schreibenden Zunft zeichnet, bildet “Raoul Thalheim” in seinem Roman eine Ätiologie der lebendig verwesenden veröffentlichten Meinung in der Bundesrepublik ab.
Wer Romane zu schätzen weiß, die die Realität zur Kenntlichkeit entstellen, sollte jetzt zugreifen: Von den ursprünglichen vier Paletten voller Heerlager, die auf dem Rittergut ankamen, sind nun noch 200 Exemplare übrig. Eine zweite Auflage kommt voraussichtlich zum Monatsende; bis dahin könnte es mit der Verfügbarkeit schwierig werden.
Raoul Thalheim: Hirnhunde, Schnellroda 2014, 354 Seiten, 21 Euro – hier bestellen.
Jean Raspail: Das Heerlager der Heiligen, Schnellroda 2015, 416 Seiten, 22 Euro – hier bestellen.
Martin Schillert
Übrigens wurde die Webseite und Idee von "fluchthelfer.in" anscheinend vom Ayn Rand Institute aus dem Boden gestampft. Ein us-amerikanischer "ThinkTank". Ich habe die Domain Informationen selbst überprüft.
https://www.unzensuriert.at/content/0018397-Steckt-rechter-US-Thinktank-oder-linkes-Revolutions-Kollektiv-hinter-Fluchthelfer
Wegner:
Ebenso übrigens gibt es dazu eine Gegendarstellung. Solange die Sache sicht nicht erhärtet, sollte man da mal die Kirche im Dorf lassen – unsere Mitbürger kriegen das mit der Selbstabschaffung auch ohne finanzielle Rückendeckung der USA ganz gut hin.