So schließt Prof. Dr. Winfried Stöcker die Weihnachtsansprache, die er Ende Dezember an seine Kollegen hält, bevor er sie mit einem beruhigenden Ausblick auf die Finanzen seines Unternehmens Euroimmun in den verdienten Urlaub entlässt.
Allein dieser letzte Absatz hätte vermutlich schon gereicht, um dem Lübecker Unternehmer jene sensationslüsternen Eiferer an den Hals zu hetzen, die nun mit fast einmonatiger Verspätung ihre Krallen ausfahren. Zum Glück für selbige und für uns erniedrigt sich Stöcker nicht dazu, seine besinnlichen Worte nur mit einem verschämten völkischen Imperativ zu garnieren. Bei seiner ganzen Weihnachtsrede, die hier in ihrer vollumfänglichen Kürze und Würze zu lesen ist, handelt es sich eigentlich um einen geradezu textgewordenen Trigger, der so kleine Kerzen, wie sie uns allenthalben (z.B. in Gestalt bräsiger Fotografinnen) nur allzu gut bekannt sind, immer wieder aufs Neue anzufachen geeignet ist. Anzufachen freilich nur bis zu einem schnöden pink, denn richtig gebrannt haben diese Lemminge nie und so bleibt ihnen die erlösende Weihe der Weißglut erspart.
Umso ehrenwerter von Stöcker, dass er denselben den Großteil seiner Rede widmet, beschäftigt er sich doch mit der allzunatürlichen Neigung der Menschen, sich seine Partner im eigenen (auch beruflichen) Umfeld auszusuchen und der bereits von Kositza beschriebenen Angewohnheit der qua Alter, Unansehnlichkeit, oder offensichtlicher seelischer Nichteignung aus diesem Treiben Ausgeschlossenen, sich mit allen Mitteln der Hässlichkeit dagegen aufzulehnen. Dabei schildert er diesen ganzen Prozess mit einer charmanten Selbstverständlichkeit, wie sie nur einem Mann über die Lippen gehen kann, der in Zeiten aufgewachsen ist, da sich die Diskussionen in der Herrenrunde noch eher darum drehten, wie man am besten die Bekanntschaft einer Dame macht und nicht darum, wie man das Risiko verringert, dabei im Gefängnis zu landen.
Manch einer wird es wissen: Stöcker ist kein unbeschriebenes Blatt. Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, da machte er durch das Verbot eines Benefizkonzertes für Migranten in seinem Görlitzer Kaufhaus von sich reden. Schon damals waren seine Antworten geradeheraus; ohne Schnörkel, ohne Kunstgriffe kritisierte er in einem Interview mit einfachen, nüchternen Worten die Einwanderungspolitik der Bundesregierung – und das zu einer Zeit, als sich zwar auf dem Dresdner Neumarkt die Menschenmassen stauten, man in der aufgeschreckten Republik aber noch lange nicht von “Pack” zu “die Ängste der Bürger ernstnehmen” geschwenkt war.
Gerade Menschen sind seit jeher ein Dorn in den Augen schiefer Leute und so verwundert es nicht, dass sich auch dieses Mal die Weiberfastnacht vor den Geschäftsräumen von Stöcker sammelte und – ausgerüstet mit Muschimütze und Trillerpfeife – ihre Unzufriedenheit zusammen mit den ureigenen Kilos auf die Straße trug. Ebenfalls im Gepäck: Die selbstgerechte Abgrenzung von “Widerwärtigem” und “Abartigem” wie man sie von bourgeoisen Eiferern jedweder Couleur kennt und die nicht weniger spießige Ermunterung zum fleißigen Anzeigenschreiben: “Da sind strafrechtliche, relevante Sachen dabei” fügt die Wortführerin Katjana Zunft noch hinzu, damit auch der letzte Angstbürger begreift, dass man hier guten Gewissens nachtreten darf.
Fraglich nur, welche “Sachen” sie meint (die Juristenfraktion unter den Lesern kann ja mal suchen), mir ist jedenfalls kein Paragraph des StGB bekannt, der es unter Strafe stellt, mit der alleinerziehenden Linken-Politikerin eben kein Schäferstündchen abhalten zu wollen, obgleich ihr die Existenz eines solchen sicherlich mindestens einen selbstgestrickten Womens March wert wäre.
Ihre Lösung für das ganze Problem ist allerdings so grazil wie einnehmend: “Und jetzt irgendwie alle mal Lärm machen” bittet sie mit verzagter Stimme, bevor der Chor der Unbegehrten in ihr dissonantes Sirengeheul einfällt.
Um ein paar wichtige Sätze aus Stöckers Rede habe ich Sie, liebe Leser übrigens am Anfang betrogen; das volle Zitat lautet so:
“Und jetzt ein Aufruf an Euch Kollegen, die noch auf der Suche sind: Wir haben so viele nette Jungs und Mädchen in der Firma, geht ran, egal ob Ihr Vorgesetzte seid oder nicht, es kommt nur darauf an, dass Ihr das Mädchen oder den Jungen liebt. Und zeugt viele Kinder, dass wir dem mutwillig herbeigeführten, sinnlosen Ansturm unberechtigter Asylanten etwas entgegensetzen können. Unser Kindergarten steht Euch offen.”
Wie schön, wenn man gar nicht mehr sagen muss.
Lotta Vorbeck
Einfach nur köstlich, der Herr Prof. Dr. Winfried Stöcker!