Wie so oft bei Polanski, triumphiert das Böse auf ironisch-makabre Weise (Spoilerwarnung!): Rosemary muß erkennen, daß sie eben den Antichristen zur Welt gebracht hat, und während sie vor Entsetzen die Fassung verliert, bejubeln die versammelten Satanisten, allesamt eher kauzige und spießige Charaktere, wie blöd die Geburt des teuflischen Messias: “Das ist das Jahr Eins! Heil Satan!”
Um noch eins draufzusetzen, deutet Polanski am Ende an, daß sich Rosemary mit ihrem – vielleicht gar nicht so schlimmen? – Schicksal abfinden und mit den Satanisten gemeinsame Sache machen wird.
Wer auf einen Sieg von Marine Le Pen gehofft hat, wird sich nun vielleicht in einer ähnlichen Lage sehen. Wie schon nach der österreichischen Präsidentschaftswahl 2016 und der niederländischen Parlamentswahl im März dieses Jahres bejubelt der politisch-mediale Komplex des Westens geschlossen die Rettung “Europas” und der “Demokratie” vor der “rechtspopulistischen” oder “rechtsextremistischen” Gefahr.
Die österreichische Presse verkündet, daß die “Gefahr einer tiefen politischen und ökonomischen Krise für Frankreich und die gesamte EU abgewendet” sei, und hat dazu ein paar Bänker befragt (ähnliche Szenarien sollten bereits den Brexit aufhalten): “Die Franzosen haben für Europa und die Vernunft gestimmt.”
“Chapeau, Monsieur le Président!”, gratulierte der Leitartikel derselben Zeitung vom 8.5.:
Das muss man als Wahlsieger in Frankreich erst einmal schaffen: den einhelligen Jubel von liberalen Ökonomen wie von linken Politikern aus ganz Europa auszulösen.
So ein großes Wunder ist das fürwahr nicht, wenn man gegen ein “rechtsextremes” Krokodil gecastet wird, und daß sich die “liberalen Ökonomen”, also wohl Bänker und Neoliberale, mit den “linken Politikern” prächtig verstehen, wenn es gegen die “populistischen” Opponenten geht, sollte auch keine große Neuigkeit sein.
“Wir” resp. “Europa” sollen nun aufatmen, denn wieder einmal wurde Nationalismus und Rassismus, “Abschottung, Zynismus und Haß” (Sigmar Gabriel) Einhalt geboten. Für Heinrich Wefing von der ZEIT war es ein “Sieg gegen die Angst. Gegen das Enge. Gegen den Nationalismus. Und gegen Putin.”
Die Welt schrieb, Macron habe “im Alleingang mit enormem politischem Mut die EU gerettet”, ganz so, als habe der ehemalige Wirtschaftsminister, Sozialist, Rothschild-Investmentbanker, Bilderberger, Hollande-Zögling keine enorme Unterstützung durch das politische Establishment, die Massenmedien und vermutlich mal wieder Georges Soros bekommen.
Die üblichen Verdächtigen sind voller Freude: “Ein klares Bekenntnis zu Europa” (Merkel), “Ein Sieg für Macron, Frankreich, die EU und die Welt” (Hillary Clinton), “Die Ode an die Freude hatte heute ihren angemessenen Platz im Louvre. Die Europahymne bringt Hoffnung für die Zukunft” (Carl Bildt), “Jetzt machen wir Europa gemeinsam besser” (Martin Schulz), „Glückwunsch an Emmanuel Macron und an das französische Volk, das sich für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und nicht für Tyrannei und Fake News entschieden hat.“ (Donald Tusk), „Glücklich, dass die Franzosen eine europäische Zukunft gewählt haben“ (Jean-Claude Juncker), um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Analog zur permanenten Dämonisierung Le Pens wird Macron schamlos zu einem kennedyartigen Strahlemann stilisiert. Hier ein besonders klebriges Beispiel aus dem Standard:
Die Liebe ist Macrons Programm. In seinem Buch “Révolution” (2016) beschreibt er, wie er in der Provinzstadt Amiens in “Zärtlichkeit und Vertrauen” aufgewachsen sei, um danach in Paris beim Philosophen Paul Ricœur (“Der Eros ist im Sein”) unterzukommen. Dann besuchte Macron die Eliteschule ENA, wurde Vizesekretär im Élysée-Palast und Wirtschaftsminister. “Man schafft nichts Gutes ohne Liebe”, schreibt Macron in seiner Profess und bekennt sich darin zu seiner “freudigen Leidenschaft für die Freiheit, Europa, die Wissenschaften, das Universelle”. Welch Kontrast zum Darth Vader der französischen Politik, Marine Le Pen. Macron steht für die Lebensfreude und Energie der Jugend, die keine Konventionen braucht, keinen falschen Respekt kennt. Bei einer Snapchat-Diskussion schrieb ihm unlängst ein Student, der um Macrons deutlich ältere Ehefrau weiß: “Ich fahre auf meine Strafrechtsprofessorin ab, was soll ich tun?” Nun: Zuerst müsse er herausfinden, ob das Gefühl gegenseitig sei, antwortete der Präsidentschaftskandidat. “Wenn dem so ist, dann nur drauflos, keine Tabus. Wenn nicht, stellen Sie sich selbst infrage.”
Die “Liebe” ist Macrons Programm, unserer hippen Anything-goes-Neuauflage von Harold aus “Harold und Maude”, im Gegensatz zu Le Pens “Haß”!
Die offensichtliche Wahrheit ist vielmehr, daß der kinderlose und wahrscheinlich homosexuelle Macron, der eher in der Alterskohorte der “Babyboomer” (80% der über 65jährigen stimmten für ihn) als jener der mehr Le Pen zugeneigten “Millenials” (44% der 18–24jährigen) punktete, ein “Strohmann der Politischen Klasse ist” (Karlheinz Weißmann) ist, ein “reines Produkt des Systems” (Christine Taubira), das ihn gezielt gegen Le Pen ins Feld geführt hat, nachdem die abgehalfterten etablierten Parteien ihrem Ansturm nicht mehr gewachsen waren.
Macron scheint einer politischen “Castingshow” entsprungen zu sein, wie Sezession-Autor und Co-Leiter des Karolinger-Verlages Konrad Weiß unlängst im Talk im Hangar 7 bemerkte.
Macron ist der Mann der “weltoffenen” Eliten und der offenen Grenzen, der Finanzmärkte und der Multikulturalisten. Renaud Camus nennt ihn einen “perfekten Remplacisten”, und in der Tat hat Macron keinen Zweifel daran gelassen, wo er in letzterer Frage steht.
Ähnlich Merkel spricht er von lieber von den “Menschen von Frankreich” (peuple de France) statt vom “französischen Volk” (peuple français), drückte auf die nationalmasochistische Schuldtube, indem er den Kolonialismus als “Verbrechen gegen die Menschheit” bezeichnete, und äußerte wiederholt Sätze wie: “Es gibt keine französische Kultur, es gibt eine Kultur in Frankreich, und die ist vielfältig.”
Kanzlerin Merkel und die ganze deutsche Gesellschaft waren auf der Höhe unserer gemeinsamen Werte. Sie haben unsere kollektive Würde gerettet, indem sie notleidende Flüchtlinge aufgenommen, untergebracht und ausgebildet haben.
Einwanderung ist eine Chance für uns alle. (zum israelischen Kanal i24 News, September 2015)
Ich werde der algerischen Regierung die Stiftung eines franko-algerischen Jugendbüros vorschlagen, um die Mobilität zwischen den beiden Mittelmeerküsten zu ermutigen. (12. Februar 2017, anläßlich eines Besuchs in Algerien)
Einwanderung ist Teil der Welt, in der wir leben. Alles Demokratien sind heute mit dieser Wirklichkeit vertraut. Diese Bewegungen werden weiterhin wachsen. Wir dürfen unsere Mitbürger nicht anlügen: wir können die Einwanderung nicht mehr loswerden. (22. Februar 2017, Paris)
Wir sind in eine Epoche großer Migrationswellen eingetreten. Und es wird immer mehr und mehr davon geben. Frankreich wird nicht in der Lage sein, sie einzudämmen. Europa wird von wiederkehrenden Migrationswellen betroffen sein. Aber von einem Migrationsphänomen, das viel größer sein wird als das, was wir in Syrien erlebt haben. Und es werden Bevölkerungen sein, die ohne Zweifel mehr in unsere Richtung als Richtung Deutschland ziehen werden, wenn die Zeit kommt. (22. Februar 2017, in einer Diskussion mit Journalisten des Magazins Sciences et Avenir)
Gleichzeitig beteuerte er, den Terrorismus in Europa bekämpfen zu wollen: “Wir müssen schnell ein souveränes Europa schaffen, das in der Lage ist, uns gegen äußere Gefahren zu schützen, um die innere Sicherheit besser zu gewährleisten.”
Nach dem Anschlag auf der Champs Élysées vom 20. April klang er allerdings etwas weniger entschlossen: “Diese Bedrohung, dieses unberechenbare Problem wird in den kommenden Jahren Teil unseres täglichen Lebens sein”, sagte er in einem Radiointerview. Man kennt dasselbe Lied etwa von Manuel Valls, de Mazière oder dem muslimischen Londoner Bürgermeister Sadiq Aman Khan: “Wir müssen mit dem Terror leben.” Dabei ist längst entschieden, daß “der Islam zu Frankreich gehört”.
Unter den gehackten Dokumenten der “Macron-Leaks” (laut Wahrheitspresse wahlweise eine “rechtsextreme Desinformationskampagne” oder eine, wir kennen das Lied, von Rußland gesteuerte Cyberattacke) findet sich auch ein Plan zu einer Art Konkordat mit dem Islam. Demnach ist unter anderem vorgesehen:
- Die Gründung zweier großer staatlich gestützter Institutionen, die den “Islam von Frankreich” repräsentieren sollen;
- Die Einsetzung eines “Groß-Imams”, der einen Islam verkündigen soll, “der mit republikanischen Werten vereinbar ist”;
- Die staatliche Förderung von Schulunterricht in klassischem Arabisch, offenbar mit dem Zweck, diese Aufgabe nicht den Moscheen zu überlassen (die sich der staatlichen Kontrolle entziehen);
- Die Ausübung des Islams im täglichen Leben zu erleichtern (die Anlage von islamischen Friedhöfen wird erwähnt);
- Die Ernennung eines Staatssekretärs für Religion und Laizität, vor allem, um sicherzustellen, daß der Islam französisiert wird und an die Republik gebunden bleibt, ohne das Prinzip der Laizität zu verlassen;
- Aufklärungsstrategien über den Islam zu entwickeln, wobei unter anderem durch Statistiken “verschiedene Fragen über die Zahl der Muslime in Frankreich entmystifiziert” werden sollen.
Das Ziel ist offenbar, nach dem Vorbild des Gallikanismus einen “Islam de France”, einen national integrierten Franko-Islam zu schaffen. Damit soll wohl die laufende Islamisierung in staatlich kontrollierte Bahnen geleitet werden, ohne dabei das laizistische Prinzip, auf das die Franzosen so stolz sind, aufzugeben.
Eine derartige Institutionalisierung könnte allerdings schnell zum zweischneidigen Schwert werden – das “Unterwerfungs”-Szenario Houellebecqs wäre hier nicht mehr fern. Inzwischen hat Macron auch Polen mit Sanktionen gedroht, wenn es sich weiterhin “den Werten der Europäischen Union” verschließt und die Aufnahme von Flüchtlingen verweigert.
Nun ist der Retortenkandidat also durchgeboxt, aber seine Beliebtheit dürfte sich trotz des medialen Hypes eher in Grenzen halten. Jürgen Liminski rechnete in der Jungen Freiheit vor, in welchem Kontext die 65% Stimmen zu sehen sind: 25,6%, also 12 der 47 Millionen Wähler, gingen gar nicht erst zur Wahl, während vier Millionen aus Protest ungültig wählten und damit signalisierten, daß sich weder für die Pest noch für die Cholera entscheiden wollten.
Wenn man dann noch die in Umfragen geschätzten fünf Millionen Wähler abzieht, die für Emmanuel Macron in der Stichwahl gestimmt haben, um die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, zu verhindern, dann schmilzt das stolze Zwei-Drittel-Ergebnis auf rund ein Viertel der Wähler als authentische Anhänger Macrons zusammen. Das ist wenig für eine Demokratie.
In der Tat, aber noch magerer hätte es für die gefürchtete Marine Le Pen ausgesehen, hätte sie mit einer knappen Mehrheit gewonnen. 11 Millionen Stimmen sind allerdings ein beachtliches Ergebnis für eine derart verfemte Kandidatin. ´Man sollte aber nicht vergessen, daß der stetige Aufstieg des FN (der vielleicht an eine Grenze gestoßen ist) direkt proportional mit dem Wasserstandspegel der Masseneinwanderung einhergeht.
Hier auf der rechten Seite des Mondes, von der auch ich auf die Dinge blicke, ist es vom Standpunkt der Vernunft aus völlig unbegreiflich, wieso nicht noch viel, viel mehr Franzosen für Le Pen gestimmt haben, sondern für einen Kandidaten, der expressiv verbis more of the same bedeutet, trotz der schicken Verpackung.
Wie kann ein Land, das derart massiv von islamischem Terrorismus, multikulturalistischem Zerfall, schwelenden Frustrationen und bürgerkriegsartigen Entladungen heimgesucht wird, auch nur eine Sekunde zögern, für den Kandidaten zu stimmen, der ein zu anderen Zeiten selbstverständliches Minimalprogramm von sicheren Grenzen, Einwanderungskontrolle und nationaler Identität vertritt?
Ich würde folgende Gründe nennen: Zum einen hat die seit Jahren andauernden flächendeckende Verteufelung von Le Pen als “Nazi”, “Faschistin” oder “Rassistin” eine tiefgehende, abschreckende Wirkung. Wie auch im Duell Hofer vs. Van der Bellen spielten hysterische, künstlich erzeugte Ängste vor dem “braunen Gespenst” eine große mobilisierende Rolle. Der totale Zusammenschluß der Parteien, Medien, Kirchen etc. gegen den Front National baut enormen sozialen Druck auf, schüchtert die Normalos ein, verunsichert die Urteilsschwachen, zwingt zur Konformität und Anpassung.
Le Pens Gegner haben generell auf dem Feld der “Werte” einen entscheidenden Vorteil, denn auch in Frankreich stehen Gutmenschentugenden wie “Antirassismus”, “Toleranz”, “Weltoffenheit” hoch im Kurs. Eine Politik, die die nationalen Interessen voranstellt, gilt hingegen als engstirnig, abschottend, finster, “rassistisch”, als Angelegenheit der “Abgehängten”, zu denen niemand gehören will.
Diese Herrschaft der “Werte” hat eine nicht zu unterschätzende Macht auf das Selbstwertgefühl und die Urteilskraft der Menschen, verbunden mit der Angst, der Wirklichkeit ins Auge zu blicken und sie ins Bewußtsein sickern zu lassen. Man hört mit Verblüffung, daß der vor allem von “Bobos” bewohnte Pariser Bezirk, in dem sich das Bataclan befindet, zu 93% für Macron gestimmt hat. Gutmenschen und Bobos sind offenbar unbelehrbar – selbst wenn man sie massakriert und vergewaltigt, sind sie nicht imstande, ihre Verblendungsblase zu verlassen.
Ein erheblicher Faktor ist gewiß auch die ethnische Wahl. Sie betrifft nicht nur Muslime, die überwiegend für islam- und einwanderungsfreundliche Parteien stimmen, sondern auch generell sämtliche französischen Staatsbürger nord- oder schwarzafrikanischer Herkunft. Hier gibt es keine verläßlichen offiziellen Zahlen, allerdings genügen ein paar Fahrten mit der Pariser Métro, um zu erkennen, daß der ethnische “Austausch” der weißen Stammfranzosen erheblich fortgeschritten ist. Diese Wähler werden fast schon automatisch für den als “antirassistisch” geltenden Kandidaten stimmen, obwohl es auch hier nicht wenige Ausnahmen gibt.
Eine gewisse Rolle wird auch der vorgetäuschte Patriotismus Macrons gespielt haben, ähnlich wie im Falle Van der Bellens, der während des Wahlkampfes massiv an patriotische und heimatliche Gefühle der Wähler appelliert hatte. Besser als im Falle Schulz gelang es hier, Macron als eine Art Establishment-Populisten zu inszenieren, inklusive wedelnder Trikolore-Meere, pathetischem Tonfall, mussoliniartiger Gestik und Kathedralenbesuchen, um auch das bürgerlich-konservative Gemüt zufriedenzustellen. Ich sehe hier auch Parallelen zu Hillary Clinton: eine globalistische Agenda wird in eine patriotische Hülle verpackt, gleichsam mit einer Fahne umwickelt.
Nicht zuletzt erweckt ein junger, weißer Franzose, schön wie Alain Delon in seinen Glanzjahren, die Illusion, daß Frankreich immer noch den Franzosen gehöre und nichts sich geändert habe. Indes erinnert mich das allzu glatte gute Aussehen Macrons eher an den “American Psycho” Patrick Bateman oder an den “talentierten Mr. Ripley”, und seine langjährige Beziehung zu einer ein Vierteljahrhundert älteren Frau, die in seine Teenagerjahre zurückreicht, hat etwas Irritierendes; dieser italienische Psychiater hält ihn gar für einen waschechten Psychopathen.
Schließlich müssen aber auch die Schwächen Le Pens genannt werden. Wie Renaud Camus bemerkte, ist sie als Person und Politikerin “très imparfait”, äußerst unvollkommen. Selbst ihrer Sache eher wohlgesonnene Franzosen, die ich befragt habe, empfanden ihren Wahlkampf als schlecht und ihr Programm als dürftig, insbesondere ihr allzu aggressives Auftreten in ihrem letzten Fernsehduell gegen Macron als kontraproduktiv.
Manchen Konservativen ist sie zu “sozialistisch”, andere wieder sind von ihrer allzu radikalen Haltung zur EU abgeschreckt, die einen Frexit im Gegensatz zu einem Brexit nicht verkraften könnte.
Eines ist jedenfalls gewiß: Genausowenig, wie ein Wahlsieg Le Pens irgendein Problem gelöst hätte (er hätte allenfalls der “rechtspopulistischen” Agenda mehr Legitimität und Anerkennung verschafft), so wenig wird auch Macron imstande sein, die wohl irreparabel zerrissene Nation zu einen. Das ist die Quittung für die Politik der “Vielfalt”, die zu neuen Rassen- wie Klassenkämpfen geführt hat. Diversity divides. Im Editorial zur kommenden Ausgabe von Éléments schreibt Alain de Benoist (der mir freundlicherweise eine Preview gewährte):
Frankreich ist nicht bloß geteilt, fragmentiert, entzweigeschlagen. Es setzt sich aus Individuen und sozialen Gruppen zusammen, die nicht in derselben Realität leben, die nicht dieselben Dinge sehen, die nicht dieselbe Luft atmen und nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. Das obere Frankreich und das untere Frankreich sind inzwischen gleichermaßen dem “zusammen leben” [ein zum Klischee gewordener Multikultislogan, vergleichbar unserer “Buntheit”. – M. L.] entfremdet. Sie leben nicht einmal mehr nebeneinander. Sie leben gegeneinander. Die übliche Rolle des Politischen ist die Hervorbringung eines Gemeinwesens, die Organisation eines gemeinsamen Raumes. Aber die Politik hat ihre natürliche Berufung vergessen. Je mehr von einer “inklusiven Gesellschaft” die Rede ist, umso mehr schreitet die Fragmentierung fort.
Die Bien-pensance (sinngemäß: der politisch korrekte Konformismus) sei in dieser Lage zu einer Waffe im Klassenkampf geworden. Auf der einen Seite stehen wirtschaftliche und politisch-mediale Eliten, Großbürgerliche, Selfmade-Unternehmer und Bobos; auf der anderen Seite diejenigen mit einem niedrigen oder bescheidenen Einkommen, Arbeiter, Landwirte, die unteren Schichten der Mittelklasse.
Auf der einen Seite die Bewohner der großen Metropolen, auf der anderen das “periphere”, ländliche und entindustrialisierte Frankreich. Auf der einen Seite die “Kosmopoliten”, die ein “weltoffenes” und grenzoffenes Frankreich wünschen, “mit der Hand auf der Brieftasche, wenn sie die Nationalhymne singen”, auf der anderen die Menschen, die an ihrem “immateriellen Erbe”, ihrer Lebensart und Souveränität im eigenen Land und in den eigenen Gemeinschaften festhalten wollen: “Die Gewinner und die Verlierer der Mobilisierung” aller Dinge.
Die Frage wäre noch zu untersuchen, auf welche Weise diese Klassenspaltung durch das ethnische Prisma gefiltert und sortiert wird.
Wahrheitssucher
Sehr geehrter Herr Lichtmesz; einer der profundesten, überzeugendsten und besten Artikel, die je auf diesen Seiten zu lesen waren. Sie sind wahrlich eine "Edelfeder"!