Sonntagsheld (74) – Ein Diamant im Getriebe

Euer Widerstand soll funkeln

Der Mann der Stun­de heißt Dani­el Zabel. Das wird für die wenigs­tens Leser eine Über­ra­schung sein, vor­aus­ge­setzt, sie haben die Nach­rich­ten der ver­gan­ge­nen Tage ver­folgt. Dani­el Zabel ist der Name jenes Dresd­ner Jus­tiz­be­am­ten, der sich in der Cau­sa Chem­nitz zur Ver­öf­fent­li­chung des Haft­be­fehls gegen den ver­däch­ti­gen You­sif Ibra­him A. ent­schloss und so min­des­tens sei­ne Beam­ten­stel­le, mög­li­cher­wei­se auch sei­ne Frei­heit riskierte.

Das ist ein nobler Akt, eine klei­ne Ant­wort auf die unzäh­li­gen offe­nen Brie­fe, die von rechts immer wie­der an Poli­zei, Bun­des­wehr und Jus­tiz­ap­pa­rat adres­siert wer­den, um zum Dis­si­den­ten­tum auf­zu­sta­cheln. Sand im Getrie­be – ich erwähn­te es schon­mal – ist in aus­rei­chen­der Men­ge geeig­net, die geschmier­te Maschi­ne ernst­haft zu beschä­di­gen und gele­gent­lich sogar lahmzulegen.

Was aber, wenn die Zahn­rä­der so groß sind, mit so ver­ses­se­ner Grau­sam­keit mah­len und so rou­ti­niert inein­an­der­grei­fen, dass die klei­nen Sand­kör­ner ihnen nichts ent­ge­gen­set­zen kön­nen? Dann gibt es zwei Mög­lich­kei­ten: Ent­we­der man kapi­tu­liert, gibt auf und lässt sich mit den ande­ren Sand­kör­nern zu Staub zer­mah­len, oder man spannt sich, beißt die Zäh­ne zusam­men und wird ein Dia­mant, der den Laden auseinanderhaut.

Die­sen Schritt hat Dani­el Zabel getan. Nicht etwa durch die Ver­öf­fent­li­chung des Haft­be­fehls, son­dern durch die von ihm anschlie­ßend abge­ge­be­ne Erklä­rung in wel­cher er sich öffent­lich und unter Ver­wen­dung sei­nes Namens zu sei­ner Tat bekann­te. Kein heim­li­cher Dis­si­dent, kein nächt­li­cher Auf­kle­ber­ab­rei­ßer, kein hin­ter einem Pseud­onym ver­bor­ge­ner You­Tube-Kom­men­ta­tor, son­dern einer der in der Mit­te des Appa­ra­tes saß und die­sem Sys­tem viel­leicht gera­de dadurch ganz und gar ver­lus­tig gegan­gen ist.

Ich hän­ge die Erklä­rung von Dani­el Zabel dem Arti­kel an, sie ist inzwi­schen hun­dert­fach im Netz zu fin­den.  Nicht ver­schwei­gen möch­te ich auch, dass sich von COMPACT über Vera Lengs­feld bis hin zur AfD bereits ver­schie­de­ne Akteu­re gefun­den haben, die Zabel bei den anste­hen­den Pro­zess­kos­ten unter­stüt­zen, oder ihm gleich eine neue Stel­le anbie­ten wol­len. So muss das lau­fen – wer auf­steht wird nicht alleingelassen.

______________________________________________________________________

Erklä­rung

Mein Name ist Dani­el Zabel. Ich habe mich gemein­sam mit mei­nem Ver­tei­di­ger, Herrn Rechts­an­walt Han­nig, dazu ent­schlos­sen, mit der fol­gen­den Erklä­rung an die Öffent­lich­keit zu gehen:

Ich bin Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ter und habe im Rah­men mei­ner Tätig­keit Kennt­nis von dem Haft­be­fehl gegen einen der Tat­ver­däch­ti­gen des Tötungs­de­likts in Chem­nitz an dem Herrn Dani­el Hil­lig erhalten.

Ich habe mich ent­schlos­sen, die­ses Doku­ment, den voll­stän­di­gen Haft­be­fehl, zu foto­gra­fie­ren und der Öffent­lich­keit zur Ver­fü­gung zu stel­len. Mir war dabei klar, dass ich damit Dienst­pflich­ten ver­let­ze und ich habe auch gewusst, dass ich dadurch mit hoher Wahr­schein­lich­keit mei­nen Job ver­lie­ren werde.

Mir war aller­dings nicht klar, dass ich mich mit dem Ver­öf­fent­li­chen die­ses Doku­ments mög­li­cher­wei­se auch straf­bar gemacht habe. Dies habe ich vor allem des­halb nicht geglaubt, weil spä­tes­tens mit Eröff­nung des Haupt­ver­fah­rens die Ange­le­gen­heit ohne­hin in einer öffent­li­chen Ver­hand­lung statt­fin­den muss und ich da davon aus­ge­gan­gen bin, die Öffent­lich­keit frü­her oder spä­ter die Wahr­heit ohne­hin erfährt.

Ich habe mich aus fol­gen­den Grün­den dazu ent­schlos­sen, den Haft­be­fehl öffent­lich zu machen und damit der Öffent­lich­keit ein für alle Mal zu zei­gen, wel­che Tat nach vor­läu­fi­ger Ansicht der Staats­an­walt­schaft in Chem­nitz statt­ge­fun­den hat:

Ich möch­te, dass die Öffent­lich­keit weiß, was gesche­hen ist. Ich möch­te, dass die Spe­ku­la­tio­nen über einen mög­li­chen Tat­ab­lauf ein Ende haben und ich möch­te, dass die Medi­en nicht mehr die Hoheit haben, den tat­säch­li­chen Tat­ab­lauf in Fra­ge zu stel­len, zu mani­pu­lie­ren oder auf eine ihnen jeweils geneh­me Art und Wei­se zu ver­dre­hen. Ich möch­te, dass die gesam­te Öffent­lich­keit aus­schließ­lich die zum heu­ti­gen Zeit­punkt bekann­ten har­ten Fak­ten kennt.

Ich bin als Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ter tag­täg­lich im Brenn­punkt eines Gesche­hens, das es in unse­rem Land vor eini­gen Jah­ren in die­ser Inten­si­tät und Wei­se nicht gege­ben hat. Trotz­dem beob­ach­te ich jeden Tag, dass die meis­ten Men­schen über die Ver­än­de­run­gen in unse­rem Land belo­gen wer­den oder die Wahr­heit nicht wahr­ha­ben wol­len. Zumin­dest im Hin­blick auf den Tot­schlag oder Mord von Chem­nitz woll­te ich aber nicht mehr Teil die­ser schwei­gen­den Mas­se sein, son­dern dafür sor­gen, dass die Wahr­heit, und aus­schließ­lich die Wahr­heit ans Tages­licht kommt.

Dafür ste­he ich. Dies ist auch der Grund, war­um ich mich hier öffent­lich äuße­re. Die Kon­se­quen­zen sind mir bewusst. Ich gebe zu, dass ich durch­aus Angst habe, dass der Rechts­staat nicht mehr funk­tio­niert und ich trotz die­ses öffent­li­chen Geständ­nis­ses in Haft genom­men wer­de. Die­ses Risi­ko muss ich lei­der in Kauf neh­men. Ich ver­traue aber dar­auf, dass ich ein fai­res und rechts­staat­li­ches Ver­fah­ren krie­ge, auch wenn die Wahr­heit, die ich ver­öf­fent­licht habe, man­chen Men­schen in Deutsch­land nicht pas­sen wird.

Ich habe nicht die Absicht, etwas zu ver­dun­keln oder zu ver­tu­schen und ich habe nicht die Absicht, zu flie­hen. Ich ste­he zu dem, was ich getan habe. Für Rück­fra­gen wen­den Sie sich bit­te an mei­nen Ver­tei­di­ger Herrn Rechts­an­walt Hannig.

Hannig.Rechtsanwälte / Lock­witz­tal­stra­ße 20 / 01259 Dresden

[email protected] / Tele­fon: 0351–481870

 

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (9)

Der_Juergen

2. September 2018 17:24

Fürwahr ein würdiger Sonntagsheld. Wir brauchen zehn, hundert, tausend Zabels!

Gotlandfahrer

2. September 2018 18:01

Richtig! Spende zu Prozesskostenhilfe geht heute noch raus! DANKE!

bb

2. September 2018 19:29

Gibt es schon ein Spendenkonto?

distelfink

2. September 2018 21:41

Anderkonto Rechtsanwalt Frank Hannig, Volksbank Pirna eG
IBAN: DE27 8506 0000 1010 7044 07 — BIC: GENODEF1PR2 (Zweck: Unterstützung Zabel)

Lotta Vorbeck

2. September 2018 22:04

@bb - 2. September 2018 - 07:29 PM

Gibt es schon ein Spendenkonto?

__________________________

Anderkonto RA Hannig
DE 27 8506 0000 1010 7044 07
Unterstützung Zabel

quarz

2. September 2018 22:26

Klar, das Risiko ist nicht vergleichbar, aber: aus diesem Holz waren die Männer geschnitzt, die vor Freisler standen.

MartinHimstedt

2. September 2018 22:52

Ich habe den Haftbefehl immer noch nicht gelesen, aber ganz offensichtlich steht da nichts drinnen, was die Öffentlichkeit nicht eh schon wusste, oder?

Ob nun fünf oder fünfundzwanzig Messerstiche, je nach Filterblase, sei mal dahingestellt: Es würde weder bei den „Linken“, noch bei den Rechten irgendwas ändern.

Im vorliegenden Fall ist es noch nicht einmal so, dass ein Deutscher, für einen Böller vor einer Moschee, bei dem nix passiert ist (Dresden), knapp zehn Jahre bekommen hat – und ein Anderer für einen Mord nur Bewährung (Bergisch Gladbach). Nein, es ist noch gar kein Urteil gesprochen worden!

Man veröffentlicht also einen Haftbefehl, in dem nix drinnen steht, obwohl man weiß, dass das eine Straftat ist, stellt sich hinterher selbst und eröffnet dann ein Spendenkonto?

Lotta Vorbeck

3. September 2018 00:07

@MartinHimstedt - 2. September 2018 - 10:52 PM
"Ich habe den Haftbefehl immer noch nicht gelesen, aber ganz offensichtlich steht da nichts drinnen, was die Öffentlichkeit nicht eh schon wusste, oder? ..."

________________________

Frage: Warum haben Sie den mit wenigen Mausklicks auffindbaren Haftbefehl bisher nicht gelesen?

Andreas Walter

3. September 2018 10:29

Eine gute Wahl, für den Sonntagsheld der Woche.

Wer aber noch mehr Sand ins Getriebe dieser Diktatur werfen will, bleibt als Whistleblower besser anonym. Dadurch wächst nämlich das Misstrauen unter den Schergen dieses kranken Systems und damit deren Zusammenhalt.

Die eigentlichen Helden allerdings, schon letzte Woche, sind die 3 Männer die versucht haben einen Raubüberfall zu verhindern.

@MartinHimstedt

Der entscheidende Unterschied liegt im Narrativ der gesamten Lügenpresse und dem Haftbefehl.

Laut Haftbefehl sind die Täter nämlich nach der ersten erfolgreichen Abwehr ihres versuchten Raubüberfalls (ohne Messereinsatz) erstmal abgezogen, um kurze Zeit später dann mit 6 bis 8 Mann Verstärkung und Messern wiederzukommen.

Das Eine könnte man nämlich noch als Streit mit unmittelbarem Totschlag im Affekt auslegen.

Das Andere aber ist organisierter Mord sogar einer Gruppe dann in Überzahl mit bewusster Tötungsabsicht.

Denn hätte Affekt vorgelegen, hätte der oder hätten die Täter schon beim ersten Angriff und Streit ihre Messer gezogen. Was aber nicht der Fall war. Es ist sogar möglich, dass sich die Täter die Messer sogar erst noch organisiert haben, bevor sie dann mit Verstärkung wiederkamen.

Das ist dann so wie wenn einer nach einem Streit erst nach Hause geht, seine Waffe holt und danach zurückkehrt, um den Kontrahenten dann umzubringen, bewusst zu töten.

Zwei der Opfer, jetzt schwerverletzt und immer noch im Krankenhaus, haben den zweiten Angriff dann mit Messern also nur durch Glück im Unglück überlebt, sonst wären jetzt drei Helden tot.

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.