Unsere Moral – gibt es sie und kann man sie begründen?

Nach der siegreichen Buchmessenschlacht haben Thomas Wawerka und ich ein wenig korrespondiert über „unsere Moral“.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

 Was sind wir Rech­ten eigent­lich im mora­li­schen Sin­ne für Men­schen? Sind wir um einen Deut bes­ser als unse­re Geg­ner? Oder schrei­en wir nur die­sel­ben Paro­len ein­mal umge­krem­pelt zurück? Wie hal­ten wir unse­re mora­li­schen Stan­dards? Und – noch unwahr­schein­li­cher: kön­nen wir sie moral­phi­lo­so­phisch begründen?

Ich schrieb:

“Weißt Du, mit wel­cher Sor­ge ich ges­tern Mar­tin Licht­mesz fürch­ter­lich auf die Ner­ven gegan­gen bin? Genau mit der, die Du so aus­führ­lich for­mu­liert hast. War­um muß­te das Zurück­brül­len sein? War­um wur­de es Demo statt Lesung? Den­ken jetzt nicht alle, Lin­ke und Rech­te sind gleich blöd, Links­extre­me gegen Rechts­extre­me? Woher nimmt Mar­tin Sell­ner den Opti­mis­mus, das als neue Akti­ons­form “Erobe­rung” zu framen, was uns doch nur nolens volens pas­siert ist? Licht­mesz hat mir dann ziem­lich den Kopf gewa­schen, ich sol­le jetzt bit­te nicht rum­cu­cken! ‘Jeder haßt die Anti­fa!’ muß­te sein, damit mar­kiert ist, mit wem wir es zu tun hat­ten (also eben nicht mit ‘lin­kem Pro­test’ oder ‘auch unse­rem Publi­kum’ (Boos)), son­dern mit den gedun­ge­nen Hand­lan­gern der Buch­mes­se. Und hät­ten wir stumm daste­hen sol­len? Womit er mich über­zeugt hat, ist fol­gen­des: wären wir still geblie­ben und hät­ten uns nicht gewehrt, es hät­te uns nichts, aber auch gar nichts, genützt. Klein­bei­ge­ben nützt immer nur dem Geg­ner, statt daß es als Zei­chen der Fried­fer­tig­keit erkannt und aner­kannt wird. Das ewi­ge christ­li­che Pro­blem, neben­bei bemerkt. Denn: wer ist der Richter?“

Wawerka schrieb:

„Für jeden von uns gilt: “unse­re Erkennt­nis ist Stück­werk” (1 Kor 13). Des­halb darf man die Erkennt­nis nicht zum Maß­stab ethi­schen Urtei­lens machen – auch nicht die poli­ti­sche Erkennt­nis. Ich beob­ach­te das natür­lich bei der lin­ken poli­ti­cal cor­rect­ness, aber zuneh­mend auch rechts: Hier gehört es plötz­lich zum “guten Ton”, bestimm­te Erkennt­nis­se poli­tisch zu ver­tre­ten – sonst ist man kein “Patri­ot”. Es ist die­sel­be Gesin­nungs­ethik, ver­stehst du – nur mit ande­ren Vor­zei­chen! So deu­te ich die Signa­le, wenn z.B. Mar­tin Licht­mesz sagt, dass du nicht “rum­cu­cken” sollst. Ich bedau­re das, ich bin ent­täuscht, ich hoff­te auf eine ech­te ethi­sche Bes­se­rung, aber viel­leicht ist die­se Hoff­nung dum­mer Kin­der­glau­be und schon immer durch­kreuzt vom bibli­schen Rea­lis­mus. Auch in der zukünf­ti­gen Gesell­schafts­ord­nung wer­den ethisch ver­ant­wort­li­che Leu­te Ihren Ein­spruch ein­le­gen müs­sen, gegen die herr­schen­de all­ge­mei­ne Moral und ihre Reprä­sen­tan­ten. Dann wird man im Zwei­fels­fall halt Kubit­schek wider­spre­chen müs­sen oder Gau­land oder wem auch immer – nicht aus Prin­zip, son­dern um der höhe­ren Gerech­tig­keit, Sitt­lich­keit oder (ich sags nur ungern) Mensch­lich­keit willen.

Ich hat­te gehofft, wir kämen weg von die­ser unsäg­li­chen, ober­fläch­li­chen, pha­ri­säi­schen, heuch­le­ri­schen Gesin­nungs­po­li­tik – unter den Rech­ten wür­de sich die Poli­tik mit dem ihr zuste­hen­den Platz beschei­den und gesell­schaft­lich wie­der ein Leit­bild der per­sön­li­chen Tugend und Ver­ant­wor­tung ein­keh­ren. Das wäre eine ethi­sche Bes­se­rung, eine Hebung der Sitt­lich­keit! Das wäre “kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on” oder “geis­tig-mora­li­sche Wen­de”! Ich fürch­te, ich habe mich getäuscht … Ich fürch­te, es wird sich nichts bes­sern. Wenn man die Resul­ta­te der rechts­kon­ser­va­ti­ven Wen­de in Polen und Ungarn genau­er anschaut, so ist die Gesell­schaft weit­ge­hend die glei­che geblie­ben (d.h. am indi­vi­dua­lis­tisch-libe­ra­lis­ti­schen Leit­bild ori­en­tiert), wäh­rend sich ein­fach die Poli­ti­ker der rech­ten statt der lin­ken Par­tei­en den Staat zur Beu­te gemacht haben.”

Ich schrieb:

“Stür­zen wir also sofort wie­der ins Böse ab, sobald wir nicht mehr die Unter­le­ge­nen sind? Es gibt gute Kai­ser, Päps­te, Heer­füh­rer, Herr­schafts­pha­sen. Muß Macht kor­rum­pie­ren? Kann ein Kol­lek­tiv aus Unter­drü­ckungs­er­fah­rung ler­nen? Ich den­ke an die DDR-Bür­ger, die jetzt sehr viel sen­si­bler sind für tota­li­tä­re Ele­men­te als ihre west­deut­schen Gene­ra­ti­ons­ge­nos­sen. Ist ethi­sche Refle­xi­on der Moral ein Zei­chen der Schwä­che oder der Stär­ke? “Die Guten sind des Zwei­fels voll /die Ärgs­ten vol­ler Taten­drang” (W.B. Yeats). Aber ich über­le­ge moral­phi­lo­so­phisch an der Fra­ge her­um: was für ethi­sche Prot­ago­nis­ten wer­den wir nach der recon­quis­ta sein?”

Eine „ethi­sche Bes­se­rung, eine Hebung der Sitt­lich­keit“, nichts mehr und nichts weni­ger, steht an. In einem Vor­trag über „Race Rea­lism“ von 2008 hat Jared Tay­lor argu­men­tiert, war­um sich Lin­ke auf fata­le Wei­se gegen die Wahr­neh­mung der Rea­li­tät sper­ren, und unter vie­len Grün­den auch deren Gefan­gen­schaft in ihren mora­li­schen Gefüh­len betont. „We have to be bet­ter!“ rief er dem Publi­kum zu, „stead­fast­ness, hones­ty and faithful­ness“ (Stand­haf­tig­keit, Ehr­lich­keit und Treue) befän­den sich doch ganz klar auf­sei­ten der Rechten.

In „Mit Lin­ken leben“ haben wir Jona­than Haidts moral­psy­cho­lo­gi­sches Werk The Righ­teous Mind (1996) her­an­ge­zo­gen, der das Pro­blem der wider­sprüch­li­chen mora­li­schen Emp­fin­dun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen der Lin­ken und der Rech­ten fol­gen­der­ma­ßen deu­tet: kul­tur­über­grei­fend kann man ein Spek­trum von fünf mora­li­schen Grund­emp­fin­dun­gen erken­nen, näm­lich care/harm, fairness/cheating, loyalty/betrayal, authority/subversion, sanctity/degradation. Lin­ke mora­li­sche „Geschmacks­knos­pen“ neh­men nur zwei mora­li­sche Berei­che wahr: care/harm und fairness/cheating. Ihnen fehlt fast voll­stän­dig das Sen­so­ri­um für Loya­li­tät, Auto­ri­tät und Hei­lig­keit und die Ver­stö­ße gegen ent­spre­chen­de Nor­men. Das rech­te Moral­spek­trum dage­gen hat den Vor­teil, ent­schie­den grö­ßer zu sein, denn auch Rech­te haben natür­li­cher­wei­se einen Sinn für Mit­ge­fühl und Gerech­tig­keit, bloß eben nicht ein­sei­tig hypertrophiert.

Ich glau­be nicht dar­an, daß nur gut begrün­de­te ethi­sche Sys­te­me prak­tisch wir­kungs­voll sind, doch wenn wir theo­re­tisch mehr wol­len, als uns mora­lisch selbst zu beweih­räu­chern, und kaum haben wir eines schö­nen Janu­ar­ta­ges die Macht ergrif­fen, in das von Wawerka befürch­te­te Pha­ri­sä­er­tum zu gera­ten, muß eine Grund­le­gung „unse­rer Moral“ her.

Und da könn­te es sein, daß Haidts moral­so­zio­lo­gi­scher Ansatz nicht aus­reicht. Er stellt sich Moral als sinn­li­ches Emp­fin­dungs­thea­ter mit einer sekun­där dazu­kom­men­den reflek­tie­ren­den Ver­nunft vor. In sei­ner Meta­pher: wir sit­zen wie die Mah­dis auf unse­ren emo­tio­na­len Rei­t­e­le­fan­ten. Der Ele­fant weiß, wo er hin will, der klu­ge Füh­rer lenkt bes­ten­falls die­sen Wil­len. Empi­risch-psy­cho­lo­gisch ist die­ser Befund wohl kor­rekt: erst nach­dem wir unbe­wußt unse­re Ent­schei­dun­gen getrof­fen haben, suchen wir nach guten Grün­den dafür. Wenn wir mora­lisch urtei­len, drü­cken wir unse­re Gefüh­le aus, ein „Gefühl, wel­ches durch einen ratio­na­len Grund gewirkt wird“ (Kant) gibt es für Haidt in Wirk­lich­keit nicht. Die­se ethi­sche Pos­ti­ti­on nennt man Emotivismus.

Der Emo­ti­vis­mus lehrt, daß alle wer­ten­den Urtei­le oder genau­er alle mora­li­schen Urtei­le nur Aus­druck von Vor­lie­ben, Ein­stel­lun­gen und Gefüh­len sind, soweit sie ihrem Wesen nach mora­lisch oder wer­tend sind“, schreibt Alasd­air Mac­In­ty­re in sei­nem Buch Der Ver­lust der Tugend (dt. 1981, i.Orig. After Vir­tue), in dem er den Emo­ti­vis­mus als ethi­sche Krank­heit der Moder­ne betrach­tet. Wenn näm­lich heu­te mora­lisch und poli­tisch gestrit­ten wird, geht jede Par­tei von inkom­men­sur­a­blen Prä­mis­sen aus. Mac­In­ty­re stellt genau wie Jona­than Haidt fest, „daß in mora­li­schen Argu­men­ten das offe­ne Gel­tend­ma­chen von Grund­sät­zen nur als Mas­ke für das Aus­drü­cken per­sön­li­cher Vor­lie­ben dient“.

Er hält die­sen Befund aller­dings für ein schwer­wie­gen­des Pro­blem: die ratio­na­le Recht­fer­ti­gung einer objek­ti­ven Ethik sei geschei­tert, Kants Begrün­dung zum Trotz, die Men­schen sprä­chen und han­del­ten heu­te so, als wäre der Emo­ti­vis­mus tat­säch­lich wahr. Mit dem Ergeb­nis, daß die mora­li­schen Par­tei­en immer wei­ter aus­ein­an­der­drif­te­ten, die poli­ti­schen Grä­ben tie­fer wür­den und der sozia­le Zusam­men­halt der Gesell­schaft gefähr­det sei. Auf Emo­ti­vis­tisch gibt es kei­ne Lösung. Mehr als dia­gnos­ti­zie­ren kann auch Haidt mit sei­ner Theo­rie nicht. Eine Über­brü­ckung der Dif­fe­ren­zen sieht bei ihm als deskrip­ti­vem Empi­ri­ker so aus: Lin­ke und Rech­te sind wie Yin und Yang und ergän­zen sich, sie soll­ten nur mehr mit­ein­an­der reden und über die Gefühls­ba­sier­heit ihrer Ratio­na­li­sie­run­gen bescheidwissen.

Mac­In­ty­re hält eine sehr grund­sätz­li­che Wei­chen­stel­lung in der abend­län­di­schen Phi­lo­so­phie für ver­ant­wort­lich für die mora­li­schen End­los­de­bat­ten: den „Ver­lust der Tugend“.

Die anti­ke Tugend­ethik des Aris­to­te­les ist im Gegen­satz zur moder­nen Indi­vi­du­al­ethik, deren Mecha­nis­men „Recht, Pro­test und Ent­lar­vung“ sind, eine Ethik des Gemein­sinns. Die moder­ne Ethik ent­spricht paß­ge­nau Haidts ver­küm­mer­tem Geschmacks­sinn der Lin­ken: sie kön­nen Unge­rech­tig­keit in Mikro­par­ti­kel­chen her­aus­schme­cken, doch bei authority/subversion und sanctity/degradation lut­schen sie nur genüß­lich auf den Nega­tiv­po­len Sub­ver­si­on und Degra­die­rung her­um, bis alles sozia­le „Schmier­öl“ (Arnold Geh­len) her­aus­ge­zu­zelt ist.

Moral und sozia­le Struk­tur waren in der „heroi­schen Gesell­schaft“ der anti­ken Polis ein und das­sel­be. Doch Mac­In­ty­re bleibt dort nicht ste­hen, die heroi­sche Gesell­schaft ist ver­lo­ren, nicht jedoch die Mög­lich­keit von Tugen­den. Die­se sind his­to­risch wan­del­bar, Homers Kamp­fes­mut ist Äonen von Jane Aus­tens ehe­li­cher Treue ent­fernt, eines ist ihnen aber durch­ge­hend gemein­sam: sie bezeich­nen das, was ein „Hoch­ge­sinn­ter“ (megaló­psy­chos) in einer je kon­kre­ten Pra­xis mit je kon­kre­ten Nar­ra­ti­ven und je kon­kre­ter Tra­di­ti­on sein soll. Tugen­den sind mit­hin indi­vi­du­el­le (aber nicht indi­vi­dua­lis­ti­sche) und zugleich kol­lek­ti­ve (aber nicht kol­lek­ti­vis­ti­sche) mora­li­sche Idea­le. Tugen­den sind der Kern der édu­ca­ti­on sen­ti­men­ta­le, schaf­fen aber im Indi­vi­du­um weit mehr als bloß mora­li­sche Sen­ti­ments, son­dern bin­den es durch erzähl­te Ver­pflich­tungs­pra­xis und Insti­tu­tio­nen an die Tra­di­ti­on sei­ner Gemein­schaft zurück.

Haben wir hier brauch­ba­res Mate­ri­al gefun­den zur Grund­le­gung einer Tugend­ethik der Rech­ten? Mac­In­ty­re selbst ist skeptisch:

„Moder­ne sys­te­ma­ti­sche Poli­tik, ob libe­ral, kon­ser­va­tiv, radi­kal oder sozia­lis­tisch, muß von einem Stand­punkt aus, der der Tra­di­ti­on der Tugend ech­te Treue schul­det, ein­fach ver­wor­fen wer­den; denn die moder­ne Poli­tik selbst drückt in ihren insti­tu­tio­nel­len For­men eine sys­te­ma­ti­sche Ableh­nung die­ser Tra­di­ti­on aus.“

Nun ist „Rechts­sein“, wie wir in Mit Lin­ken leben vor­ge­führt haben, aller­dings nur am Ran­de mit Poli­tik als insti­tu­tio­nel­ler Form deckungs­gleich. Es ist eine Lebens­form, unsys­te­ma­tisch  und viel­ge­stal­tig, und doch auf kla­re Tugen­den bezo­gen. Haben wir eine aus­rei­chend kla­re Vor­stel­lung unse­rer Tugen­den, und haben wir als Ein­zel­ne bereits genug davon ent­wi­ckelt, um nicht in eine „Gesin­nungs­ethik mit ande­rem Vor­zei­chen“ zu kip­pen? Und was ist mit den (partei)politischen Prot­ago­nis­ten aus unse­rem Lager – haben die “höhe­ren Sinn” als ihre Gegner?

Eine gelun­ge­ne mora­li­sche Erzie­hung lie­fe auf das kom­plet­te haidt­sche Spek­trum hin­aus, eine gelun­ge­ne Grund­le­gung die­ser Moral wür­de erklä­ren kön­nen, war­um wir Tugen­den brau­chen und war­um eine Tugend­ethik als Gegen­ent­wurf zu Libe­ra­lis­mus, Glo­ba­lis­mus und Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus geeig­net ist.

„Und da die Tra­di­ti­on der Tugen­den die Schre­cken der letz­ten Fins­ter­nis über­stan­den hat, sind wir nicht ganz ohne Grund zur Hoff­nung. Dies­mal war­ten die Bar­ba­ren aller­dings nicht jen­seits der Gren­zen; sie beherr­schen uns schon eine gan­ze Wei­le.“ (Alasd­air MacIntyre)

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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Kommentare (71)

Der Gehenkte

5. Dezember 2017 12:03

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? (Mt. 7.3)

 

Herr Wawerka hat recht! Es gibt auch hier, auf dieser Seite, in dieser „Szene“ einen ausgeprägten, wenn auch mitunter subtilen Konformitätszwang, ein menschliches, ein menschelndes Element, das nicht zu besiegen ist.

 

Wer sich rechts nennen darf, der hat gefälligst die Darwinsche Evolutionslehre abzulehnen – was ich nicht tue -, den menschenverursachten Klimawandel als Lüge zu bezeichnen – was ich nicht tue -, gegen Abtreibung zu sein – eine komplizierte Frage -, an der vollständigen Ernst-Jünger-Ausgabe vorbeizudefilieren – was ich jeden Tag tue -, den Postmodernismus und die Dekonstruktion als Geschwätz abzutun – was ich auch nicht tue –, und sich auf Nietzsche, Heidegger und Spengler zu beziehen – was ich gern tue. Usw. Das ist natürlich überzeichnet. Desweiteren gilt es gewisse Positionen zu Geschichtsereignissen, zu Personen (Soros etwa), zu Zusammenhängen (NGO’s etwa) einzunehmen.

 

Mir vergällt das zusehends, nach erster Euphorie des Angekommenseins, die Teilnahme am Diskurs. Ich teile Wawerkas Empfinden und halte das Wort Gesinnungspolitik nicht für übertrieben.

 

Mehrfach hatte ich mich hier für Begründungsunternehmen stark gemacht. Die sind notwendig aber sie dürfen einen sehr hohen Abstraktionsgrad nicht verlassen und müssen das Konkrete scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Tatsächlich glaube ich, ist Konservatismus eine anthropologische Konstante, dem menschlichen Denken und Fühlen apriori – wenn auch in Variation – eingegeben, ebenso wie die Neugier, sein Gegenteil. Man muß versuchen, ihn ethisch zu begründen, aber nur deskriptiv – sobald die Argumentation ins präskriptive abgleitet, sobald sie versucht, aus den Erkenntnissen konkrete Schlüsse zu ziehen (die ergeben sich im Idealfall von selbst), wird es gefährlich. Wenn man das, diese Trennung, nicht garantieren kann, dann sollte man besser die Finger davon lassen.

 

Im Übrigen gibt es in der Psychologie und Psychoanalyse den schönen Begriff der „Rationalisierung“. Man sieht am Bsp. Buchmesse, daß sie stärker ist als Intelligenz und auch unsere klügsten Köpfe sind nicht vor ihr gefeit. Der Trick ist hier ein linguistischer: indem schweigender, souveräner Widerstand zum „Kleinbeigeben“ umdefiniert wird. Das „ewige christliche Problem“ hat immerhin 2000 Jahre überlebt und heute verteidigen wir es gegen eine Kriegerreligion (die auch überlebt hat) – Jesus wäre schon wenige Tage nach seinem Tode vergessen gewesen, wenn er sich aktiv gewehrt oder geschrien hätte: Nieder mit den Pharisäern/Römern/Pilatus/Judas/Juden …

Maiordomus

5. Dezember 2017 12:09

 Die Ausführungen von Wawerka aber auch Sommerfelds Ausführungen über Tugendethik, zumal mit Bezug auf Aristoteles, was mit den Büchern von Josef Pieper (antiquarisch erhältlich) zu vertiefen wäre, zeigen, dass wahre Radikalität eigentlich  jenseits des Grabens verläuft, wie dieser etwa beim letzten AfD-Parteitag demonstriert wurde:  Rückfall in "Identität durch Feindbilddenken". Dabei scheint mir von Bedeutung, dass Wawerka und Co. trotz und wegen ihrem klaren Widerwillen gegen die Schreihälse auf dem Weg zu echter und zumal  systemkritischer Radikalität sind. Das von tiefer denkenden Rechten seit der konservativen Revolution realisierte Problem, das auch derzeit wieder manifest wird, liegt darin, dass viele von den angeblichen Rechten sich eigentlich viel zu links gebärden und es im Prinzip gemäss unausrottbaren satanischen Versuchungen auch sind. Hier wäre wohl von Erik von Kuehnelt-Leddihn und Gerd-Klaus Kaltenbrunner noch viel zu lernen, wiewohl diese beiden leider Gottes nun mal keine Männer der praktischen Politik waren. Und noch was: der Widerwille gegen die Schreihälse ist nicht einfach nur ein ästhetischer Widerwille, ein Sich-Gut-oder Besserdünken, sondern hat etwas Grundsätzliches. Unter den grossen Propheten der Menschheit gehörten Jesus und Buddha eher nicht zu den Schreihälsen, wiewohl sie zum Zorne, dem sogenannten gerechten Zorn, durchaus fähig waren.

 

Diesen Dialogbeitrag Sommerfeld - Wawerka zähle ich den Wertvollsten seit Bestehen von Sezession.

quarz

5. Dezember 2017 12:09

Wawerkas Kritik verfeht den Punkt. Es geht nicht um einen Neuaufguss Pflicht- vs. Wertethik, sondern um die pragmatische Frage, in welchem Situationszusammenhang ethische Argumentation sinnvoll ist. Sie ist es dann, wenn entweder der Meinungsgegner oder ein Zeuge des Disputs grundsätzlich für die Wahrheit offen ist. Wenn er bereit ist, to follow the argument wherever it leads. Zu argumentieren, wo diese Voraussetzung nicht gegeben ist, ist wie Saatgut auf Asphalt zu streuen bzw. - biblisch repliziert - Perlen vor die Säue zu werfen. Einen Handtaschenräuber in Aktion gewähren zu lassen und zu versuchen, ihn in eine Diskussion über den kategorischen Imperativ zu verwickeln, hat keinen erkennbaren Nutzen. Marie v. Ebner-Eschenbach schrieb: »Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit«

"Wenn wir moralisch urteilen, drücken wir unsere Gefühle aus, ein „Gefühl, welches durch einen rationalen Grund gewirkt wird“ (Kant) gibt es für Haidt in Wirklichkeit nicht. Diese ethische Postition nennt man Emotivismus."

Das trifft allerdings nur auf den Brachialemotivismus eines Alfred Ayer zu. Die Entwicklung der Ethik seit den 30er Jahren kann als Kette von Versuchen angesehen werden, die Unzulänglichkeit dieses Ansatzes zu überwinden. Der Emotivismus baute folglich nach und nach ( -> Stevenson -> Hare -> ... -> Gibbard) immer mehr rationale Elemente in seine Konzeption ein. Das ging z.T. so weit, dass er oberflächlich kaum noch vom moralischen Realismus zu unterscheiden war. Letztlich aber scheitert er meiner Ansicht nach am Umstand, dass moralische Argumentation ein nicht eliminierbares Element des moralischen Diskurses ist und der Emotivismus das auch in seiner raffiniertesten Form nicht adäquat in seine Theorien integrieren kann. Mackie z.B. hat denn auch semantisch kapituliert, freilich um sich dann ratlos in den Nihilismus zu stürzen (Hauptsache kein Fußbreit dem Realimus). Inzwischen beherrscht - weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit - der moralische Realismus (zumindest in relativer Mehrheit) wieder die (zumindest anglophone) Ethik.

"Emotivismus als ethische Krankheit der Moderne"

Ein treffendes Bild. Die eben skizzierte Entwicklung ist ihre Fieberkur. Sie ist allerdings Teil einer noch umfassenderen Krankheit, die sich philosophisch in verschiedenerlei Hinsicht niederschlägt. Aber das ist ein größeres Fass, das ich jetzt nicht anzapfen möchte.

"[Haidt] stellt sich Moral als sinnliches Empfindungstheater mit einer sekundär dazukommenden reflektierenden Vernunft vor."

Ich frage mich gerade, wie Haidt auf eine Lektüre von Max Scheler reagieren würde - ein reizvolles Komplement zu seinen Gedanken.

Apropos Haidt:

Hier ein Link für interessierte Leser zu Haidts Projekt einer kompensierenden Reflektion der stark linkslastigen akademischen Szene in den USA:

https://heterodoxacademy.org/author/jonathan-haidt/

 

 

 

 

 

Maiordomus

5. Dezember 2017 12:09

 Die Ausführungen von Wawerka aber auch Sommerfelds Ausführungen über Tugendethik, zumal mit Bezug auf Aristoteles, was mit den Büchern von Josef Pieper (antiquarisch erhältlich) zu vertiefen wäre, zeigen, dass wahre Radikalität eigentlich  jenseits des Grabens verläuft, wie dieser etwa beim letzten AfD-Parteitag demonstriert wurde:  Rückfall in "Identität durch Feindbilddenken". Dabei scheint mir von Bedeutung, dass Wawerka und Co. trotz und wegen ihrem klaren Widerwillen gegen die Schreihälse auf dem Weg zu echter und zumal  systemkritischer Radikalität sind. Das von tiefer denkenden Rechten seit der konservativen Revolution realisierte Problem, das auch derzeit wieder manifest wird, liegt darin, dass viele von den angeblichen Rechten sich eigentlich viel zu links gebärden und es im Prinzip gemäss unausrottbaren satanischen Versuchungen auch sind. Hier wäre wohl von Erik von Kuehnelt-Leddihn und Gerd-Klaus Kaltenbrunner noch viel zu lernen, wiewohl diese beiden leider Gottes nun mal keine Männer der praktischen Politik waren. Und noch was: der Widerwille gegen die Schreihälse ist nicht einfach nur ein ästhetischer Widerwille, ein Sich-Gut-oder Besserdünken, sondern hat etwas Grundsätzliches. Unter den grossen Propheten der Menschheit gehörten Jesus und Buddha eher nicht zu den Schreihälsen, wiewohl sie zum Zorne, dem sogenannten gerechten Zorn, durchaus fähig waren.

 

Diesen Dialogbeitrag Sommerfeld - Wawerka zähle ich den Wertvollsten seit Bestehen von Sezession.

Maiordomus

5. Dezember 2017 13:00

@quarz/Sommerfeld. Der Begriff "Emotivismus", der zu meiner Zeit als Ethiklehrer noch nicht durchgesetzt war, steht zumal als linker "Emotivismus", der als Versuchung auch bei Rechten anzutreffen ist, wohl auf der Basis von Max Schelers These vom "Ressentiment als Grundlage der Moral", einem bedenkenswerten Versuch, Nietzsches Moralkritik sozusagen lehrbuchfähig zu machen. Die These vom "Emotivismus als ethische Krankheit der Moderne" finde ich oben recht überzeugend dargestellt, hängt indirekt wohl noch mit der Forderung zusammen, dass Ethiker, wenn schon, ihre eigene Ethik selber zu leben hätten, womit man nicht zuletzt einem der Gründerväter des Emotivismus, Jean-Jacques Rousseau, posthum an den Kragen gegangen ist.

Maiordomus

5. Dezember 2017 13:00

@quarz/Sommerfeld. Der Begriff "Emotivismus", der zu meiner Zeit als Ethiklehrer noch nicht durchgesetzt war, steht zumal als linker "Emotivismus", der als Versuchung auch bei Rechten anzutreffen ist, wohl auf der Basis von Max Schelers These vom "Ressentiment als Grundlage der Moral", einem bedenkenswerten Versuch, Nietzsches Moralkritik sozusagen lehrbuchfähig zu machen. Die These vom "Emotivismus als ethische Krankheit der Moderne" finde ich oben recht überzeugend dargestellt, hängt indirekt wohl noch mit der Forderung zusammen, dass Ethiker, wenn schon, ihre eigene Ethik selber zu leben hätten, womit man nicht zuletzt einem der Gründerväter des Emotivismus, Jean-Jacques Rousseau, posthum an den Kragen gegangen ist.

Martin Himstedt

5. Dezember 2017 14:09

"Warum mußte das Zurückbrüllen sein?"

Das habe ich mich auch bereits gefragt! Diese Sternspeier von Martin sind leider etwas untergegangen. Im Nachhinein empfinde ich "Sternspeier + still dasitzen + erweitert um irgendeine andere "Hippie"-Aktion" als deutlich öffentlichkeitswirksamer.

quarz

5. Dezember 2017 14:17

@myself

"Ich frage mich gerade, wie Haidt auf eine Lektüre von Max Scheler reagieren würde - ein reizvolles Komplement zu seinen Gedanken."

Korrigiere: ich meinte nicht Scheler, sondern Nicolai Hartmann, der mit seiner Scheinwerfermetapher die Vorstellung zum Ausdruck brachte, dass in verschiedenen geschichtlichen Epochen, verschiedene Werte im Sichtfeld des Scheinwerferes standen. Man könnte das Bild auch auf verschiedene, in Zeitgenossenschaft lebende intellektuelle Kulturen anwenden.

H. M. Richter

5. Dezember 2017 14:51

Rechts hat einfach die besseren Argumente. Dies ist erst einmal überaus beruhigend. Rechte Positionen werden von der Wirklichkeit gedeckt. (Dies erinnert - gerade jene, die es erlebten - an die DDR. Gegen die Wirklichkeit war die SED chancenlos. Absolut chancenlos. Die Menschen sahen die in sich zusammenfallenden Städte und Dörfer, Straßen und Bahnschienen täglich. Heute ist anderes zu sehen. Wer Augen hat, der sieht - damals wie heute.)

Von dieser ebenso starken wie beruhigenden Position empfiehlt sich m. E. - wo immer es geht - Gelassenheit. In Halle an der Saale wird dies bei weiteren Überfällen auf das idenditäre Haus möglicherweise nicht der Fall sein können. Aber solche Situationen sehe ich als sog. Extremsituationen an, in denen von Fall zu Fall entschieden werden muß, was zu tun ist.

Für zukünftige Buchmessen könnte dagegen - wenn es wieder etwas zu entgegnen gäbe -, auch einmal die Form des gemeinsam gesungenen Liedes in Betracht gezogen werden.

Einerseits gibt es alte Lieder. Andererseits: Wenn sich inzwischen schon deutsche Großmeister solidarisch zeigen, warum sollte dann nicht an anderer Stelle ein Lied entstehen können, welches von Idenditären auf Demonstrationen ebenso gesungen werden könnte wie von Messestandbesuchern auf Buchmessen, wenn es erneut gelten sollte, sich und andere zu schützen ?

 

Monika L.

5. Dezember 2017 15:02

Danke an Caroline Sommerfeld und an Thomas Wawerka, mit dem  ich mich auf der Buchmesse gerne länger unterhalten hätte. 

Seit der Buchmesse ist " meine Ruh' hin und mein Herz schwer" . Und mir stellt sich mal wieder die Gretchenfrage. Was ist " Unsere Moral" ? Ich habe das Notizbüchlein aus dem Antaios Verlag vor mir liegen, auf dem Sophie Scholl abgebildet ist ( Die Stunde kommt, da man dich braucht). Ein schönes Büchlein.

1. In der acta vom 27.11.17 zitiert Klonovski ein Epigramm, das ihm ein Leser geschickt hat: "Eine Linke ? Heute wär - Sophie Scholl identitär"

Klonovski lässt den Satz so stehen. Ich sage dazu: Nein, Sophie Scholl wäre heute nicht bei den Identitären ! Sie wäre aber auch nicht beim " Zentrum für politische Schönheit" aktiv und sie wäre auch keine naive Teddywerferin, die ihre rechten Schulkameraden verpetzt. Ich lasse als  Frage im Raum stehen : Wo stände Sophie Scholl heute ? Als Christin ?

2. Armin Mohler sagt: " Wenn ein Christ Ernst macht mit seinem Christentum, dann muß er ein Linker sein" https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2008/06/20

Ich dagegen denke, wenn ein Christ Ernst macht mit seinem Christentum, dann kann er kein Linker sein . 

3. Die Linke kann die soziale Frage nicht mehr beantworten und die Rechte , die darob ihre Chance wittert, kann sie ohne Christlichen Hintergrund m. E. auch nicht zureichend begründen. Denn: Die soziale Frage ist christlich, die nationale heidnisch ( So Nikolai Berdjajew) 

Wir stehen ganz konkret vor der Frage, wie eine Moral ohne Gott heute überhaupt  noch begründet werden kann ? Denn die Linke lebt nurmehr von ein paar christlichen Versatzstücken. Und die Rechte irrt dahin ohne Gott. 

Kurz: Ich möchte mit Rechten leben und mit Rechten reden. Ich will nicht mit Linken leben und mit Linken reden auch nicht, solange diese nicht das " Schwarzbuch des Kommunismus" studiert haben und in sich gegangen sind. 

Ich werde mir auch von linksaußen nicht definieren lassen, was rechts ist. Ich möchte nicht spalten. Aber: Auch ein Rechter muß mit Rechten reden können.

Gelingt das nicht, werde ich nicht links, aber einsamer. C' est tout. 

Der_Jürgen

5. Dezember 2017 15:19

Ein Dialog auf hohem Niveau, der zum Nachdenken anregt. Ich würde mich eher den Argumenten von Caroline Sommerfeld anschliessen als jenen von Pastor Wawerka, anerkenne jedoch gerne, dass vieles, was letzterer schreibt, seine Berechtigung hat.

Ich weiss nicht mehr, von wem der Ausspruch "Nach der  Wende wechselt die Dummheit das Lager" stammt, finde ihn jedoch sehr treffend. Falls die von uns ersehnte Wende wirklich kommt (wovon ich nicht überzeugt bin, auch wenn ich gemässigter Optimist bleibe), werden Heerscharen von Wendehälsen, die eben noch "Nieder mit den Rechtspopulisten und Rassisten,  keine Obergrenze für Flüchtlinge" schrien, plötzlich "Deutschland den Deutschen, raus mit den fremden Schmarotzern" skandieren. Den neuen Menschen werden auch wir nicht hinkriegen, so wenig wie die Kommunisten ihn zu schaffen vermochten. Adam wird auch unter einem Reichskanzler Höcke und einem Kulturminister Kubitschek Adam bleiben.

Und natürlich wird auch eine rechte Regierung, die sich die Rettung der Deutschen als Ziel gesetzt hat, Fehler machen, ja Verbrechen begehen. Die Situation ist aufgrund der wahnsinnigen Politik der Linken und Liberalen dermassen abgrundtief katastrophal, dass es einer sehr, sehr bitteren Medizin bedürfen wird, um den Kranken noch im letzten Moment zu heilen. Wer dann Macht ausüben will, wird sich schuldig machen müssen. Dann wird der berühmte Spruch von Sankt Ignatius, wonach der Zweck die Mittel heiligt, in gewissem Sinne seine Berechtigung haben. Wir können nur hoffen und mit Pastor Vaverka beten, dass dann nicht mehr Grausamkeiten begangen werden, als unumgänglich sind.

@Der Gehenkte

Sie geben ja selber zu, dass Sie etwas übertreiben. Mir scheint, Sie übertreiben sogar sehr stark. Ich nehme an, der Satz, wonach man, um in diesem Kreis Gnade zu finden, Darwins Evolutionslehre ablehnen müsse, auf mich gemünzt ist, da ich mich, soweit erinnerlich, von allen Foristen am stärksten gegen diese positioniert habe, aber einer meiner besten Freunde, er starb leider im Januar dieses Jahres, war eingefleischter Darwinist und nicht bereit, Gegenargumente auch nur kritisch zu prüfen. Es hat unserer Freundschaft keinen Abbruch getan und nichts daran geändert, dass wir uns in den meisten anderen Fragen, darunter der wichtigsten von allen, einig waren.

Dass man als Rechter Soros verabscheut, scheint mir in der Natur der Dinge zu liegen. Hier liegt kein Glaubenszwang vor; Menschen unserer Denkart können diesen Mann nur als zutiefst bösen Zerstörer sehen. Wenn Sie ihm aber irgendwelche Pluspunkte zubilligen wollen, dann bitte sehr. Sie werden damit auf diesem Forum nur Kopfschütteln ernten, doch wird Ihnen keiner verbieten, zu anderen Fragen auch weiterhin Ihre meist sehr fundierten Kommentare zu veröffentlichen.

Gustav Grambauer

5. Dezember 2017 16:23

Ganz unakademisch:

Man kann dahin kommen, sich nach einer verwerflichen Tat oder auch nur nach einem hochsubtilen Einlassen auf ein Wesen wie z. B. ein Gedankenwesen schlecht zu fühlen und das Bedürfnis nach Wiedergutmachung oder Reinigung nach einem ganz bestimmten inneren Impls zu empfinden (Steiner nennt diesen Impuls das "ätherische Gegenbild" bspw. der Tat). Dies wäre, so schmerzhaft es auch sei, nur gut und gesund. Es mag für den reflektiereneden Verstand hierbei ein Kriterium der Verwerflichkeit auftauchen, aber darauf kommt es nicht an. Vielmehr kommt es darauf an, sozusagen "das Purgatorio zu durchleben". Völlig jenseits des seeleningenieurmäßigen Für-und Wider-Abwägens dabei kann es sogar sein, daß "dieselbe" Tat (es ist selbstverständlich nicht "dieselbe") bei dem einen ein völlig anderes ätherisches Gegenbild auslöst wie bei dem anderen. Dennoch wird das Ziehen der Konsequenz in beiden Fällen unter allen Umständen sozial heilsam sein.

Siehe:

https://anthrowiki.at/Ethischer_Individualismus

Steiners Paradebeispiel für ethischen Individualismus war immer Luthers "Ich stehe hier ...". Man kann davon ausgehen, daß Luther - sozusagen - "die Hölle" durchlebt hätte, wenn er an der Stelle eingeknickt wäre.

Kant war für Steiner ambivalent

https://anthrowiki.at/Immanuel_Kant#Rudolf_Steiner_.C3.BCber_Kant

aber einen Aspekt bei ihm sieht er frei von Ambivalenz: dessen Ethik, dabei insbesondere den Kategorischen Imperativ, hat er als Sklavenethik abgelehnt.

Schön und gut. Nun das Problem. Die Bilder vom AfD-Parteitag sind für uns alle noch frisch. Dazwischen liegen Lichtjahre, und auch ich weiß nicht, wie man die überbrücken könnte.

- G. G.

Maiordomus

5. Dezember 2017 16:42

@Monika. Mohler hat als Darsteller und zum Teil auch als Analytiker der konservativen Revolution seine Verdienste, war auch ein guter Kenner Frankreichs und hat sich in Nähe und Distanz zum Beispiel noch über Franz Josef Strauss nicht unkritische Gedanken gemacht. Aber philosophisch war er nun mal als Rechtsideologe und Edelfaschist schlicht keine Nummer, einen theologischen Horizont konnte man bei ihm sowieso nie verorten, keinem einzigen Mitarbeiter der Weissen Blätter hätte er zum Beispiel das Wasser reichen können, zu schweigen von der Liga Kaltenbrunner, der weiss Gott zu den bedeutendsten Denkern der deutschen Nachkriegsrechten gehörte. Natürlich bleibt Mohler als ehemaliger wenn auch distanzierter Weggefährte von Ernst Jünger wichtig, welch letzterer aber kurz nach dem Krieg noch eine Gesamtlektüre der Bibel angepackt hat und sich davon konstruktiv prägen liess, ohne deswegen im Sinn einer landeskirchlichen Konfession zu Kreuze zu kriechen. Mohler gehörte, das muss man ihm lassen, zu den vergleichsweise wichtigen politischen und auch metapolitischen Denkern seiner Generation. Zur Rechten ist er in seiner Jugend vor bald 80 Jahren gelangt wie die 68er damals zur Linken, von letzteren ist kein Einziger ein halbwegs grosser Denker geworden. Dies macht über weiteste Strecken auch das Dilemma der konservativen Revolution aus.

Hartwig aus LG8

5. Dezember 2017 16:54

Auch mal ganz unakademisch: Gute Politik ist die Veranlassung des Nötigen zum Schutz und zum Gedeih des Volkes. Das traue ich rechter Politik eher zu als linker. Und man muss die Leute bei Laune halten, so dass sie sich dem Nötigen nicht verweigern. Das ist schon schwieriger für die Rechte.

In den Mitteln zur Ergreifung, Erhaltung und Erweiterung der Macht wird sich die Rechte und die Linke aber kaum unterscheiden.

"Schutz und Gedeih" bieten einen Rahmen zur ethischen und moralischen Entwicklung, aber die Politik ist in aller Regel kein Motor. Das muss sich aus anderen Quellen speisen.

Heinrich Brück

5. Dezember 2017 17:30

Das Zurückbrüllen auf der Buchmesse in Frankfurt war deshalb richtig, weil Kameras vorhanden waren. Es standen sich Lüge und Wahrheit gegenüber, um zu vereinfachen, sonst ist sprachlich ohnehin auf keinen grünen Zweig zu kommen. Hätte die Wahrheit geschwiegen, Punktsieg für die Lüge. Das Zurückskandieren hat diesen Punktsieg zunichte gemacht, und mehr war in diesem System nicht zu holen.

 

Aller Anfang sind die Gesetze der Natur, daher unsere menschlichen Unterschiede. Die Gleichheit ist eine Lüge, auf der sich keine Zukunft bauen läßt. Indikatoren können gesammelt werden, die eine/keine Weltsicht offenbaren, die aus der Gegenwart eine positive Zukunft gewähren könnte. Wir werden durch die Gleichschaltung der vielfältigen Möglichkeiten beraubt, kreativ in disziplinierter Freiheit unser eigenes Selbst besser zu verstehen, stattdessen dürfen wir gegen linke revolutionäre Destruktivität anrennen (ohne dem System etwas anhaben zu können?). Das Spiel der Konditionierungen ist gewollt. Wer die Natur- und Lebensgesetze so verlinkt, kann moralisch nicht argumentieren. Die Linken haben eine Realität hervorgebracht, deren Informationsgehalt eine Ethik des Bösen zeigt. Auch im Hinblick auf den importierten Islam, der verteidigt wird, mit dem aber keine Gemeinsamkeit besteht, kein Geländegewinn für die Getriebenen.

LOBACZEWSKI (aus seinem Buch POLITISCHE PONEROLOGIE / 2014): "In Wirklichkeit werden wir niemals in der Lage sein, die Bandbreite der Entscheidungsfreiheit einzuschätzen, mit der ein Mensch ausgestattet ist. Wenn wir vergeben, ordnen wir unseren Verstand den Gesetzen der Natur unter, und zwar grundlegend. Wenn wir kein Urteil über diesen uns unbekannten Punkt abgeben, disziplinieren wir unseren Verstand dahingehend, nicht in einen Bereich einzutreten, der für unseren Geist kaum erreichbar ist.

Aus diesem Grund leitet Vergebung unsere Vernunft in einen Zustand intellektueller Disziplin und Ordnung und erlaubt uns dabei, das reale Leben und seine ursächlichen Verbindungen klarer zu erkennen. Dies erleichtert uns, unsere instinktiven Rache-Reflexe besser kontrollieren zu können und schützt unseren Verstand vor der Tendenz, auf psychopathologische Phänomene mit moralisierenden Interpretationen zu reagieren." 

Solution

5. Dezember 2017 19:16

"Moral ist die Wichtigtuerei des Menschen vor der Natur".

Friedrich Nietzsche

Nachgelassene Fragmente 1882

Neffe Mannheims

5. Dezember 2017 20:40

...Die rationale Rechtfertigung einer objektiven Ethik soll gescheitert sein? Wer das behauptet, der kennt den Objektismus von Ayn Rand noch nicht. Es handelt sich um eine aristotelische Philisophie mit rational begründeter Tugendethik. Fast alle Bücher von Ayn Rand (1905 - 1982) wurde im Laufe der letzten Jahre ins Deutsche übersetzt.

Ethik ist objektiv
https://www.youtube.com/watch?v=vl1LzODgR-M

deutscheridentitärer

5. Dezember 2017 21:15

@Der Gehenkte

Ich fand es hochinteressant, was Sie bereits in einem anderen Beitrag zum Begründungsproblem ausgeführt haben. Leider schien mir der von Ihnen genannte Philosoph für philosophische Laien nicht sehr ergiebig zu sein. Eventuell können Sie hier einmal darlegen, wie Sie das Letztbegründungsproblem für sich gelöst haben?

Ansonsten haben Sie schon Recht, dass es auch in der "neurechten Szene" ein Element des Konformitätsdrucks gibt. Richtig ist auch, dass dieser nicht zu besiegen ist. Zum Glück, möchte ich hinzufügen. Wie die meisten Dinge ist auch der Hang des Menschen zur sozialen Konformität nichts an sich gutes oder schlechtes, sondern entscheidend abhängig von dem Grad seiner Wirksamkeit: sowohl gar kein als totaler Konformitätsdruck ist wenig erstrebenswert.

Der Wert eines gewissen Konformitätsdrucks liegt darin, dass er überhaupt erst stabile Gruppenbildung ermöglicht. Angesichts der Diversität der rechten Szene, für die ja u.a. Sie selbst ein Beleg darstellen, habe ich persönlich nicht den Eindruck, der Konformitätsdruck haben ein kritisches Maß überschritten. Individuell gesinntere Gemüter sehen das vielleicht anders.

@Thema

Persönlich bin ich etwas baff, dass das "Zurückrufen" so große Wellen geschlagen hat. Ich war vom Videomaterial elektrisiert, genauso wie von den entsetzten Twittermeldungen der einschlägigen linken Berichterstatter ("nationaler Mob erobert Buchmesse" oder so ähnlich). Ich gebe aber zu, dass ich Sprechchöre nun mal schon immer gut fand und mir nur wenige Situationen vorstellen kann, in denen ich sie nicht angemessen und unterhaltsam finden würde.

Auch schätze ich Bücher schon immer sehr. Aber doch nicht auf eine Weise, dass ich einer "Lesung" derart sakralen Charakter beimessen würde, als dass man dort nicht rumschreien, ggf. auch pöbeln dürfte?

Es stimmt schon, dass Schweigen oft souveräner wirkt als Geschrei.  Das gilt aber paradoxerweise vor allem in Situationen in denen Lautstärke erwartet wird: z.B: auf Demos.

Pegida Demos waren teils still, ohne Parolen. Das war durchaus mächtig. Das hysterische Geschrei des Gegners lief ins Leere und wirkte lächerlich und überdreht.

Zudem bringt das dann leider oftmals doch zu sehende, vereinzelte Zurückpöbeln nichts; einerseits war man meist in der Minderzahl und andrerseits gab es ja die Sperrcordons.

"So deute ich die Signale, wenn z.B. Martin Lichtmesz sagt, dass du nicht "rumcucken" sollst."

Ich verstehe das so, dass man den Leute nicht (unbeabsichtigt, aber dennoch) in den Rücken fallen soll, indem man sich in der Pose des moralisch guten Besserwissenden gefällt. Das ist in meinen Augen auch ein ethischer Wert.

"Dann wird man im Zweifelsfall halt Kubitschek widersprechen müssen "

Im Zweifelsfall sicher - nur wo ist der Anlass zu dieser Bemerkung? Was hat Kubitschek denn gesagt, dem so dringend widersprochen werden müsste? Wo zeichnet sich denn ab, dass er so etwas sagen wird? Dass man jedem widersprechen muss, wenn er etwas falsches/moralisch verwerfliches sagt, ist banal. Diese banale Tatsache in Bezug auf konkrete Personen zu äußern, bedarf der Begründung.

"Ich bedaure das, ich bin enttäuscht, ich hoffte auf eine echte ethische Besserung, aber vielleicht ist diese Hoffnung dummer Kinderglaube "

Dass man die Gesellschaft als solches ethisch nicht bessern kann, halte ich für einen Kernpfeiler rechten Denkens. Es muss halt ein entsprechender Rahmen geschaffen und aufrechterhalten werden, der die guten wie schlechten Kräfte entsprechend kanalisiert.

Ethischen Wert haben immer nur Einzelne. Und natürlich wird es in einem hypothetischen "Siegfall" der deutschen Rechte die gleichen Probleme mit Opportunisten, Machtgierigen etc. geben wie sie es in jeder Gesellschaftsordnung gab.

"Wenn man die Resultate der rechtskonservativen Wende in Polen und Ungarn genauer anschaut, so ist die Gesellschaft weitgehend die gleiche geblieben (d.h. am individualistisch-liberalistischen Leitbild orientiert), während sich einfach die Politiker der rechten statt der linken Parteien den Staat zur Beute gemacht haben"

Naja. Zum einen wird wohl niemand behaupten, dass dort neurechte Ideal-/Maximalvorstellungen erreicht wurden. Zum anderen ist es eben sehr wohl um Welten besser als hier - jeder, der Mal in Polen oder Ungarn war, wird das bestätigen können. Dass es an der konkreten Politik liegt bezweifle ich mal, die dürfte eher Folge sein, aber im Osten ist man noch mehr Mensch als hier.

Und schließlich sind diese Fragen wohlfeile Gedankenspielereien - es geht um Selbstbehauptung, die Vorraussetzung jedes ethischen Strebens ist.  Und ganz konkret geht es darum, lassen wir zu, dass Fremde hereingelassen werden, die hier vergewaltigen und morden? Die Haltung der Ungarn und Polen erscheint mir diesbezüglich dieser Frage dann doch ethischer zu sein, als die deutsche.

"Hier gehört es plötzlich zum "guten Ton", bestimmte Erkenntnisse politisch zu vertreten - sonst ist man kein "Patriot"."

Patriotismus, ohne Anführungszeichen, ist ein ethischer Wert. Natürlich gehört es dazu, bestimmte Dinge zu vertreten und andere nicht. Zum Beispiel kann man sich begriffslogisch schlecht Patriot schimpfen, wenn man den Ethnomasochismus nicht ablehnt.

Dass aber einige anscheinend unter einer rechten political correctness leiden, die ich beim besten Willen nicht sehe, verwirrt mich.

Ich würde mich um konkrete Beispiele freuen, gerne welche, die über die Frage hinausgehen, ob das "Brüllen" auf der "Frankfurter Buchmesse" nun ethisch gerechtfertigt war oder nicht. Denn das ist eine Frage der Taktik und diesen Fragen ist es nun mal eigentümlich, dass sie im Zweifel von allen mitgetragen werden müssen, auch denen die sie nicht so gut finden.

"unter den Rechten würde sich die Politik mit dem ihr zustehenden Platz bescheiden und gesellschaftlich wieder ein Leitbild der persönlichen Tugend und Verantwortung einkehren."

Hier widerspricht sich Herr Wawerka (den ich trotz des hier gesagten für einen der hervorragensten Zeitgenossen halte):

Wenn es eben darum geht, dass sich die Politik mit ihrem Platz bescheidet, gehört dazu entscheidend sie von moralischen Forderungen, wie sie es eben nur für den Einzelnen geben kann, zu befreien. 

Dazu gehört auch, die Eigenlogik der Politik, die immer auf dem Willen zur Macht mit all seinen hässlichen bis grausamen Seiten gründet, zu akzeptieren.

Max Webers einschlägiger Aufsatz ist hierzu ja bekannt. Und dass es auch der "biblische Realismus" so hält, schreibt Herr Wawerka ja selbst. Umso mehr überrascht mich die Volte, dass ihm das politische Vorgehen unseres Milieu moralisch missfällt.

S.J.

5. Dezember 2017 21:36

Ich maße mir nicht an, darüber ein gutes Urteil abgeben zu können, wer besser oder schlechter ist als andere. Dafür sind Caroline Sommerfeld, Thomas Wawerka und vergleichbare Kaliber zuständig. Was ich aber mit Bestimmtheit auf einer rein empirischen Ebene und auf der belastbaren Grundlage historischer  Kenntnisse sagen kann: Das geregelte Zusammenleben schafft nur eine Zentralgewalt, die eine in der Gesellschaft abgesprochene, mit großer Zustimmung verabschiedete und im Alltag bewährte Gesetzeslage knallhart durchsetzt. So sind die Gegensätze beherrschbar. Konkret: Für mich ist das heutige Vorgehen der Behörden gegen die linke Szene und die G20-Krawallmacher ein Freudentag, ein Festtag, weil ich seit längerem das Gefühl habe, dass wenigstens Ansätze dieser unvoreingenommenen starken Zentralgewalt Realität wurden. Es wird noch mehr, weit mehr, folgen müssen.

Benno

5. Dezember 2017 21:40

Ich habe mich auch dahingehend geäussert, dass mir das Rumgebrülle zuwider ist und den Vorschlag gemacht, das nächste mal einfach das Deutschlandlied anzustimmen. Darin ist viel mehr positive Energie vorhanden, als wenn man "Jeder hasst die Antifa" schreit. Trotzdem mache ich keinem der Anwesenden einen Vorwurf, denn eine Reaktion war nötig. Bildlich gesprochen: Wenn man mit Freunden gemütlich in der Runde sitzt, der Dorfasi schon ein paar Bierchen zuviel getrunken hat und Streit sucht, soll man dann nicht zurückschlagen, weil man nicht auf sein Niveau heruntersteigen will?

Was an der Buchmesse geschehen ist, wird eine Lappalie sein, zudem was noch geschehen wird, wenn sich wirklich was ändern soll und ändern wird. Zugestanden, es wird immer Mahner brauchen. Wer jedoch ob dieser Episode schon in Selbstzweifel versinkt, der wird nie etwas ändern. Unrecht erdulden ist ist das kleinere Übel als Unrecht zu verüben, das legte schon Platon dar. Nur sollte man sich nicht vom Gedanken lähmen lassen, dass man bei der Beseitigung des Unrechts selber Unrecht begehen könnte.

Neander vom Thal

5. Dezember 2017 22:23

@deutschidentitärer@thema

Ich hatte fast identische Gedanken. Nun, da Sie die geschrieben haben brauch ich es nicht tun. Manchmal wird hier ganz schön akademisch moralisiert. Demos und neuerdings auch Buchmessen haben eine ganz andere, eine eigene Dynamik. Da zitiert man nicht im Hinterkopf die Moral oder irgendwelche Philosophen. Da brüllt man einfach zurück, vor allem wenn man sich im Recht fühlt. Alle Rechten, die auf der Messe zurückgebrüllt haben fühlten sich danach als Sieger, auch als moralische. Und das war recht so. Das gibt ein gutes Gefühl und ein bisschen Kraft für das nächste Mal. Und wenn die tapfere Linke merkt, daß doch hin und wieder Konsequenzen auf ihr Handeln folgen, werden viele dieser linken Großstadtpartisanen nicht mehr so mutig sein und bei Mutti bleiben. 

deutscheridentitärer

5. Dezember 2017 22:34

"...knallhart durchsetzt..."

" Für mich ist das heutige Vorgehen der Behörden gegen die linke Szene und die G20-Krawallmacher ein Freudentag, ein Festtag"

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/g20-razzia-linke-szene-wurde-vor-bundesweiter-durchsuchung-gewarnt-29020646

S.J.

5. Dezember 2017 23:24

@deutscheridentitärer

Schwer zu beschreiben, wie enttäuschend das ist. Mir war wohl nicht bewusst, wie verrottet die Strukturen sind. 

Stil-Blüte

5. Dezember 2017 23:27

So sehr ich den geistigen Horizont von SiN schätze, schon zum drittenmal den Blog hoch- und runtergelesen, ohne wirklich zu verstehen, worum und warum hier gestritten wird. Der Gewinn für Erkenntnis und Umsetzung im Leben entspricht kaum der Mühe, die ich mir gegeben habe.   

Geht es um den Riss zwischen Links und Rechts? Kaum.

Vielmehr geben sich filigrane Haarrisse zwischen uns Rechten zu erkennen. Auffälliig: Zwischen denjenigen, die Experten, Forschende, Studierende, Interessierte, Fachleute der Soziologie, Philosophie, Politologie sind und denjenigen, die  n u r  Bildungsbürger, Bildungsbeflissene, Gebildete, Belesene oder einfach nur aufmerksame Zeitgenossen sind und - kaum mehr in Erscheinung treten. Die Quellenangaben, links,  so gut gemeint sie sind, kann ein Normalsterblicher gar nicht mehr mitverfolgen, es sei denn, er gehört zur Zunft der Spezialisten.

Besonders bei diesem Thema werden Begriffe (z. B. Emotivismus)  und Namen (z. B. Haid)  so angeboten, als gehörten sie zum Abendbrot. Ich gestehe: Wesentliches hoher Geister in Briefen, Tagebüchern, (Preis-)Reden anzueignen (Beispiel: Benn, Jünger, Nietzsche, Kubitschek, Kositza) liegt mir sehr. Ist  ein Blog nicht vergleichbar? 

Diese Technik hat Frau Sommerfeld mit Briefauszügen zwischen ihr und Lichtmesz versucht. Sehr schön. Trotzdem erscheinen mir manche Antworten darauf wenig zugänglich. immer wieder auf dem neuesten Stand der Forschung über Ethik und Moral zu sein, gilt für Forschende und Studierendeals Muss.  Für uns gilt doch eher, von bestimmten konservativen Übereinstimmungen nicht abzulassen, sie auch bei jenen als Unterpfand ins Bewußtsein zu rufen, die neugierig auf unbekannen Pfaden wandeln und Althergebrachtes hinter sich lassen möchten.     

Wären einige exklusive Artikel nicht besser in der exklusive Zeitschrift 'Sezession' im wahrsten Sinne des Wortes aufgehoben?

Auch dieser Blog ist schnellebig. Schade.Ist ja auch nicht alles präzise durchfomuliert,  komplizierte Sätze ohne Kommata, auch hier immer häufiger.  Gerade in der Philosophie ist ein Komma manchmal so wichtig wie eine Klammer in der Mathematik, um zur Lösung der Gleichung zu gelangen. Da ist die frische Luft im  vorübergehend geöffnetem Fenster dann leider auch wie weggeblasen.        

Monika L.

6. Dezember 2017 00:02

 

Ich hatte gehofft, wir kämen weg von dieser unsäglichen, oberflächlichen, pharisäischen, heuchlerischen Gesinnungspolitik - unter den Rechten würde sich die Politik mit dem ihr zustehenden Platz bescheiden und gesellschaftlich wieder ein Leitbild der persönlichen Tugend und Verantwortung einkehren. Das wäre eine ethische Besserung, eine Hebung der Sittlichkeit! Das wäre "konservative Revolution" oder "geistig-moralische Wende"! Ich fürchte, ich habe mich getäuscht ... Ich fürchte, es wird sich nichts bessern."

@Thomas Wawerka 

Ich teile Ihre Befürchtungen , aber ich bin hoffnungslos optimistisch im altmodischen Sinne. Ein Leitbild der persönlichen Tugend und Verantwortung findet man etwa in den "Briefen der Selbstbildung" bei Romano Guardini. Da heißt es:"Der  christliche Mann kömpft kraftvoll, aber Schreien, Toben, rohes Wesen verachtet er". 

https://bundsanktmichael.org/2017/10/29/romano-guardini-der-ritterliche-mann/

Das ist komisch, altmodisch, uncucked oder sonstwas....mir aber sympathischer als der barbarische Weg der Männer. Die ritterlichen Männer sind ausgestorben, manch seltenes Exemplar trifft man noch. Die sind aber über 70 Jahre alt....

Was die ethische Besserung betrifft, so war diese durchaus ein Thema bei den Dissidenten Osteuropas. ( etwa: Versuch , in der Wahrheit zu leben) . Oder auch bei Kolakowsky ( Falls es keinen Gott gibt). Ansonsten gilt immer wieder: Es muß noch schlechter werden, damit es wieder besser wird.....

Paracelsus

6. Dezember 2017 00:42

Als ich erste Meldungen von Tumulten bei der Buchmesse bekam und noch nicht die Videos gesehen hatte, dachte ich: hätte man an dieser Stelle nicht den Kanon "Dona nobis pacem" singen können? Nachher war mir der Gedanke eher peinlich, angesichts der Aufnahmen, der sich erkennbar angespannten Lage. Allerdings, die Musik hätte vielleicht auch beruhigt, sich selbst beruhigt und zu etwas Wesentlichem gebracht. Und ob die Linken dann mit eingestimmt hätten ? - Man darf ja noch träumen. -

Die Frage, was eigentlich durchträgt, mit Bonhoeffer: "Sind wir noch brauchbar", beschäftigt mich auch derzeit. Das klang auch in Beiträgen und Diskussionen der letzten Wochen bei vielen Gesprächspartnern durch.

Ein Text, auf den ich globaler schon mal hinwies, jetzt spezieller: der IX. Brief "Der Eremit" in "Die großen Arcana des Tarot" von Anonymus bzw. Valentin Tomberg stellt einen Versuch dar, für das Weltverstehen und In-der-Welt-Stehen wesentliche Gegensatzpaare zu untersuchen und die Synthese der Gegensätze aus der "christlichen Hermetik", die Tomberg vertritt, darzutellen. So zum Beispiel das Gegensatzpaar Idealismus-Realismus, also der Gedanke: "Das Bewußtsein oder die Idee geht jeder Sache vorher" vs. "Das Ding (res) geht jedem Bewußtsein oder jeder "Idee" vorher"... ""Die Welt führt das Wort, und der menschliche INtellekt hört ihr zu", sagt der Realismus. "Der Intellekt führt das Wort, und die Welt ist dessen Widerschein", sagt der Idealismus." - Tombergs Synthese, Auszug: "Nein, wir werfen uns weder der Welt noch dem Intellekt zu Füßen, sondern werfen uns anbetend nieder vor der gemeinsamen Quelle von Welt und Intellekt, vor Gott. Vor Gott, dessen WORT zugleich sowohl das "wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt Kommt" (Joh. 1,9), als auch der Schöpfer der Welt: "Alles ist durch es geworden, und ohne es ist nichts geworden, was geworden ist" (Joh. 1,3) - Das Ding, die Welt - das WORT ist deren Quelle. Der Intellekt, das Licht des Denkens - auch deren Quelle ist das WORT."  usw. usf -

Ich weiss nicht, ob diese Zitate etwas von dem durchscheinen lassen, was zumindest bei mir da ankommt, auch in den nachfolgenden Gegensätzen und deren Synthese (Universalienstreitthema, Thema Glaube vs. Wissenschaft). In jedem Falle: auf Tomberg bauend könnte man sagen: wir leiden unter einem tief verwurzelten "Als-ob"-Lebensgefühl, im Grunde fällt es unsäglich schwer, sich von dem allgegenwärtigen Materialismus, demzufolge alles Daseiende aus den Stoffen und deren komplizierten Zusammenspielen resultiert, zu befreien. Auch wenn wir glauben möchten, dass es ein Höheres gibt, bleiben wir leicht in diesem Glauben hängen und nehmen es auf Gutgläubigkeit hin an. Dem in unser Menschsein einwohnenden Gott sich zuwenden als dem Gegenüber würde einen anderen Boden bereiten, auf dem dann keine Haidtschen Emotivismen nötig sind.

Ich erlebe durch mehrere Beiträge hier, dass das, was ich versucht habe auszudrücken, in einigen Gesprächspartnern bereits lebt. Vielleicht sollten wir einander bestärken, darin immer kraftvoller zu werden.

Franz Bettinger

6. Dezember 2017 08:19

Wieso das Zurückbrüllen sein musste? Weil es eine angebrachte, erfolgreiche Re-Aktion war. Als Aktion fände ich es schändlich, jemanden über den Haufen zu brüllen. Das aber ist der Unterschied zwischen den Neu-Rechten und den linken Antifanten. - Sellners "Eroberung" besteht darin, eine neue wirksame Kampfform entdeckt zu haben: das Gegen-Mobbing. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, Gegen-Mobbing wirkt unglaublich gut, vor allem wenn es intelligent vorgetragen wird. Nichts fürchtet der Gegner mehr, als dumm dazustehen und selbst exponiert und lächerlich gemacht zu werden. Der Linke hasst den selbstbewussten Rechten, der das Wort Rechts und Patriot nicht in Anführungsstrichen sagt oder schreibt. Es sollte den Rechten aufgrund ihres überlegenen Witzes und ihrer Gewitztheit leicht fallen, den verbalen Gegenschlag zu einer Kunstform zu entwickeln. Manchmal muss es auch laut raus. Die Botschaft lautet: Kommt nur, wir haben keine Angst, wir suchen die Konfrontation (mE ähnlich dem IS-Slogan: "Ihr liebt das Leben, wir den Tod." Auch wenn er vom Gegner kommt: der Spruch ist gut, er wirkt, er jagt den Cucks Angst ein.) Kubitschek und Sellner haben das gleich erkannt und eingesetzt. Chapeau! Den Angriff bei der Buchmesse aussitzen wäre eine Blamage gewesen, wie es auch gegenüber den Nafris blamabel ist, dass Politik, Presse, Polizei und Justiz sie gewähren lassen. "Nazis raus!" ist bezeichnenderweise (!) das Beste, was man den Brüllaffen der Antifa entgegenrufen kann. Da zucken sie zusammen. Wenn dieser Slogan unser Slogan würde, wäre das auch die beste Botschaft an die Welt, dass wir nicht zu den Nazis zählen. Ein Liedchen singen und "auch noch die andere Wange hinhalten" ist einfach lächerlich. Da gebe ich @ Neander vom Thal, @ Heinrich Brück und @ Benno recht. Sehr gut, Ihr letzter Absatz, Benno, und die Bemerkung: "Wer schon wegen solcher Lappalien auf der Buchmesse in Selbstzweifel versinkt, wird nie was ändern."

@deutscheridentitärer: "Schweigen ist oft souveräner als Geschrei. Das gilt vor allem in Situationen wie Demos, in denen Lautstärke erwartet wird. Pegida-Demos waren oft still, ja fast feierlich. Das war durchaus mächtig. Das hysterische Geschrei des Gegners lief ins Leere, wirkte lächerlich." - Das ist richtig beobachtet und schön formuliert.

@ Stil-Blüte: viel Zustimmung, vor allem zu Ihrer Bemerkung, was unsere professionellen Geistes-Wissenschaftler auf der einen und die Praktiker hier im Forum auf der anderen Seite betrifft. Ich denke, beide Gruppen sind nötig. Manchmal muss man ein bisschen schütteln, damit unten etwas brauchbare Wahrheit raus fällt.

Scholasticulus Paracelsi

6. Dezember 2017 08:24

Im Nachgang zu meinen obigen Ausführungen fällt mir auf, dass die Idee "Dona nobis pacem" zu singen die selbe Geste der "Synthese" enthält, die Tomberg im genannten Werk unternimmt. Vom Streit der irdischen Gegensätze hin zur Vereinigung im Göttlichen, in der Anerkennung Gottes in Christus, im Funken des Göttlichen in jedem Menschen-Ich.

H. M. Richter

6. Dezember 2017 11:05

@ Franz Bettinger

"Ein Liedchen zu singen [...] ist einfach lächerlich."

Von Liedchen las ich hier nichts. Vielmehr von einem Lied, das es zu finden gilt. Benno sprach vom Deutschlandlied.

Warum wohl, wurde über Jahrhunderte vor der Schlacht im Heer ein Lied angestimmt ?!

Und ein einschlägiges Netz-Lexikon, welches ich ansonsten meide, spricht unter dem Stichwort Kampflied recht griffig von Lieder[n] herausfordernd selbstbewußtem oder hymnenartigen Charakters, die in konflikthaftigen Situationen von organisierten Kollektiven und Massen zur Einschüchterung der Gegners und zur Stärkung der eigenen Identität Verwendung finden.

Solche Lieder sind alles andere als "Liedchen".

 

Maiordomus

6. Dezember 2017 11:38

@Paracelsus und @Scholasticus Paracelsi. Statt Zurückbrüllen wäre das Absingen von "Dona nobis pacem" nun wahrlich zu frömmlerisch im negativen Sinn gewesen, es braucht weder das eine noch das andere, so wie ich schon vor Jahrzehnten dagegen war, dass Gebetsgruppen vor Pornokinos den Rosenkranz beteten, das ist für mich eine abgeschmackte kontraproduktive Kampfmethode. Selber würde ich den beiden Herren oben zur Ehre ihres Decknamens noch empfehlen, der Bombastus-Gesellschaft Dresden beizutreten, die dringend noch auf weitere Mitglieder angewiesen wäre . Werde nächsten Herbst dort über die heilige Elisabeth von Thüringen sprechen.

Das Relikt

6. Dezember 2017 11:58

Verrückt - das ist ist es, was ich denke, wenn ich diesen Strang lese.

Bei einer eindeutig politischen Veranstaltung kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, die die Rechten für sich entscheiden. Jetzt wird an den Haaren ein Zusammenhang herbeigezogen zwischen diesem Geschehen und dem Unwohlsein Einiger  über einen, so von ihnen empfundenen, internen(!) Konformitätsdruck. Dieser Zusammenhang besteht schlichweg nicht.

Ich kenne keinen, der auf der Messe war, aber, nach meiner Erfahrung mit Rechten, werden das schon korrekte Leute gewesen sein. Die dürfen sich jetzt hier als ethisch-defizitäre Frösche von den Moral-Titanen der Szene sezieren lassen, ob sie den schon die Stufen zum höheren Menschentum erklommen haben. Dabei fällt scheinbar niemandem auf, wie nahe diese ethische Feingeisterei eigentlich dem Safe Space und Micro Aggressions-Geschnüffel der Millenial-Linken ist.

Als Salz in der Suppe dürfen weltfremdeste Ideen (Dona vobis pacem singen) und die Bildungsprahlerei des üblichen Verdächtigen natürlich nicht fehlen.

Und das schlimmste - das ist alles öffentlich.

Schnellroda werden also bald die Rechnungen diverser Krankenkassen erreichen, die die Behandlung jener Schädelverletzungen in Rechnung stellen, die bei außenstehenden Lesern des Blogs durch ständiges Hand an die Stirn schlagen, erzeut werden.

Der Gehenkte

6. Dezember 2017 12:05

@ Der_Jürgen: „ …um in diesem Kreis Gnade zu finden …“

Sie lassen sich hier auf die Argumentationsebene der Mainstreammedien oder eines Maas herab, die, wenn mit dem Vorwurf der eingeschränkten Redefreiheit konfrontiert, in aller Ruhe erwidern können: Aber wo sind Sie denn eingeschränkt? Sie haben doch ihre Zeitschriften, Portale, ihre Verlage und Webseiten … Daß es uns dagegen um die verkehrte und oft haßgetränkte, nicht-paritätische Darstellung eben nicht in unseren, sondern in aller Medien geht, um die Wahrheitsverdrehungen, um das Klima, die Atmosphäre, das overtone window, um die PC etc., das will man nicht sehen. Und so auch hier. Erstens kommen ja nicht alle Mitteilungen durch, wie Sie sicher sehr gut wissen (das ist eine andere Geschichte), vor allem aber werden „nicht-rechte“ Meinungen und Differenzierungen oft mehr oder weniger subtil und in Abhängigkeit der Person (Monika z.B. kann fast alles sagen ohne daß es jemand bemerken will) „niedergemacht“. Was würde denn geschehen, wenn ich schriebe: „Assad ist ein Kriegsverbrecher, der seine eigene Bevölkerung mit Giftgas bekämpft“? Überhaupt: Die Hälfte der hier als Helden gefeierten Wochenend-Figuren sind in meinem Buch – um es vorsichtig auszudrücken – suspekte Gestalten. Ich verschweige das jeweils aber, weil ich keine Lust auf Schimpfe habe … Und all diese Positionen haben mit meinem Rechtssein nichts, aber auch gar nichts zu tun, das ist das Fatale.

 

@ deutscheridentitärer: „wie Sie das Letztbegründungsproblem für sich gelöst haben?“

 

Ich habe es (auch für mich nicht) nicht gelöst – ich vermute sogar, daß es nicht zu lösen ist, denn wie @quarz letztens anmerkte: die Philosophie ist daran bisher gescheitert und muß auch scheitern, weil Sein und Denken im Werden sind. Das enthebt uns aber nicht der Aufgabe, dies immer und immer wieder zu versuchen und sich einer angenommenen Wahrheit wenigstens anzunähern. Vielleicht liegt der fundamentale Unterschied in folgender Differenz: Viele scheinen zu glauben: „Ich habe recht, weil ich rechts bin“; ich (und vermutlich einige andere auch) nehmen hingegen an: „Ich bin rechts, weil rechts (und ich) recht hat“, weil die Wahrheit gerade im rechten Spielfeld liegt. Das kann sich wieder ändern und dann wechsle ich die Seite. Es gab Zeiten, in denen es richtig und zwangsläufig war, Kommunist zu sein und es gibt (viel längere) Zeiten, in denen das eine Dummheit oder ein Verbrechen ist. Kurz: ich kann mit dieser Setzungs-Geste nicht viel anfangen (außer als rhetorisches Mittel). Sie führt handlungslogisch zur blinden Parteilichkeit, wie wir jetzt auf dem AfD-Parteitag einige Male im Ansatz erleben konnten. Dann ist das große Ganze nicht mehr im Blick, sondern die Partei wird verabsolutiert und deren Interessen vertreten, die irgendwann sich paradoxerweise sogar gegen die Gründungsimpulse (siehe CDU, Grüne, eigentlich alle etablierten – da ist ja ihr Kennzeichen) wenden müssen. Man sollte es mit Buddha halten: Die Lehre ist wie ein Boot, das man zur Flußüberquerung nutzt – ist man am anderen Ufer, schleppt man dann das Boot auch übers Land?

 

@Lichtmesz: wären wir still geblieben und hätten uns nicht gewehrt, es hätte uns nichts, aber auch gar nichts, genützt.

 

Die Frage nach dem Nutzen ist falsch gestellt, weil nicht jede Situation einen potentiellen Nutzen in sich trägt. Man kann aber aus jeder geschädigt hervorgehen. Manchmal ist der größte Nutzen, daß es nicht geschadet hat. Hat aber das Zurückschreien geschadet? Hier trennt sich die Spreu vom Weizen – wer das (Ja) nicht sehen kann, der wird es auch nicht verstehen. Es ist letztlich auch eine Frage der Ästhetik: die verzerrte menschliche Fratze ist nie ein schöner und gewinnender Anblick.

Nehmen wir die Szene davor, als Kubitschek dem Antifa-Aggro gegenüberstand. Obwohl es in ihm (K) gearbeitet hat, konnte er dort nicht nur Souveränität ausstrahlen, sondern hatte automatisch auch die Sympathie des neutralen Betrachters auf seiner Seite. Auf der Bühne wurde dann selbst für ihn der soziale Druck zu groß und der innere Widerstand gegen das Massenhafte gebrochen. Kein Vorwurf, nur Nachbereitung, reine Sozialpsychologie. Als militärisch Geschulter wird ihm das in der Nachbereitung selbst bewußt geworden sein: ein guter Kommandeur geht entweder voran (Intuition: er ahnt, was kommen wird) oder lenkt den Impuls der Mannschaft um.

Maiordomus

6. Dezember 2017 12:10

@Stilblüte. Ich teile Ihre Befürchtung, dass nicht wenige im besten Sinn interessierte und gewiss intelligente Mitteilnehmende betreffend die laufende Debatte sich manchmal sprachlich und im Bezugsrahmen und Zitierrahmen überfordert fühlen könnten und dass einige , zu denen ich mich gelegentlich selber zählen muss, manchmal zu komplizierte Sätze bilden. Trotzdem sind wir hier weit entfernt von einer wissenschaftlichen Erörterung. Es handelt sich nach wie vor um Debatten von Bildungsbürgern. welche soziologisch aber auf dem Aussterbe-Etat stehen. Über eines darf man sich keine Illusionen machen: Der bildungsbürgerliche Diskurs, hier oft mit Leuten im Alter 60+ durchgeführt, wird heute bereits von rund 90% der Gymnasiasten nicht mehr verstanden. Nach meiner Erfahrung sind bereits die Feuilletons der  Frankfurter Allgemeinen und der Neuen Zürcher Zeitung für den Durchschnitt 17jähriger Gymnasiasten krass "zu hoch". Ziemlich ernst nehmen würde ich den  faktischen Analphabetismus einer sonst durchaus nicht verdummten Jugend auf religiös theologischem Gebiet sowie im Bereich der Philosophie. Ich würde die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die zum Beispiel den Substanzbegriff von Aristoteles verstehen können (ohne dessen Verständnis Heidegger, Sartre und Hegel "Chinesisch" bleiben), auf unter 2 Prozent der heutigen Abiturientinnen und Abiturienten ansetzen. Aus diesem Grunde bleibt auch die Abendmahlslehre der katholischen Kirche mit dem Dogma der Transsubstantiation für die grosse Masse auch katholischer Abiturientinnen und Abiturienten unverständlich. Sie, @Stilblüte, finden sich also in guter Gesellschaft durchaus intelligenter Leute, wenn Sie einen Teil der hier geführten Debatte schwer verständlich oder unverständlich finden. Zur Ermöglichung der Wiedergeburt von Philosophie und Religion müssten vielleicht die einschlägigen Fakultäten an den Hochschulen mal für ein paar Jahre geschlossen werden, das Gymnasialwesen indes vermehrt privatisiert werden.

PS. Zum Thema Schwerverständlichkeit. Der weltweit unschädlichste politische Gefangene, der ausschliesslich wegen Gedankenverbrechen eingekerkert ist, Horst Mahler, ist, selbst wenn man seine Thesen völlig ablehnen würde, auch deswegen krass unschädlich, weil seine Hegelisierende philosophische Sprache nun mal noch maximal für ein Promille der potentiell verführbaren Leserschaft knapp verständlich ist, und diejenigen, die ihn verstehen, können durch ihn auch nicht mehr schlimmer gemacht werden, als sie ohnehin sind. Ich appelliere im übrigen, diesem Geistesmann von Charakter allenfalls in den Knast hinein ein gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen. Wäre er frei, die Rolle eines ungläubigen St. Nikolaus, siehe heutiges Datum, würde ihm durchaus anstehen.  

   

deutscheridentitärer

6. Dezember 2017 12:55

"um die Wahrheitsverdrehungen, um das Klima, die Atmosphäre, das overtone window, um die PC etc., das will man nicht sehen. Und so auch hier."

Dass sie so empfinden, betrübt mich ehrlich. Ich kann es aber ganz und gar nicht nachvollziehen. Ich habe die rechte Szene, was die Pluralität der darin geduldeten Meinungen angeht eigtl. immer als "safe space" erfahren; die abwegigsten und verrücktesten Äußerungen stießen hier nicht nur auf Gehör, sondern auf Interesse.

"die Philosophie ist daran bisher gescheitert und muß auch scheitern, weil Sein und Denken im Werden sind."

Ist sie das denn sicher? Zuletzt meine ja Apel, dass es ihm gelungen sei. Was halten Sie von dessen Ansatz?

" Dann ist das große Ganze nicht mehr im Blick, sondern die Partei wird verabsolutiert und deren Interessen vertreten, die irgendwann sich paradoxerweise sogar gegen die Gründungsimpulse (siehe CDU, Grüne, eigentlich alle etablierten – da ist ja ihr Kennzeichen) wenden müssen. "

Klar - alles was über eine degenerierte Erscheinung siegt, wird selber degenieren und seinerseits besiegt werden. Nur warum dieser zwangsläufigen Entwicklung jetzt schon vorgreifen? Erstmal muss die aktuelle Degeneration besiegt werden.

" Hat aber das Zurückschreien geschadet? Hier trennt sich die Spreu vom Weizen – wer das (Ja) nicht sehen kann, der wird es auch nicht verstehen."

Ich kann es tatsächlich nicht sehen und nicht verstehen. Es scheint mir ein gutes Stück weit eine Frage der persönlichen Befindlichkeit zu sein. Ich wäre vorsichtig das zu verabsolutieren. Die einen finden es gut, die anderen nicht. Da muss man keine Grundsatzfrage draus machen.

Wenn man doch eine draus machen will, stimme ich Ihnen allerdings zu: hier trennt sich tatsächlich die Spreu vom Weizen, nämlich diejenigen die ihr persönliches Anstandsgefühl über die Verwirklichung einer guten Sache stellen und lieber mit weißer Weste eine schlechte Sache siegen lassen.

Wie vieles bei den Nazis wurde in Himmlers Posener Rede ja eine an sich zutreffende Sache pervertiert: manchmal besteht der Anstand eben gerade darin, ihn hintenanzustellen.

Wenn man das überhaupt als eine Frage des Anstands betrachten will, wie gesagt.

quarz

6. Dezember 2017 13:43

@Gehenkter

"denn wie @quarz letztens anmerkte: die Philosophie ist daran bisher gescheitert"

Das habe ich nicht behauptet. Ich habe nur den Emotivismus als gescheitert bewertet.

Caroline Sommerfeld

6. Dezember 2017 13:58

@das Relikt: Sie haben nicht kapiert, wo das Problem liegt. Moral bedeutet nicht, Leute abzukanzeln und ihr Verhalten auf die Goldwaage selbstgebastelter Ansprüche zu legen. Ich nehme an, daß Sie irgendeinen Begriff von Ehre, Tugend, Gerechtigkeit haben. Sehen Sie, und genau darum geht es: anhand einer Bewährungssituation im Leben herauszufinden, worin das rechte Handeln (in beiderlei Wortsinn) liegt. Moral ist nicht Elfenbeinturmgequatsche, sondern liegt allem praktischen Entscheiden zugrunde.

Philosophische Moralgrundlegung ist nicht jedermanns Sache, meine schon. Aber keine Angst, eine ausführliche Grundlegung kommt wenn überhaupt in die Druckausgabe.

Sind wir charakterlich dasselbe Kaliber wie unsere Gegner oder in irgendeinem ernstzunehmenden Sinne "besser"? Und wenn ja, bewähren wir uns unter Druck? Bewähren wir uns in Herrschaftsposition? Diese Fragen sind doch verdammt nochmal keine leere Theorie.

Genau die hier zutagetretenden Differenzen weisen darauf hin, daß a.) im rechten Lager Binnenpluralismus herrscht und unbedingt erhalten bleiben muß, und b.) daß diese Fragen wichtig sind zu einem sicheren Selbstverständnis, das sich nicht darin erschöpfen darf, "gegen Links" zu sein und ein kleines Set von Klassikern der Konservativen Revolution zu zitieren.

 

Der Gehenkte

6. Dezember 2017 14:33

 @ deutscheridentitärer

Okay, belassen wir es dabei, auch wenn es unbefriedigend ist: wir haben es mit Befindlichkeiten und Wahrnehmungsgrenzen zu tun: Sie können nicht sehen (empfinden), was ich sehe und ich nicht, was Sie etc.

„Zuletzt meine ja Apel, dass es ihm gelungen sei. Was halten Sie von dessen Ansatz?“

Apel ist sicher einer, den man in die phil. Diskussion wieder aufnehmen müßte – persönlich liegt mir daran nichts. Sein Apriori der Argumentation ist freilich kaum zu hintergehen, das davon ausgeht, daß ein Argumentationsteilnehmer die Voraussetzungen der Argumentation zwangsläufig anerkennt, die da sind: vorausgesetzter Wahrheitsbegriff und potentielle Erkenntnisfähigkeit, sprich Anerkennung der Personalität der Gesprächspartner. Wenn diese Voraussetzungen sich realisiert haben, dann müßte, so Apel, ein begründbares Gespräch möglich sein. Letztlich sucht er eine transzendentale Intersubjektivität, die nicht formallogisch – also aus Prinzipien -, sondern von Prinzipien begründet werden soll. Damit sind Setzungsphantasien und Intuitismus und Intentionalismus und Kraft-meiner-Wassersuppe-Philosophien verunmöglicht. Das ist sicherlich Apels Verdienst, die Ethik – im Nachgang des Pragmatismus Peirce‘ – überhaupt erstmal begründen zu wollen.

Ich halte das für eine Totgeburt – aber eine ganz wichtige, die man sich noch mal genau ansehen müßte, die man noch mal sezieren müßte, deren ganzen Schöpfungsakt man noch einmal nachzeichnen müßte. Das Lebendbeispiel für das Scheitern ist Habermas himself, der seine guten Ansätze der Theorie des Kommunikativen Handelns durch geistige Inflexibilität selber an die Wand gefahren hat und den Abgleich mit der Realität der Gesprächssituationen scheute. Aber das ist das Problem aller Transzendentalphilosophie.

Gänzlich tot ist der Gedanke freilich doch nicht. Man denke nur an Vittorio Hösles „Moral und Politik. Grundlagen einer politischen Ethik für das 21. Jh“ – ein Komplettversuch, 1200 Seiten, der in einer politischen Ethik gipfelt, mit der Hösle auch in die Zirkel der Macht vorgestoßen ist. Das nenne ich Hegemonie!

Wenn man es recht besieht, dann ist rechtes Denken heutzutage fast durchgängig wirkungsorientierter Intentionalismus oder fundamentalistischer Intuitismus (Emotivismus) – von den Hardcore-Christen abgesehen. Die können sich dann sogar bis zum Personalismus vorarbeiten: „Der Personalismus muss den Primat der Freiheit über das Sein (ein Hirngespinst des konstruierenden Denkens) anerkennen." (Berdjajew), an dessen Anfang und Ende aber apriorisch Gott stehen muß: "Gott ist das Ziel; die Persönlichkeit das Mittel". Amen!

@ quarz

Sorry!

Maiordomus

6. Dezember 2017 14:40

@Deutscher Identitärer. Vorsicht bei der Posener Rede (deren Authentität übrigens von _derjürgen mal angezweifelt wurde) ist in der Tat ein bedeutender Text, wohl durchaus auf dem Niveau des Tugend-Terroristen Robespierre und aus diesem Grunde nach meiner Auffassung und auch derjenigen etwa des Polit-Philosophen Hermann Lübbe höchstwahrscheinlich authentisch. Das Wichtigste an dieser Rede ist der tugendethische Appell, die Liquidierung von "Tausenden" mitgesehen und wohl mitverantwortet zu haben und dabei doch im Letzten "anständig" geblieben zu sein. D.h. man hat es, wie Robespierre, und wie die Tugend-Terroristen des 19., 20. und 21. Jahrhundert nicht für sich selber gemacht, sondern für die "Sache", in deren Dienst man sich stellte; nach Lübbe eigentlich für das, was wir nach Fichte und Kant alle sollten. Dass es Handlungen gibt, ganz schreckliche, die trotzdem aus gutem Gewissen geschahen, hat angesichts des Terrors der Französischen Revolution schon Kant "mit Traurigkeit erfüllt". Das Gute im guten Willen des Menschen existiert leider nur transzendental, in der Praxis kann dieses Gute in eine gutgemeinte Schweinerei ausarten, "umso schlimmer für die Tatsachen" würde Hegel da ergänzen

 

Mit Blick auf das Wesen des Tugend-Terrors, führt bei der allertiefsten Analyse sowohl des individuellen Terrors etwa der Anarchisten als auch des Massen-Terrors, den Marx, Engels und Lenin ausdrücklich gutgeheissen haben, ein rein moralischer Diskurs nicht weiter. Im Sinn des Idealtypus der Posener Rede, wer immer sie aufgesetzt haben mag (wohl der nicht dumme Himmler persönlich) ging es gerade nicht darum, den "Anstand" hintanzusetzen, sondern man blieb als Beteiligter bzw. Mitverantwortlicher massenterroristischer Vorgänge "anständig", hatte sich keineswegs hinter dem Ofen verkrochen sondern überwand sich, ohne es persönlich böse mit den Opfern zu meinen (die einem eigentlich nichts angetan hatten) zum Schlimmsten, wozu der Mensch fähig ist. Der Marquis de Sade, für mich einer der hintergründigsten Denker des gnostischen Emanzipationsgedankens, formulierte es so. "Franzosen, noch eine Anstrengung, wenn ihr Republikaner sein wollt." Zu den grössten Anstrengungen gehört  die Selbstüberwindung gegen die eigene Tötungshemmung, worüber sich erst letzte Woche indirekt Silke Maier-Witt in ihrem in der Tat historischen Interview mit der Bildzeitung ausgesprochen hat im Zusammenhang mit der Ermordung von Hans-Martin Schleyer. Nach ihrer Überzeugung wurde er, wie sie es dem Sohn sagte, "von hinten" erschossen, weil es für die Terroristen wohl doch kein Leichtes war, diese notwendige Drecksarbeit für die Erfüllung höchster Ziele (an die Maier-Witt heute nicht mehr glaubt und sich deswegen schämt) zu vollziehen. Von Himmler selber wissen wir, dass er selten bei direkten Tötungen dabei war und dass es ihm in mindestens einem Falle dabei schlecht geworden sein soll. Angesichts solcher Befunde im Zusammenhang mit dem Tugend-Terrorismus, der keineswegs mit der banalen Frage nach den Zwecken, welche die Mittel heiligen, ausreichend beantwortet werden kann, scheint mir die Frage, ob der sogenannte Holocaust 1,5 Millionen Opfer oder die bekannte seit über 100 Jahren verkündete prophetische Zahl 6 Millionen gekostet habe, wohl nicht ganz im Sinne von Jean-Marie le Pen nur ein Detail zu sein.( Das wahre Detail sind die Namen der konkreten Opfer, unabhängig mit welcher Methode sie zum Tode geführt wurden.)  Der Tugend-Terror, ohne den auch etwa die Kulturrevolution in China nicht verständlich bleibt, war und ist (z.B. bei IS) in der Tat schrecklich, aber wir kommen ihm mit einer Moral-Diskussion nicht bei. Letzteres betonte schon vor rund 40 Jahren der Philosoph Hermann Lübbe in seinem epochalen Essay "Freiheit und Terror". Für unsere eigenen politischen Handlungen, zum Beispiel die Sozialpolitik betreffend, die Flüchtlingspolitik, die Sicherheitspolitik, scheinen mir indes, ähnlich wie für unser Privatleben, ethische Diskurse durchaus sinnvoll zu sein. Hingegen bin ich im Ernst der Meinung, dass wir mit Holocaust-Debatten die Frage nach einem vernünftigen Grenz-Regime im Zusammenhang mit Schengen und der Invasion aus Nordafrika und dem Nahen Osten nicht einer praktikablen Lösung zuführen können. Was wir für mehr praktische Ethik gebrauchen, ist ganz normaler gesunder Menschenverstand (Common sense, nicht unbedingt "gesundes Volksempfinden") unter Einhaltung der Verhältnisse und Proportionen und wenn möglich mit Handeln auf gesetzlicher Basis, wie es Frau Weidel jeweils im Bundestag und bei Fernsehdebatten zu betonen pflegt.    

Der Gehenkte

6. Dezember 2017 14:44

@ quarz

Das bezog sich auf:

https://sezession.de/57468/brief-eines-lesers

Habe da Sie und deutscheridentitärer wohl verwechselt - Sie beginnen jedoch beide, für mich Kontur anzunehmen. Das ist nur bei weinigen überhaupt der Fall.

Monika L.

6. Dezember 2017 15:16

@Caroline Sommerfeld

Ja, es gilt zwischen philosophischer ( und theologischer) Moralgrundlegung und dem praktischen Vermögen des  Einzelnen, Gutes oder das Richtige zu tun, zu unterscheiden. Auch führt die richtige oder rechte Gesinnung nicht automatisch zum richtigen Tun. Die Tugendethik fragt, wie wir das Gesollte auch tun können. Zur Tugend gehört auch die Charakterbildung oder Selbstbildung, wie Guardini sagt. Es gibt verschiedene Tugendsysteme. Und kulturelle und ideologische Unterschiede. 

Wir sind nicht besser als unser politischer Gegner und ob wir uns unter Druck bewähren, wissen wir nicht. Und natürlich kann sich im Äußersten ein Linker unter Druck besser bewähren als ein Rechter. ( Da gibt es Beispiele osteuropäischer Dissidenten) Die  rechte Gesinnung ist eben  oft auch nur eine rechte Gesinnung.  Zu diesem Thema liest man Erhellendes in Piepers " Vom Sinn der Tapferkeit" . 

Michael B

6. Dezember 2017 16:10

Die sprichwoertlichen Engel auf der Nadelspitze sind nichts gegen den Eindruck, den ich beim Lesen der Kommentare bekomme. Die Eitelkeiten der Akteure sind dabei unuebersehbar.

Dabei waeren wir beim Problem. Eitelkeit unterliegt moralischer Beurteilung. Und das ist das, was als Eindruck bleibt - nicht die intellektuell aufgeblasenen ethischen Diskussionen mit ihren sekundierenden Rationalisierungen. Und nebenbei: Intellektuell ist nicht intelligent. Beide Dinge haben sicher eine nichtleere Schnittmenge - intellektuell und daemlich allerdings auch.

Bleibt man auf moralischer Ebene habe ich kein Problem mit mit Fragen an mich selbst. Allerdings sehe ich die Asymmetrie in der Zuschreibung positiver Eigenschaften zu 'rechts' und 'links' durch die 'oeffentliche' Meinung. Und das ist tatsaechlich ein Problem schon deswegen, weil es jeden rationalen Zugang durch Selbstimmunisierung speziell der 'linken' Seite unmoeglich macht. Die sind 'empathisch', 'progressiv' und was auch immer und das reicht ihnen fuer das Verbleiben in ihrer braesigen Bigotterie.

Die Analyse dieser Dinge gewinnt gluecklicherweise an Fahrt - in den Beispielen: Was bedeutet Empathie, was bedeutet ihre dunkle Seite (nicht nur im Sinn des gleichnamigen Buches), was bedeutet 'progressiv' - die Begriffe selbst werden immer genauer auf die Fuesse gestellt, aber eben nur fuer Leute, die das suchen.

Was fehlt, sind die weireichenden (!) positiv besetzten Begriffe auf aehnlicher Ebene fuer die 'Rechten'.  Da gaebe es z.B. 'Loyalitaet', 'Verlaesslichkeit' und auch Varianten von 'Empathie' und 'Progressivitaet', die sich allerdings anders definieren als die an das ausschliesslich Emotionale und auch da in einseitiger Weise appellierenden Konstruktionen, die durch das weiter vorherrschende Meinungskartell pausenlos in die Welt und die Koepfe geblasen wird.

 

Marodeur

6. Dezember 2017 16:11

@Stil-blüte: Sie sind vollkommen auf der richtigen Spur. Wenn Maiordomus Sie (etwas ungeschickt) auf eine Stufe mit 17-jährigen Gymnasiasten stellt, dann sollte Sie das überhaupt nicht beirren. Es ist ein Zeichen von Reife in einer auschweifenden Debatte, die fehlende Ordnung zu bemerken.  Vielleicht ist es ja das Format, aber es ist wirklich schwieriger geworden, hier aufmerksam zu folgen. Das Niveau kann nicht der Grund sein. Die Zeitschrift Sezession und die Publikationen der Autoren lesen sich spannend und erkenntnisreich wie eh und je. Vielleicht liegt es auch am Rückzug der "Realos" aus dem Kommentatorenkreis (Gutmensch fehlt mir). Aber genug Gejammer, sonst heißt es wieder "Kinder (mögen bitte) still sein, wenn sich Erwachsene unterhalten".

Der_Jürgen

6. Dezember 2017 16:46

@Maiordomus

Danke dafür, dass Sie an den politischen Gefangenen Horst Mahler erinnern. Wie Sie stehe ich seiner Denkweise sehr skeptisch gegenüber, achte ihn jedoch ob seines Mutes und seiner Ehrlichkeit.

Weniger erfreut bin ich über Ihr Herumreiten auf der Posener Rede. Diese enthält grobe inhaltliche Absurditäten, die Himmler niemals von sich gegeben hätte, und steht in krassem Widerspruch zu anderen, ohne jeden Zweifel authentischen Dokumenten aus der gleichen Zeit, die Sie, wenn auch erst seit kurzem, kennen.

@Der Gehenkte

Wenn Sie hier schreiben, Assad morde sein Volk mit Giftgas, werden die anderen Foristen darüber den Kopf schütteln, dass ein so kluger Kopf wie Sie seine Informationen der Bildzeitung oder den Artikeln von Herrn Richard Herzinger in der "Welt" entnimmt. Sie werden Widerspruch riskieren, genau wie ich Widerspruch riskiere, wenn ich z. B. die Evolutionslehre ablehne oder mich zu meinem Unglauben an die parlamentarische Demokratie bekenne. Mehr riskieren Sie nicht.  Ich bin absolut sicher, dass Kubitschek und Kositza Sie deswegen nicht von diesem Blog bannen werden.  Dass ab und zu mal einer Ihrer Beiträge nicht freigeschaltet wird, kann ja passieren. Auch von mir sind schon Wortmeldungen nicht freigegeben werden. Und wissen Sie was? Die Erde dreht sich trotzdem weiter.

Für Wehleidigkeit ist hier kein Raum - immer vorausgesetzt, Kritik wird in anständiger Form geäussert. Dies ist hier in aller Regel ja der Fall.

Maiordomus

6. Dezember 2017 17:28

@Marodeur. Ich habe die Stilblüte nicht auf eine Stufe mit siebzehnjährigen Gymnasiasten stellen wollen, sondern viel mehr festhalten wollen, dass Intelligenz und gesunder Menschenverstand in jeder Generation nichts daran ändern, dass beispielsweise eine an Hegel geübte Intellektualität sich nicht in jeder Debatte als angemessen erweist. Es ändert nichts daran, dass z.B. für die vertiefte Auseinandersetzung mit Wawerka und Sommerfeld begriffliche Grundlagen nötig wären, ausser philosophische auch theologische, die nun mal nicht jeder mitbringt. Gilt noch für viele andere Themen, von Kybernetik bis zu den Grundlagen der Logik, welch letztere zum Teil als theoretische Grundlagen nicht mal Mathematiklehrern bekannt sind, weil diese zum Teil lieber arbeiten, das heisst Operationen durchführen, als über ihre Grundlagen nachzudenken. Es gibt auch Richter, bis hinauf in die Gerichtshöfe der Menschenrechte, die über die philosophischen Grundlagen des Rechts nur geringe Ahnung haben. In diesem Sinn ist teilweise auch der Satz von Heidegger zu verstehen "Die Wissenschaft denkt nicht." Natürlich "hirnen" die Wissenschafter auf oft hohem Niveau, aber sie arbeiten lieber als dass die Grundlagen gedacht werden bis hin zum sogenannten letzten Grund, den "altissimae causae", wie es Thomas von Aquin auf den Punkt bringt. Und natürlich kann man ganze wissenschaftliche Bücher schreiben auf hohem Niveau ohne sich zu fragen "Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?" Und man kann ein perfekter Geldfachmann sein, ohne je in der Art von Georg Simmel über das Geld philosohier zu haben. Usw. 

NB. Mein Problem mit einem Teil der sog. Revisionisten ist für mich ein Aehnliches wie mit nicht wenigen Marxisten, die offen zu ihrer parteiischen und damit grundsätzlich unwissenschaftlichen Geschichtsschreibung stehen: Sie wollen etwas verteidigen und auf jeden Fall recht haben und Recht bekommen, wollen wie die Linken mit Geschichtsdeutung ihre Feinde bekämpfen und das Böse identifizeiren, nur dass die Marxisten für vergleichbaren Unsinn nicht in den Knast kommen. Noch interessant ist bei dieser Disproportionalität, dass etwa auf dem Markt catawiki nationalsozialistische und faschistische Andenken nicht ohne vorherige Distanzierung von möglichen politischen Inhalten und Haltungen angeboten werden, wohingegen dies bei den stalinistischen Heiligenbildern und sonstigen Andenken nicht geschieht. Was die formale Analyse der Posener Rede betrifft, die ich in der Tat für bedeutend halte, gibt es hier nicht den geringsten moralischen Unterschied zu Lenin und Engels oder auch Che Guevara, was die These von Kuehnelt-Leddihn zu bestätigen scheint, dass es sich generell um linke gedankliche Phänomene handelt. Letztere Einschätzung gilt bekanntlich auch für den Feminismus. Hier fragt niemand, wie viele Millionen Opfer die Abtreibungsideologie schon gefordert hat, wiewohl man sich illusionslos eingestehen sollte, dass natürlich schon jede Menge Abtreibungen auch ohne Feminismus erfolgen und erfolgten. Man sollte generell zurückhaltend sein bei der Interpretation des Bösen, welches man dann den Repräsentanten des jeweils abgelehnten und als Feind betrachteten ideologischen Lagers zuschiebt.

Robert

6. Dezember 2017 18:14

Eine der Grundfragen, die hier Caroline Sommerfeld so notwendigerweise stellt, lautet: In welchem Zusammenhang steht die Moral mit der Vernunft? Oder: Wer handelt moralisch besser? Mit welchen (rationalen) Mitteln können wir dies entscheiden? Usw., usw.

Und so geht es in der Tat gerade heute, wie so oft schon in der Philosophiegeschichte, um die Suche nach den Grundlagen, nach einem für unsere Zeit tragfähigen Fundament unseres – auch und besonders – politischen Handelns. Mit diesen Fragen beschäftigt sich bekanntermaßen die philosophische Disziplin der Ethik. Für das undogmatische, freie – eben philosophische – Denken kann es keinen Zweifel geben, wer oder was hier zu befragen ist:

Nämlich, alle modernen Disziplinen, die sich mit der Instrument unseres Denkens auf die umfassendste Weise beschäftigen:
Die Hirnforschung mit allen ihren Spezialabteilungen sowie die Evolutionsgeschichte insgesamt, die die Genealogie dieses Denkapparates und seine Funktion als Überlebensorgan zum Forschungsgegenstand haben.

Kurz: Die Ethikfrage ist mit den besten uns zur Verfügung stehenden Mitteln wieder von Grund auf neu zu stellen. Es gibt eben nicht die ewig und alle Menschen gleichermaßen beglückende gültige Ethik/Moral, sowie es eben auch nicht den Menschen an sich gibt. Neue Erkenntnis über die Grundlagen der Ethik ergeben stets neue Rahmenbedingungen (Frames, wenn man so will!) für dieselbe.

D. h., eine der Eingangsfragen betreffend: Die Vernunft in Gestalt der wissenschaftlichen Disziplin Evolutionäre Ethik ordnet und begründet die Fragen nach dem evolutionären Woher, Wieso, nach den Zwecken unseres Wertens, also die Frage nach der Genese, wieder neu – kurz: Es gilt, zunächst einmal die Antworten auf die ontologische Frage der Moral zu geben. Das Ergebnis: Wertungen haben eine irreversible, stammesgeschichtlich erworbene Grundlage, geschehen vor allem auf der unbewussten, unreflektierenden Ebene und werden andererseits durch Tradition vermittelt und haben gruppenspezifischen Sinn und Charakter.

Nur: Die wissenschaftsbasierte Vernunft kann uns nicht Entscheidungs-, die normativen Fragen abnehmen. Sie hilft uns zwar Unsinniges von Sinnvollem zu trennen (hier natürlich immer im Kontext des großen Paradigmas „Evolutionstheorie“), Ideologien, die unserem (Über-) Leben als Gruppe wie als Individuum abträglich sind von einer guten, dem Leben zuträglichen und das Leben erhaltenden und steigernden Weltanschauung zu unterscheiden, aber die Antworten auf die große Frage der „Geltung“ bleiben uns überlassen. (siehe dazu z. B.: Eckart Voland, Genese und Geltung – Das Legitimationsdilemma der Evolutionären Ethik und ein Vorschlag zu seiner Überwindung (https://sammelpunkt.philo.at:8080/1037/1/voland1.pdf)

Der „state of  the art“ heutiger (Natur)-Wissenschaft kann uns aber den Weg aus dem Dickicht widerstreitender Ideologien, Begriffe weisen – weil es uns auch den Unterschied von Wichtigem und Nebensächlichem erkennen läßt und derart sich das ständige im Kreisdrehen beim per se oft unentscheidbaren Streiten um „Meinungen“, besten „Tugenden“, Begriffe, usw., durchbrechen und (relativ gut) entscheiden kann.

Und: Eine wissenschaftbasierte Vernunft kann eben eben auch Mut schafften, kann den Willen zur Entscheidung in die richtige Richtung bestärken, und kann vor allem ein neues Bewußtsein, eine neue Selbstsicherheit bis hin zu ganz konkreten Fragen der politischen Aktion, des Stils, z. B. bei unserem Auftreten, dem Gegner gegenüber, geben.
 
Das mag alles z. T. sehr wissenschaftstheoretisch-abstrakt daherkommen, aber implizit ist hier eigentlich bereits eine besondere Tugend beschworen worden, die zwar eine menschliche Universalie darstellt, aber auch dem europäischen Menschen im Besonderen die geistige und kulturelle Hochblüte gebracht hat und die ihn bisher gewissermaßen kennzeichnete und adelte:
Der Wille und die Lust zur Erkenntnis, was K. Lorenz mit „persistierende Neugier“ als besonderes Charakteristikum des Menschen bezeichnet hat und gerade uns Deutschen von unseren besten Dichtern und Denkern als Mahnung und Pflicht immer schon ins Stammbuch geschrieben wurde:

Bleibt mir der Erde treu, meine Brüder, mit der Macht eurer Tugend! Eure schenkende Liebe und eure Erkenntnis diene dem Sinne der Erde! Also bitte und beschwöre ich euch.

Euer Geist und eure Tugend diene dem Sinn der Erde, meine Brüder: und aller Dinge Wert werde neu von euch gesetzt! Darum sollt ihr Kämpfende sein! Darum sollt ihr Schaffende sein!
Wissend reinigt sich der Leib; mit Wissen versuchend erhöht er sich; dem Erkennenden heiligen sich alle Triebe; dem Erhöhten wird die Seele fröhlich.

[Friedrich Nietzsche: Die Reden Zarathustras]

Treue zu allen guten Dingen des Lebens und der Glaube an den Wert von sich fortwährend entwickelnder Erkenntnis wären doch schon einmal etwas, an dem man sich als richtiger Rechter orientieren und festhalten könnte – und das geht zunächst einmal an unsere eigene, die interne Adresse.

Stil-Blüte

6. Dezember 2017 18:45

@ Maiordomu

      ' Ich teile Ihre Befürchtung, dass nicht wenige im besten Sinn interessierte und gewiss intelligente Mitteilnehmende betreffend die laufende Debatte sich manchmal sprachlich und im Bezugsrahmen und Zitierrahmen überfordert fühlen könnten ...'

Ihre Aufgeschlossenheit o.T. gefällt mir. Ihren Beiträgen und Schlussfolgerungen (und den meisten anderer) kann ich nicht nur problemlos, sondern mit Vergnügen und Gewinn folgen.

Vermutich liegen manche Verständnisprobleme allein darin begründet, dass, nicht nur dieses Forum, sondern die meisten Foren im Netz für solch hochkomplexe und -komplizierte Diskussionen,  noch nicht ausreichend genug durchstrukturiert sind.  

Zwischen eigenem Text, Quellenangaben mit und ohne links, sporadischen Zitaten aus Werken Dritter (obendrein auf Englisch) und/oder Erwiderung auf Mitteilnehmer, ohne daß der Bezug nachvollzogen und optisch oft nicht genau unterschieden werden kann, führt nicht selten zu Konfussion, Vergessen, Verwechslung von Person, Text, Bezugsgröße. 

Vielleicht ein neuer Blog, der bestimmte vorgegebene tradierte formale Kriterien von Vornherein benutzerfreundlich, aber lategorisch, vorgibt? Form ist  a u c h  Inhalt (s. Architektur), Formlosigkeit Chaos.

SiN auch hier als Vorreiter?  Verbesserung des Formats wurde jedenfalls bereits angekündigt. Ich bin gespannt.

Pardon, o. T. Ende!

 

 

 

Lotta Vorbeck

6. Dezember 2017 19:05

@Das Relikt - 06. Dezember 2017 - 10:58 AM

Verrückt - das ist ist es, was ich denke, wenn ich diesen Strang lese.

Bei einer eindeutig politischen Veranstaltung kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, die die Rechten für sich entscheiden. Jetzt wird an den Haaren ein Zusammenhang herbeigezogen zwischen diesem Geschehen und dem Unwohlsein Einiger über einen, so von ihnen empfundenen, internen(!) Konformitätsdruck. Dieser Zusammenhang besteht schlichweg nicht.

...

Als Salz in der Suppe dürfen weltfremdeste Ideen (Dona vobis pacem singen) und die Bildungsprahlerei des üblichen Verdächtigen natürlich nicht fehlen.

Und das schlimmste - das ist alles öffentlich.

@Caroline Sommerfeld - 06. Dezember 2017 - 12:58 PM

... Moral bedeutet nicht, Leute abzukanzeln und ihr Verhalten auf die Goldwaage selbstgebastelter Ansprüche zu legen. Ich nehme an, daß Sie irgendeinen Begriff von Ehre, Tugend, Gerechtigkeit haben. Sehen Sie, und genau darum geht es: anhand einer Bewährungssituation im Leben herauszufinden, worin das rechte Handeln (in beiderlei Wortsinn) liegt. Moral ist nicht Elfenbeinturmgequatsche, sondern liegt allem praktischen Entscheiden zugrunde.

...

Sind wir charakterlich dasselbe Kaliber wie unsere Gegner oder in irgendeinem ernstzunehmenden Sinne "besser"? Und wenn ja, bewähren wir uns unter Druck? Bewähren wir uns in Herrschaftsposition? Diese Fragen sind doch verdammt nochmal keine leere Theorie.

Die geschätzte Caroline Sommerfeld investierte viel Mühe in Ihren SiN-Beitrag zu "Unsere Moral".

Hätte es mit solcherlei Überlegungen nicht noch ein wenig Zeit gehabt?

Bisher ist im Sinne einer Reconquista rein garnichts erreicht.

Die islamisch-afrikanische Invadierung des Landes aka der große Austausch läuft ziemlich geräuschlos aber dennoch wie am Schnürchen. Tag für Tag sind's wieder 2.000 Goldstücke mehr, während die Alternativlose aus Templin einfach "geschäftsführend" weiterkanzlert, als wäre nichts geschehen.

Wenn man dereinst tatsächlich in die Verlegenheit käme, im Zuge einer erfolgreich gewesenen, konservativen Revolution Macht auszuüben, kann man dann (wenn der Bär erlegt und dessen Fell verteilt worden ist) sehr wohl auch darauf achten, nunmehr nicht selber ebenfalls zum blutrünstigen Jakobiner zu mutieren.

Martin Lichtmesz

6. Dezember 2017 19:52

Ich verstehe den Einwand nicht im Geringsten. Der Gegenchor war die einzige Option, und er hat sich bei der ersten Angriffswelle als sehr effektiv erwiesen.

Maiordomus

6. Dezember 2017 19:55

Korr. "Man kann ein perfekter Geldfachmann sein ohne je in der Art von Georg Simmel über das Geld philosophiert zu haben." Hierzu gehören auch diejenigen, die sagen, bevor die globale Geldordnung grundsätzlich reformiert werde, könne man auf dieser Welt keine wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen, was bedeutet, dass man bis zur Generallösung des Geldproblems letztlich sich die Hände in den Schoss legen könnte. Natürlich hängt das Wissen über Geld ebenfalls mit einer vernünftigen Ethik zusammen, die als Theorie der Praxis vernünftigen Handelns nach zustimmungsfähigen Normen zu definieren wäre. Dass Sozialisten aber auch Keynesianer von Geld nichts verstehen, war u.a. einer der Grundbefunde bei Wilhelm Röpke. Auch das Zinsverbot bei diversen Religionen und Konfessionen geht letztlich auf mangelnde Analyse von Funktion und Nutzen und Nachteil der Geldwirtschaft zurück. Historisch waren, ausser Kopernikus, nicht wenige, die von Geld was verstanden, entweder Juden oder Protestanten.

-_derjürgen. Über Ihre Einwände betr. Himmler unterhalten wir uns lieber nicht in diesem Forum. Ich halte bezüglich der Hauptaussagen von Posen an meiner Sicht fest, habe mich auf vierstelliger Seitenzahl via noch brauchbare Forschungspublikationen und Quellen über diesen Mann schlau gemacht, wiewohl bisher nicht mit wirklich ausreichenden eigenen Archivstudien.

 

Robert

6. Dezember 2017 21:13

 Eine der Grundfragen, die hier Caroline Sommerfeld so notwendigerweise stellt, lautet:
In welchem Zusammenhang steht die Moral mit der Vernunft?
Oder: Wer handelt moralisch besser? Mit welchen (rationalen) Mitteln können wir dies entscheiden? Usw., usw.
Und so geht es in der Tat gerade heute, wie so oft schon in der Philosophiegeschichte, um die Suche nach den Grundlagen, nach einem für unsere Zeit tragfähigen Fundament unseres – auch und besonders – politischen Handelns.
Mit diesen Fragen beschäftigt sich bekanntermaßen die philosophische Disziplin der Ethik.
Für das undogmatische, freie – eben philosophische – Denken kann es keinen Zweifel geben, wer oder was hier zu befragen ist:

Nämlich, alle modernen Disziplinen, die sich mit der Instrument unseres Denkens auf die umfassendste Weise beschäftigen:
Die Hirnforschung mit allen ihren Spezialabteilungen sowie die Evolutionsgeschichte insgesamt, die die Genealogie dieses Denkapparates und seine Funktion als Überlebensorgan zum Forschungsgegenstand haben.

Kurz: Die Ethikfrage ist mit den besten uns zur Verfügung stehenden Mitteln wieder von Grund auf neu zu stellen. Es gibt eben nicht die ewig und alle Menschen gleichermaßen beglückende gültige Ethik/Moral, sowie es eben auch nicht den Menschen an sich gibt. Neue Erkenntnis über die Grundlagen der Ethik ergeben stets neue Rahmenbedingungen (Frames, wenn man so will!) für dieselbe.

D. h., eine der Eingangsfragen betreffend:
Die Vernunft in Gestalt der wissenschaftlichen Disziplin Evolutionäre Ethik ordnet und begründet die Fragen nach dem evolutionären Woher, Wieso, nach den Zwecken unseres Wertens, also die Frage nach der Genese, wieder neu – kurz: Es gilt, zunächst einmal die Antworten auf die ontologische Frage der Moral zu geben.
Das Ergebnis:
Wertungen haben eine irreversible, stammesgeschichtlich erworbene Grundlage, geschehen vor allem auf der unbewussten, unreflektierenden Ebene und werden andererseits durch Tradition vermittelt und haben gruppenspezifischen Sinn und Charakter.

Nur: Die wissenschaftsbasierte Vernunft kann uns nicht Entscheidungs-, die normativen Fragen abnehmen.
Sie hilft uns zwar Unsinniges von Sinnvollem zu trennen (hier natürlich immer im Kontext des großen Paradigmas „Evolutionstheorie“), Ideologien, die unserem (Über-) Leben als Gruppe wie als Individuum abträglich sind von einer guten, dem Leben zuträglichen und das Leben erhaltenden und steigernden Weltanschauung zu unterscheiden, aber die Antworten auf die große Frage der „Geltung“ bleiben uns überlassen.
(siehe dazu z. B.: Eckart Voland, Genese und Geltung – Das Legitimationsdilemma der Evolutionären Ethik und ein Vorschlag zu seiner Überwindung

https://sammelpunkt.philo.at:8080/1037/1/voland1.pdf )

Der „state of  the art“ heutiger (Natur)-Wissenschaft kann uns aber den Weg aus dem Dickicht widerstreitender Ideologien, Begriffe weisen – weil es uns auch den Unterschied von Wichtigem und Nebensächlichem erkennen läßt und derart sich das ständige im Kreisdrehen beim per se oft unentscheidbaren Streiten um „Meinungen“, besten „Tugenden“, Begriffe, usw., durchbrechen und (relativ gut) entscheiden kann.
Und: Eine wissenschaftbasierte Vernunft kann eben eben auch Mut schafften, kann den Willen zur Entscheidung in die richtige Richtung bestärken, und kann vor allem ein neues Bewußtsein, eine neue Selbstsicherheit bis hin zu ganz konkreten Fragen der politischen Aktion, des Stils, z. B. bei unserem Auftreten, dem Gegner gegenüber, geben.
 
Das mag alles z. T. sehr wissenschaftstheoretisch-abstrakt daherkommen, aber implizit ist hier eigentlich bereits eine besondere Tugend beschworen worden, die zwar eine menschliche Universalie darstellt, aber auch dem europäischen Menschen im Besonderen die geistige und kulturelle Hochblüte gebracht hat und die ihn bisher gewissermaßen kennzeichnete und adelte:
Der Wille und die Lust zur Erkenntnis, was K. Lorenz mit „persistierende Neugier“ als besonderes Charakteristikum des Menschen bezeichnet hat und gerade uns Deutschen von unseren besten Dichtern und Denkern als Mahnung und Pflicht immer schon ins Stammbuch geschrieben wurde:

Bleibt mir der Erde treu, meine Brüder, mit der Macht eurer Tugend! Eure schenkende Liebe und eure Erkenntnis diene dem Sinne der Erde! Also bitte und beschwöre ich euch.

Euer Geist und eure Tugend diene dem Sinn der Erde, meine Brüder: und aller Dinge Wert werde neu von euch gesetzt! Darum sollt ihr Kämpfende sein! Darum sollt ihr Schaffende sein!
Wissend reinigt sich der Leib; mit Wissen versuchend erhöht er sich; dem Erkennenden heiligen sich alle Triebe; dem Erhöhten wird die Seele fröhlich.

[Friedrich Nietzsche: Die Reden Zarathustras]

Treue zu allen guten Dingen des Lebens und der Glaube an den Wert von sich fortwährend entwickelnder Erkenntnis wären doch schon einmal etwas, an dem man sich als richtiger Rechter orientieren und festhalten könnte – und das geht zunächst einmal an unsere eigene, die interne Adresse.

Monika L.

6. Dezember 2017 23:58

 

 

." Aber ich überlege moralphilosophisch an der Frage herum: was für ethische Protagonisten werden wir nach der reconquista sein?"

Liebe Frau Sommerfeld, es ist müßig zu überlegen, was nach der reconquista sein wird. Erst einmal müssen die Selbsterhaltungskräfte wiedererstarken. Ein paar Leseproben zur kulturellen Resilienz:

 

https://bundsanktmichael.org/category/dienst/kulturelle-resilienz-kontinuitaet-und-erneuerung/

 

Benno

7. Dezember 2017 00:06

@Maiordomus OT

"Auch das Zinsverbot bei diversen Religionen und Konfessionen geht letztlich auf mangelnde Analyse von Funktion und Nutzen und Nachteil der Geldwirtschaft zurück."

Sie sind nach gründlicher Analyse also zum Schluss gekommen, dass das Zinsverbot eine überflüssige religiöse Massnahme war? Oder wie ist dieser Satz zu verstehen?

Nils Wegner

7. Dezember 2017 01:11

@ Neffe Mannheims:

Ich rate Ihnen dringend, sich einmal ein bißchen näher mit dem Werk der ach so tollen Frau "Rand" und den Implikationen insbesondere ihrer Utopien zu beschäftigen. Um nur auf einen einzigen, für das hiesige Kommentariat sicher nicht bedeutungslosen Aspekt zu sprechen zu kommen: Während in Atlas Shrugged et al. Kinder im Grunde überhaupt keine Rolle spielen (weil sie als Vernunftwesen in Ausbildung nämlich nicht durch den Objektivismus erfaßbar sind), hat ihr Weggefährte Murray Rothbard – aus dem gleichen eigentümlich freien Lager wie "Rand" nach wie vor bejubelt – immerhin die Chuzpe besessen, Kinder seiner Ideologie entsprechend für die Zeit, in der sie auf ihre Eltern angewiesen sind, ganz offen als Besitztümer zu bezeichnen.

Herr Rothbard und Frau Rosenbaum-"Rand" haben es nie verwunden, daß sie vom Erzcuck William F. Buckley jr. in den 1960ern wegen ihrer Gegnerschaft zum Vietnamkrieg mit Schimpf und Schande aus dem Conservative movement herausgejagt wurden. Und darin liegt auch die wahre Wurzel des von noch immer viel zu vielen Zeitgenossen ernstgenommenen Libertarismus:

Rothbard, Rand usw. wollten natürlich weiterhin Vordenker von irgendwas bleiben, also streiften sie das einschränkende Wertekostüm ab und kamen mit dieser skurrilen Phantasterei eines Anarchokapitalismus daher, von dem sich hervorragend daherschwadronieren läßt, der aber keinerlei bezug zur Realität aufweist (man muß sich nur einmal via Google ein paar der im Netz populären "AnCap-Memes" ansehen, um zu realisieren, in was für einer apokalyptischen Welt das – logisch zu Ende gedacht – münden würde).

Und der Libertarismus ist nicht nur albern, sondern auch asozial und feige. Er ist in seiner US-Urform unterm Strich der einfachstmögliche Ausweg für Whitey, um herauszustellen, daß er keine Lust mehr hat, sich zur Unterstützung anderer Asozialer mit US-Paß und illegaler Einwanderer steuerlich bis aufs letzte Hemd ausziehen zu lassen – aber gleichzeitig selbst daraus keine politischen Folgerungen zu ziehen, weil die sozialstaatlichen Todeskrämpfe ja nicht die "Schuld" irgendeines verkommenen Systems der Sedierung eines Bürgerkriegspotentials sind, sondern das alles bloß an der gemeinen Regierung als solcher (ungeachtet des Personals) und ihrer Verwaltung liegt, die den braven Arbeitnehmer herumschubsen und ausbluten lassen.

Da kann man sich noch so sehr verbiegen, um darin irgendwelche schlau formulierten Perlen zu finden: aristotelischer Bullshit bleibt trotzdem Bullshit. Mag manch einer doof finden, ist aber so.

Heinrich Brück

7. Dezember 2017 02:10

Es konnte mir noch niemand erklären, warum es so wahnsinnig von Vorteil ist, potenzielle Terroristen abzuschieben. Was ist denn gewonnen, wenn sie andernorts schwere Verbrechen begehen?" Katina Schubert (55) / DIE LINKE.

 

 

An diesem Punkt sind wir angekommen. Ist diese Politikerin normal? Lügt sie? Sie hat natürlich nichts zu melden, aber sie darf diese Meinung unters Volk bringen. In welcher Welt lebt diese Person? Wir müssen keine Posener Reden lesen, es reichen Berliner Sätze. Manche Sätze müssen auch nicht formuliert werden, sie existieren trotzdem. Wie ein Himmler das Normensystem des Nationalsozialismus interpretierte, interessiert hier weniger; wie eine Schubert aus der Demokratie heraus loszwitschert, umso mehr. Was bringt diese Demokratie den Deutschen? Nicht was sie den "Neudeutschen" bringt, denen späterhin eine Geschichte erzählt werden kann.

 

Auf der Buchmesse in Frankfurt war nicht das Zurückskandieren interessant, sondern die Ironie dahinter. Es standen sich wohl nicht zwei Psychopathien gegenüber. Das Problem: Psychopathen haben kein Gewissen. Und diejenigen mit Gewissen, werden im unteren politischen Bereich aussortiert.

 

Cacatum non est pictum

7. Dezember 2017 02:33

@Monika L.

"Wir stehen ganz konkret vor der Frage, wie eine Moral ohne Gott heute überhaupt  noch begründet werden kann ?"

Rein aus dem Diesseits wahrscheinlich gar nicht, wenn man ehrlich zu sich ist. Das wäre so, als wollte man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Überhaupt bin ich gespannt, ob es alsbald eine Wiederbelebung des Christentums bei uns geben wird. Ich merke an mir selber, daß mein Bedürfnis steigt, zu meinem Glauben zurückzufinden, den ich lange Zeit vernachlässigt habe. In Rußland findet - nach allem, was man so liest - seit Beginn der neunziger Jahre eine regelrechte Wiederauferstehung der orthodoxen Kirche statt. Mir schwirrt die unglaubliche Zahl von drei Kircheneröffnungen pro Tag im Kopf herum. Vielleicht kann Der_Jürgen dazu etwas sagen, der ja meines Wissens dort lebt.

Mich würde es jedenfalls nicht erstaunen, wenn auch auf diesem Gebiet das Pendel bei uns umschlägt. Der um sich greifende Materialismus kann das menschliche Bedürfnis nach Erdung und Sinnsuche nicht dauerhaft verdrängen. Und das über viele Jahrhunderte gelegte Fundament ist immer noch stabil und mächtig, mag es auch derzeit verschüttet sein. Hier muß also nichts erfunden, sondern lediglich wiederentdeckt werden. Den meisten Menschen ist sicher nicht bewußt, wie stark sich die christliche Prägung unserer Kultur in ihrem Denken niederschlägt, selbst wenn sie sich als Atheisten oder Heiden verstehen.

@Der_Jürgen

"Und natürlich wird auch eine rechte Regierung, die sich die Rettung der Deutschen als Ziel gesetzt hat, Fehler machen, ja Verbrechen begehen. Die Situation ist aufgrund der wahnsinnigen Politik der Linken und Liberalen dermassen abgrundtief katastrophal, dass es einer sehr, sehr bitteren Medizin bedürfen wird, um den Kranken noch im letzten Moment zu heilen. Wer dann Macht ausüben will, wird sich schuldig machen müssen."

Hier stimme ich Ihnen wie sooft zu. Je länger mit adäquaten Gegenmaßnahmen gewartet wird, desto brutaler werden sie letzten Endes sein. Ich finde es sehr wichtig, daß sich das jeder bewußt macht, der von einer Reconquista spricht. Der zu zahlende Preis für eine Entglobalisierung wird horrend sein. Jean Raspail hat es übrigens ähnlich wie Sie formuliert, als er sagte, daß derjenige seine Seele wird in die Waagschale werfen müssen, der die verheerenden Auswirkungen der Masseneinwanderung rückgängig machen will (weswegen Raspail davon ausgeht, daß es dazu nicht kommen wird, weil er das kaum einem heutigen Europäer zutraut).

@Maiordomus

Sie treten in diesem Kommentarstrang ja geradezu als Tausendsassa auf, der sich am Hauptthema abarbeitet und gleichzeitig einen Nebenkriegsschauplatz nach dem anderen eröffnet:

"Hierzu gehören auch diejenigen, die sagen, bevor die globale Geldordnung grundsätzlich reformiert werde, könne man auf dieser Welt keine wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen, was bedeutet, dass man bis zur Generallösung des Geldproblems letztlich sich die Hände in den Schoss legen könnte."

Und diese Leute haben recht. Natürlich kann man angestrengt an allen möglichen Wirtschaftsmodellen herumbasteln. Man kann ja auch einen Rohrbruch bekämpfen, indem man das einströmende Wasser mit Schöpfkellen nach draußen befördert, ohne das Leck zu stopfen. Sinnvoll ist das allerdings nicht. Und so verhält es sich auch mit dem Zinsgeld: Solange es in der Welt ist, können wir ruhigen Gewissens der Mühe entgehen, über Wirtschaftsreformen nachzudenken. Sie werden stets nur Stück- und Blendwerk sein.

"Dass Sozialisten aber auch Keynesianer von Geld nichts verstehen, war u.a. einer der Grundbefunde bei Wilhelm Röpke."

Dem stimme ich zu. Und ergänze sogleich, daß die meisten Konservativen von Geld ebensowenig Ahnung haben. Davon legen sie täglich Zeugnis ab. Die Keynesianer scheinen  - wenn auch nur intuitiv - immerhin verstanden zu haben, daß man für wertloses Schuldgeld allerlei materielle Gegenleistungen erlangen kann, bevor das Zinsgeldsystem zusammenbricht, wie es das erwiesenermaßen und mit absoluter Zwangsläufigkeit immer und immer wieder tut. Der dämliche Konservative hingegen, der sich über die Implikationen von Zinsgeld keine Gewißheit verschafft, schwingt sich gern zum Sparweltmeister auf und wundert sich dann, daß seine Schulden trotzdem immer weiter steigen, während sein Bestand an materiellen Gütern nicht mitwächst.

"Historisch waren, ausser Kopernikus, nicht wenige, die von Geld was verstanden, entweder Juden oder Protestanten."

Lassen Sie die Protestanten aus dieser Gleichung mal weg. Mir ist jedenfalls keine heutige Großbank bekannt, die nicht in jüdischer Hand wäre. Ja, die jüdischen Bankiers haben das Wesen des Zingeldes meisterhaft verstanden. Und sie profitieren zusätzlich davon, daß Leute wie Sie in dieser Hinsicht Verwirrung stiften, wo es eigentlich nur ein paar simple Zusammenhänge zu erkennen gilt. Offenbar ist auch die Lektüre zahlloser Bücher keine ausreichende Immunisierung dagegen.

So, jetzt aber Schluß mit dem Exkurs und zurück zum Thema.

Franz Bettinger

7. Dezember 2017 07:13

@Lotta Vorbeck trifft den Nagel auf den Kopf. Erst mal aufräumen. Später den Elfenbeinturm bauen und von innen tapezieren. Im Moment sind ausufernde Diskussionen zur Architektur "unseres idealen Staates" nur Hirngespinste, die vom Wesentlichen ablenken. 

@ Deutschidentitärer schreibt wunderbar: "Hier trennen sich Spreu und Weizen, nämlich diejenigen, die ihr persönliches Anstandsgefühl über die Verwirklichung einer guten Sache stellen und lieber mit weißer Weste eine schlechte Sache siegen lassen."

@Stil-Blüte und @Marodeur: Nach Ihrem "Auf- den-Putz-Klopfen" kamen am Ende doch noch viele wertvolle Krümel Wahrheit unten raus.

@ Maiordomus: Danke für die mutigen Zeilen zu H. Mahler, den "weltweit unschädlichsten politischen Gefangenen, welcher ausschließlich wegen Gedankenverbrechen eingekerkert ist," und ihre Weihnachtswünsche an den "Mann mit Charakter".

@ Maiordomus: ad Abtreibung

Glauben Sie, die 256 völlig undifferenzierten Zellen einer Morula fühlen sich als "Opfer", wenn sie von einer Spirale (IUP) am 3. Tag ihrer Genesis abgetrieben werden? Selbst ein Ein- Zeller (Amöbe) ist re-aktiver als eine Morula. Eine Morula fühlt nichts. Sie hat dazu keine Organe. Wenn es um Naturwissenschaft geht, bedauere ich den Wissensmangel von Geistes-Wissenschaftlern am meisten. Sie sind sich dessen nicht einmal bewusst, sonst würden sie erst Biologie, Zoologie, Medizin und eigentlich auch Botanik studieren, bevor sie zu Themen wie Abtreibung Stellung nehmen. Das Thema Leben ist nun mal zuerst ein biologisches und sonst nichts. Vielleicht dazu mal ein eigener Text auf SiN? Nein, metapolitisch ist das zur Zeit nicht zielführend, lassen wir's ruhen. Aber einen kleinen Hieb muss ich noch los werden: Wie viele Wunschkinder würden (da zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gewünscht) vermieden (verhütet) werden, wenn alle nicht gewünschten, abgetriebenen Föten Menschen würden? Wahrscheinlich hätten wir bei einem strikten Abtreibungs-Verbot keinen einzigen Menschen mehr auf der Welt. Wessen Existenz sollen wir wünschen, die des gewollten oder die des ungewollten Kindes? Fällt niemandem auf, dass eine unwillig schwanger gewordene Frau (aus welchen Gründen dies auch geschah), die das ungewollte Kind austrägt und aus welchen Gründen auch immer zur Welt bringt, dafür später sehr wahrscheinlich ein anderes Baby und möglicherweise ein Wunsch-Baby (vom richtigen Mann zum richtigen Zeitpunkt) nicht haben wird? Wer gegen Abtreibung ist, schafft nicht Leben, er ersetzt ein gewolltes durch ein ungewolltes. Und: Will jemand tatsächlich die "Spirale" verbieten, da sie keine Verhütungs- sondern eine Abtreibungs-Methode darstellt ??
Ist sie eigentlich in Polen verboten?

@ Robert hat dazu viel Richtiges gesagt, u.a.: "Natur-Wissenschaft kann uns den Weg aus dem Dickicht widerstreitender Ideen weisen, weil sie uns den Unterschied von Wichtigem und Nebensächlichem und das sich ständige im Kreisdrehen erkennen und vermeiden lässt."

Maiordomus

7. Dezember 2017 11:28

@Benno. Vor genau 600 Jahren, also am 11. November 1417, dem Martinstag, wurde im Kaufhaus von Konstanz (heute Konzils-Gaststätte)  Odo Kolonna als Papst Martin V. gewählt, also jener Papst, der das höchste geistliche Amt der Christenheit wieder dauerhaft in Rom installierte und als wichtigste Reform mit einem pfiffigen Breve um 1424 das Zinsverbot nicht theoretisch, aber praktisch aufs Eis gelegt hat und damit den Bedürfnissen der italienischen Bankiers in Siena, Florenz und anderen aufstrebenden Städten entgegenkam, so wie wir uns die von Jacob Burckhardt und anderen gepriesene Kultur der Renaissance in Italien ohne den aufkommenden Frühkapitalismus nicht vorstellen können. Kompensatorisch zu demselben entstand freilich u.a. in Assisi und im 14. und 15. Jahrhundert im oberdeutschen Raum die Gottesfreundbewegung nach dem Motto, was es dem Menschen hülfe, so er die ganze Welt gewänne, aber doch Schaden an seiner Seele litte.

 

Das schlechte Gewissen war immer und bis heute Bestandteil eines christlich interpretierten Kapitalismus, ohne den beispielsweise, was ich durch eine ganzjährige Vortragstätigkeit unterstrichen habe, auch der Schweizer Nationalheilige Klaus von Flüe nicht möglich geworden wäre. Klar hängt die Lockerung des Zinsverbotes im 15. Jahrhundert auch mit dem christlichen Antijudaismus zusammen, wollte man doch den Juden nicht noch mit eigenen moralischen und gesetzlichen Restriktionen einen Privileg überlassen. Es bleibt aber dabei, dass nach katholischer Lehre der "Wucher" (usura, in der neueren Literatur von Ezra Pound am grossartigsten angeprangert) zu den himmelschreienden Sünden gehört, zusammen mit dem Mord, dem Meineid sowie dem Missbrauch der Geschlechtskraft durch Homosexualität und Sodomie, letzteres ja charakteristisch für das angebliche Sexualleben des Teufels und der Hexen, Analverkehr inbegriffen. Es bleibt auch dabei, dass die Kirche eigentlich den reinen Kapitalismus nicht erst seit den päpstlichen Enzykliken ab Leo XIII. schon immer prinzipienethisch abgelehnt hat, wiewohl in der Regel lustlos und mit sehr opportunistischen Zugeständnissen bekämpft. Im Allgemeinen verstand man wenig von Finanzen, was sich dann erst nach dem Untergang des Kirchenstaates und nach dem Konkordat des Heiligen Stuhls mit Mussolini etwas änderte, was wiederum zu einer nicht kleinen Umstrittenheit der römischen Kirchenverwaltung führte, von welcher die meist alten Männer, die Papst wurden, in der Regel ohnehin keine Ahnung hatten. Über alles gesehen war aber das Zinsverbot im Gegensatz etwa zum teilweise sinnvollen Zölibat, der die Erblichkeit geistlicher Aemter verhindern sollte und der Freiheit des Christenmenschen dienen, keine kompetente Massnahme der katholischen Kirchenleitung. Ehrlich gesagte existierte und existiert auch bei Themen wie Empfängnisverhütung wenig Sachkompetenz, wiewohl prinzipienethisch gegen die Hinordnung eines vernünftigen Ehelebens in Richtung Nachkommenschaft eigentlich nichts einzuwenden ist. Es bleibt wohl dabei, dass die katholische Kirche immer auf vernünftige Laien angewiesen war, wie zum Beispiel im 19. Jahrhundert Franz von Baader (Bayern) und Philipp Anton von Segesser (Luzern) als solche auszumachen sind, selbst auch der als Reaktionär berüchtigte Joseph de Maistre (Savoyen) war wie der nicht minde umstrittene Erfinder der politischen Theologie,  Carl Schmitt, ein superkluger katholischer Laie, welche in vielem besser wussten als die Kleriker, wie das katholische System in Form und Gehalt funktioniert. Es wäre noch interessant zu wissen, wie sich Carl Schmitt zum Zinsverbot geäussert hat, auswendig stehen mir derzeit keine Äusserungen von ihm dazu zu Gebote. Man muss aber zugeben, dass die modernen linken politischen Theologen, Anhänger der Befreiungstheologie, im Zusammenhang mit Wucher und Ausbeutung als himmelschreienden Sünden im Grunde als integralistische Katholiken alter Schule zu verstehen sind, freilich nicht auf der opportunistischen Linie von Papst Martin V., den man aber wie das Konzil von Konstanz als epochale Figur einer historischen Wende sehen darf. Um es ganz kurz zusammenzufassen: Ich halte das Zinsverbot, im Gegensatz zur prinzipienethischen Ablehnung von Wucher und Ausbeutung, für eine historisch verständliche, aber nicht sinnvolle Massnahme der katholischen Kirche, die Ablehnung des Wuchers zu konkretisieren. Ähnlich denke ich über Detailvorschriften betr. Pille und Kondome, wiewohl mir weder das eine noch das andere für ein erfülltes christliches Eheleben als notwendig erscheint.

Maiordomus

7. Dezember 2017 11:49

@Franz Bettinger. Ich habe mich nie "fundamentalistisch" zum Thema Abtreibung geäussert, worüber sich aber schon im Jahre 724 der heilige Pirmin in seinem Missionsbüchlein grundsätzlich negativ ausgelassen hat, bereits Empfängnisverhütung (die gab es offenbar schon im 8. Jahrhundert) setzte der Missionar, nach dem die Stadt Pirmasens benannt ist, mit Mord gleich. Ihre @Franz Bettingers Ausführungen zu Massnahmen im Umfeld der Befruchtung, die ohne das heutige Wissen zwar der damalige alemannische Missionar verurteilt hat, sind auch aus der Sicht einer noch verantwortbaren prinzipienethischen Ablehnung der Abtreibung unbedingt zu bedenken und man hat sich entsprechend zu informieren. Wenn, wie oben gesagt, Ethik die Theorie der Praxis vernünftigen Handelns nach begründbaren und einsehbaren Normen ist, dann gehören die von Ihnen angeführten Kenntnisse unbedingt dazu. Dies gilt für Abtreibung und Geburtenregelung genau so wie  als Beispiel für das ganz andere Gebiet etwa der Sicherheit von Atomanlagen. Mir sagte mal eine grün angehauchte Geisteswissenschaftlerin an einer Ethik-Tagung, dass Sozialarbeiterinnen in Sachen Atompolitik kompetenter seien als Atomphysiker, weil sie zwar von Kernspaltung und ihren Auswirkungen im Detail nichts verstehen, aber genügend Empathie hätten, im Gegensatz zu den angeblichen Fachidioten von Atomphysikern. Ich versichere Ihnen, dass ich nicht so denke. Desgleichen muss Medizinethik in der Tat von Medizinalpersonen primär bedacht werden, nicht von Theologen, und eine "Atom-Ethik" ohne physikalische Kenntnisse hat natürlich prähistorisches Niveau. So nicht. Sie schlagen bei mir offene Türen zu Kleinholz. Es gibt keine vertretbare Ethik und die jeweils bestmögliche Kenntnis der praktischen Probleme. Gilt beispielsweise auch für die Einwanderungspolitik! Eine vernünftige Ethik muss im Prinzip vom Primat der praktischen Vernunft ausgehen, anstehende Probleme müssen nach bestem Wissen und Gewissen gelöst werden, was mit dem System Vogel Strauss nicht praktikabel scheint.

quarz

7. Dezember 2017 12:12

@Bettinger bzgl. Abtreibung

Die Bühne hier ist zu sehr einem anderen Thema gewidmet als dass ich mich diesebzüglich in der angemessenen Ausführlichkeit äußern möchte. Auf zwei Denkfehler sei aber hingewiesen.

1.) "Eine Morula fühlt nichts."

Wäre das ein relevantes Kriterium, dann wäre es auch moralisch zulässig, einen narkotisierten Menschen zu töten, denn der fühlt auch nichts. Es ist ein ontologischer Fehler, eine zeitliche Phase, in der ein Zustand der Gefühllosigkeit herrscht, mit der Entität zu verwechseln, deren Phase sie ist und die der Träger des Lebensrechtes ist.

2.) "Wie viele Wunschkinder würden (da zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gewünscht) vermieden (verhütet) werden, wenn alle nicht gewünschten, abgetriebenen Föten Menschen würden?

Auch das taugt nicht als Kriterium. Denn nach einem solchen müsste es auch moralisch zulässig sein, ein bereits geborenes Kind zugunsten eines später zu gebärenden und aufgrund der dann herrschenden besseren Verträglichkeit mit der Lebensplanung willkommeneren Kindes zu töten.

An diesem Lackmustest ("wende das Kriterium auf den Fall eines bereits geborenen Kindes an") scheitert überhaupt ein großer Teil der üblichen Argumente, die zur Rechtfertigung einer Abtreibung vorgebracht werden.

Maiordomus

7. Dezember 2017 12:44

Es gibt keine vertretbare Ethik o h n e die jeweils bestmögliche Kenntnis der praktischen Probleme. So lautet die wohl auch dem Laien verständliche Zusammenfassung des Primats der praktischen Vernunft. Von diesem Primat ausgehend sind die Gedanken von Sommerfeld und Wawerka weiter zu reflektieren.

Franz Bettinger

7. Dezember 2017 13:00

@ quarz: Es wundert mich, dass Frau Kositza uns heute so sehr abscheifen lässt, aber danke dafür. Ich würde mich gerne mit Ihnen über den Seitenstrang Abtreibung weiter unterhalten. Wenn Sie wollen (und das gilt für jeden Mit- Foristen), besorgen Sie sich von SiN meine Email-Adresse, die Sie aber auch leicht per Internet finden können - ich schreibe unter Klarnamen.

@Maiordomus: Danke für Ihren Kommentar! Er war wohltuend.

Der_Jürgen

7. Dezember 2017 13:20

@Caroline Sommerfeld und Thomas Wawerka

Im Gegensatz zu der von mir sehr geschätzten @Lotta Vorbeck halte ich diese Debatte mitnichten für überflüssig, und ich danke Ihnen beiden dafür, Pater Wawerka nicht weniger als Frau Sommerfeld, mit der ich allerdings weit mehr übereinstimme. Man soll das Fell des Bären bekanntlich nicht verteilen, ehe er erlegt ist, aber wer einmal die Macht ergreifen will, oder dazu beitragen will, dass seine Gesinnungsfreunde, die hier hoffentlich mitlesen, die Macht ergreifen, der tut gut daran, sich Gedanken über die künftige neue Ordnung zu machen, und dazu gehört auch der moralische Aspekt.

@Quarz

Danke dafür, dass Sie @Franz Bettinger seinen Denkfehler bezüglich der Abtreibungsfrage nachgewiesen haben. Diese weist neben dem moralischen natürlich einen eminent wichtigen demographischen Aspekt auf. Wenn die Europäer ihre Kinder weiterhin im Mutterleib zerfetzen und in den Müll werfen, während Araber und Afrikaner munter weiter gebären, muss man kein Mathematikdozent sein, um die demographischen Auswirkungen zu kapieren.

@Nils Wegner

Vielen Dank für Ihre offenen Worte zu Ayn Rand - die hier offenbar vereinzelte Bewunderer hat - und den Libertären. Ich kann einen Andre Lichtschlag zwar als intelligenten Menschen schätzen und seine Dialogbereitschaft anerkennen, aber weltanschaulich trennen mich von ihm Abgründe.

@Maiordomus

Ihre Einstellung bezüglich der Posener Rede lässt sich so zusammenfassen: Die Rede muss unbedingt echt sein, ungeachtet der groben Absuditäten, die sie enthält, und ungeachtet dessen, dass sie in schreiendem Widerspruch zu einer Unmenge zeitgenössischer Dokument steht, weil sie ein so prächtiges Beispiel für Tugendterror darstellt. Das ist eine zutiefst antiwissenschaftliche Haltung. Sie erinnert mich an jene Betonköpfe, welche die "Protokolle der Weisen von Zion" trotz der erdrückenden Indizien dafür, dass sie eine Fälschung sind, für echt erklären, weil sie die tückischen Ränke der Juden so herrlich entlarven.  Auch das ist pure Ideologie und hat mit Wissenschaftlichkeit wenig - nein, gar nichts - zu tun.

mwiz11

7. Dezember 2017 21:30

Ich habs geschafft, bis hier unten. Puuh ... was für ein Diskurs. Manchen Abzweigungen konnte oder wollte ich nicht weiter folgen, manches ist zu sehr ausgeufert, manches vielleicht sogar zu knapp geblieben.

Ein Kerngedanke ist bei mir hängen geblieben: wie eine neue "rechte" Gesellschaft zu gestalten wäre.

Und ich bin der Meinung: ja, das muß tief erörtern werden und muß im vorpolitischen Raum dann auch sorgfältig erarbeitet werden.

Ebenso wichtig sind aber funktionierende Schnittstellen zu den aktiven Kräften (seien es jetzt Politiker oder Identitäre etc.). Diese Schnittstellen erfordern einen gewisse Konsensbereitschaft, sonst wäre alles vergebens.

Letztendlich müssen sich die Theoretiker mit den Pragmatiker immer wieder neu einig werden. Darauf läuft es hinaus.

Auf der Buchmesse hat man übrigens gesehen, wie der Theoretiker zum Pragmatiker wird. Das "Geschrei" war die wahrscheinlich beste Antwort zu diesem Zeitpunkt. Eine echte Lesung hätte sowieso nicht mehr geklappt. Der intuitive Weg war hier die beste Antwort.

 

Franz Bettinger

7. Dezember 2017 23:03

@ Abtreibung 

@ Kositza: Urteilen Sie selbst, ob Sie diese Diskussion hier stattfinden lassen wollen. Hier meine Antworten. Streichen Sie weg, was Sie wollen, auch alles. Ich befürchte, damit die Gefühle vieler zu verletzen und eine endlose Debatte auszulösen.

@ Jürgen. Er sieht einen demographischen und einen moralischen Aspekt; und 

@ quarz: Er glaubt, der Narkotisierte habe kein Gefühl. Falsch. Gefühl = Antworten auf Reize. Diese bestehen beim Narkotisierten fort und werden vom Arzt bewusst zur Narkose-Leitung genutzt, z.B. Pupillen- und Schmerzreflexe. Weitere Gesichtspunkte:

1. Selbständigkeit: Eine Amöbe (oder ein Pantoffeltierchen) besteht im Gegensatz zur vielzelligen Morula (= embryonaler Zustand am circa 3. Tag nach Verschmelzung von Ei und Spermatozyt) nur aus 1 Zelle. Die Amöbe ist jedoch ein ganz selbständig agierendes und reagierendes Lebewesen; die Morula ist es nicht.

2. Der Vergleich Wunschkind / ungewolltes Kind könne kein Auswahl-Kriterium sein, denn ansonsten müsste es zulässig sein, ein bereits geborenes, aber ungewolltes Kind zugunsten eines später zu gebärenden Wunschkindes zu töten. Das sei der Lackmus-Test, findet @quarz. Dazu: In Afrika und andere Erdteilen gibt es die postpartale Abtreibung (= nach der Geburt). Wegen falscher Zähne oder falschen Geschlechtes oder weil man schon zu viele hat, werden Babys nach der Geburt "einfach liegen gelassen". Es handelt sich um die älteste Form von Geburten-Kontrolle. Sollten wir in unserer üblichen moralischen Überlegenheit Frauen in Afrika vorschreiben, das zu unterlassen?

3. Ein geborenes Kind wird (nicht überall, aber doch sehr häufig) als schutzwürdiges Leben empfunden und nicht getötet. (Biologische Tötungs-Hemmung.) Frau empfindet anders gegenüber dem kaum entwickelten Leben in ihrem Mutterleib. Außerdem: Der Wert des Lebens wird nicht in jeder Lebensphase als gleich hoch erachtet. Eine Mutter leidet am meisten unter dem Verlust ihres Kindes (z.B. durch einen Unfall), wenn dieses zwischen 3-7-11-30 Jahre alt ist. Vorher und nachher weniger. (Glockenkurve.)

4. Relative Wertschätzung. Wenn ich sehe, wie nachlässig, ja schändlich mit dem geborenen Leben oft umgegangen wird (Verwahrlosung), empfinde ich es als seltsam und sekundär, wie mit dem ungeborenen umgegangen wird. Das Bekümmern des Ungeborenen würde besser zu den Grünen passen, die sich wie Schamanen lieber auf unsichtbare Gefahren konzentrieren (CO2, Feinstaub, die Polkappen, Fraking) als auf die zum Himmel schreienden sichtbaren Probleme (Migration, Bildungsmisere).

5. Ein Vergleich zu Vorgängen in der - von Gott geschaffenen? - Natur ist hilfreich: Weg-Beißen von zu viel oder schwachem Nachwuchs; auch: Hackordnung; Selektion Gesunder und Starker. In der Pflanzen- und Tierwelt regeln sich viele Dinge (wie Demographie) von selbst und auf natürlichem Wege: Populations-Dichten, das Hase-Fuchs-Prinzip. Da braucht kein Philosoph lenkend einzugreifen. Das sind Grundlagen der Biologie. Ja, ich halte sehr viel von Biologismus und relativ wenig vom menschlichen Verstand. Das Hirn ist ein Erkenntnis-Organ, aber nicht das einzige. Daneben gibt es die Intuition, das Bauchgefühl, Muskel-Gedächnis, den Zellkern. Das Gehirn spielt sich immer mehr auf, gerade durch den (unseligen?) Einfluss starker Denker in der Gesellschaft. Durch das Dominieren von "Vernunft" und "Menschlichkeit" werden hoch entwickelte Völker geschwächt gegenüber den Barbaren.

6. Demographisches Problem? Dieses sehe ich nicht im Bevölkerungsrückgang der Deutschen, sondern in der Überbevölkerung Deutschlands (und der ganzen Erde). Es ist geradezu pervers anzunehmen, man müsse immer noch mehr von uns Menschen in die Welt setzen. Wenn die Welt eins nicht braucht, dann ist es mehr von unserer Art. Spengler hat in diesem Punkt nicht recht: Hohe Geburtenraten sind nur sinnvoll in Pionierzeiten (like during the winning of the west in America). Dass keiner begreifen will, dass die Welt überbevölkert ist und gefälligst zu schrumpfen hat, gerade die deutsche Welt, begreife ich nicht. Die brd ist doppelt so dicht besiedelt wie China, London 4-mal dichter als Peking. Die Not leidende Wirtschaft? Die ist für die Bevölkerung da. Nicht umgekehrt. Weniger Menschen, weniger Wirtschaft. Wo ist das Problem? Nur Wallstreet hat damit ein Problem.  

7. Nein. Es gibt kein "Lebensrecht", schon gar nicht vor der Geburt. Es sei denn man glaubt an Gott, was ich nicht tue, und selbst dann bekommt man Zweifel, wenn man das alte Testament liest (Jericho...).

8. Zynisch gefragt: Warum interessiert sich niemand für die 4 Millionen Spermatozyten, die - unterm Mikroskop gut zu beobachten und empfehlenswert, sich das putzige Gewimmel mal anzuschauen - ein munteres Eigenleben führen, bevor sie nach spätestens 3 Tagen in der Vagina oder Hose oder sonst wo zugrunde gehen, bis auf den einen glücklichen, der das Ei als erster penetriert? Weil ein Spermatozyt nur einen haploiden Chromosomen-Satz hat? - Ok, dann nehmen wir Spucke. Darin sind Tausende gesunder, voll ausgebildeter menschlicher Zellen (dipolider, also vollständiger Chromosomen-Sätze), aus denen man GANZE Kerle machen könnte, wenn man wollte. Wo ist da euer Mitleid? Ihr versteht den Vergleich nicht? Ihr sagt, ach, das sind doch nur so ein paar Zellen oder Zell-Haufen? So so.

Scholasticulus Paracelsi

7. Dezember 2017 23:58

@ Caroline Sommerfeld:

Der Emotivismus lehrt, daß alle wertenden Urteile oder genauer alle moralischen Urteile nur Ausdruck von Vorlieben, Einstellungen und Gefühlen sind, soweit sie ihrem Wesen nach moralisch oder wertend sind“, schreibt Alasdair MacIntyre in seinem Buch Der Verlust der Tugend (dt. 1981, i.Orig. After Virtue), in dem er den Emotivismus als ethische Krankheit der Moderne betrachtet. Wenn nämlich heute moralisch und politisch gestritten wird, geht jede Partei von inkommensurablen Prämissen aus. MacIntyre stellt genau wie Jonathan Haidt fest, „daß in moralischen Argumenten das offene Geltendmachen von Grundsätzen nur als Maske für das Ausdrücken persönlicher Vorlieben dient“.

Es scheint, als sollte dieser Kommentarstrang und seine Teilnehmer einen Beweis für die überwiegende Richtigkeit dieser Zitate liefern. Als ein Beispiel nehme ich einen mich betreffenden Kommentar: die  "Weltfremdheit" (Das Relikt, 06. Dezember 2017 10:58) meiner Kanon-Idee (Paracelsus, 05. Dezember 2017 23:42) , was ist sie in Wirklichkeit? Das (sehr berechtigte) Befremdungsgefühl desjenigen, der sich so eine Szene vorstellt. (Übrigens, vielen Dank, ich habe herzlich gelacht über Ihre Vorstellung von den Krankenkassenrechnungen und den sich selbst verletzenden Lesern...)

Zudem ist es sehr schön, wie nach  der Eingangsfrage nach der "Unserer Moral" dann viele Grenzbereiche des Moralischen eingebracht werden - und sich flugs wie zwei Lager gegenüberstehen. Diejenigen, die durchwegs ethisch handeln wollen vs. diejenigen, die angesichts der Massivität  des uns aufgedrängten Geschehens wenigstens für eine gewisse Zeit diese "private" Moral aussetzen wollen, beispielhaft vielleicht @Der_Jürgen mit dem Verweis auf Ignatius und den Zweck, welcher die Mittel heilige.

Insofern kann man sagen: ein gemeinsamer Gegner ("die Linken") verbindet, in der "Binnen"- Diskussion treten aber schnell Gegnerschaften auf.

Vom Gesichtspunkt der Erkenntnis aus ist es heutzutage eigentlich sehr leicht, ein Rechter bzw. Nicht-Linker zu sein: denn es braucht nur wenig Verstand dazu. Die herrschenden Linken Ideologien sind so weltfremd und dumm, dass sich davon abzuwenden noch nicht viel Selbstüberwindung kostet. (Im Gegensatz selbstverständlich zu den sozialen Folgen eins "Outings" als Rechter/Nicht-Linker.)

Zum Eingangszitat zurückkommend und mit kurzem Schlenker zu @ Cacatum non est pictum (07. Dezember 2017 01:33) : Ich stimme Ihnen und @ Monika L. zu, dass eine Gewinnung von Moral ohne einen Bezug auf GOtt bzw. eine Beziehung zum Göttlichen nicht möglich ist, doch nicht im Sinne eines "zurück zum konfessionellen Christentum"; die Entwicklung der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte, die Entchristlichung, ist m.E. auch durch die zunehmende Notwendigkeit begründet, dass die Wahrheit des Christentums auf Autorität hin anzunehmen nicht mehr ausreichend trägt. - (Z.B. kenne ich viele römisch-katholisch aufgewachsene Menschen, die noch wegen des Autoritarismus ihren Bezug zur Kirche verloren haben, während sich nicht vorbelastete Menschen leichter den Wahrheiten öffnen können, die in der katholischen Kirche gelebt werden.) - Ich nehme an, dass die christentumskritischen Diskussionsteilnehmer alle ihre guten persönlichen Gründe haben, von dieser Seite nichts mehr zu erwarten. -

Dank an Monika L. für den Link zum Bund Sankt Michael.-

Monika L.

8. Dezember 2017 09:21

haha, die Linken haben langsam auch Probleme mit ihrer Moral oder was sie dafür halten:

https://starke-meinungen.de/blog/2017/12/07/zweierlei-mass-sind-linke-groessere-heuchler/

Hier handelt es sich zwar nur  um eine starke Meinung, aber immerhin stellt man sich dem Thema. Es besteht aber noch ein großer Bildungsbedarf . Eine Gute Gesinnung oder Meinung ersetzt nicht die vernünftige Auseinandersetzng mit der Moral des  politischen Gegners. An den Autor dieses argumentativ schwachen Beitrags läßt sich die Frage stellen: : Was unterscheidet ein Verhaltensmuster von einer Haltung ? 

Und auch an die Linke stellt sich die Frage: Wo stände  Sophie Scholl heute ? Legen Sie verschiedene Ansichten dar und begründen sie diese. 

 

Der Gehenkte

8. Dezember 2017 12:42

@ Buchmesse

Das letzte Wort spricht Jan Böhmermann in seinem Beitrag über Manfred (sic!) Sellner. (ab 20:00)

https://www.zdf.de/comedy/neo-magazin-mit-jan-boehmermann

Auch darauf gibt es natürlich - wie auf jede Frage - zwei Antworten, je nachdem ob man zu Selbstkritik fähig und willens ist oder nicht.

Heinrich Brück

8. Dezember 2017 13:58

Abtreibung. Die Expansion der karmischen Folgen, wenn die Gesundheit der Ideologie geopfert wird. Dann wird das Negative zum Parasiten, eine karmische Fortpflanzung negativer Art infiltriert die Lebenskultur, zerstört die Seele und vernichtet das Leben. Negative Evolution, die zu geistiger Degeneration führt. (Siehe Böhmermann über Sellner).

Stil-Blüte

8. Dezember 2017 14:10

Frau Sommerfeld, danke, Sie haben eine kleine Explosion ausgelöst. 

Besten Dank auch allen, die meiner Kritik über unvorbereitete Überschwemmung neuer Begriffe und Namen aus speziellen wissenschaftlichen, akademischen und Fachgebieten, Verständnis entgegengebracht haben. Dieser Wissensspringflut so zu begegnen, so dass sie nicht nur überflutend, sondern langfristig befruchtend wirkt, wäre nicht von Übel.     

Festzuhaltenwäre: Länger, intensiver, differenzierter ist hier selten ein Themenkomplex abgehandelt worden  Es käme auf einen Versuch an, diesen Blog, typisch für You-Tube, versuchsweise einfach weiterfließen zu lassen. Verwässerung, Rinnsal, Delta, Verschmutzung, Stau, Sammelbecken, Meer, Überschwemmung, Versanden?    

Doch wer sammelt am Ende die in alle Winde/Gewässer zerstreuten, aus dem Ruder gelaufenen, Gedanken und Gedankensplitter ein?

Wie wäre es, doch eine 'Haus-Ordnung' zu schaffen?  Kumuluswolken. Der gute Wille, sehe ich, reicht nicht immer (eine Zeit lang hat Martin Lichtmesz bei seinen Artikeln kategorisch mit 'o. T.' insistiert).  Regeln, Kriterien, Tagesordnungspunkte (TOP) vorzugeben, das täte auch uns bei 'Problemartikeln'hier evtl.gut. Wäre produktiv, wenn der Artikelschreiber Fragen vorgibt, deren Antworten er dann in einer Konklusion zusammenfasst? 

Abschließend: Anarchie im Handeln und Denken als zeiteiliges Mittel (Messe und dieser Beitrag) schön und gut, aber als Erkennungsmerkmal, als sinnstiftendes Gemeinschaftsgefühl  tauglich?

@ Monika L.

Den link  hat ein Linker verfasst? Durchdacht. Ich wünschte, er wäre ein Rechter gewesen

Ruewald

8. Dezember 2017 15:54

Gerade krankenhausentlassen konnte ich mich leider nicht früher an diesem Forum beteiligen, hoffe aber, daß meine Bemerkungen doch noch freigegeben werden:

 

Zur Begründungsfrage der Ethik:

Jeder Versuch einer Letztbegründung, gleich welcher Art, mündet in dem Münchhausen-Trilemma: Zirkelschluß, unendlicher Regress oder willkürliches Abbrechen der Begründungsversuchskette.

Im Falle der Ethik: wenn wir als moralische Wesen, die wir sind, unsere Moral begründen wollen, dann geht das folglich nicht als Letztbegründung, sondern nur als individuelle bzw. gemeinschaftliche Begründung auf der Grundlage von Prämissen, die nicht weiter letztbegründbar sind, also gesetzte bzw. konsensuelle „Axiome“ (die womöglich sogar biologische Herkunft haben, Stichwort: Natur der Moral).

Was von einer philosophisch (und im praktischen Vollzug) stichhaltigen Ethik zu verlangen ist: innere und äußere Konsistenz. Innere Konsistenz heißt innere Widerspruchsfreiheit; äußere Konsistenz bedeutet, daß die Prämissen nicht im Widerspruch zu wissenschaftlichen, insbesondere naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen dürfen.

Insofern halte ich, weitgehend zustimmend, die Beiträge von @Robert und @Bettinger in diesem Zusammenhang für eine Bereicherung der zu „Kopflastigkeit“ neigenden Diskussion, indem sie den basalen naturalistischen Aspekt beleuchten.

 

Zur Problematik der Abtreibung:

Da ich mich bereits im letzten Kommentar zu dem Artikel „Sankt Michael“ dazu geäußert hatte, möchte ich mich nicht wiederholen. Stichworte: a. die Differenziertheit des Ethikphilosophen Peter Singer; b. der anthropozentrische Glaube an eine metaphysisch-ontologische Sonderstellung des Menschen ist nicht mehr haltbar (es sei denn ex negativo als verheerendstes „Raubtier“ in der Erdgeschichte).

@Bettinger ist i.w. zuzustimmen. Was ihm als „Denkfehler“ angekreidet wird, ist keiner, wenn man weiter denkt – er geht nur von anderen Prämissen aus als die Kritisierenden.

 

Was bei den Diskussionen immer wieder auffällt: die Diskutanden und Gegendiskutanden reden oft deshalb aneinander vorbei, weil sich keiner über seine grundsätzlich anderen (unreflektierten) impliziten Prämissen (auch Glaubenssätze) bewußt Rechenschaft abgibt.

Der_Jürgen

9. Dezember 2017 15:59

Da freut man sich natürlich, und wenn man gerade im östlichen Ausland weilt und das neue Heft erst im Januar in die Hände nehmen kann, kann man sich mit der alten Weisheit trösten, dass Vorfreude die beste Freude sei.

Allen Autoren der besten rechtsintellektuellen Zeitschrift Deutschlands sei jetzt, wo sich das Jahr 2017 seinem Ende nähert, für ihren wunderbaren Einsatz gedankt. Er trägt schon jetzt Früchte und wird künftig noch mehr und noch grössere tragen. Unsere Gegner haben intellektuell und moralisch ausgespielt; sie haben längst keine Argumente mehr. Allerdings verfügen sie auch weiterhin über die Staatsmacht, die Justiz und die grossen Medien. Verfrühtes Siegesgeschrei wäre daher sehr leichtsinnig, aber Defaitismus ist "out", wie man auf Neudeutsch sagt.

 

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