Wagenknecht, die »soziale Frage« und wir (1)

Wir gehen, wie Götz Kubitschek in seinem jüngsten Beitrag formulierte, »politischen, anstrengenden, wichtigen Monaten entgegen«.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Das liegt an Horst See­ho­fer und Sahra Wagen­knecht, vor allem aber an einem gro­ßen Erfolg der meta- wie auch real­po­li­tisch aus­ge­rich­te­ten Rech­ten: Die »sozia­le Fra­ge«, der­zeit ver­kör­pert durch Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit und Fra­gen nach der Zukunft des Sozi­al­staats, wur­de als genu­in rech­tes The­ma ent­deckt und bis­wei­len skan­da­li­siert, und die »natio­na­le Fra­ge« fei­ert ein Revi­val, der­zeit mit­tels der neu­er­li­chen Migra­ti­ons­de­bat­te, deren Ende bereits 2017 von Libe­ra­len und Lin­ken aller Cou­leur instän­dig her­bei­ge­sehnt wurde.

Zu all den wahl­stra­te­gi­schen und ‑arith­me­ti­schen Über­le­gun­gen, die der­zeit ins­be­son­de­re ange­sichts der anste­hen­den bay­ri­schen Land­tags­wahl kur­sie­ren, soll sich an die­ser Stel­le nicht aus­führ­lich geäu­ßert werden:

Die bis­wei­len zir­ku­lie­ren­de Mär von einer rechts­ge­wen­de­ten Uni­on-Minus-Mer­kel wird ja selbst vie­len Libe­ral­kon­ser­va­ti­ven all­mäh­lich pein­lich, und der Traum einer bun­des­wei­ten CSU als Kor­rek­tiv zur Bun­des­po­li­tik ist spä­tes­tens seit Armin Moh­lers Zei­ten aus­ge­träumt; ihr even­tu­el­les Wie­der­auf­grei­fen wür­de sich ledig­lich als ein Schach­zug all derer ent­pup­pen, die im Kern dar­an inter­es­siert sind, das Bestehen­de ohne wirk­li­che (poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che) Kehrt­wen­den in die Zukunft zu hieven.

Auf der lin­ken Sei­te sind auf­schluß­rei­che Bewe­gun­gen rund um Wagen­knecht, Wag­ner, Ste­ge­mann et al. zu beob­ach­ten, die Kubit­schek bereits wesent­lich ein­ge­ord­net hat, auch und vor allem hin­sicht­lich der nöti­gen Reak­ti­ons­be­reit­schaft sei­tens der AfD.

Ergänzt wer­den kann dies­be­züg­lich, daß dem »Team Sahra« jed­we­de akti­vis­ti­sche Basis fehlt – so klug sei­ne ein­zel­nen Akteu­re auch sind, so viel Wachs­tum der gleich­na­mi­ge News­let­ter auch ver­zeich­nen dürf­te und so bereit­wil­lig vie­le auf­la­gen­star­ke Medi­en mit kri­ti­scher Neu­gier das Expe­ri­ment auch beob­ach­ten und ihre Stand­punk­te repro­du­zie­ren mögen.

Von alt­kom­mu­nis­ti­schen und anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Zir­keln in der Links­par­tei bis zu jun­gen außer­par­la­men­ta­ri­schen Bünd­nis­sen wie der »Inter­ven­tio­nis­ti­schen Lin­ken«, von den ver­schie­dens­ten Anti­fa-Grup­pie­run­gen ganz zu schwei­gen – die radi­ka­le Lin­ke in all ihren Ver­äs­te­lun­gen lehnt Wagen­knechts Kurs ab; der par­tei­ei­ge­ne Jugend­ver­band ver­ließ beim jüngs­ten Bun­des­par­tei­tag ein­mal mehr pro­tes­tie­rend den Saal, als Wagen­knecht zu ihrer – von der Par­tei­spit­ze wohl bewußt TV-unfreund­lich pla­zier­ten – Rede ansetzte.

Das Kon­zept einer bun­des­deut­schen lin­ken Samm­lungs­be­we­gung, das der­zeit her­an­reift, ist also – ganz anders als das jugend­vi­ra­le Phä­no­men um Ber­nie San­ders in den USA oder Jere­my Cor­bins Mas­sen­sup­port in Groß­bri­tan­ni­en – noch mehr ein Kopf­pro­jekt als das mit dem Wagen­knecht-Lafon­taine-Kon­strukt ver­gleich­ba­re »links­po­pu­lis­ti­sche« Pro­jekt um die Links­front Jean-Luc Mélen­chons in Frank­reich, die zumin­dest Wagen­knecht durch­aus als direk­tes Vor­bild begreift (dazu in einem sepa­ra­ten Bei­trag mehr).

Rein wahl­po­li­tisch gilt es also für die AfD (als der Par­tei im Rah­men der Mosa­ik-Rech­ten), sich weder für Panik (Hil­fe, die Lin­ken kapern ein­zel­ne Pro­gramm­punk­te!) noch für demons­tra­ti­ves Des­in­ter­es­se (Was inter­es­sie­ren uns die Lin­ken!) zu entscheiden.

Wich­tig ist viel­mehr, die Her­aus­for­de­rung von links einer­seits als Ansporn zu begrei­fen, die Ent­wick­lung einer umfas­sen­den sozi­al­pa­trio­ti­schen Pro­gram­ma­tik wei­ter zu for­cie­ren, um kei­ner­lei offe­ne Flan­ken für die Klü­ge­ren unter den lin­ken Akteu­ren zu gewähren.

Ande­rer­seits gilt es zu beden­ken, daß die auf­ge­bro­che­nen Rich­tungs­kämp­fe inner­halb des lin­ken Milieus als eine direk­te Bestä­ti­gung für den eige­nen Erfolg im Bereich einer sozia­len Neu­jus­tie­rung inner­halb der Rech­ten gedeu­tet wer­den müs­sen. Nicht mehr, aber auch nicht weni­ger ist aus der andau­ern­den Gene­se der neu­en lin­ken For­ma­ti­on zu schließen.

Daß ins­be­son­de­re Sahra Wagen­knecht – und sie inter­es­siert uns beson­ders als das Gesicht des lin­ken Samm­lungs­pro­jekts – in den letz­ten Jah­ren eine Ent­wick­lung genom­men hat, in Zuge derer sich Posi­tio­nen aus ihrem Umfeld und dem uns­ri­gen annä­hern, habe ich Anfang 2017 in mei­nem kapla­ken-Band Quer­front beschrieben.

Es geht nun aber gera­de nicht dar­um, wie teil­wei­se in der Kom­men­tar­spal­te von Sezes­si­on im Netz ange­nom­men, Wagen­knecht und Co. um eine Koope­ra­ti­on, eine Zusam­men­ar­beit, eine »Quer­front« also, zu bitten.

Im gleich­na­mi­gen Büch­lein rede ich – und das ver­merk­ten inter­es­san­ter­wei­se eher lin­ke Rezen­sen­ten als libe­ra­le und liber­tä­re – gera­de kei­ner sol­chen quer zu den bis­he­ri­gen Lagern ste­hen­den Opti­on das Wort.

Ich ver­wies viel­mehr dar­auf, daß eine sozia­le Neue Rech­te, die als »links« wahr­ge­nom­me­ne The­men­fel­der für sich (neu) ent­deckt und zeit­ge­mäß-pro­gres­siv in ihre Welt­an­schau­ung ein­ar­bei­tet, auf­grund des spe­zi­fisch rech­ten, skep­tisch-rea­lis­ti­schen Men­schen­bilds inhalt­lich stär­ker als jeder theo­re­tisch mög­li­che lin­ke Akteur wäre (was, vom meta­po­li­ti­schen Feld ins par­tei­po­li­ti­sche trans­fe­riert, eben­so für die Situa­ti­on der AfD gilt).

Expli­zit for­der­te ich

eine Neue Rech­te, die die sozia­le Fra­ge wie­der als urei­ge­nes Sujet ent­deckt; eine Neue Rech­te, […] die die Idee des eini­gen Euro­pas neu und inno­va­tiv, aber rück­ge­bun­den auch an Tra­di­ti­on und Her­kunft betrach­tet; eine Neue Rech­te schließ­lich, die in der Lage ist, die grö­ße­ren polit­öko­no­mi­schen Zusam­men­hän­ge beim Gro­ßen Aus­tausch und der aktu­el­len Lage des Finanz­markt­ka­pi­ta­lis­mus zu ana­ly­sie­ren und Gegen­ent­wür­fe zu entwickeln.

Eine »sol­che Neue Rech­te«, schluß­fol­ger­te ich,

hät­te es nicht nötig, auf der lin­ken Sei­te nach Part­nern für eine Quer­front zu suchen. Sie genüg­te sich selbst und ver­kör­per­te aus eige­ner Kraft und eige­nem Ideen­reich­tum eine intel­lek­tu­el­le Alter­na­ti­ve, die dann wie­der­um jene mino­ri­tä­re Kräf­te der Lin­ken anzie­hen könn­te, die in ihrem Lager an der kon­zept­lo­sen Ver­en­gung des ideen­po­li­tisch Sag- und Trag­ba­ren lei­den, die auf­grund ihrer blo­ßen ana­ly­ti­schen Auf­fas­sungs­ga­be – “Demo­kra­tie lebt nur in Räu­men, die für Men­schen über­schau­bar sind”, “Nicht Bin­dungs­lo­sig­keit, son­dern Bin­dung macht frei, weil nur sie Halt gewährt” u. dgl. m.  – im eige­nen Lager ange­fein­det und als rechts­ab­wei­chen­de “Quer­front­ler” dif­fa­miert werden.

Die Zita­te im Zitat stam­men von Sahra Wagen­knecht  (Reich­tum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapi­ta­lis­mus ret­ten, Frankfurt/Main 2016), und sie lesen sich, wie anti­fa­schis­ti­sche Kri­ti­ker Wagen­knechts zurecht pos­tu­lier­ten, wie (ganz selbst­ver­ständ­li­che) Grund­sät­ze des Konservatismus.

Aber mit Anhän­gern des­sel­bi­gen will Wagen­knecht, so ihre Aus­sa­ge im NZZ-Gespräch, nichts zu tun haben. Marc Felix Ser­rao bemerkt indes die gro­ßen Über­ein­stim­mun­gen zwi­schen ihr und eini­gen Neu­en Rech­ten (auch wenn er, jeden­falls aus mei­ner per­sön­li­chen Sicht, eine fal­sche Quer­front-Schluß­fol­ge­rung zieht). Ser­rao fragt:

Es gibt in rechts­in­tel­lek­tu­el­len Krei­sen eine Rei­he Leu­te, die Sie schät­zen. Die ver­ste­hen sich selbst als lin­ke Natio­na­lis­ten und träu­men von einer «Quer­front».

Wagen­knecht kon­tert kurz angebunden:

Wer Natio­na­lis­mus pre­digt, mit dem will ich nichts zu tun haben.

Ihre apo­dik­ti­sche Aus­sa­ge wird ver­ständ­li­cher, wenn man sich vor Augen hält, was sie unter »Natio­na­lis­mus« zu ver­ste­hen meint. Sie nennt es eben­falls im höchst lesens­wer­ten Interview:

Natio­na­lis­mus bedeu­tet, dass sich Men­schen ein­bil­den, sie sei­en auf­grund ihrer Natio­na­li­tät etwas Bes­se­res, dass ande­re Kul­tu­ren abge­wer­tet werden.

Die­ser »Natio­na­lis­mus«, der letzt­lich nichts ande­res als Chau­vi­nis­mus oder Natio­nal­chau­vi­nis­mus meint, wird aber frei­lich auch rechts, jeden­falls im Umfeld der Sezes­si­on, grund­sätz­lich abgelehnt.

Wagen­knecht könn­te das wis­sen. Womög­lich weiß sie das auch. Aber neben der oben erwähn­ten feh­len­den akti­vis­ti­schen Basis ist dies die zwei­te gro­ße Hür­de für ein lin­kes Samm­lungs­pro­jekt in Deutsch­land: Dort, wo sie inhalt­lich aus­grei­fen könn­te, ste­hen bereits Akteu­re, näm­lich die »Neue Rech­te« (NR) rund um IfS, Antai­os und Sezes­si­on.

Räumt Wagen­knecht aber nun ein, daß auch der Chau­vi­nis­mus­vor­wurf (ihre Kern­vor­hal­tung gegen­über der NR) fällt – was wür­de sie, aus Sicht eines lin­ken Kri­ti­kers, von der NR noch tren­nen, nach­dem sie sich u. a. posi­tiv auf Gemein­schaft, Iden­ti­tät, Demo­kra­tie in Ver­trau­ens­räu­men, Soli­da­ri­tät und die Wah­rung »kul­tu­rel­ler Eigen­stän­dig­keit« bezog?

Wagen­knecht muß also zwangs­läu­fig, um im lin­ken Reso­nanz­raum noch satis­fak­ti­ons­fä­hig zu sein, anti­fa­schis­ti­sche Sprach­mus­ter ver­wen­den. Das dürf­te aber bis­wei­len jene Kli­en­tel abschre­cken, die sie für ihr Pro­jekt als Wäh­ler zu gewin­nen ver­ste­hen müßte.

Gemeint sind soge­nann­te Pro­test-Durch­schnitts­bür­ger, die in Scha­ren zur AfD über­lie­fen, weil ihnen die Mischung aus sozi­al- und rechts­po­pu­lis­ti­schen Frag­men­ten zusag­te. Nur die­se, die AfD im Osten stüt­zen­de Schicht, könn­te von Wagen­knecht ange­spro­chen wer­den; denn daß die urban-kos­mo­po­li­ti­sche Wäh­ler­schaft von SPD, Grü­nen und bis­he­ri­ger Links­par­tei eine Lis­te Wagen­knecht (unter wel­chem Namen auch immer) gou­tie­ren wür­de, glaubt wohl auch im opti­mis­ti­schen Team Sahra niemand.

Wagen­knechts Natio­na­lis­mus-Äuße­rung, mit der sie nicht nur Natio­na­lis­ten, son­dern ver­mut­lich Rech­te uni­so­no auf Abstand hal­ten möch­te, zeigt aber, daß sie nicht nur weit ent­fernt von Cor­byn, San­ders und Mélen­chon steht, was die akti­vis­ti­sche Basis, ohne die jedes Vor­ha­ben schei­tern muß, anbe­langt, son­dern auch, was die Vor­den­ker des Links­po­pu­lis­mus betrifft.

Ernes­to Laclau und Chan­tal Mouf­fe (in der 79. Sezes­si­on fin­det sich ein Por­trät der bei­den) hät­ten näm­lich theo­re­tisch erkannt (und der von Mouf­fe bera­te­ne Mélen­chon wand­te es in der Pra­xis an), daß »Natio­na­lis­mus« als die Fixie­rung auf die Nati­on als poli­ti­schem Hand­lungs­sub­jekt ein »lee­rer Signi­fi­kant« ist.

Das heißt für uns und für Wagen­knecht in die­sem kon­kre­ten Bei­spiel: Natio­na­lis­mus kann reak­tio­när und pro­gres­siv, eth­no­iden­ti­tär und mul­ti­kul­tu­rell, libe­ral und anti­li­be­ral, links und rechts (usf.) auf­ge­la­den wer­den, was immer auch davon abhängt, wer die Deu­tungs­ho­heit über die Begrif­fe und ihre Impli­ka­tio­nen behaup­ten kann.

Wagen­knecht ist intel­li­gent und rea­lis­tisch genug, um sich dar­an zu hal­ten und dem­entspre­chend die bun­des­deut­sche Situa­ti­on ein­zu­be­zie­hen. Ihre wei­ter oben zitier­ten Zei­len sind also nicht als Vor­wurf zu ver­ste­hen, son­dern als Beleg für die – viel weit­rei­chen­de­re – Defen­siv­po­si­ti­on ihrer selbst und ihrer Weggefährten.

Das lin­ke Umfeld (von Aus­nah­men hier und da abge­se­hen) ist Wagen­knecht feind­lich geson­nen, die Begrif­fe sind vor­erst zemen­tiert, und dort, wo sie aus­grei­fen könn­te, ste­hen Akteu­re bereit, die nicht wil­lens sind, jene The­men­fel­der zu räu­men, in denen sie gera­de erst begon­nen haben, zu reüs­sie­ren – und in denen sie noch viel vor haben.

Man kann »rechts« also das gesam­te Vor­ha­ben Wagen­knechts, die Lin­ke vor dem neo­li­be­ra­len Sumpf der “Mit­te” einer­seits und dem anti­na­tio­na­len Habi­tus des “eige­nen Lagers” zu ret­ten, ent­spannt bewerten:

  • Real­po­li­tisch, weil ein even­tu­el­les Antre­ten einer Lis­te Wagen­knecht kei­ne »fran­zö­si­schen« Fol­gen hät­te, die AfD müß­te – bei fort­wäh­ren­der sozi­al­pro­gram­ma­ti­scher Selbst­op­ti­mie­rung, ver­steht sich – kei­ne her­ben Ver­lus­te fürch­ten. 2–3 Pro­zent im Wes­ten, 4–6 Pro­zent im Osten wür­den, mei­ner Pro­gno­se nach, wirk­lich eine sol­che Lis­te wäh­len, wenn sie als direk­te Kon­kur­renz zu Links­par­tei und AfD anträte.
  • Meta­po­li­tisch, weil Sahra Wagen­knecht und ihre Mit­strei­ter mit jedem Ver­such, ideen­po­li­tisch vor­an­zu­kom­men, einen Schritt näher in unse­re Rich­tung gehen (müs­sen). Mit jedem die­ser Schrit­te aber wer­den sie suk­zes­si­ve die »kon­zept­lo­se Ver­en­gung des ideen­po­li­tisch Sag- und Trag­ba­ren« (vgl. Quer­front) inner­halb der Lin­ken spü­ren und neue Anfein­dun­gen erfahren.

Denn es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, daß die Spi­ra­le der inner­lin­ken Anti-Wagen­knecht-Agi­ta­ti­on im Zuge der Kon­kre­ti­sie­rung des Vor­ha­bens und wei­te­ren Ver­stö­ßen gegen anti­fa­schis­ti­sche Ver­hal­tens­ge­bo­te in offe­ne Abnei­gung und Haß umschlägt, ja daß die Köp­fe der anvi­sier­ten lin­ken Samm­lungs­be­we­gung aus der poli­ti­schen Lin­ken flüch­ten müs­sen – dann, erst dann wer­den die Kar­ten neu gemischt.

Bis dahin gehen wir »poli­ti­schen, anstren­gen­den, wich­ti­gen Mona­ten ent­ge­gen«, kön­nen aber zumin­dest in die­ser Hin­sicht som­mer­lich relaxt bleiben.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (11)

Der_Juergen

18. Juni 2018 16:39

Wenn sich eine hypothetische neue Linkspartei unter der Führung von Wagenknecht an Melenchons Bewegung in Frankreich orientiert, ist sie von vorne herein chancenlos. Melenchon ist ein fanatischer Werbetrommler des Grossen Austauschs. Im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen 2012 erklärte er in Marseille:

"Marseille sagt uns, dass unsere Chance die Vermischung ist. (…) Ohne die Araber und die Berber des Maghreb hat Frankreich keine Zukunft."

Ei ei, wie haben es diese Franzen bloss geschafft, ganz ohne Araber, Berber und sonstige Afrikaner zu einer der führenden Kulturnationen der Welt zu werden?

Wer in Deutschland eine Melenchon-Politik will, kann ja gleich Merkel, Nahles, Roth oder Gysi wählen. Ihre dogmatischen Scheuklappen, die sie niemals ablegen können wird, hindern Wagenknecht daran, eine Politik anzustreben, welche die Arbeiter und die sozial Benachteiligten in Deutschland anspricht. Statt Zeit an unfruchtbare Diskussionen über diese Person zu verschwenden, sollte die Rechte lieber über eine grundlegend neue Finanz- und Sozialpolitik nachdenken. Dies ist bei der AFD bisher nicht geschehen.

Lotta Vorbeck

18. Juni 2018 18:05

@Der_Juergen - 18. Juni 2018 - 04:39 PM

"... Wer in Deutschland eine Melenchon-Politik will, kann ja gleich Merkel, Nahles, Roth oder Gysi wählen. Ihre dogmatischen Scheuklappen, die sie niemals ablegen können wird, hindern Wagenknecht daran, eine Politik anzustreben, welche die Arbeiter und die sozial Benachteiligten in Deutschland anspricht. Statt Zeit an unfruchtbare Diskussionen über diese Person zu verschwenden, sollte die Rechte lieber über eine grundlegend neue Finanz- und Sozialpolitik nachdenken. Dies ist bei der AFD bisher nicht geschehen. ..."

... und auch der Schutz der Schöpfung, respektive der verantwortungsvoll-weitsichtige Umgang mit den von der Natur bereitgestellten erneuerbaren und nichterneuerbaren Ressourcen, die Vermeidung von Raubbau und Zerstörung ist ein genuin rechtes Spielfeld, welches lediglich von der antideutschen Partei "Die Grünen" gekapert wurde.

Seemann

18. Juni 2018 19:33

Nach meiner Ansicht reagiert Wagenknecht auf den Vorstoß von Björn Höcke, der kürzlich sein soziales Rentenkonzept vorgestellt hat. Die TAZ hatte geschrieben, dass die AFD im Begriff ist die sozialen Themen zu übernehmen. Wagenknecht ist nicht dumm, sie "studiert" alles sehr genau. Der AFD kann man nur raten, auf den Vorstoß von Wagenknecht zu reagieren.

Durendal

18. Juni 2018 20:43

Seehofer mag ein Opportunist sein wie sie das politische Leben stets nach oben spült, aber er muss in seiner Partei auf Kräfte Rücksicht nehmen, denen es nicht mehr reicht, dass seine Kritik an offenen Grenzen bislang keine praktischen Folgen hatte.
In der CSU gibt es nach meiner Erfahrung neben korrupten Karrieristen durchaus noch echte Konservative, und Markus Söder sollte man diesbezüglich nicht unterschätzen.
Es gibt manche in der CSU, die sehr dankbar für die Erfolge der AfD sind, weil diese die Opportunisten unter Druck setzen und die Konservativen stärken.
Die CSU bekämpft die AfD nur deshalb, weil sie in ihr eine Konkurrentin sieht und nicht etwa eine Gegnerin. Wenn Seehofer diesmal nicht konsequent bleibt, wird sie diese Konkurrenz allerdings nicht mehr los werden und sich mit ihr arrangieren.
Mittelfristig könnte sich zwischen CSU und AfD eine Konstellation herausbilden, die der zwischen SPD und Grünen vergleichbar ist und das Land schrittweise wieder in eine konservativere Richtung bringt, so wie die SPD/Grüne-Konstallation es nach links verschoben hat.

Metall-Hahn

19. Juni 2018 15:51

"Unsinn. Die Rechten definieren Identität in erster Linie genetisch, nicht kulturell. Da geht es um Blut und Boden, um biologische Ursprünge. Das ist Rassismus, den jeder vernünftige Mensch ablehnen muss."

meint Frau Wagenknecht in dem verlinkten Interview. Da hat sie die neue Rechte wohl nicht verstanden, oder wahrscheinlicher, will sie nicht verstehen. In der vorhergehenden Frage verwies der Interviewer auf die IB, die ja schon qua ihrer Selbstbezeichnung deutlich macht, dass sie Zugehörigkeit über (kulturelle) Identität und nicht über genetische Abstammung begreift.

Tatsächlich sind es nicht neurechte Akteure, die von irgendwelchen Phantasmen "rassischer Reinerhaltung" schwadronieren, sondern ausschließlich Linke, Liberale und ihre medialen Sprachrohre, die auf diese Weise einen Strohmann aufbauen und der AfD und der neuen Rechten unterschieben, wohl wissend, dass der Durchschnittswähler so einen Unsinn nicht goutiert.

Immer noch zu viele Leute, so erfahre ich immer wieder in Alltagsgesprächen, gehen diesen Strohmännern aber auf den Leim. Natürlich frage ich jedes Mal, wie sich denn ein angeblicher "Rassismus" der AfD begründen lasse. Bemüht werden zumeist einschlägig bekannte Zitatfragmente von Björn Höcke oder dergleichen (denn andere "Argumente" hat der politisch-mediale Mainstream keine aufzubieten), die zwar aus dem Kontext gerissen und bewusst bösartig umgedeutet wurden, sich aber durch mediale Dauerbeschallung in vielen Hirnen als vermeintliche Belege der "Gefährlichkeit" zumindest von Teilen der AfD (oder der neuen Rechten) festgesetzt haben.

Nun, wichtig fände ich es, die Unterscheidung zwischen biologistischem und kulturalistischem rechten Denken stärker zu propagieren, und auch klar zu machen, was jeweils daraus folgt. Das muss in die Köpfe der Leute rein, damit die vermeintliche Gleichsetzung Rechts=Rassismus nicht mehr verfangen kann. Zwar hat man linkerseits schon den Kampfbegriff vom "Kulturrassismus" in Stellung gebracht, doch dieser führt sich durch seine Widersprüchlichkeit selbst ad absurdum. Das Konzept des Ethnopluralismus, wenn man es im Sinne einer relativen Homogenität auslegt (in dem Sinne, das eine dominierende, norm- und kulturprägende Mehrheitskultur
bestehen bleiben muss) ist auf breiter Front mehrheitsfähig.

Wenn die neue Rechte die soziale Frage der neoliberal entkernten Linken konsequent entwindet, und das immer noch wirkmächtige "Stigma", das mit der politischen Kategorie "Rechts" verbunden ist aufbricht, stehen der AfD breite Wählerschichten offen. Denn AfD und neue Rechte müssen ja „gefährlich“ sein, und zwar für den Machtanspruch der Altparteien und die Deutungshoheit des linksliberalen Meinungs-Kartells.

Mariaschaab

19. Juni 2018 16:59

Die soziale Frage? Die soziale Frage sticht direkt ins Herz der Moderne, das ist der Todesschuss, an den sich niemand (erst recht nicht die Afd) trauen kann/können wird. Die Ungleichheit der Menschen sei doch zu verneinen und dürfe nicht sein, und wo sie sich doch unübersehbar bemerkbar mache, sei sie eine Folge von Unterdrückung. Weder die Rechte, noch die Linke hat doch eine Antwort darauf, was mit der Tatsache zu tun ist, dass die Mehrheit der Menschen im reichen Deutschland, allein schon aufgrund ihrer angeborenen Eigenschaften, arm bleiben wird. Solange die soziale Frage nur eine Frage der Verteilung unter der Beibehaltung von Status Quo bleibt wird sich nichts ändern.

Ergon

19. Juni 2018 20:57

Auch wenn der Text eine ganze Reihe von Fragen, die sich mir nach der Lektüre von Kubitscheks Artikel stellten, beantwortet - die zentrale Frage nach dem inhärent konfliktträchtigen Verhältnis von nationaler (im Sinne einer auf das eigene Volk bezogenen Identität) und einer projektierten europäischer Identität wird mit Formulierungen über die "Idee eines einigen Europas" und Ausführungen über den Begriff des Nationalismus als "leerer Signifikant", also als intensional unterbestimmter Begriff, der nur auf die zentrale Rolle, die die Nation oder das Volk (wobei letzeres kein Handlungssubjekt ist) in der Theoriebildung spielt, verweist, nur angeschnitten.

Exemplarisch für das konfliktträchtige Verhältnis ist die tendenziell anti-nationale Ausrichtung der Neuen Rechten, zugespitzt etwa bei Tomislav Sunić, der europäische Volksidentäten für sekundär hält, auf der einen Seite und die Kritik der AfD an der Politik der Bundesregierung in der Eurokrise auf der anderen Seite. Die AfD ist ursprünglich ein Elitenprojekt, das die Unzufriedenheit über die Antworten der Bundesregierung in die Eurokrise kanalisierte. Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland John Kornblum gab vor einigen Jahren in der New York Times einen Einblick in die Gedankenwelt der deutschen Elite, als er meinte, die deutsche sei die einzige europäische Volkswirtschaft von weltwirtschaftlicher Bedeutung, die in der Lage sei, mit den USA, China und Japan zu konkurrieren, und während der EU bislang eine Schutzfunktion zugebilligt würde, hersche nun die Befürchtung vor, von Europa mit nach unten gezogen zu werden.

Die neuerliche Diskussion über den Anstieg der Target2-Salden in

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/f-a-z-exklusiv-deutscher-target-saldo-steigt-auf-mehr-als-800-milliarden-euro-14913439.html

bezeugt die weiter vorhandende Skepsis deutscher Volkswirte. DieTarget2-Salden bildet recht exakt die diametral entgegengesetzte Interessenlage in Europa ab: Während Deutschland mit 900 Mrd. Euro (April 2018) die mit Abstand höchsten Forderungen gegenüber dem Target2-System hat, und mit deutlich geringeren Salden Luxemburg, die Niederlande und Finnland folgen, haben erwartungsgemäß Griechenland, Portugal, Frankreich, Spanien und Italien und überraschend Österreich (gewissermaßen ein innerdeutscher Konflikt), die höchsten Verbindlichkeiten.

Lotta Vorbeck

19. Juni 2018 21:37

Der Tichy-Autor TOMAS SPAHN analysierte in seinem am 4. Juni 2018 unter dem Titel

"INTERNATIONALISTISCHER NATIONALISMUS ODER SO - Das Duo Lafontaine-Wagenknecht ruft auf zum letzten Gefecht"

auf TE publizierten Beitrag den Wagenknecht-Lafontaine Vorstoß und zog folgendes Fazit:

"...

Oskar mit Marxens Federkiel

Zusammengefasst: Diese Neuauflage eines Kommunistischen Manifests enttäuscht auf ganzer Front. Es verbreitet hier und da populistische Plattheiten, die einerseits dem gesunden Menschenverstand nicht zwingend fremd sein müssen, andererseits und gleichzeitig derart fest in den historisch überholten Denkschemata der Sozialrevolutionäre von 1850 verankert sind, dass sie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Anforderungen der Zeit nicht einmal im Ansatz erahnen, geschweige denn einfordern lassen.

Das, was Oskar und Sahra hier zu Papier (oder Datensatz) gebracht haben, wirkt wie bei Kerzenlicht mit Marxens Federkiel auf brüchigem Pergament verewigt. Nicht zu einer der zukünftigen Fragen wird auch nur der Versuch einer Antwort unternommen.

Wohin mit den explodierenden Menschheitszahlen?
Wie die Rohstoffabhängigkeit der deutschen Wirtschaft bei ständig knapper werdenden Ressourcen entweder abbauen – oder aber den Zustrom zur Veredelung in deutschen Industrien gewährleisten?
Wie die Arbeitsplätze sichern, die vom globalen Markt abhängig sind?
Wie die ständig größer werdende Schere zwischen Rentenempfängern und Sozialbeitragszahlern decken?
Wie dafür sorgen, dass die Konflikte dieser Welt um Nahrung, kleinen Wohlstand und leider auch Herrschaft der Ideologie aufhören?
Wie dem beharrlichen Abbau der Freiheitsrechte durch staatliche Restriktion begegnen?
Wie die globale Umweltvernichtung als Folge ungehemmter Vermehrung in den Griff bekommen?

Nicht einmal SDAJ-Niveau

Nein, dieses #fairLand-Papier erfüllt nicht einmal das Niveau, auf dem sich in den Siebzigern die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend bewegt hat. Hier hat Oskar seine sozialistische Bandschleife in Senilität mit den überholten Rezepten von Vor-Vorgestern zusammengebastelt. Und Sahra, die in den Sprech-Schauen immer so klug daher schwätzt, hat es mit ein bisschen Klientel-gerechtem Nationalismus gewürzt. Und vermutlich dann auch den Begriff der „Bewegung“ eingebracht.

Das, was die beiden hier zu Papier gebracht haben, lohnt nicht einmal für orthodoxe Kommunisten zur Diskussion. Das hatten Marx und Engels vor über 150 Jahren schon mit mehr Intellekt und Tiefgang beschrieben. Das ist tatsächlich nur etwas für outgesourcte Sozialromantiker wie jenen bislang einzigen Bekenner Rudolf Dreßler.

Da wird es mit Sahras Eleven wohl nichts werden. Und falls doch, dann wissen wir zumindest, an welcher Stelle sich die linke Desintellektualität versammelt hat. Was vielleicht auch erklärt, warum die Autoren es ausgerechnet über Jakob Augstein haben in die Öffentlichkeit lancieren lassen. Aber lassen wir das. Über dessen Ergüsse zu philosophieren, fällt ohnehin mangels philosophierbarem Inhalt aus. Insofern: Passt schon, das mit dem Jakob, dem Oskar und der Sahra."

Link zum Volltext des TE-Artikels: https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/das-duo-lafontaine-wagenknecht-ruft-auf-zum-letzten-gefecht/

Hartwig aus LG8

20. Juni 2018 07:24

"Unsinn. Die Rechten definieren Identität in erster Linie genetisch, nicht kulturell. Da geht es um Blut und Boden, um biologische Ursprünge. Das ist Rassismus, den jeder vernünftige Mensch ablehnen muss."
meint Frau Wagenknecht in dem verlinkten Interview. Da hat sie die neue Rechte wohl nicht verstanden ...

@Metall-Hahn
... den jeder vernünftige Mensch ablehnen muss ... ???
Herkunft und Wurzeln, Vorväter und Heimaterde ... ganz ohne dies sollte es nicht gehen! Die NR sollte dies nicht leugnen, sondern klarmachen, dass das wichtige Kategorien sind. Ferner sollte sie klar machen, dass sie nicht das Geringste gegen Menschen mit anderen Wurzeln und Vorvätern hat, auch dann nicht, wenn sie in Deutschland leben. Bis zu einem bestimmten Prozentsatz!!!
Dieser Prozentsatz kann nur einstellig sein. So kann der Fremde Freund werden; so kann er eine Bereicherung sein; und nur so kann er unter Deutschen leben.
Alles darüber Hinausgehende ist eine Preisgabe unserer Heimaterde, ist ein Verschenken unseres Erbes und ein Spucken auf die Kämpfe unserer Vorväter.

Metall-Hahn

21. Juni 2018 11:59

@Hartwig aus LG8 Natürlich haben sie recht, dass eine Korrelation zwischen Identität und Herkunft ("Wurzeln, Vorväter und Heimaterde") besteht. Kulturelle Identität ist auf dem Humus gemeinsamer Herkunft gewachsen, in der über Jahrhunderte und Jahrtausende mit dem Blut der Vorväter verteidigten Heimaterde. Allerdings liegt die Identität nicht gleichsam in den Genen verankert. Die Bewohner des heutigen Deutschlands im Ausgang der Antike bestanden aus unterschiedlichsten, überwiegend germanischen, teils aber keltischen, teils (östlich der Elbe) auch slawischen Stämmen, die zudem noch infolge der Völkerwanderung (salopp formuliert) kräftig durcheinander geworfen wurden. Allerdings erwuchs aus dieser nicht allzu homogenen, aber in der Folge dauerhaft einen gemeinsamen Raum teilenden Population in Jahrhunderten qua gemeinsamem Schicksal ein Volk ganz eigentümlichen Charakters und mit einer eigentümlichen Kultur, das man bald als "diutisc" oder "theodisc" bezeichnen sollte. Durch die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters wurden weitere slawische und baltische Stämme (z.B. die "Prußen") der Volksgemeinschaft sozusagen einverleibt, sie wurden germanisiert.

Das ist für mich der entscheidende Punkt, denn ebenso ist es ja richtig, was immer wieder im politischen Mainstream gepredigt wird, dass es tatsächlich immer Einwanderung (und Auswanderung), mithin also Migrationsbewegungen gab. Allerdings waren diese quantitativ und qualitativ immer so beschaffen, dass sie nicht zu einer Überfremdung der hiesigen Kultur, sondern im Ergebnis fast immer zu einer Assimilation in die Mehrheitskultur führten - von Ausnahmen, wie zum Beispiel den schon seit Jahrhunderten Parallelgesellschaften bildenden Zigeunern, einmal abgesehen. Solche fremd bleibenden, sich also der kulturellen Assimilation widersetzenden Fremden müssen im niedrigen einstelligen Prozentbereich bleiben, bzw. müssten, denn das wird sich kaum noch durchsetzen lassen, so lange es nicht zu einer ganz grundsätzlichen politischen Trendwende kommt, und selbst dann dürfte es schwierig werden.

Neben der schieren Zahl spielt natürlich auch die Art der einwandernden Migranten eine Rolle. Europäer lassen sich leichter integrieren (und assimilieren) als Nicht-Europäer, vor allem wenn es sich um Moslems handelt (wie inzwischen durch zahlreiche Studien bestätigt). Bei einer begrenzten Zahl von "Beutetürken" im 17. und 18. Jahrhundert klappte auch das noch, nicht aber im Falle einer Masseneinwanderung in eine ohnehin bereits heterogenisierte und identitätsschwache Gesellschaft. Was dann wiederum ein weiteres Kriterium darstellt, nämlich die Verfassung der Aufnahmegesellschaft, so wie der Willen und die Möglichkeit, die eigenen Regeln und Werte effektiv durchzusetzen. Beides erscheint mehr als fraglich.

Ein eng geführter biologistischer Volksbegriff ist also sachlich nicht ganz richtig, weit geführt bedürfte er jedenfalls der Interpretation und Konkretisierung. Da dieses Terrain einstweilen allerdings (oder immer noch) kontaminiert ist, rate ich von solchen Begrifflichkeiten ab, sie führen verlässlich zu Missverständnissen, und werden vom politischen Gegner weidlich ausgeschlachtet. Meiner bescheidenen Meinung nach sollte die NR sich auf einen kulturalistischen Volksbegriff verständigen, und diesen offensiv nach Außen vertreten, wie es ja die IB bereits tut. Über weitere Implikationen dieses Begriffs kann man sich unterhalten. Damit grenzt man sich einerseits gegen den rein rechtspositivistischen Volksbegriff des Mainstreams ab, der in seiner Illusorität von immer mehr Menschen durchschaut wird (Merkel, die nicht einmal das Wort "Volk" noch in den Mund nehmen will, leistet hier unfreiwillige Schützenhilfe), andererseits von einem durch die (leider) nicht enden wollende Vergangenheit kontaminierten biologistischen Volksbegriff, der so nur noch in altrechten Kreisen vertreten wird, denen eine Anschlussfähigkeit an die öffentliche Meinung auch zukünftig verwehrt bleiben wird. Das sogar zurecht, sofern es sich um Apologeten einer gescheiterten und durch unselige Schandtaten befleckten Ideologie handelt.

WilliUebelherr

23. Juni 2018 18:27

Hallo freunde, als sozialist, kommunist und anarchist bin ich immer wieder erstaunt, in diesem umfeld die gedanken zu lesen.

Aber, ihr macht die gleichen fehler wie die sogenannte "Linke". Ihr konzentriert euch auf den parasitaeren politischen ueberbau, mit dem verweis auf teilnahme zum repraesentativen schmierentheater, statt euch um die wirklichen fragen zu kuemmern, die anstehen. Und das ist immer die unabhaengigkeit in der oekonomie, egal, wie wir uns bezeichenen.

Mariaschaab, 19. Juni 2018 16:59
"Die soziale Frage? Die soziale Frage sticht direkt ins Herz der Moderne, das ist der Todesschuss, an den sich niemand (erst recht nicht die Afd) trauen kann/können wird."

Sie/er sieht das voellig richtig. Eure anstrengungen zur abgrenzung versperren euch selbst den zugang zu euren loesungen und mit irgendwelchen konstruierten identitaeten, die dann euch in die enge treiben, wird das nichts.

Die kritik an S.Wagenknecht, sich irgendwie kuenstlich abzugrenzen, ist voellig berechtigt.

Und zur Querfront? Wir leben immer in "Querfrontstrukturen", weil sich in unserer umgebung menschen aller richtungen aufhalten. Das problem ist der versuch, kuenstliche spaltungen zu schaffen. Und im politischen ueberbau? Im repraesentativen schmierentheater? Das/den brauchen wir sowieso nicht.

mit lieben gruessen, willi
z.zt. Asuncion, Paraguay