Florida am vergangenen Mittwoch erhitzt seit einer Woche ungebrochen die Gemüter.
Es ist nach fast 90 Jahren das zweite Valentine’s Day Massacre in den Vereinigten Staaten. Die US-Presselandschaft steht kurz vor dem Kollaps – und in den vergangenen 36 Stunden hat Twitter massiv zugeschlagen, um das wankende Narrativ zu retten. Worum geht es?
Der Verlauf der Tat ist bekannt und wenig überraschend, wenn man mit dem Phänomen der sogenannten School shootings vertraut ist – die in der plumpen deutschen Presselandschaft noch immer gepflegte Rede vom “Amoklauf” ist selbstverständlich Unfug, weil es sich um (teilweise monatelang) geplante, regelrecht orchestrierte Taten handelt.
Der 19jährige, adoptierte und verwaiste, bereits durch Aggressivität und mangelnde Impulskontrolle aufgefallene sowie im Jahr zuvor von ebendieser Oberschule verwiesene Nikolas Cruz eröffnete am Mittag des 14. Februar im Schulgebäude das Feuer und tötete insgesamt 17 Menschen, darunter 14 Schüler.
Um die 130 Menschen waren auf dem Gelände anwesend, die nach dem Recht des Bundesstaats Waffen hätten tragen dürfen (und dem Spuk vielleicht ein schnelles Ende bereitet hätten), denen dies aber durch das 1990 erlassene Bundesgesetz Gun-Free School Zones Act untersagt war.
Cruz ließ sich kurz nach der Tat widerstandslos festnehmen und bekannte sich vor Gericht schuldig; ihm droht die Todesstrafe. Insgesamt macht er einen wenig verschwörerischen und schon gar keinen politischen Eindruck; das weißeste an ihm ist wohl sein Haftbefehl.
Über den erwartbaren, nach solchen Tragödien sogleich einsetzenden üblichen Shitstorm zum Thema Waffenrechtsverschärfungen braucht kein Wort verloren zu werden – die Nachbereitung des Blutbads sollte schnell ganz andere Formen annehmen. Denn die unermüdliche Internetgemeinde fand sehr rasch heraus, daß der Täter bereits über einen Zeitraum von zwei Jahren unter Klarnamen(!) im Internet durch selbstverletztendes Verhalten, Posieren mit diversen Waffen und Gewaltandrohungen aufgefallen war.
Nach einem YouTube-Kommentar mit dem Inhalt »Ich werde später mal beruflich Schulen zusammenschießen« wurde er beim FBI angezeigt, das sich aber außerstande sah, ihn – ich wiederhole: unter seinem Klarnamen – zu identifizieren, was bei Online-Gesinnungsstraftaten weitaus weniger kompliziert zu sein scheint.
So wurde schon sehr früh Kritik laut, die aber schlagartig verstummte, nachdem “entdeckt” worden war, daß der Schütze Kontakte zu einer weit entfernt ansässigen rechten Miliz gehabt habe – eine völlige Absurdität, die allein auf dem Engagement der hauptamtlichen Trollarmee des /pol/-Forums beruhte und unter anderem mit angeblichen Beweisphotos unterfüttert wurde, die nicht einmal dieselbe Person zeigten.
Ihren Ritterschlag erhielt diese famose Gruselgeschichte ausgerechnet durch die Anti-Defamation League (ADL), die ähnlich wie das andere Zielgruppen von “Haßverbrechen” betreuende Southern Poverty Law Center (SPLC) ganze Heerscharen von Mitarbeitern damit beschäftigt, das Internet nach bösen Menschen zu durchforsten und über deren Treiben Dossiers zusammenzustellen.
Nachdem die /pol/-Geschichte also von der ADL als deren Recherchearbeit weiterverbreitet wurde, griff das Medienunternehmen CBS sie ungeprüft auf, woraufhin sich bald – wenn auch nur kurzzeitig – alle amerikanischen und in ihrer Folge die weltweiten Mainstreammedien darauf stürzten. Wenig hilfreich war dabei das Verhalten des scheinbaren Oberhäuptlings der besagten winzigen Miliz, eines Jordan Jereb, der die Gelegenheit gekommen sah, seine Gruppe und sich selbst weltweit ins Gespräch zu bringen, und daher die Scharade weiter befeuerte.
Einen interessanten Abriß dieses wahnwitzigen Medienzirkus’ hat ausgerechnet das Posthistoire-Blog »Jacobite« veröffentlicht – besonders ulkig ist die lange Geschichte der, um einmal die Einstellungsbegründung des ersten NPD-Verbotsverfahrens zu zitieren, »mangelnden Staatsferne« des historischen US-Rechtsextremismus, zumal die ADL es über lange Jahre als ihre Hauptaufgabe ansah, sich mit Gruppen wie der vom postspenglerianischen Kulturphilosophen Francis Parker Yockey beeinflußten Kleinstpartei National Renaissance Party unter James Madole auf amerikanischen Straßen herumzuprügeln.
So weit, so Confirmation bias – wie in der Kognitionspsychologie die Neigung bezeichnet wird, Informationen danach auszuwählen, wie gut sie in das bereits vorgefaßte eigene Weltbild passen. Die Medien geiferten bereits nach einem weißen Täter, als die Schießerei noch im vollen Gange war, und als Cruz’ Identität bekanntgegeben wurde, kriegte sich die ethnopolitische Twitter-Schickeria jenseits wie diesseits des Großen Teichs überhaupt nicht mehr ein.
Um so böser das Erwachen, als die /pol/-Rabauken ihre Täuschung aufdeckten – nun betrieb der politmediale Komplex ganz schnell (versuchte) Schadensbegrenzung, indem man rechten Diversanten die “Schuld” an der eigenen Nachlässigkeit in die Schuhe schob. Und natürlich den schon selbst zum Mem gewordenen “russischen Bots”, die ja bekanntlich auch für die Beschuldigungen im Umfeld des schon wieder fast medial abgehakten Hollywood-Sexskandals verantwortlich sein sollen… (Newsweek befindet sich übrigens derzeit in den letzten Atemzügen – eine Fake-news-Schmiede weniger.)
Das alles wäre eigentlich schon mehr als genug erbärmliches und lächerliches Klimbim um ein tragisches Verbrechen, das bereits wieder zur gängigen Einzigartigkeit aufgebläht wird – dabei datiert das tödlichste Schulmassaker in den USA schon über 90 Jahre zurück. Wir sind aber längst noch nicht am Boden der Misere angelangt, die einiges über die mediale Scheinwelt aussagt, in der wir nolens volens alle schweben.
Wir haben es hier nämlich auf der Ebene der “Berichterstattung” mit einer veritablen Schauspielnummer zu tun, die bis dato ihresgleichen sucht – und doch logische Folge der Fernsehberichterstattung vor allem über das Massaker an der Columbine High School 1999 ist. Wir erinnern uns: Damals gingen die Bilder der Überwachungskamera in der Schulmensa um die Welt, die die Täter Eric Harris und Dylan Klebold bei der Suche nach versteckten potentiellen Zielen zeigten und zur wichtigen Vorlage für Gus Van Sants Film Elephant von 2003 wurden.
Zusammen mit der berüchtigten “Schlacht von North Hollywood” gehörte Littleton zu den ersten Schießereien, die auf technischem Wege derart dokumentiert wurden, daß dem Zuschauer beinahe die Patronenhülsen entgegenzuspringen schienen. Das aber führte zusammen mit der zunehmenden Verfügbarkeit des Internets zu einem mächtigen Effekt der Selbstverstärkung, dem die Medien mit Blick auf ihre Werbeeinnahmen nur allzugerne nachkamen und ‑kommen – und hinsichtlich ihrer politischen Agenda, wie sich gerade besonders eklatant zeigt.
Denn in der Wechselwirkung zwischen den in überwältigender Mehrheit liberalen und gegen die “Waffenlobby” (und über diese als Vektor gegen Präsident Trump) eingestellten Medien und den von ihnen so dringend gesuchten Kampagnengesichtern schlagen vielerlei Eigeninteressen zu Buche. Nicht nur versuchten Medienvertreter in ihrer grenzenlosen Scoop-Geilheit, wie oben gezeigt noch während der Tat O‑Töne von den um ihr Leben fürchtenden Schülern einzuholen – unter eben diesen machte gleichfalls noch während des Verbrechens ein junger Mann namens David Hogg von sich reden, indem er Augenzeugenberichte seiner Mitschüler ins Netz stellte.
Eben dieser David Hogg – rein zufällig(?) der scheinbar schauspielerisch erfahrene Sohn eines dezidiert gegen Trump eingestellten ehemaligen FBI-Beamten – wurde sogleich nach dem Massaker zum Poster boy einer vor allem vom “Clinton-News-Network” CNN initiierten neuen Kampagne zur Verschärfung der Waffengesetze, die noch in der Woche der Schießerei zu einem Kinderkreuzzug gen Washington am 24. März aufrief.
Und hier wird es im mehrfachen Wortsinn ganz pervers: Nicht nur sind Hogg und seine Leidensgenossen – insbesondere auch Emma Gonzalez, als “Multiopfer” (Angehörige einer ethnischen “Minderheit”, Schwulenaktivistin, Frau) geradezu der feuchte Traum aller stromlinienförmigen Redaktionen und dementsprechend natürlich selbst von der Tagesschau schon heiliggesprochen – medial nun allgegenwärtig.
Nicht nur scheint ihnen die neue Berufsbetroffenheit nicht gerade schwerzufallen, wie etliche offenbar vorschnell veröffentlichte Bilder (hier und vor allem hier; es bleibt wohl abzuwarten, wie lange Caroline West noch bei CBS beschäftigt sein wird…) zeigen.
Nicht nur wurde ein Vater, der bei der Suche seiner möglicherweise erschossenen Tochter ausgerechnet im MAGA-Hemd abgelichtet wurde, online mit Gallonen von Haß und Häme überschüttet bis hin zum Anwurf, er habe keinerlei Mitgefühl verdient, da er durch seine Trump-Unterstützung quasi mitschuldig an den Morden sei; und nicht nur erstreckt sich der Furor längst bis auf die Familien von überlebenden Schülern, wenn sie es wagen, nicht im offiziösen Anti-NRA-Trump-wasauchimmer-Reigen mitzutanzen.
Nein, die beteiligten Sender und Redaktionen haben sich offenbar auch befleißigt, die “engagierten” und von der plötzlichen Aufmerksamkeit angezogenen Schüleraktivisten ihren eigenen Vorstellungen entsprechend zu instruieren. Nur so lassen sich ihre fast schon parlamentsreifen O‑Töne erklären, die allerdings nur im geordneten Rahmen Bestand zu haben scheinen. Schüler mit “unpassenden” Ansichten wurden gleichzeitig aktiv daran gehindert, ihre Stellungnahmen und Fragen öffentlich vorzutragen.
Vor dem Hintergrund solcher Szenen ist es kein Wunder, daß schon seit geraumer Zeit bei derartigen Vorfällen – insbesondere “Amokläufen” von Kino in Aurora über die Sandy-Hook-Grundschule bis hin zum Schwulennachtclub “Pulse” – binnen kürzester Zeit Gerüchte kursieren, daß die jeweilige Tat nicht wie offiziell gemeldet oder sogar gar nicht stattgefunden habe und es sich bei in den Medien befragten Augenzeugen in Wahrheit um professionelle Crisis actors handele, also bezahlte Schauspieler, die etwa bei Großübungen des Katastrophenschutzes verletzte und panische Passanten mimen. Im betroffenen US-Bundesstaat Florida hat ein Vertreter dieser Theorie deshalb bereits seinen Job verloren.
Twitter, wo derartige Streitfälle immer besonders hitzig ausgetragen werden, hat im Laufe des vorgestrigen Tags nun zum versuchten Enthauptungsschlag ausgeholt und – zum Jubel der liberalen Vertreter der offiziellen Version der Vorgänge – nach derzeitigem Stand mehrere tausend Accounts von “Zweiflern” gesperrt, weil sie »Verhaltensmuster politischer Bots« zeigten. Noch ist offen, wie viele dieser Nutzer durch neuerliche Identifikationen zurückkehren und wie viele stumm bleiben werden – die mittlerweile unter #TwitterLockOut (am heutigen Mittwochmorgen der am häufigsten genutzte Hashtag bei Twitter) laufende Säuberung ist jedenfalls scheinbar noch im Gange, weshalb möglicherweise einige der hiesigen Links nicht dauerhaft abrufbar sein werden.
Conservatives were striking back against the media using children to push their gun control agenda, then suddenly.…. boom!#TwitterLockOut!!
Surprise, surprise.
— Mark Pantano (@TheMarkPantano) 21. Februar 2018
Während sich das laufende Nachspiel weiter entfaltet und auch hierzulande die einschlägig Interessierten fröhlich ihren transatlantischen Medienherrchen nachkläffen, bleibt – wie so oft – ein bitterer Beigeschmack.
Zwar ist in den USA der Besitz vollautomatischer Waffen ohne explizite Ausnahmegenehmigung der zuständigen Behörde ATF bereits seit Einführung des National Firearms Act 1934 verboten, und zwar liegt die Mordrate in den USA im Verhältnis zum legalen Waffenbesitz (der allein von zukünftigen Verboten betroffen wäre) im Bereich des Lächerlichen, doch wird das die entsprechenden Lobbygruppen kaum davon abhalten, weiterhin Druck auszuüben und neue Gesetzesvorlagen voranzutreiben, wie sie es bereits seit bald 20 Jahren tun.
Was wächst, ist allein die kognitive Dissonanz, die Kluft zwischen verordnetem Narrativ und wahrnehm- oder scheinbarer Realität. Hinzu kommt der berechtigte Zorn über die immergleichen, von bösartig bis abstrus reichenden Kommentare aus den Elfenbeintürmen der Redaktionen und Pundits, der “engagierten” Intellektuellen, während es gleichzeitig genau dieselben Charaktermasken sind, die ununterbrochen weiter an der Zersetzung der Gesellschaft arbeiten und ihresgleichen zu Helden des Widerstands hochjubeln.
Auch die vom SPLC zusammengeklöppelte groteske Liste angeblich »der AltRight« zuzuschreibender Mordtaten gehört zu diesem engmaschigen Netz der Wirklichkeitsverdrehung – darüber ließe sich ein eigener Artikel schreiben; als besonders absurdes Beispiel sei hier nur der als Blutbad eines weißen Rassisten dargestellte Fall Elliot Rodger genannt, der im kalifornischen Isla Vista sechs Menschen und sich selbst tötete. Sein per Manifest erklärtes Motiv war Frauenhaß, weil er selbst mit 22 Jahren noch immer Jungfrau war – und schwarze Studenten bei weißen Mädchen mehr Erfolg zu haben schienen als er, der “immerhin” zur Hälfte(!) weiß sei.
So legen sich wie im viel zu unbekannten Film Wag the Dog (1997), in dem der US-Präsident zur Vertuschung eines privaten Skandals mit Hilfe der Medien im Handumdrehen einen völlig fiktiven Krieg inszeniert, immer neue Ebenen der Verwirrung und Verzerrung übereinander, und während man das alles mit Kopfschütteln, Stirnrunzeln oder Zähneknirschen beobachtet, sollte man eines nicht vergessen – jeder Fall wie dieser, in dem sich zu selbstsichere Medien an ihrer üblichen Arbeit verheben, steht für Dutzende, die wir nicht bemerken.
Dafür sorgen nicht nur hochaktive Medienbeeinflussungsseiten wie ShareBlue, deren interne Anleitungen zum Anfeuern von ausschlachtbaren Onlinedebatten durch sogenannte Sockpuppets, also im Prinzip genau das, was diese “Progressiven” selbst ununterbrochen Rußland, China oder Nordkorea nachzuweisen versuchen, unlängst an die Öffentlichkeit gelangten.
Dafür sorgt vielmehr vor allem die Eigendynamik der immer mehr und immer rasanter mit ihrer eigenen Abbildung der Realität, dem Simulakrum, verwachsenden Medien, vor allem in der unergründlich gewordenen Rhizomstruktur des Internets. Folgen wir der klassischen Theorie des hier unumgänglichen Jean Baudrillard, so scheinen wir uns mittlerweile in der Endphase seiner »Drei Ordnungen der Simulakren« (Imitation – Produktion – Simulation) zu befinden. Am Ende dieses Prozesses soll eine Art Implosion hin zu einem vollständig bezugslosen Zustand stehen, der »Hyperrealität«, in der eine Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion nicht mehr möglich ist.
Das ist – auch – eine unvermeidliche Folge des (Informations‑, mithin Katastrophen-)Konsums, wie in der Agonie des Realen festgehalten steht:
Der Mangel ist niemals dramatisch, es ist die Sättigung, die fatal wirkt: denn sie führt gleichzeitig in den Prozeß eines Starrkrampfes und in die Bewegungslosigkeit.
In Situationen wie dieser steht uns klar vor Augen, daß der unablässige Echtzeitdatenstrom des weltweiten Netzes gleichzeitig Schlüssel und Tor dieser Entwicklung ist, die möglicherweise irgendwann einmal in einem schicksalhaften Augenblick der sogenannten “Singularität” (vgl. Sezession 78) einen solchen neuen Bewußtseinszustand verursachen und somit – mit den unsterblichen Worten Eric Voegelins – »das Eschaton immanentisieren« wird.
Der einzige Weg daran vorbei scheint zumindest teilweise in die Analogie zurückzuführen; hin zu einem entschleunigten und viel bedachteren Umgang mit der Wirklichkeit im greifbar-allernächsten Umfeld.
Lotta Vorbeck
DANK an Nils Wegner - eine grandiose Analyse!