Denn diese Präsentation bestätigt scheinbar für eine ohnehin meist übelgesinnte Öffentlichkeit Negativklischees über das IfS respektive die konservativ-rechtsalternative Szene generell. Genauer: Sie erleichtert ungewollt ein absichtliches oder unbewußt feindliches Fehlverständnis, man sympathisiere mit testosterongesteuerten, durch Nietzsche-Parolen stimulierten Haudraufs.
Auch (völlig wertneutral) taktisch scheinen mir Gewaltbekenntnisse oder ‑euphorien angesichts der Kräfteverhältnisse im Lande und einer tendenziell linkspolitisierten Justiz verfehlt und höchstens tauglich zur kurzfristigen seelische Kompensation.
Nun ist Taktik bekanntlich nicht alles im Leben, und wer gänzlich darin aufgeht, verarmt charakterlich wie programmatisch. Aber riskante Provokationen, bei denen man sich, ohne zu klagen, den erwartbaren feindlichen Reaktionen aussetzt, begeht man besser im Bewußtsein einer durchweg richtigen eigenen Position. Das scheint mir hier jedoch nicht gegeben. Denn „Violence“ – wie Donovans Ausgangsthese lautet – ist nicht „golden“, sondern vielfach hundsgemein und verdient keine Apologie schlechthin.
Auch die Antifa übt sie täglich aus und könnte sich eigentlich in solchen vermeintlichen Lizenzen geradezu suhlen. Desgleichen jeder Hooligan oder Zuhälter, der sein Rauschgift- und Eros-Revier erweitert, jeder gewalttätige Immigrant eines umgekippten Stadtviertels, der seine Dominanz über Biodeutsche auslebt.
Spätestens jetzt mag man einwenden, ich hätte den Kern von Donovans Botschaft nicht erfaßt. Aber das stimmt nicht. Sein Auftritt im Rahmen der Tagung war eine wichtige Wortmeldung, nicht zuletzt weil sie auf dem einen Pol dazu beitrug, die ganze Spannbreite des Themas abzudecken, und damit ihre Funktion erfüllte, in einem fruchtbaren Gespräch den eigenen Standpunkt zu finden.
Denn nichts ist steriler als jene Art neudeutsch-korrekter „Diskussion“, bei der in einem vordefinierten Rahmen wohltemperierten Verschweigens wichtigtuerisch lediglich Fußnoten-Gegensätze zum Austrag kommen. Aber unerläßlich und wohlkalkuliert war ebenso, daß auch Martin Sellner sozusagen als Antipode zu Wort kam mit seiner gewiß aussichtsreicheren Strategie aktivistischer Gewaltlosigkeit.
Donovans Text in der Sezession 76 / Februar 2017 enthält übrigens eine durchaus stringente Beweisführung, die sich jederzeit nachvollziehen läßt. Verdeutlicht er doch – was unsere Sentimentalinskis so gerne vergessen oder vergessen machen wollen –, daß Gewalt immer herrscht und wir sie nur allzu gern verbal verstecken. Er mißbilligt zurecht das öffentliche Geschwätz darüber und die jeweiligen interessengelenkten Umdefinierungen.
Er verweist auf die Notwendigkeit, sich dieser Einsicht zu stellen und, statt hündisch zu jammern, sich auch körperlich wieder in Form zu bringen – ein Aufruf, den man heute jedem Jungen und leider auch Mädchen ins Erziehungsstammbuch schreiben sollte. Denn richtig ist gewiß, daß man in diesem Sinne durch regelmäßiges Training zusätzlich Mut und Selbstbewußtsein gewinnt.
Insofern war diese Botschaft, zumal wenn sie mit Sellners pragmatischem Handlungsmodell kombiniert wird, eine wichtige Anregung. Aber genau dieses Abwägende gilt nicht für die Video-Einspielung. Denn hier liegt der Akzent, schon optisch gestützt, nicht mehr auf der berechtigten Kernaussage des Aufsatzes. Dafür kam sie als handlungsleitender Aufruf allzu triumphalistisch daher, und die spärlichen Einwände relativieren kaum. Stattdessen feierte hier jemand die Sonnenseite des Lebens im Hochgefühl, momentan kräftig und mächtig zu sein.
Ich zähle gewiß nicht zu jener Gutmensch-Spezies, die Schweineschnitzel bestellt und den Schlachter verachtet. Aber die Berufung auf barbarische Völkerwanderungs-Ideale gehört nicht zu meiner Welt. Vielmehr mußte von Jugend an (wie naiv rezipiert auch immer: von Karl May bis zu den Artus-Helden, von Robin Hood bis Michael Kohlhaas) in meiner Parteinahme für Kampf oder Krieg vor allem das Ethos stimmen. Das war für mich zentral als Rechtfertigung für Gewalt, und das ist es heute noch. Eine bloß triebgesteuerte Bande besaß nie meine Sympathie. Und wo die Überlegenheit einer Partei erdrückend war, wechselte ich häufig die Seite.
Da Kampfparität in gewaltsamen Auseinandersetzungen nun aber einen äußerst seltenen Glücks- und Ausnahmefall der Geschichte darstellt, belegt Gewalt in der Regel pure Dominanz der großen Zahl, worüber Gottfried Benn in „Weinhaus Wolf“ oder „Zum Thema Geschichte“ Wesentliches gesagt hat. Ein noch heute in meinem Gedächtnis abrufbares Foto des Jahres 1968 zeigt (neben hoffnungslos unterlegenen Protestierenden) russische Panzer in Prag, die bei mir damals fast Zornestränen hervorriefen. Denn mit ihnen zerschlugen sich nicht nur weltweite Hoffnungen auf einen tschechischen Polit-„Frühling“. Auch für mich selbst verflogen letzte Jugend-Illusionen und lehrten mich, auf welch brutale Weise in der Regel Konflikte zwischen Geist und Macht ausgetragen werden.
Des Weiteren erinnere ich mich an Fernsehbilder im Irak-Krieg, als die westliche Allianz Saddam Husseins technologisch weit unterlegene Armee über Wochen zusammenbombte und die völlig Demoralisierten anschließend (bei geringsten eigenen Verlusten) den „heroischen“ Attacken von US-Kampftruppen ausgesetzt waren – eine einzige Schlächterei. Wenn mir damals jemand einen Satz wie „Violence is golden“ zugemutet hätte, hätte ich ihn vielleicht rausgeworfen oder wäre selbst gegangen. Ich fand Violence nämlich zum Kotzen, obwohl die amerikanische Armee genau das exerzierte, was die von Donovan verteidigte „Herrenmensch“-Gesinnung zumindest auch ist.
Nein, Violence ist nicht „golden“. Sie ist zuweilen notwendig, um Ordnung zu bewahren und schon im Vorfeld zu signalisieren, daß Rechtsbrecher nicht konsequenzlos tun können, was sie wollen. Sie ist richtig als Selbstbehauptung und Schutz. Wir dürfen sie nicht scheuen, um nicht von ihr verschlungen zu werden. Aber „golden“ sind in meinen Augen andere Tugenden wie Tapferkeit, Unangepaßtheit, Wehr- und Standhaftigkeit, auch Opferbereitschaft. Alles muß Ethos-besetzt sein. Und auf diesen Hinweis sollten wir größten Wert legen.
„Herrenmoral“ zeigten der adelsbewußte Sadist „Bauernjörg“ oder Vlad der „Pfähler“, die Gastmähler abhielten und sich dabei delektierten, wie andere den Foltertod starben. Primitive Gewalt besiegelte auch den Sieg über Genies wie Archimedes oder Galilei. Gewalt herrscht konkret, wo ein linksradikaler Pöbel, ermuntert und finanziert durch administrative Hintermänner und ‑frauen, etwa dazu beiträgt, in fast ganz Berlin die Vermietung von Räumen für Vorträge politischer Gegner zu sperren.
Zu den logistischen Kernproblemen nicht zuletzt der AfD gehört es, ständig solchen „zivilgesellschaftlichen“ Erpressungen ausgesetzt zu sein. Denn der strukturellen Gewalt gegen ein anderes Gesellschaftskonzept bedient sich eine auf Alternativlosigkeit beharrende Herrschaftsclique seit Jahren besten Gewissens. Und wir sollten diese unhaltbare angemaßte Rechtsposition einer unsäglichen pseudodemokratischen Paradoxie nicht dadurch vernebeln, daß wir unspezifische Lustgefühle an Prügeleien äußern oder entsprechende Mißverständnisse fördern.
Insofern stimme ich Donovans Grunddiagnose zu, aber nicht seiner emotionalen Emphase. Eben dies unterscheidet seine optische Präsentation von Marc Jongens überzeugender Analyse, und dies gewiß nicht deshalb, weil ich mich, berufsdeformiert, eher an akademischen Sentenzen oder griechischen Vokabeln delektierte, die alles ein wenig wissenschaftlich gedämpfter erscheinen lassen. Mir geht es vielmehr um die Klarheit des Ziels, um Präzisierungen.
Und so manche Stellungnahme zu Donovan im Netz belegt, daß auch Lesern der Sezession an solcher Unterscheidung gelegen ist. Der Umstand, daß die Alternativlosen dieses Landes ohnehin auf Mißverstehen abonniert sind und für ihre Polemik keinen Anlaß brauchen, ist kein hinreichender Gegengrund, ihnen dieses traurige Handwerk auch noch zu erleichtern. Überdies geht es – und das ist das Wichtigste – um ideelle Profilierung im eigenen Lager.
Alemannischer Recke
Ein genialer Text von Prof. Scholdt. Spricht mir aus der Seele!