Erzählungen sind heute die Jugendbücher dran, und bis Ende der Woche folgen die Kinderbücher. Die Grenze liegt etwa bei zehn, elf Jahren, je nach Lesereife des Kindes.
Vorweg: Wir können das Jugendbuch-Angebot nicht überschauen. Einige der Bücher, die wir empfehlen, sind Zufallsfunde, und mit Sicherheit sind wir auf der Leipziger Buchmesse an Perlen vorbeigegangen, deren Titel oder Umschlaggestaltung uns nicht lockte. Wir hoffen also auf verantwortungsvolle Ergänzung unserer Liste in der Kommentarspalte, denn auch unsere Kinder sind zum Teil erst vor ein, zwei Jahren ins Jugend-Lesealter vorgestoßen.
Ein paar Grundsätze voraus:
1. Lesen, Leselust und Leseverständnis sind die Grundlage für jede Bildungsbiographie.
2. Fernsehen ersetzt das Lesen nicht, und es fördert auch nicht die “Lesekompetenz”, wie ab und an behauptet wird. Es ist ja auch nicht so, daß das Handy ab 10 die Kommunikationskompetenz fördern würde. Beides verhindert vielmehr die Versenkung in die Bild- und Sprachwelt eines guten Buches.
3. Die Auswahl der Bücher muß so sorgfältig wie möglich erfolgen: “Hauptsache er liest!” ist kein hinreichendes Argument. Selbst im Gymnasium wird oft unterirdische Literatur gereicht, echte 64-Seiten-Groschenromane mit reduziertem Wortschatz, Randgruppen-Problemen, flachen Dialogen in einer Möchtegern-Jugendsprache. Das gabs übrigens früher auch schon, die immergleichen Reiterhof-Geschichten mit irgendeinem wilden Gaul und dem küssenden Reitlehrer usf.
4. Man sollte immer wieder nach dem Lektüreeindruck fragen, sich die beeindruckenden Stellen erzählen lassen und selber mit Leseerinnerungen beeindrucken. Manche Bücher stiften Urbilder. Das kann man nicht ernst genug nehmen.
5. Zentral ist, daß der junge Leser mit dem Buch “fertig” wird: Deshalb ist das Ende so wichtig – es darf nicht zu früh offen bleiben, die Angst vor dem Unbehausten, Ungeordneten kann alptraumhaft sein.
Die Liste:
1. Hans Baumann: Ich zog mit Hannibal
(ab 12: Die Geschichte eines Troßjungen im Zug gegen Rom)
2. Günther Bentele: Wolfsjahre
(ab 13: Ein junge im Dreißigjährigen Krieg, ungeschönt, aber nie blutrünstig: Lagerleben, Marodeure, die Zerstörung Magdeburgs, die Schlacht bei Lützen, versöhnliches Ende mit der Heimkehr nach Frankfurt.)
3. Michael Ende: Momo
(ab 11, ein Klassiker: vom Unterschied zwischen technischer und lebendiger Zeit, Kritik an Vernutzung und Raubbau an der eigenen Phantasie)
4. Willy Fährmann: Der lange Weg des Lukas B.
(ab 13: Eine Zimmermann-Brigade verläßt Ostpreußen, um in der Neuen Welt ihr Glück
zu suchen. Mit dabei: der 14jährige Lukas Bienmann, der mit seinem Großvater als einziger zurückkehrt. Das Ende ist also nicht rund, sondern wirkt als Riß.)
5. Oliver Hassencamp: Die Jungens von Burg Schreckenstein
(ab 11, für Jungs: Internatsgeschichten, mindestens 20 Bände, typische Charaktere, bündische Luft, Selbstorganisation nach strengem Regelwerk.)
6. Rolf-Jürgen Orf: In die Asche geschrieben
(ab 14: gut komponierter Entwicklungsroman aus der Merowingerzeit, ohne Effekthascherei, aber mit allem notwendigen Realismus. Gleichzeitig ein trauriges Beispiel für völlig mißlungene Titel- und Umschlagkonzeption.)
7. Gertrud Ott: Widukind. Eine Geschichte aus der Zeit Karls des Großen
(ab 10: Das Heidnische und das Christliche gut dargestellt, Widukinds Konversion zum Christentum als versöhnendes Ende.)
8. Ottfrid Preußler: Krabat
(ab 12/13: Wohl das beste Jugendbuch, das wir kennen: Ein Müllersbursch soll Schwarze Magie
lernen und überlebt nur, weil ihn ein Mädchen liebt.)
9. Klaus Rohrbach: Abenteuer in Schnee und Eis. Alfred Wegener – Polarforscher und Entdecker der wandernden Kontinente.
(ab 12: Dies nur als Beipspiel dafür, daß es gut erzählte Biographien für junge Leser gibt, in denen gleichzeitig Schulstoff – hier: Geschichte, Geographie, Physik – vermittelt wird)
Nichts sagen können wir bisher zu Funkes Tintenherz-Trilogie oder zu Meyers Biss-Geschichten. Beide Reihen sind ja gewaltige Bestseller.
Ein paar Worte aber noch zum Übergang: mit 13, 14 kann man von Storm Pole Poppenspäler, von Keller Die Leute von Seldwyla und von Stifter Bunte Steine lesen, Grundsatz: keine Collagen, sondern durchgezogene Erzählungen mit klassischem Aufbau und guter Sprache. Mit 15 Karl May (vor allem die Klassiker mit Winnetou und Old Shatterhand zum einen sowie Kara Ben Nemsi und Hadschis Halef Omar zum anderen). Und: Moby Dick, Ivanhoe, gute Nacherzählungen Griechischer, Römischer, Germanischer Heldensagen. Bitte: Ergänzen!
Cordt
Wieder zu bekommen:
Hans von Gottberg: Der Kampf um die Kistenburg.
Von Gottberg (ore) kommt aus der bündischen Ecke (Sturmvaganten, dann Begründer Freier Pfadfinderbund Jomsburg), trat 1957 in die Bundeswehr ein, wo er es bis zum Oberst bracht.
Sehr schönes Buch, das die Selbstorganisation von Jugendlichen um ihre Kistenburg beschreibt.
Sollen es nur deutsche Autoren sein?