Seitdem es eine wachsende rechte Gegenöffentlichkeit in den sozialen Medien gibt, tobt intern eine erbitterte Diskussion, wie mit den Protagonisten dieses Milieus umzugehen ist. Damit wir uns nicht falschverstehen: Es geht weniger um Verleger, Publizisten, oder Medienprojekte, als um die wachsende Menge der abschätzig „E‑Celebs“ genannten Einzelkämpfer, die auf Plattformen wie YouTube oder Facebook etwas praktizieren, was man mit viel gutem Willen als rechten Unterhaltungsjournalismus bezeichnen könnte.
Die Probleme dieser Art von Aktivitäten liegen auf der Hand: Die Protagonisten bewegen sich in einem Mischfeld von Berichterstattung und Aktivismus und sind gleichzeitig Marke und Vermarktungsorgan. Als Selbstständige sind sie direkt abhängig von den Monetarisierungssystemen der jeweiligen Plattformen, was sie dazu zwingt, die Inhalte ihrer Videos und Berichte an deren enggestrickte und durch das Netz-DG intensivierte Richtlinien anzupassen. Zwar stehen alternative Finanzierungsmethoden über Crowdfunding-Seiten wie Patreon zur Verfügung, allerdings zieht sich auch dort die Schlinge der Geschäftsbedingungen, AGBs und „Community-Guidelines“ immer enger. Hinzu kommt etwas, was ich wohlwollend als „eine an den politischen Markt angepasste weltanschaulichen Flexibilität“ bezeichnen möchte, die dazu geführt hat, dass viele Netzpersönlichkeiten in den Reihen der Aktivisten ein mindestens ambivalentes, in einigen Fällen auch schlechtes Ansehen gesehen.
Eigentlich ist das kein Wunder: Durch ihre Selbstvermarktung sind Menschen wie Lauren Southern oder Paul Joseph Watson gezwungen, sich unermüdlich am medialen Tagesgeschäft abzuarbeiten, auf jeden noch so absurden milieuinternen Trend aufzuspringen und – wenn keine Schlagzeilen zur Hand sind – diese gegebenenfalls zu produzieren. Für solche Fälle gibt es – insbesondere in den USA, wo „freedom of speech“ (was nochmal eine andere Dimension hat als „Meinungsfreiheit“) ein größeres Thema als in Europa ist – ein Patentrezept:
Die jeweilige Person begibt sich wahlweise in die Reihen linker Gegendemonstranten, in ein Migrantenviertel, oder irgendwohin wo Muslime sind und stellt provokante Fragen, woraufhin in der Regel ein Wortgefecht folgt. Diese Situation läuft klimaktisch auf eine wie auch immer geartete Eskalation hinaus, die entweder verbaler oder physischer Natur ist und die häufig, aber nicht immer zum Nachteil des jeweiligen „E‑Celebs“ verläuft. Anschließend wird der Vorfall skandalisiert, kurz eingeordnet und fertig ist der nächste Angriff auf einen Patrioten, der genug Aufrufe für eine Woche generiert, in der die nächste Sensation vorbereitet wird.
Es gibt unzählige Videos, die als Beispiel für solche Aktionen dienen können, stellvertretend sei auf dieses und jenes verwiesen, die den Verlauf jeweils anschaulich darstellen. Sicher, diese Videos erfüllen ihren Zweck, regen manchen zum Nachdenken über Dinge an, die in diesem Netztagebuch seit bald zehn Jahren verhandelt werden, und doch bleibt am Ende des Tages wenig mehr als ein gewisser Unterhaltungswert. Im Sinne dieses Unterhaltungswertes möchte ich auf eine Unterkategorie des oben beschriebenen Rezeptes verweisen: Während allzu häufig eine Mischung aus gespielter Überraschung und lakonischer Wehleidigkeit am Ende der „Konfrontationsvideos“ steht, bietet insbesondere der Brite Tommy Robinson gelegentlich eine etwas andere Art der Konfliktlösung an.
Das zeigen vor Allem zwei Videos aus den vergangenen Tagen, in denen er sich womöglich nicht ganz unverhofft genötigt sah zu den hooliganistischen Wurzeln seines politischen Engagements zurückzukehren. Dabei traf er zum Einen auf einen aggressiven schwarzafrikanischen Migranten in den Straßen Roms, zum anderen auf eine Gruppe von vermummten Antifas, die ihn und sein Filmteam angriffen.
Ich bin wahrlich kein Freund der Art und Weise wie Robinson Politik macht, kann seiner liberalen westlich-chauvinistischen Islamkritik wenig abgewinnen und habe in den vorangegangenen Zeilen zur Genüge ausgeführt, wie fremd mir das Genre des postmodernen Erlebnisjournalismus ist. Nichtsdestotrotz: Wer sich gerade macht, verdient Respekt, wer sich eine Morddrohung nicht gefallen lässt auch und wer sich in England gegen den alltäglichen Wahnsinn stellt bekommt ohnehin einen gewissen Sympathiebonus.
Sonntäglicher Lorbeerkranz daher für den verbal wohl penetrantesten aller „E‑Celebs“, für Mut im Angesicht des Feindes und vor Allem für diesen rechten Haken.
Franz Bettinger
Ich wünschte mir mehr Tommy Robinsons in Deutschland. Solche Leute fehlen uns.