Autors Karlheinz Weißmann. Heute Morgen können wir feststellen: Habermas ist tatsächlich 80 geworden, und irgendwie müssen wir diesen Tag begehen. Das ist nicht leicht.
Vor 150 Jahren schon schrieb Arthur Schopenhauer über Jürgen Habermas folgende Sätze:
Um nun den Mangel an wirklichen Gedanken zu verbergen, machen manche sich einen imponierenden Apparat von langen, zusammengesetzten Worten, intrikaten Floskeln, unabsehbaren Perioden, neuen und unerhörten Ausdrücken, welches (…) einen möglichst schwierigen und gelehrt klingenden Jargon abgibt. Man empfängt keine Gedanken, fühlt seine Einsicht nicht vermehrt, sondern muss aufseufzen: ‘Das Klappern der Mühle höre ich wohl, allein ich sehe das Mehl nicht.
Und Michael Klonovsky (Focus) stellt knapp fest:
Das Werk des Jürgen Habermas, liest man, sei in alle großen Sprachen der Welt übersetzt worden.
Außer ins Deutsche.
Auch Sibylle Tönnies (Soziologin) schreibt “Keine Hommage”:
Kein Thema, das der große Mann nicht angefasst – und auch kein Thema, das er nicht liegen gelassen hätte – kein Standpunkt, den er nicht vertreten – aber auch wieder aufgegeben hätte. Dabei lag er häufig im Mainstream, bekam im passenden Moment noch die Kurve oder wurde wie im Historikerstreit um die historische Einmaligkeit der NS-Verbrechen in den späten 80er-Jahren zum Trendsetter einer Aufarbeitungswelle.
Spöttische Töne? Aber ja: Spott ist die Anerkennung einer Übermächtigkeit. Habermas ist übermächtig, ganz und gar im Gegensatz zu seiner Forderung nach dem herrschaftsfreien Diskurs. Wiederum Tönnies, die als Lehrbeauftragte an deutschen Universitäten den Einblick in die Karriere-Mechanismen des Intellektuellen-Milieus hat:
Wenn die Habermas-Anhänger eine ideale Kommunikationsgemeinschaft bilden – ist die Tatsache, dass sie die Texte nicht verstehen und sich gegenseitig das Verständnis vortäuschen, dem Ideal abträglich? Und wie steht es mit der Herrschaftsfreiheit der von Habermas beeinflussten Kommunikationsgemeinschaft? Wenn Examensnoten und Karrieren von der Anerkennung seiner Theorie abhängen und Lehrstühle mit ihr erreicht oder verfehlt werden? Wenn derjenige befürchten muss in den Orkus der Dummheit geworfen zu werden, der zugibt, dass er die Diskurstheorie nicht versteht? Denn so sieht es heute im akademischen Milieu tatsächlich aus. Wenn Habermas auch in der strengen Philosophie nicht ernst genommen wird, so wird darüber doch nicht laut gesprochen. Niemand traut sich, wie das Kind in Andersens Märchen zu rufen: Der Kaiser hat ja gar nichts an!
Aber mehr als eine Feststellung solcher Geistesmonarchie ist uns nicht gegeben. Es wird noch eine Weile so weitergehen, wie Habermas es uns eingerichtet hat. Und wenn es wahr ist, daß die Diskurstheorie vor allem einen Ertrag hat: nämlich, daß sich die Intellektuellen endlich als die entscheidende Menschenklasse verstehen können – dann will von uns keiner mehr einer sein, nicht?
Die Beiträge:
Tönnies: Des Kaisers neue Kleider – keine Hommage
Klonovsky: Nur ein Diskurs kann uns retten
Scheil: Historikerstreit oder Eine Form der Herrschaftsausübung