Ich meine den leidigen Mythos vom “rechten Opfermythos”.
Ich werde aufzeigen, welche Funktion er im Narrativ unserer Gegner hat.
Die “Fake-News”- und Desinformationsorgien der letzten Tage hatten ein einziges Ziel: Über die peinliche Tatsache hinwegzutäuschen, daß der vieldiskutierte Buchmessen-“Tumult” von Samstag abend auf das alleinige Konto der Linken ging, die die Veranstaltung des Verlags Antaios gezielt niederbrüllten.
Es handelte sich objektiv um keinen “Zusammenprall” zwischen Rechten und Linken, an dem beide Seiten gleichermaßen schuld waren. Die Linke trat als Aggressor gegen eine ordnungsgemäße rechte Veranstaltung auf; alles andere ergab sich aus dieser Tatsache. Der Störung waren nächtliche Angriffe auf die Stände der Verlage Antaios/Sezession und Manuscriptum/Tumult vorangegangen, in deren Verlauf dutzende Bücher beschädigt und gestohlen worden waren, was der Messeleitung und den Veranstaltern, die ihr Podium mit dem Motto “Für das Wort und die Freiheit” (in Charlie-Hebdo-Lettern) geschmückt hatten, kein einziges Sterbenswörtchen wert war.
Hier hat Jasmin Kosubek die Geschichte treffend zusammengefaßt; auch diese an den deutschen Börsenverein gerichtete Online-Petition (Erstunterzeichner u.a. Uwe Tellkamp, Parviz Amoghli, Jörg Friedrich, Michael Klonovsky, Vera Lengsfeld, Hans-Joachim Maaz, Matthias Matussek, Heimo Schwilk, Ulrich Schacht, Alexander Wendt…) findet deutliche (und inzwischen von Open Petition monierte) Worte:
Die Vorkommnisse auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse machen deutlich, wie widersprüchlich es in unserem Land zugeht: wie unter dem Begriff der Toleranz Intoleranz gelebt, wie zum scheinbaren Schutz der Demokratie die Meinungsfreiheit ausgehöhlt wird. Wenn ein Branchen-Dachverband wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Buchhandlungen und Verlage vereint, darüber befindet, was als Meinung innerhalb des Gesinnungskorridors akzeptiert wird und was nicht, wenn gar zu »aktiver Auseinandersetzung« mit missliebigen Verlagen unter Nennung ihrer Standnummer aufgerufen wird und diese dann im »Kampf gegen Rechts« beschädigt und ausgeräumt werden – dann ist unsere Gesellschaft nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt. Die Vorkommnisse auf der Frankfurter Buchmesse, auf der Stände von Verlagen, deren programmatische Ausrichtung der Börsenverein vorab als nicht gutzuheißendes »Gedankengut« deklarierte, zerstört wurden, passen nicht zu einer offenen und toleranten Gesellschaft und sind eines freien Geisteslebens unwürdig.
In der Wiener Presse schrieb Anne-Catherine Simon, die Veranstalter der Buchmesse hätten eine “erbärmliche Rolle gespielt”:
Nie wären die Zusammenstöße so ausgeufert, und nie hätten die Beteiligten solche Aufmerksamkeit erhalten, hätte die Leitung der Buchmesse klar argumentiert und agiert. Stattdessen hat sie seit der beginnenden Diskussion über die Präsenz rechtsrechter Verlage wie schizophren laviert.
Mit Verweis auf die Meinungsfreiheit hatte Jürgen Boos, der Direktor der Buchmesse, vor deren Beginn Proteste gegen den Auftritt des Antaios Verlags zurückgewiesen. Zugleich jedoch war die linke Amadeu-Stiftung ausdrücklich als Aufpasser bestellt worden: Sie bekam einen Gratisstand schräg gegenüber. „Schön für uns“ – so Stiftungssprecher Robert Lüdecke zur „Presse“. Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, nahm an einer Demonstration vor dem Antaios-Stand teil. Am Samstagabend schließlich konnte man sehen, wie Messedirektor Jürgen Boos im Gegröle unfassbar lang herumstand, ohne einzugreifen. Bis der Auftritt der zwei Identitären aus Zeitgründen nicht mehr stattfinden konnte.
In der Tat, hätten Boos oder Alexander Skipis, der Geschäftsführer des Börsenvereins, ein ernsthaftes Interesse für “Meinungsfreiheit” und “das Wort und die Freiheit” abseits frommer Posen gehabt, wäre es nichts weniger als ihre Pflicht gewesen, sich in diesem Moment für ihre hehren Absichten in die Bresche zu schlagen, sich mit Antaios für solidarisch zu erklären und von den Antifa-Demonstranten Ruhe einzufordern. Skipis zog es stattdessen vor, eine Party zu feiern, auf der selbstgefällige Reden geschwungen wurden, während Boos sich schlichtweg skandalös verhielt.
Die Messeleitung war mit Chef Boos samt Belegschaft sehr rasch vor Ort und ließ trotz mehrmaliger Aufforderung meinerseits die Störer gewähren. Wörtlich sagt mir Boos, daß er die Meinungsäußerungsfreiheit der Störer ebenso hoch gewichte wie unsere Lesung im Rahmen unseres bezahlten Forums. Man habe zum engagierten Umgang mit uns aufgerufen, nun sei das eben so, und letztlich seien wir dafür verantwortlich.
Eine angemeldete, bezahlte Veranstaltung niederzubrüllen, damit sie abgebrochen werden muß, ist in Boos’ Augen also “Meinungsäußerungsfreiheit”, die respektiert werden muß, scheißegal, ob damit die Meinungsäußerungsfreiheit anderer abgewürgt wird.
Das entspricht ziemlich genau der Logik des zum Internet-Mem gewordenen Social-Justice-Warrior-Monsters “Trigglypuff”, eine opulente Dame, die einen Vortrag der feminismuskritischen Philosophin Christina Hoff Sommers, den sie als “Haßrede” bezeichnete, mit lautem Geplärr und Beschimpfungen (“Fuck you!”) störte. Als man sie zur Ordnung rief, kreischte sie: “But this is free speech!” (also ihr eigenes infantiles Gebrüll aus den Publikumsreihen), während Sommers “Hate Speech” sofort beendet werden und sie vom Campus gejagt müsse.
Zu einer effektiven Brüllmasse aus Trigglypuffs addiert, dachte und verhielt sich die Antifa am Samstagabend nicht anders, offenbar mit der ideellen Unterstützung von Boos.
Nebenbei bestätigte er, daß dies tatsächlich die Geister waren, die er selbst gerufen hatte. Ihre Aggression hatte sich indes auch gegen eine Dame von der Messeleitung gerichtet, die versuchte, zur Ruhe zu rufen, und ebenfalls von der Antifa (und ich betone: nur von der Antifa) niedergeschrieen wurde. In diesem Moment fielen den Biedermännern die Brandstifter, die sie selbst gerufen hatten, auf den eigenen Kopf. So kommt es, wenn sich die sogenannte bürgerliche Mitte mithilfe von Extremisten gegen Kritik abschirmen will!
Eindeutig äußerte sich auch Kathrin Grün von der Messeleitung:
Da waren Gruppierungen, z. B. die Antifa, die diese Veranstaltung gestört haben, sie haben geschrien und verbal provoziert.
Und zu ihrer sonst eher spärlich vorhandenen Ehre sei angemerkt, daß sogar Liane Bednarz noch am selben Abend in unmißverständlichen Worten schilderte, was sich zugetragen hatte.
Zum Lehrstück in Sachen “Lückenpresse” geriet die Reportage, die 3sat über den Buchmesseneklat ausstrahlte. Da das Kamerateam ständig in unserer Nähe war und einen privilegierten Zugang genoß, kann ich sehr gut sagen, was alles gefilmt wurde, aber nicht in dem fertigen Film landete. Es ist überaus bezeichnend, welche Aufnahmen dabei der Schere zum Opfer gefallen sind. Die Lücken zeigen deutlich, welches Narrativ die Meinungsmacher von 3sat uns servieren wollen und welche Tatsachen dieses (natürlich linksdrehende) Narrativ stören.
Da gab es etwa eine slapstickartige Szene, in welcher der so überaus mutig “für das Wort und die Freiheit” eintretende Herr Skipis die Flucht vor Kubitschek und Kositza ergreift, die darauf insistieren, endlich sein in Gegenwart von Zeugen gegebenes Versprechen eines Gesprächs einzulösen. Die wesentliche Lücke klafft ab Minute 18:45. Zuvor wurde nicht nur verschwiegen, daß Björn Höckes Auftritt im Rahmen unserer Buchpräsentation erfolgt war, sondern auch, daß bereits diese mit massiven Schreikonzerten gestört worden war, die wir allerdings erfolgreich abwehren konnten.
Hier kann man diese von 3sat vorenthaltenen Szenen sehen. Über den Sprechchorangriff auf Martin Sellners und Mario Müllers Auftritt wischt der Film hastig hinweg. Man sieht und hört nicht, was exakt geschah, und weitere Fragen über Roß und Reiter werden mit dem Kommentar “Eine weitere Veranstaltung kann nicht mehr stattfinden. Der Abend endet im Chaos.” vernebelt.
Wenn dann auf das Gerangel zwischen Kubitschek und Boos geschnitten wird, fehlt jeglicher Kontext für diese Szene. “Gebrüll statt Gedanken”, so der Kommentar, während “Schande, Schande!” Richtung Boos skandiert wird. Das hätte wohl wesentlich besser zu der Stelle gepaßt, an der Sellner und Müller mit “Halt-die-Fresse!”-Chören bedacht wurden (hier ab Minute 3:00).
Noch unverschämter und irreführender der Folgekommentar: “Die neuen Rechten haben die Bühne besetzt.” Nein, wir haben keine Bühne “besetzt”. Das mußten wir nicht, weil wir schon rechtmäßig dort waren, weil das unsere Bühne war. Wir hatten, wie jeder andere Messeteilnehmer auch, für diese Bühne eine ordentliche Summe Geld bezahlt, wir weigerten uns, dem Druck zu weichen, und bestanden auf der rechtmäßigen Durchführung unserer Veranstaltung.
Einige Lücken betreffen auch mich. Sommerfeld und ich wurden über eine Stunde lang ausführlich zu unserem Buch Mit Linken leben befragt, außer einer Aufnahme unseres Werbeplakats ist nichts davon im Film. Per Leo, Co-Autor des Buches Mit Rechten reden, wurde hingegen mitsamt seinem als Wegweiser gepriesenen Werk prominent ins Bild gerückt. Unsere alternative Sicht kam einfach nicht vor, wurde verschwiegen, sozusagen aus dem Narrativ gelückt. Das war eine klare parteiische Entscheidung des Senders.
Leo legte zwei typische Deutungsplatten über die Rechte auf: “Die Behauptung des eigenes Opferseins” sei eines unserer Hauptgimmicks, ja sogar “Grundlage der Identitären Bewegung”, die von “wahnhaften” Voraussetzungen (wie einer bedrohten Identität) ausgehe. Zum ersteren werde ich im folgenden ein paar Worte verlieren, das zweitere durchläuft unser Buch Mit Linken leben wie ein roter Faden: der spiegelbildliche Vorwurf zwischen Linken und Rechten, “wahnhaft” zu denken.
Die Pathologisierung des Gegners (wie wir aufzeigen, eine vor allem linke Strategie mit langer Tradition) hat ihre Grundlage im Kern unseres Dissenses, dem “Ich-seh-etwas-was-du-nicht-siehst”-Spiel, in dem schon das bloße Vorhandensein bestimmter Probleme oder bestimmter Dinge zur Disposition gestellt wird.
Die Phrase “Rechte stilisieren sich zu Opfern” ist ein gängiger Baustein des Framings, mit dem Linke das Narrativ über Rechte zu kontrollieren versuchen. Sommerfeld und ich haben sie in unserem Buch in den Katalog “Die schönsten Schlagwörter gegen Rechts” aufgenommen. Auch diese Phrase geht von stillschweigenden Prämissen ideologischer Natur aus und dient dazu, bestimmte Sachverhalte zu verschleiern.
Eine dieser Prämissen ist die Annahme, daß Rechte qua Rechtssein immer schon “Täter” seien und darum an allem, was ihnen widerfährt, irgendwie selbst schuld seien. In dem Opferrollenvorwurf steckt häufig auch eine Art Beschämungssprache – wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, und der Betreffende soll als schwächlich, lächerlich und wehleidig dargestellt werden. Daß dies im Interesse desjenigen liegt, der ihm den Schaden möglichst ungestraft zufügen will, liegt auf der Hand.
Wenn ich sage, jemand wurde zum “Opfer” einer Sache, dann will ich damit in der Regel zum Ausdruck bringen, daß ihm Unrecht und Leid, ungerechtfertigter Schaden zugefügt worden sind.
Wenn ich dagegen sage, jemand “stilisiere” sich zum “Opfer”, oder er “spiele eine Opferrolle”, dann meine ich damit zwei Dinge:
1. Entweder will ich ausdrücken, daß dieser jemand die Unwahrheit sagt.
2. Oder ich will ausdrücken, daß dieser jemand an dem Schaden, der ihm zugefügt worden ist, mitverantwortlich ist, teilweise selbst im Unrecht war, und darum nur eingeschränktes Mitleid verdient.
Dazu fallen mir zwei Beispiele von der Buchmesse ein. Erneut das Lichtmesz-Sommerfeld-Gesetz (MLL, S. 121, kurz gefaßt: “Linke projizieren immer”) bestätigend, waren es vielmehr Linke, die “Opfer” gespielt haben.
Nico Wehnemann hat sich nachweislich zum “Opfer” von “Nazi”-Gewalt “stilisiert”, die niemals stattgefunden hat. Er hat – mit anderen Worten – gelogen. Sein Ziel war es offenbar, die Rechten in die “Täterrolle” zu casten, sich selbst per Viktimisierung zu heroisieren, um seine “antifaschistische” Tätigkeit zu rechfertigen. In einem Chat hatte er übrigens vor der Buchmesse die Parole “Nazis aufs Maul” ausgegeben. Karma is a bitch!
Der linksradikale APO-Opa Achim Bergmann hat sich im zweiteren Sinne “zum Opfer stilisiert”. Wie mir ein Redakteur der Jungen Freiheit mitteilte, war Bergmann bereits im äußerst aggressiven Pöbelmodus auf einer Lesung von Karlheinz Weißmann zum Thema “Kulturbruch 68” erschienen und hatte an einem Punkt laut “Halt die Fresse!” oder “Halt die Klappe, du weißt von nichts!” oder ähnliches Richtung des Vortragenden geschrien (“Scheiße! Du redest Scheiße!”; es kursieren verschiedene, aber kongruente Versionen), woraufhin ihm ein Unbekannter kurzerhand eine aufs Maul gesemmelt hat.
Im 3sat-Bericht posiert Bergmann als “Opfer rechter Gewalt”, als Leidensgestalt mit blutiger Lippe: “Das war ein [gezielter] Schlag, der wollte sofort, daß ich das Maul halte.” Freilich ist Bergmann ein “Opfer” in dem Sinne, daß ihm Gewalt zugefügt und der Faustschlag des Unbekannten eine kraß unverhältnismäßige Reaktion war. Aber eine arme verfolgte Unschuld ist er aufgrund seinen vorangehenden provozierend-pöbelhaften Verhaltens auch nicht gerade (damit will ich den Angriff auf ihn natürlich nicht rechtfertigen, aber mein Mitleid hält sich in Grenzen).
[Zusatz 20. 10.: Ein Leser, der Augenzeuge vor Ort war, berichtet, daß Bergmann bereits zu pöbeln aufgehört hatte, als der Angriff erfolgte, nur “wenige Sekunden danach, aber Bergmann war schon wieder ein paar Meter weitergegangen. Das bißchen Reinrufen war wirklich harmlos und praktisch keine Störung…”]
Man stelle sich das alles einfach mal umgekehrt vor: Ein Altnazi ginge zu einer Buchvorstellung von Volker Weiß, würde herumpöbeln, “Halt die Fresse, du weißt von nichts” brüllen und dann von einem Antifanten eine geknallt bekommen. Das wäre zwar nicht die feine englische Art, aber die unverhohlene linke Schadenfreude wäre garantiert groß, Nazis aufs Maul gilt ja allgemein als ok, weil das ja Unmenschen sind.
In so einem Fall wären aber auch kaum wir Rechten oder Konservativen so blöd, uns diese Figur als Märtyrer auszusuchen, ihn zum “Opfer zu stilisieren”. Die Linken tun dies jedoch ohne Hemmungen. Warum? Weil sie damit davonkommen. Warum? Weil die Gesellschaft gewisse ihrer ideologischen Mythen und Prämissen über “Nazis” und “Rechte” teil, die zwar nicht explizit und buchstäblich, aber doch implizit hors la loi gestellt werden und teilweise auch so behandelt werden (darum das “schizophrene” Verhalten der Messeleitung und des Börsenvereins, was das “das Wort und die Freiheit” der Rechten angeht.)
Man stelle sich auch vor, was geschehen wäre, hätten Identitäre eine Buchvorstellung von Jakob Augstein, Jutta Ditfurth oder Carolin Emcke mit einem ohrenbetäubenden Pfeifenkonzert versenkt. Gäbe es denn dann noch eine lange Diskussion, ob man diesen “Protest” “ertragen” müsse, ob er ebenfalls eine nicht minder zu respektierende Meinungsäußerung sei, oder ob die Vortragenden ihn nicht “provoziert” hätten? Wir haben hier jedenfalls zwei astreine linke Opfermythen vor uns, die in der Praxis dazu dienen, die linke Täterschaft zu rechtfertigen.
Am letzten Tag der Messe stattete ich unseren Freunden von der Amadeu-Stiftung einen Besuch ab, um sie zu fragen, was sie denn über den Vorfall vom Vorabend dächten. Hier hat eine Mitarbeiterin der Stiftung darüber berichtet, wobei sie (wie nicht anders zu erwarten) meine Aussagen völlig falsch und verdreht wiedergegeben hat (mein Hauptargument, daß Protest, der dem anderen das Wort abwürgt, nicht mit dem Bekenntnis zu Meinungsfreiheit vereinbar sei, verschweigt sie; ich werde in einem Zusatzartikel darüber berichten).
Dabei legt sie sich ganz schön ins Zeug, um genau die Sorte von dämonisierendem Naziporno zu produzieren, den ihre Klientel so dringend nötig hat; dabei werden wir als “neu Rechte Schläger-Schergen” (sic) tituliert. Nach dem Debakel, das die AAS indirekt mitzuverantworten hat, besteht offenbar gesteigertes Interesse an einer Verteufelung der Rechten, die unter gar keinen Umständen als “Opfer” erscheinen dürfen – eine Rolle, die schließlich die Linke für sich und ihre diversen Minderheiten-Klientel gepachtet hat.
Die anwesenden Vertreter der AAS, Kira Ayyadi und Robert Lüdecke (eine selten unsympathische und perfide Type übrigens), reagierten mit gespieltem Erstaunen und Hohnfalten, als ich ihnen mitteilte, daß ich am Samstag nach der Veranstaltungsbombe gesehen hatte, wie sich eine Traube rädelsführender Antifanten an ihrem Stand versammelt hatte (nachher, nicht vorher, wie Ayyadi fälschlicherweise behauptet), als hätte ich nun die abstruseste Sache der Welt gesagt. Ironischerweise just in diesem Moment umzingelten mich vier Antifanten und versuchten, Inquisitionstribunal zu spielen.
Einer davon, mit boshaft-selbstsicherem Gesichtsausdruck mit einem Hauch Dunning-Kruger-Effekt, sagte: “Gewalt gegen die Gewalttätigen ist legitim!” Dann begann er sogleich, die Causa Bergmann ins Feld zu führen, die ihm genügte, sämtliche Rechten pauschal der Gewalttätigkeit zu bezichtigen und den “Protest” gegen unsere Veranstaltung zu rechtfertigen (die weder mit Weißmann noch der Jungen Freiheit, wo sich die Szene zugetragen hatte, irgend etwas zu tun hatte).
Nach drei Sätzen war er bereits bei unserer angeblichen “Ideologie, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen hat”, angelangt (ich ersparte mir eine Bemerkung über die Rekordzahlen seiner eigenen Ideologie).
Das war eine knappe Demonstration des Framings, das uns die Linke überstülpt und das in ihren Köpfen als “geschlossenes Weltbild” fix programmiert ist. Von hier aus muß man auch ihre “Opfer-Täter”-Dialektik verstehen, die eng mit älteren geschichtspolitischen Diskursen zusammenhängt (etwa über das “Tätervolk” der Deutschen, wobei jegliche Erwähnung der deutschen Opfer des Weltkrieges oder die Klage um sie als “Opferdiskurs” – “Deutsche Täter sind keine Opfer” – abgestempelt wurde).
Der linke Mythos vom rechten “Opfermythos” hat also drei Funktionen:
1. eine ideologisch-dogmatische: Rechte sind per se und qua Rechtssein “Täter” und können darum keine “Opfer” sein. Dies hängt eng mit der Vorstellung zusammen, daß “Rechts” in letzter Konsequenz gleichbedeutend mit “Nationalsozialismus” sei und immer “nach Auschwitz” führe. Dies ist auch das Fundament des linken Opferkults, den ich in meinem Buch Die Hierarchie der Opfer beschrieben habe.
2. eine kognitive: die “Sich-zum-Opfer-stilisieren”-Phrase hat den Zweck, den Blick auf reales Unrecht und die dahinter liegenden Strukturen und Mechanismen zu vernebeln. Ein Rechter (oder auch nur ein nach rechts Einsortierter), der aus politischen Gründen seinen Job verliert, einen Pflasterstein in die Fensterscheibe oder auf den Kopf bekommt, der verleumdet, ausgegrenzt, geächtet, verprügel etc. wird, “stilisiert” sich bloß zum Opfer, weil er ja durch sein Rechtssein selbst daran schuld ist. Er muß ja nicht so denken und sprechen und so böswillig provozieren!
3. eine machtpolitische: Linke wollen nicht eingestehen, daß die “politische Korrektheit” und der soziale Druck tatsächlich wirksam sind, mithin daß sie schon lange nicht mehr die Rebellen, sondern das Establishment sind, das die Macht hat, Andersdenkende zu definieren, zu schikanieren oder zum Schweigen zu bringen. (Welche Rolle der Kettenhund Antifa in diesem System spielt, wäre eine eigene Untersuchung wert.)
Diese politischen Machtstrukturen sind real vorhanden und existieren auch ganz ohne Zutun der “Rechten”; sie wirken aktiv und aggressiv expandierend, wachen eifersüchtig auf ihre Deutungshoheit, die sicherstellt, daß von ihnen aus überhaupt erst definiert werden kann, wer “rechts” ist (eine Definition, die stetig ausgeweitet wird – wir leben immerhin in einem Land, in dem bereits ein Xavier Naidoo als “Nazi” gilt).
Sie herauszufordern, erfordert oft einen beträchtlichen Mut, weil der Preis sehr hoch sein kann. Die ihn nie zahlen mußten, stellen sich das furchtbar lustig und einfach vor: Provozieren, eine auf’s Dach bekommen, “Opfer spielen” und gewinnen, weil man “Unterdrückung” beklagen kann. Aber so läuft es in der Realität einfach nicht ab. Sondern meistens eher so: Seine ehrliche Meinung sagen, eine auf’s Dach bekommen, anschließend verhöhnt werden als einer, der es verdient hat oder der sich doch bitte nicht so anstellen soll.
Vom Preis, den viele Menschen an dieser Stelle zahlen (und damit meine ich nicht uns Rechtsintellektuelle, die ihn bewußt in Kauf genommen haben), haben unsere staatsgesponserten und unreflektiert stromlinienhaften Couragiertendarsteller wie die auf der Buchmesse anwesende “Bildungsstätte Anne Frank” (die auftritt wie eine verstrahlte, ultralinksradikale Sekte, und Buttons verteilt, auf denen “MUT MUTIGER MUND AUF” steht) nicht die blasseste Vorstellung.
Der “Mut” der Linken ist meist konformistisch und wohlfeil, da sie stets den Applaus der Öffentlichkeit hinter sich haben. Darum haben sie es nötig, die Rechten zu dämonisieren und wie die AAS krasse Übertreibungen, Verzerrungen und faustdicke Lügen zu verbreiten. Es ist vielmehr die “Stiftung der Schande” (Alice Weidel), die nun kräftig das “Opferspiel” betreibt in der Hoffnung, sich irgendwie Gehör zu verschaffen (Lichtmesz-Sommerfeld-Gesetz).
Jetzt, da sie merken, daß ihre Ausgrenzungsstrategie gescheitert und in Mißkredit geraten ist, tun sie so, als hätten sie uns damit immer schon einen Gefallen getan (es bis dato bloß nicht bemerkt). Nun sieht man ihre nächste Illusion heranwachsen: Wenn wir zumindest einen Teilrückzug vornehmen, so denken wohl manche unter ihnen, wird ihnen bald die Luft ausgehen, dann werden sie entzaubert, dann hören sie auf, so interessant und so herrlich verboten und provokativ zu wirken.
Wir werden sehen. Hauptsache, man fängt an, endlich unsere Bücher und Zeitschriften zu lesen, statt “zu predigen, zu brüllen und zu spotten” (Marc Felix Serrao in der NZZ)!
Natürlich ist (echte und gezielte) Provokation ein Mittel, dessen sich die Rechte mitunter bedient oder vielmehr: bedienen muß, will sie die Diskurswächtern überlisten, bestimmte “versteinerte Verhältnisse zum Tanzen zu bringen” und die Haltlosigkeit und Unaufrichtigkeit mancher linker Positionen sichtbar machen. Die “Provokationen” der Rechten wirken in der heutigen Lage keineswegs wie “selbsterfüllende Prophezeiungen”, wie Per Leo meint, sondern als Detektoren, die den Zweck haben, die Diskursminen ausfindig zu machen und eventuell durch Hochgehenlassen zu entschärfen.
Leo & Co. machen es sich auch zu einfach, wenn sie behaupten, daß, wie Alex Rühle in der Süddeutschen Zeitung paraphrasierte, “die neuen Rechten mit uns allen ein lang geübtes Sprachspiel spielen, indem sie jedesmal so lange provozieren, bis man verbal zurückschlägt.” Das ist nur eine Variante der “Selber-schuld”-Formel, die auf einem bequemen ideologischen Zirkelschluß beruht. Aus diesem Grund ist Rühle auch imstande, den Angriff der Antifa neusprechartig als “Gegenwehr” zu bezeichnen (gemäß dem Dogma, wonach Rechte qua Rechtssein immer “Täter” und Agressoren seien und Linke immer im “Widerstand”.)
Ich jedenfalls weise diese Unterstellung schärfstens zurück, für mich selbst ebenso für andere wichtige Sezessionisten: Weder Kubitschek noch Kositza noch Sommerfeld noch Lehnert, Gerlich oder Kaiser sind auf “Spiele” oder auf “Provokationen” aus, sondern es geht uns um eine ernsthafte Beschreibung der Wirklichkeit, aber auch um eine Fundamentalkritik an linken Begriffen, Schlagwörtern und Deutungsmustern (was nicht ausschließt, daß in manchen Sprechsituation, gegenüber manchen Gegnern getrollt und gespielt werden darf).
Ich habe kein Interesse an “Sprachspielen”, “Opferrollen”, “Provokationen” und dergleichen. Ich bin ein Autor, dessen einziger Ehrgeiz es ist, ein paar einigermaßen gute Bücher zu schreiben, und der vor allem gelesen, gehört und verstanden werden will.
Worum es hier geht, betrifft nicht bloß einen kleinen Kreis an “neuen Rechten”. Es geht um einen Riß durch die ganze Gesellschaft, der weit über die Kategorien von “rechts” und “links” im engeren Sinne hinausreicht. Nicht nur wir haben bei der Überschreitung gewisser Diskursgrenzen und Sprachregelungen die Antifa (oder in Zeiten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes die staatliche Gesinnungsjustiz) am Hals; ich erinnere an den Fall Jörg Baberowski, dem man wohl kaum ernsthaft vorhalten kann, er hätte “ein lang geübtes Sprachspiel” gespielt und “so lange provoziert”, bis “man” “verbal zurückschlug”.
Alexander Wallasch, kein “Neurechter”, sondern ein “Liberalkonservativer” (so schätze ich einmal), bestätigte dies im Gespräch mit Götz Kubitschek:
Wer in den vergangenen Jahren das linke Protest-Publikum bei Veranstaltungen rechter und konservativer Menschen erlebt hat, muss feststellen: Es gibt von dieser Seite keinen Diskurs, keine Gesprächsbereitschaft. Linke selbsternannte Wortführer wie die Amadeu Antonio Stiftung machen es vor: Es wird verweigert, niedergeschrien, gekeift, gegeifert und im letzten Mittel Gewalt gegen Dinge und sogar Menschen eingefordert und angewandt.
Rühle benutzt die Formel aus Mit Rechten reden, die im Buch selbst in einen etwas komplexeren Kontext gebettet ist, als eine Art Generalrezept, mit der er sich das Reden der Rechten erklärt. Hat er es denn überhaupt verstanden? Offenbar nicht, wenn man Absätze wie diesen liest:
Natürlich ist es unverschämt, wenn Ellen Kositza sich die ganze Veranstaltung über als Buchmessenverfolgte inszeniert, obwohl sie doch gerade im Rahmen dieser Buchmesse ihre Lesung moderieren darf, oder wenn sie jammert, die Bildungsstätte Anne Frank sei “sehr garstig” zu ihr gewesen. Aber es zeugt eben auch von vollkommen lächerlicher Opferhybris.
Mir ist es nicht aufgefallen, daß sich Ellen Kositza “als Buchmessenverfolgte inszenierte”, eher schon als Verfolgerin (des vor “Haltung” aus allen Nähten platzenden Herr Skipis etwa) und als Troll, der ironisch mit seinem “bösen” Image spielt. Woran macht also Rühle diese Behauptung fest? Wer von uns hat nach dem Eklat die “Opferkarte” ausgespielt?
Martin Sellner etwa, der triumphierend die “Übernahme” der Buchmesse feierte? Haben wir uns etwa wie “Opfer” verhalten, als wir die Sprechchöre der Antifanten konterten und in der ersten Runde sogar zum Schweigen brachten? Und hat er wirklich nicht kapiert, daß Kositzas Bemerkung über die “Bildungsstätte Anne Frank” offensichtlich Spott und nicht “Gejammer” war?
Rühle hat neben dem “Opfermythos”-Mythos noch einen zweiten Klassiker der linken Diskurskontrolle parat, nämlich den “Mimikry-Verdacht”: Was wir sagen, meinen wir eigentlich gar nicht so, wir haben “Kreide gefressen” (da wir ja gemäß der linken Dogmatik Wölfe und Dauertäter sind), wir packen alten (Nazi-)Wein in neue Schläuche etc, bedienen uns mieser “Tricks”, sind mit anderen Worten unaufrichtig. Diesen Vorwurf kann man weder widerlegen noch beweisen; er fungiert als eine Art Mißtrauens-Quarantäne, die das Lesen und Zuhören abschirmen soll. Das klingt dann etwa so:
Man könnte das durch gezielte Gegenfragen genauso dekonstruieren wie Lichtmesz’ rhetorische Taschenspielertricks: Es ist ja Kreidezeit bei der neuen Rechten, man schenkt das alte Gift namens Identitin in neuen Schläuchen aus, einfach indem man biedermännischen Neusprech proklamiert. Ihm Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen, sei voll unfair, sagt Lichtmesz: “Es geht uns nicht um den Hass auf andere. Sondern um die Begeisterung für unsere Heimat. Wir sind nicht gegen die anderen, sondern für uns.”
Gut aufgepaßt hat er mal wieder nicht, denn das Zitat stammt nicht von mir, sondern von Sommerfeld, und wir haben beide nicht gesagt, es sei “voll unfair”, uns “Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen”. Der Vorwurf des “Neusprechs” ist ausgerechnet von linker Seite übrigens besonders apart und fällt wohl erneut unter das Lichtmesz-Sommerfeld-Gesetz (LSG).
Alles, was wir tun und sagen, ist stets Teil einer gefinkelten “Strategie”. Sogar unsere Buchvorstellungen tun nur so, als ob sie welche wären:
Es waren noch keine fünf Minuten vergangen, da zeigte Martin Lichtmesz gleich mal die rhetorische Grundstrategie der als Buchvorstellung angekündigten Veranstaltung. Ersten Zwischenrufern dankte er ruhig lächelnd für die “bolschewistischen Wortmeldungen, die zeigen, wie wichtig diese Veranstaltung ist. Wir mögen uns vielleicht nicht, aber wir müssen lernen, miteinander zu leben.”
Ich kann nur sagen: Mir wäre es zehnmal lieber gewesen, ich hätte in Ruhe über mein Buch sprechen können. Ich habe besseres zu tun, als mich mit kreischenden Mädchen herumzuschlagen, die unsere Bücher nicht gelesen haben und einen wirren Nazifilm in ihrem Kopfkino eingelegt haben. Ich sah mich gezwungen, ständig auf einen “populistischen” Kampfmodus umzuschalten. Deutlich sieht man das in der Schlußszene unseres Auftritts, die mir überaus symbolträchtig erscheint. Kositza bat mich um ein Schlußwort:
An alle, die jetzt hier sind, und die sich vielleicht als Linke oder Nichtlinke [ich wollte eigentlich, angeregt durch “Mit Rechten reden”, sagen: “Nichtrechte”] sehen, und die jetzt nicht gerade Betonbolschewisten sind, möchte ich sagen: Legt eure Angst nieder. Lest dieses Buch-
Ich muß wohl den angst- und affektbesetzten Punkt genau getroffen haben, denn ironischerweise just in diesem Moment erschallte der Störruf: “Es gibt – kein Recht – auf Nazi-pro-pa-ganda!” Ich war gezwungen, auf Kampfmodus umzuschalten, und begann unseren Gegenruf zu skandieren: “Jeder haßt die Antifa!” Das Publikum griff ihn auf, und rasch hatten wir den Angriff abgewehrt. Das war für mich und wohl für viele Anwesende ein erstaunlicher Moment: Gegenwehr (diesmal echte) ist möglich. Ich schloß die Szene ab mit den Worten:
Wie es in den Wald hineinschallt, so kommt es zurück. Und das werdet auch ihr linke Leute lernen müssen, daß wir uns das nicht länger gefallen lassen.
Aber zurück zum Mimikry-Vorwurf: Mit seiner Hilfe wird der “hermeneutische Prozeß” quasi hermetisch abgesichert. Genauso wie Rühle die Täterschaft der Antifa und die Schlüsse, die daraus folgen, vernebeln will, so kommuniziert er den Lesern: “Nehmt Lichtmesz nicht ernst, vertraut ihm nicht! Fallt nicht herein auf ihn! Lest ihn nicht, hört ihm nicht zu, denn er meint ohnehin nicht, was er sagt! Er will euch nur einlullen und mit Identidingsbums vergiften, damit ihr eines Morgens als Werwölfe aufwacht!”
Aber er hat mir weder zugehört noch mich verstanden. Meinen Satz “Wir mögen uns vielleicht nicht, aber wir müssen lernen, miteinander zu leben”, interpretiert er so:
Mit diesem und ähnlichen Moderationssätzen gerierte er sich als Schiedsrichter eines Streits, den er mit seinen Positionen und Texten permanent selbst anheizt.
Hätte er sich die Mühe gemacht und genauer zugehört oder das Vorwort von Mit Linken leben gelesen, dann würde er sehen, daß ich mir hier keineswegs eine “Schiedsrichterrolle” zuschreibe. Einen Konflikt aus einer übergeordneten Perspektive zu betrachten, bedeutet noch lange nicht, den Schiedsrichter zu spielen.
Im Gegensatz zur Antifa und anderen Linken entziehen wir uns der Bürgerkriegsmentalität, indem wir in unserem Buch klar zwischen “miteinander streiten” und “miteinander leben” unterscheiden. Das ganze Land redet von einer “Spaltung”, “Polarisierung”, einem “Riß”, aber es mangelt an Büchern, die diesen Spalt von einer Nicht-Mainstream-Seite heraus beschreiben und deuten. Unser Buch versucht hier, Pionierarbeit zu leisten.
Selbstverständlich “heize” ich diesen “Streit” mit meinen “Positionen und Texten” “permanent” an (so wie Rühle auch mit Artikeln wie diesem). Mit Vergnügen sogar. Was denn sonst? Habe ich etwa einen Hehl daraus gemacht? Wo bitte ist der Widerspruch zu allem anderen, das ich gesagt habe? Dieser Streit ist notwendig, denn es geht um das Ganze, es geht um die Wirklichkeit, es geht um die Zukunft unserer Nationen, unserer Gesellschaft, ja unserer gesamten westlichen Kultur.
Wir plädieren, nicht anders als Per Leo & Co., für ein entschiedenes, aber “eingehegtes” Streiten. Im Vorwort schreiben Sommerfeld und ich:
Vielleicht können auch unsere Gegner etwas daraus lernen – wir glauben nicht, daß Verständigung, wenn überhaupt, durch salbungsvolle Absichtserklärungen und geheuchelte Neutralitätsbekundungen ermöglicht wird, sondern im Gegenteil eher durch dezidierte Positionierung und Grenzziehung. Wenn der Abstand einmal ausgemessen ist, kann man vielleicht tatsächlich einen modus vivendi oder, Gott befohlen, gar einen Vernunftkonsens im gemeinsamen Interesse finden.
Das hat Rühle nicht begriffen oder nicht hören oder lesen wollen, und darum sieht er überall nur “Tricks” meinerseits:
Auf der Bühne wirkt dieser Trick nach den ersten Störaktionen aber anscheinend auf viele so souverän, dass eine Frau im Publikum kopfschüttelnd sagt, man sehe ja, die dürften einfach nie ihre Meinung sagen.
Vielleicht ist das gar keine Trickhexerei, vielleicht habe ich ja auch einfach etwas Einleuchtendes gesagt, vielleicht hat die Erkenntnis der kopfschüttelnden Frau weniger etwas mit üblen “Tricks” meinerseits zu tun als mit einer eben erlebten Evidenz. An Rühles Text könnte man gut die Anatomie des “Fauxel” nach Renaud Camus beschreiben, das Sprach- und Schlagwortgewebe, das sich wie ein Netz vor die Wirklichkeit schiebt.
Der “Mimikry”-Mythos der Linken ist ebenso wie der Mythos vom “rechten Opfermythos” eine reine rhetorische Abwehrstrategie, deren Haltlosigkeit sich immer deutlicher erweist. Auch dies haben die Autoren von Mit Rechten reden erkannt:
Wir müssen bedenken, dass wir über ihre Absichten und Überzeugungen nichts wissen können, solange sie sich dazu nicht äußern. Und da sie sich nicht dazu äußern, oder wenn, dann nur vereinzelt, widersprüchlich und sehr vage, spekulieren wir hier nicht darüber, was sie in Wirklichkeit sind und was nicht. Wir reden darüber, was sie tun und wie sie sich zeigen. Alles andere wäre nicht nur unredlich, sondern auch dumm.
Fein, redet vor allem aber auch darüber, was wir sagen oder schreiben. Und nun bitte ich unsere Herren Gegner darum, sich auch in diesem Punkt endlich zu entkrampfen und zur Normalität zurückzukehren.
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Martin Lichtmesz u. Caroline Sommerfeld: Mit Linken leben, Schnellroda 2017. 336 S., 18 € – hier einsehen und bestellen!
Der_Jürgen
Eine saubere Analyse. Die Leute von der Antonio Amadeu Stiftung und ähnlichen Gruppen sind mir ein Rätsel. Vor einem klassischen Kommunisten (heute eine sterbende Spezies), der für einen Staat nach leninistisch-stalinistischem Muster eintritt, kann ich bei allen ideologischen Lichtjahren, die mich von ihm trennen, noch ein Minimum an Verständnis und Respekt aufbringen, wenn ich sehe, dass er ehrlich von seiner Ideologie überzeugt ist. Doch wie kann man jemanden achten, dessen zentrales Ziel die Abschaffung seines eigenen Volkes ist?
Es heisst immer, man sollte den Gegner nicht pathologisieren, aber in diesem Fall muss man einfach festhalten, dass wir es mit gemeingefährlichen Psychopathen zu tun haben. Dass sie das Blaue vom Himmel herunterlügen und sich, um ihre eigene Terminologie gegen sie zu verwenden, zu Opfern stilisieren, obgleich sie stets nur als Verfolger in Erscheinung treten, ist die logische Folge hiervon. Ein Weltbild, das aus lauter Lügen besteht, kann sich nur durch immer neuen Lügen schützen.
Dass das herrschende System Gruppierungen von die Antifa und die Antonio Amadeu Stiftung als Rammbock gegen die patriotischen Kräfte benutzt, lässt tief blicken. Wer, wie der Schreibende, in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren als Schüler bzw. junger Student mitverfolgte, wie wild die Bildzeitung gegen die APO hetzte, hätte sich damals nicht träumen lassen, dass Deutschlands ekelhaftestes Schmutzblatt und die radikalen Linken ein knappes halbes Jahrhunders später Verbündete sein würden. (Allerdings gab es damals bei der APO echte Idealisten wie Rudi Dutschke und andere, die man niemals mit dem heutigen Antifa-Gesindel auf eine Stufe stellen darf.)