16. August – Tochter kommt von der Schule: „Heute war‘s wieder extrem. Wir hatten sozusagen wieder – wie hast Du damals gesagt? Gehirnputztag?“
Ich: „Du meinst die Sache mit der ‘hautfarbenen’ Trommeltruppe und ihren Botschaften? Hirnwäsche?“ – Sie: “Ja, genau, das Wort. Heute war also vier Stunden lang Anti-Mobbing-Training.“
Aha, was man so alles nebenbei erfährt! Ich hatte keine Information über Ziel und Zweck dieser Übung erhalten, noch nicht einmal darüber, daß sie überhaupt stattfände.
Ich erinnere mich, daß im Kindergarten einmal im Jahr Ronald McDonald in Person vorbeikam und mit den Kleinen „Gimme five“ und so was machte. Das wurde vorher freudig verkündet, und wir ließen die Kleinen dann zu Hause für diesen Tag. Künftig wurde es dann nicht mehr angekündigt, „weil, es ist doch schade für die Kinder, wenn ihnen sowas entgeht!“
Gymnasiales Anti-Mobbing-Training gab es schon in früheren Jahren. Dazu wurden Schauspieler des Theaters Eisleben bestellt, die in den Klassen ein grob inszeniertes Stehgreif-Stück aufführten und dabei die Schüler affektiv einbezogen: „Hey, Du da, ja Du! Du grinst eh die ganze Zeit! Hältst Dich für was Besseres, ja?! Los, zeig mal den Zettel [ein präparierter Wisch], der unter Deinem Tisch klebt!“
Unsere Töchter hatte das damals enorm aufgewühlt und provoziert, aber es war (dem Urteil vom-Hören-nach) eine intelligente Art, das Modethema Mobbing (früher: Hänseln; wohl eine dieser anthropologischen Konstanten) „aufzugreifen“.
Nun hatten sie als Mobbingfachmann einen Typ namens Carsten Stahl da.
Tochter: „Den kannten ganz viele. RTL II, anscheinend. Der hat dann gleich erzählt, er habe schon 300 Fernsehauftritte hinter sich. Aber wenn einer zu ihm sagt, er ist ein Promi, dann muß er kotzen. Denn alle Menschen sind gleich, sagt er.“
„Und was hat er Euch beigebracht?“ – „Daß er als Kind rothaarig war mit Sommersprossen und deshalb dauernd gemobbt wurde. Das war schon komisch. Ich mein, kriegt man plötzlich eine andere Haarfarbe und verliert die Sommersprossen? Ich war also gleich skeptisch. Und, das war komisch, der hatte sooo Muskeln [Tochter formt die Umrisse eines Ferkels], der kam mir vor wie aus einem Comic. Ich mein, das war unnatürlich. Da wird man ja automatisch mißtrauisch.“
„Laß mich raten. Dieser Typ wurde gemobbt und wurde dadurch als Heranwachsender selbst zum Mobber? Er hat dann krasse Dinger gedreht, die er heute bereut?“ – „Ja! Also Du kennst den?“ – „Nicht wirklich, nur das Konzept. Und was hat er Euch geraten?“ – „Naja, erst mal hat er geschimpft. Wir seien doch eine Schule ohne Rassismus und mit Courage, und dennoch werde bei uns gemobbt. WIR! Also ich fand das fies. Ich hab noch nie gemobbt, und Schule ohne Rassismus mit Courage ist auch nicht grad mein Fehler. So, und dann hat er seine persönliche Geschichte erzählt. Wie er erst gemein behandelt wurde und dann selbst gemein wurde. Und dann hat er sehr geweint. Und die meisten Schüler haben schließlich auch geweint.“
„Auch die Jungs?“ – „Ja, viele. Uns stell Dir vor: auch ein paar Lehrer.“ – „Und Du?“ – ” Nein! Das war ja das Problem. Die V. und die B. haben mich dann angestoßen und gefragt, sag mal, berührt Dich das denn gar nicht? Ich hab dann gesagt, naja, der tritt doch ständig auf, hat er doch gesagt, und dann weint der immer wieder, ja? Immer an der gleichen Stelle. Oder? Und dann ging es um Formen des Mobbings. Wenn ich es richtig verstanden haben, dann ist also eigentlich ALLES Mobbing. Er hat gesagt, auch wenn die Eltern Euch was befehlen wollen, ist es Mobbing.“
„Ich ahne, wie es weiterging: Dann wurde wie damals bei den hautfarbenen Trommlern darüber abstimmen, wer von Euch gegen Mobbing ist?“ – „Genau! Alle Hände gingen hoch, logisch, auch die von den echt miesen Typen. Ich hab meinen Finger nur so [Finger schüchtern auf Brusthöhe] gehoben.“ – “Ist schon gut.“
„Und zum Schluß sollten wir noch alle unsere Unterschrift geben, daß wir gegen Mobbing sind. Ich hab dann auch unterschrieben, aber ganzganz klein, so, daß man’s kaum lesen konnte.“ – „In Ordnung. Da hast Du nichts falsch gemacht. Bei mir ist es so, daß ich entweder ganz groß unterschreibe oder gar nicht.“ – „Ja, sehe ich ähnlich. Und ich wollte eigentlich gar nicht unterschreiben. Es war ja echt albern. Was heißt das schon, wenn dort alle unterschreiben! Aber ich hatte Angst, daß mich jemand anspricht, vielleicht ein Lehrer, oder der Herr Stahl, wenn ich nicht unterschreibe. Und mich dann fragt, ob ich etwa für Mobbing bin. Oder daß dann bei Euch angerufen wird oder so.“
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18. August – Es ergab sich, daß ich gerade innerhalb kürzester Zeit zweimal „paddeln“ war. Anfang August im Spreewald, heute auf der Unstrut. Je stundenlang, je sehr schön. Ich habe rasch beschlossen, daß es besser für mich ist, vorne zu sitzen, dort, wo man arbeitet und nicht lenkt.
Ich wollte auch mal lenken, klar. Es ging gründlich schief. Beide Male. Ich war lernunfähig in dieser Hinsicht. Uns begegneten / wir überholten /uns überholten nun auf beiden Touren zusammen ungefähr 50 Boote mit gemischtgeschlechtlicher Besatzung. Überall (ich spreche nicht von „ca. 90“, sondern von 100%) saßen die Frauen vorne und die Männer steuerten. Klischee? Rollenzwang? Patriarchat? Will nicht eine mal einen #Paddelaufschrei zum Thema wagen? Und darf man eigentlich noch „Vordermann“ sagen? Jedenfalls: So war’s.
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20. August – Anruf Tochter X. Sie hätte eine dringende Frage an den Papa.
„Der ist grad draußen, kann ich’s beantworten?“ Nein, es müsse der Vater sein. Und ja, es sei sehr dringend. (Zwischenruf andere Tochter: Die X habe heute schon zweimal angerufen, um den Papa zu sprechen. Gestern war X noch zu Hause, da hatte sich die Frage nicht gestellt.)
Kubitschek wird gerufen. „Hallo Papa. Eine sehr wichtige Frage. Was würdest Du sagen, wenn ich einen Ausländer heiraten wollte?“ Jene Tochter hatte unseres Wissens noch keinen Freund. Sie ist in einem Alter, wo sie nicht einmal mit Zustimmung der Eltern heiraten dürfte.
„Also, Du willst einen Ausländer heiraten?“ – „Nur theoretisch. Ja.“ –„Ausländer im Sinne von Schweizer, Österreicher, oder…?“ – „Sagen wir mal – fernerer Ausländer. Also, nicht ganz unsere Hautfarbe.“ –„Grundsätzlich glaube ich nicht, daß man jemandem seine Liebe ausreden kann. Oder auch nur sollte. Man muß aber immer darüber nachdenken, was das für eine weitreichende Lebensentscheidung …. Moment mal, ich höre mich so hallen. Hast Du irgendwie auf laut gestellt?“ – „Ja! [kichern].“ – „Ich soll trotzdem weiterreden?“ „Moment… nö. Langt schon. Tut mir leid, Papa, wirklich leid, es war eine Wette. Ich hab sie gewonnen, mach‘s gut!“
Kinder! Womöglicher Hintergrund: In der Inszenierung eines Schultheaters hatte ein dunkelhäutiger Mitschüler eine der Hauptrollen übernommen. Ein Mitschüler hatte vernehmlich geätzt: „Klasse, jetzt flippt der Kubitschek innerlich aus!“ Die Tochter hatte den Rufer/Mitschüler gleich zu Rede gestellt. Was „der Scheiß“ denn solle. Woher er den traurigen Mut nehme, seine trüben Gedanken laut zu äußern?
Vielleicht hatte es mal wieder kleine Diskussionen gegeben. Toll, wenn sie in einer Wette gipfeln – die Spielernatur hat Tochter X von mir geerbt.
RMH
Bei Tandem-Fahrrädern ist es noch eindeutiger und hier ist es aber eine noch viel größere Strafe, den nicht lenkenden Part spielen zu müssen (der sitzt dort hinten).
Bei Oldtimer-Veranstaltungen (Automobile) fährt zu 98% auch "er" und sie - wenn sich kein Kollege als Beifahrer hat finden lassen, greift man schon mal auf ne Frau zurück - darf sich mit den Uhren und den Roadbooks mit den Chinesenzeichen herum ärgern (das ist dann eigentlich der intellektuellere Part - Frau denkt, Mann lenkt).
Bei der Fahrt der Familie im Kackfass ("jugendsprachlich" für Autos der Klasse "Van" (Sharan, Touran & Co.)) in den Urlaub - mit 7 Zoll Navi mitten in der Scheibe klebend und mindestens 3 Fahrrädern hinten auf der AHK hängend - auch klare Rollenverteilung, Papa fährt, Mama gibt die Stullen aus.
Von daher: Alles abschaffen und für alle gibt es nur noch die Sozialröhren ("jugendsprachlich" für ÖPNV). Hach, ist der Sozialismus - neuerdings auch bei Rechten aus Querfrontgründen und wegen der "sozialen Frage" beliebt - nicht herrlich?