Mittwochsheld (24½) – Binärer Kampfstoff

Kollege Wessels wird mir verzeihen, wenn ich vorübergehend seine Rubrik kapere. Man muß das Eisen eben schmieden, solange es noch einigermaßen heiß ist.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Vor zehn Tagen ging die Hel­den­aus­zeich­nung ja bereits an zwei Chat­bots, die sich – gelei­tet von ihren eige­nen Effi­zi­enz­pa­ra­me­tern – dem sprach­li­chen Rah­men ihrer Schöp­fer ent­zo­gen hat­ten. Das Over­ton win­dow ist im digi­ta­len Bereich unlängst aber auch auf ganz mensch­li­che Wei­se ver­scho­ben wor­den. Und das aus­ge­rech­net bei Goog­le, der wohl größ­ten unter den zahl­rei­chen Daten­kra­ken, die sich an der »unfaßbare[n] Daten­emis­si­on der post­mo­der­nen Men­schen« laben.

Seit dem vor­ver­gan­ge­nen Wochen­en­de ist es in den sozia­len Medi­en in regem Umlauf: das zehn­sei­ti­ge, auf Juli 2017 datier­te, bereits zum geflü­gel­ten Wort gewor­de­ne #Goo­gle­Me­mo, eigent­lich »Google’s Ideo­lo­gi­cal Echo Cham­ber« über­ti­telt. Ver­faßt vom (inzwi­schen natür­lich ehe­ma­li­gen) Goog­le-Tech­ni­ker James Damo­re auf einem Flug nach Chi­na, pran­gert die­ses Mani­fest den kul­tisch-reli­giö­sen Cha­rak­ter der Diver­si­ty-Kul­tur beim Soft­ware- und Inter­net­rie­sen an und betont ins­be­son­de­re, daß natür­li­che Unter­schie­de zwi­schen den zwei vor­han­de­nen Geschlech­tern nun ein­mal Fakt und wis­sen­schaft­lich nach­weis­bar seien.

Ani­miert wur­de Damo­re dazu nach eige­ner Aus­sa­ge durch eines der man­nig­fal­ti­gen, in ihren Gehirn­wä­sche­me­tho­den die Kri­te­ri­en der »aggres­si­ven Sek­te« nach Ernst Troeltsch erfül­len­den Kon­di­tio­nie­rungs­pro­gram­me zum The­ma “Viel­falt” (ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der beson­ders rele­van­ten, aus poli­ti­schen Grün­den momen­tan for­cier­ten Ein­stel­lung von Frau­en in Tech­nik- und Infor­ma­tik­fel­dern). Inhalt­lich sei­en die Wahr­haf­tig­keit der Diver­si­ty-Heils­bot­schaft und deren Ver­bind­lich­keit vor allem durch Shaming, also Argu­men­ta­tio­nen à la “Wie kannst du es wagen, dar­an zu zwei­feln, du wei­ßer, hete­ro­se­xu­el­ler Mann?!”, sowie Sprech­ver­bo­te unter dem Ver­weis auf “Sexis­mus” begrün­det worden.

Nach dem ver­geb­li­chen Ver­such, über sei­ne Vor­be­hal­te mit Kol­le­gen zu spre­chen, die sich alle ent­we­der des­in­ter­es­siert oder furcht­sam zeig­ten, schrieb Damo­re sein Memo­ran­dum (hier in kom­men­tier­ter Über­set­zung bei den zah­men Anti­deut­schen von “Ruhr­ba­ro­ne”) und ver­brei­te­te es über einen unter­neh­mens­in­ter­nen Mail­ver­tei­ler. Von dort lei­te­te jemand das Doku­ment an das Tech­nik­blog Gizmodo.com wei­ter – des­sen Stel­lung zum The­ma Diver­si­ty übri­gens eine beson­ders pikan­te ist, seit der Mut­ter­kon­zern Gaw­ker von Wrest­ling­s­tar Hulk Hogan bank­rott­ge­klagt wur­de und die Trüm­mer vom dezi­diert auf His­pa­nics abon­nier­ten Medi­en­rie­sen Uni­vi­si­on auf­ge­kauft wor­den sind –, das das #Goo­gle­Me­mo wie­der­um unter anfäng­li­cher Aus­las­sung etli­cher Beleg­stel­len am 5. August der Öffent­lich­keit zugäng­lich machte.

Wie hin­rei­chend bekannt sein dürf­te, mah­len die Müh­len der Echt­zeit­in­for­ma­tio­nen rasend schnell, und so brauch­te es nur knap­pe 48 Stun­den des welt­wei­ten Auf­schreis über die angeb­li­che Per­p­etu­ie­rung schä(n)dlicher Geschlech­ter­ste­reo­ty­pien, ehe James Damo­re frist­los ent­las­sen wur­de. Wer dar­auf­hin noch schnel­ler schal­te­te, war Wiki­Leaks-Spre­cher Juli­an Assan­ge (par­al­lel zu einem eige­nen, sehr auf­schluß­rei­chen Bericht über den poli­ti­schen Filz zwi­schen Goog­le und höchs­ten US-Demokratenkreisen):

Ein eben­so­gro­ßes Ver­dienst kommt dem uner­schro­cke­nen und – trotz sei­ner bedau­er­li­chen zen­tris­ti­schen Aus­rich­tung – oft sehens­wer­ten kana­di­schen Psy­cho­lo­gie­pro­fes­sor Jor­dan B. Peter­son zu, der mit Damo­re ein Live-Inter­view führ­te und eben­so die gro­ße Zustim­mung zur Spra­che brach­te, die der Mann sei­tens der Goog­le-Beleg­schaft (wo man aber zu sehr die Knu­te des Manage­ments fürch­tet, um sich offen und unter Klar­na­men zu posi­tio­nie­ren) und des Inter­nets erfuhr.

Die­se drei Män­ner mögen sich also – pas­send zu unse­rem Dev­lin und auch zur gera­de erschie­ne­nen Sezes­si­on 79 – die Gol­de­ne Haß­fak­ten-Nah­kampf­span­ge tei­len. Jedes klei­ne Beben, das die töner­nen Füße der Daseins­lü­ge zwang­haf­ter (und durch Zwang durch­zu­set­zen­der) Gleich­heit erzit­tern läßt, ist von unschätz­ba­rem Wert. Was da zu Fall gebracht wer­den muß, hat Alex Kur­ta­gic tref­fend beschrie­ben:

Die poli­ti­sche Kor­rekt­heit mag zu einer Lach­num­mer gewor­den sein, aber ihre Macht liegt nicht im Geld. Sie liegt in ihrer schein­ba­ren Legi­ti­mi­tät. Ega­li­ta­ris­mus als Ethik besteht wei­ter, weil es eine gene­rel­le Über­ein­stim­mung – auch unter Kon­ser­va­ti­ven – dar­über gibt, in der Gleich­heit etwas unmit­tel­bar mora­lisch ver­pflich­ten­des zu sehen. Auch, wenn es läs­tig, kost­spie­lig und inef­fi­zi­ent ist; auch, wenn es kei­ner­lei Basis in der wirk­li­chen Welt hat. Die Sitt­lich­keit eines Ide­als sticht die wahr­nehm­ba­re Realität.

Das sind die Nutz­nie­ßer die­ser Ideo­lo­gie bereit, mit Zäh­nen und Klau­en zu ver­tei­di­gen. Wie der US-repu­bli­ka­ni­sche Dis­si­dent Paul Neh­len einen Tag nach dem Mene­te­kel von Char­lot­tes­ville so rich­tig tweete­te – es rumort in der Schaf­her­de, und des­halb liegt der Akzent des polit­me­dia­len Kom­ple­xes nun dar­auf, abwei­chen­de Stim­men in allen Berei­chen und mit allen Mit­teln schnellst­mög­lich zu zer­mal­men. Um so wich­ti­ger ist es für uns, Augen und Ohren nach die­sen Stim­men offen­zu­hal­ten und ihnen die Aner­ken­nung zukom­men zu las­sen, die ihnen gebührt.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (7)

niekisch

16. August 2017 21:47

"Um so wichtiger ist es für uns, Augen und Ohren nach diesen Stimmen offenzuhalten und ihnen die Anerkennung zukommen zu lassen, die ihnen gebührt."

Mal sehen, was passiert, sehr geehrter Herr Wegner, wenn wir das in Deutschland versuchen, und zwar zu Themen, die brisanter sind als die "Diversity - Chimäre." Dann werden die Mutigen wohl nicht nur freigestellt, sondern vor den Kadi bestellt und sitzen viele Jahre ein.

Auf jeden Fall ist es verdienstvoll und höchst interessant, von solchen Fällen im Ausland zu erfahren.

marodeur

17. August 2017 11:51

Habe erst mal das Memo von James Damore überflogen. Zwei Bebobachtungen: 1. Der Originaltext wird im Netz kaum noch referenziert. Der mediale Shitstorm spielt sich, wie üblich, fern ab der Quelle ab.  2. Ähnlich wie bei früheren Skandelen ist der Anlaß der Aufregung von enttäuschender Harmlosigkeit. Damore verpackt seine zaghafte Kritik in tonnenweise Relativismen und spart nicht mit Lob für den ganzen Diversity-Quatsch, den Google schon veranstaltet. Er hatte fälschlicherweise angenommen, man könne die Diskussion neu starten in dem man konstruktive Vorschläge formuliert. Damore ist insofern ein Märtyrer, als dass er sich für die Cuckservativen geopfert hat. Allerdings gibt erst die Harmlosigkeit dem Sturm die Würze. Skandalös ist tatsächlich nur die Härte, mit der Google gegen diese winzige Abweichung von der Einheitsmeinung vorgeht. Ich werde ganz sicher nicht müde, jeden "Liberalen" zu fragen, wie er dazu steht.

Herr K.

17. August 2017 12:41

Es ist richtig, die ehrlichen Charaktere auf unserer Seite zu loben, wenn sie die linke Autorität infrage stellen.

Gleichzeitig ist es aber auch schon allein aus präventiven Gründen wichtig, auf "unserer" Seite selbstkritisch zu diskutieren und dies auszuhalten (was m.M. nach durchaus geschieht). Sonst droht der Rechten eine ähnliche  Kritikkultur oder Infantilitäten a la Makss Damage, der mit seinem neuen Video zeigt, wie man es nicht machen sollte.

niekisch

17. August 2017 16:11

"Makss Damage, der mit seinem neuen Video zeigt, wie man es nicht machen sollte."

@Herr K.: Diesen Herrn Fritsch sollten wir nicht zum Vergleich heranziehen, denn nach meiner jahrzehntelangen Beobachtung und Erfahrung dürfte es sich um einen agent provocateur der Behörden handeln, der hochschaukeln soll. Ausnahmsweise wiki: https://de.wikipedia.org/wiki/MaKss_Damage

Franz Bettinger

17. August 2017 19:08

Probiert einfach mal andere Suchmaschinen wie Bing (Microsoft), Yahoo, AOL, Yandex (Russland), t-online oder web.de. Nur durch unser HANDELN können wir die Welt verändern, auch die momentan noch große Google- und Facebook-Welt. Alles beginnt mit dem ersten Schritt.

Herr K.

18. August 2017 11:59

@niekisch

...das hab ich auch schon immer vermutet, dass der ex-antifant ein agent provocateur sein könnte. Warum wohl versucht er so gut er kann zu spalten? Er könnte sein "Beef" genauso gut privat klären. Die schlaueste Reaktion von Sellner sollte GAR KEINE ANTWORT darauf sein, als klares Signal: ich bin im Mittelmeer aktiv, du hampelst wie ein 13jähriger rum=ich habe dir nichts zu sagen. Basta.

niekisch

18. August 2017 14:58

@ Herr K:

Vor einiger Zeit habe ich durch Recherchen im Netz und unter Prüfung von IP- Adressen  einen hohen Verfassungsschutzmitarbeiter des Landesamtes in Hamburg enttarnt, der neben anderen nn auch unter dem nn "fisherman" operierte. Er riet mir, "vom Pferd zu springen." Unsere Aktivitäten seien sinnlos, weil jede oppositionelle Tätigkeit unterbunden werde. Man habe "alle Mittel" zur Verfügung.  Er scheint nicht ganz falsch zu liegen. Die Vorgänge um Frauke Petrys "Meineid", die Beschuldigung der AfD als "kleine grüne Männchen Putins", der systematische Boykotte von AfD - Wahlkampfaktivitäten, Überfälle auf Wahlkämpfer pp., die Kriminalisierung selbst der Identitären sprechen eine eindeutige Sprache. Mal sehen, was da kurz vor der Wahl noch kommt: Austritte von Funktionären, Insolvenzen, strafbare Handlungen, Anzeigenkampagnen und wie im Falle dieses MaKss Damage Diskreditieren oppositioneller Kräfte durch ins Extrem getriebene Tätigkeit von unechten "Rechten". Letzte einfach links liegen lassen, nicht beachten.

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