Notizen zum polnischen Unabhängigkeitstag

Am 11. November sah ich mir den alljährlichen Marsch zur Feier der polnischen Unabhängigkeit in Warschau aus nächster Nähe an.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Es war ein über­wäl­ti­gen­des Erleb­nis. Hier – es muß sein! – ein paar Bei­spie­le, wie die deutsch­spra­chi­ge Pres­se das Ereig­nis, an dem rund 250,000 Men­schen teil­nah­men, darstellt:

“Zehn­tau­sen­de Polen mar­schier­ten neben Faschis­ten in War­schau” (pro­fil)

“Hun­dert­tau­sen­de bei rech­tem Marsch zur pol­ni­schen Unab­hän­gig­keit… Regie­rungs­ver­tre­ter lie­fen an der Sei­te rechts­extre­mer Grup­pen mit.” (Die Zeit)

“War­schau: Belas­te­ter Marsch zur Unab­hän­gig­keit Polens… Die PiS-Regie­rung ver­such­te die Ober­ho­heit der Fei­er von Rechts­extre­men zurück­zu­ge­win­nen.” (Die Presse)

“Hass­de­mons­tra­ti­on zum Geburts­tag” (taz)

“Rechts­extre­me und Regie­rung” mar­schie­ren Sei­te an Sei­te um den 100. Geburts­tag der Nati­on zu fei­ern: Nach bun­des­deut­schen Mus­tern ver­such­te die Pres­se also, den Marsch per “Kon­takt­schuld” zu dis­kre­di­tie­ren und zum Schre­ckens­bild zu sti­li­sie­ren. Tat­säch­lich fand eine Koope­ra­ti­on zwi­schen der Regie­rungs­par­tei PiS und der natio­na­lis­ti­schen Grup­pe Natio­nal­ra­di­ka­les Lager (ONR) statt, die den Marsch bereits in den Vor­jah­ren mit­or­ga­ni­siert hat.

Die Zeit berichtete:

Erst­mal betei­lig­te sich nun auch die regie­ren­de Par­tei am Marsch zum Tag der Unab­hän­gig­keit. Die Regie­rungs­spre­che­rin Joan­na Kop­cińs­ka bezeich­ne­te den Umzug als “den größ­ten Marsch frei­er Polen in einem frei­en Polen”.  Zu Beginn der Ver­an­stal­tung sag­te Prä­si­dent Andrzej Duda: “Es ist Platz für jeden unter unse­ren Fahnen.”

Aller­dings ging die Regie­rung im Vor­feld des Mar­sches gegen etli­che radi­ka­le Grup­pen und Ein­zel­per­so­nen vor; es gab Ver­haf­tun­gen und Haus­durch­su­chun­gen in der natio­na­lis­ti­schen Sze­ne. Die Bür­ger­meis­te­rin von War­schau, ver­such­te sogar, den Marsch zu ver­bie­ten, was ihr aller­dings per Gericht unter­sagt wur­de. Die ehe­ma­li­ge Vor­sit­zen­de der pol­ni­schen Zen­tral­bank ist Mit­glied der Par­tei  “Bür­ger­platt­form” (Wiki­pe­dia ist sich nicht so recht einig, ob man die­se als “links­li­be­ral”, “libe­ral­kon­ser­va­tiv” oder “sozi­al­li­be­ral” bezeich­nen soll).

Der Grund, war­um ein sol­cher Boy­kott auch im “libe­ra­len” War­schau nicht funk­tio­niert,  ist meta­po­li­ti­scher Art: in Polen herrscht ein ein­ge­fleisch­ter natio­nal-patrio­ti­scher und anti­kom­mu­nis­ti­scher Kon­sens, der nicht erst in der Mit­te beginnt, und der in der Tat bis weit nach rechts reicht.

An die­ser Stel­le fällt mir immer mei­ne pol­ni­sche WG-Mit­be­woh­ne­rin aus Stu­den­ten­zei­ten ein, die an einer Kreuz­ber­ger Haus­mau­er den Slo­gan “No bor­der, no nati­on” erspäh­te, und ob die­ser “natio­na­lis­ti­schen Polen­feind­lich­keit” hell­auf empört war: Sie nahm ganz selbst­ver­ständ­lich an, daß hier von der Oder-Nei­ße-Gren­ze die Rede war, was denn sonst?

Sie war eben­so links­li­be­ral und ame­ri­ka­ni­siert wie ihr Hip-Hop hören­der und Skate­board fah­ren­der jün­ge­rer Bru­der, der es nicht fas­sen konn­te, daß es in Ber­lin einen “Lieb­knecht-Luxem­burg-Gedenk­marsch” gibt. “Ist doch gut, daß sie das alte Mist­stück recht­zei­tig erschos­sen haben! Sonst wären die Rus­sen 20 Jah­re frü­her in Ber­lin gewe­sen!” Und damit auch in Polen.

Gewiß nah­men an dem pyro­tech­nisch gesät­tig­ten Spek­ta­kel zahl­rei­che natio­na­lis­ti­sche Grup­pen und Fuß­ball­hoo­li­gans mit mar­tia­li­schen Wap­pen teil, wobei Natio­na­lis­ten aus ganz Euro­pa ange­reist waren, um an dem Marsch teil­zu­neh­men: Ver­ein­zelt tauch­ten Ungarn, Tsche­chen und Slo­wa­ken auf, aber auch Ver­tre­ter von Län­dern, die in der Ver­gan­gen­heit mit Polen häu­fig im Clinch lagen wie Litau­en und Ukrai­ne. Aller­dings wur­de mir berich­tet, daß an den Rän­dern der Demons­tra­ti­on ukrai­ni­sche Fah­nen ver­brannt wur­den – eben­so wie Fah­nen der Euro­päi­schen Union.

Auch etli­che katho­li­sche Grup­pen (dar­un­ter vie­le Non­nen) und Abtrei­bungs­geg­ner hat­ten ihre Insi­gni­en mit­ge­bracht. Es ist eine Beson­der­heit der katho­li­schen Kir­che Polens, daß sie firm natio­nal aus­ge­rich­tet ist, ganz im Gegen­satz zum durch und durch glo­ba­lis­ti­schen Kle­rus Deutsch­lands. Par­tei­fah­nen – wie etwa des “Natio­nal­ra­di­ka­len Lagers” – konn­te ich nur gele­gent­lich sehen.

Irgend­wann tauch­te im Fah­nen­meer auch ein iden­ti­tä­res Ban­ner auf, gehißt von einer Grup­pe Hol­län­der. Der IB-Akti­vist Robert Timm, der zusam­men mit Dani­el Fiß einen Doku­men­tar­film über den Marsch dreh­te, äußer­te dar­ob sein Miß­fal­len, und ich kann ihm nur zustim­men. Die­ser Tag soll­te der pol­ni­schen Nati­on allein gehören.

Ich kann aller­dings auch bezeu­gen, daß es sich bei der über­wäl­ti­gen­den Mehr­heit der Teil­neh­mer, die sich mit den rot-wei­ßen Natio­nal­far­ben schmück­ten und aber­tau­sen­de Fah­nen schwenk­ten, um ganz nor­ma­le Bür­ger aller Alters­stu­fen und Schich­ten han­del­te, dar­un­ter vie­le Fami­li­en, mit einem enorm hohen Anteil an jun­gen Män­nern und (auf­fal­lend hüb­schen) Frau­en. Ohne Über­trei­bung kann man sagen, daß an die­sem nebe­li­gen Novem­ber­sonn­tag tat­säch­lich “das Volk” auf der Stra­ße war.

Man kann das mit den patrio­ti­schen Demons­tra­tio­nen in Deutsch­land (etwa PEGIDA und sei­ne Able­ger) kaum ver­glei­chen. Die­se sind zah­len­mä­ßig wesent­lich klei­ner, haben einen deut­lich höhe­ren Alters­durch­schnitt und vor allem nicht den Kon­sens der “Mehr­heits­ge­sell­schaft” im Rücken.

Laut Zeit waren fol­gen­de Slo­gans zu hören:

Meh­re­re Hun­dert Meter hin­ter dem Regie­rungs­zug war auf den Ban­nern rech­ter Grup­pen die Auf­schrift “Gott, Ehre, Hei­mat­land” zu lesen. Die Teil­neh­mer der Kund­ge­bung tru­gen Fackeln und natio­na­le Flag­gen. Neben dem Slo­gan “Stolz, Stolz, Natio­nal­stolz” waren auch die Rufe “USA, Reich des Bösen” und “Polen, weiß und katho­lisch” zu hören.

Dage­gen ist abso­lut nichts ein­zu­wen­den. Es gibt Hoff­nung, daß Polen noch über genug Abwehr­kräf­te ver­fügt, um dem glo­ba­lis­ti­schen Wahn­sinn von Kul­tur- und Bevöl­ke­rungs­aus­tausch stand­zu­hal­ten, der heu­te den Wes­ten ver­zehrt und ent­kernt. Wenn man als West­eu­ro­pä­er nach War­schau und Polen gene­rell gelangt, springt einem sofort der gerin­ge Aus­län­der­an­teil ins Auge. Es ist, als ob man ein Fens­ter in die eige­ne Ver­gan­gen­heit betritt, ehe die “Umvol­kung” ein­ge­setzt hat (ein Begriff, den die Lin­ke inzwi­schen höh­nisch adap­tiert hat).

Auf­fäl­lig ist auch die Ver­schie­den­heit der Typen und Phy­sio­gno­mien. Als ich am frü­hen Mor­gen am Bahn­hof War­schau ein­traf, bot sich mir eine Flut unver­kenn­bar ost­eu­ro­päi­scher Cha­rak­ter­köp­fe dar, dar­un­ter vie­le Men­schen mit offen­bar nicht all­zu viel Geld und Wohl­stand, Arbei­ter­ge­sich­ter, in denen das Leben deut­li­che Spu­ren hin­ter­las­sen hat.

Im Gegen­satz zu den Hor­ror­schlag­zei­len der taz konn­te ich wäh­rend des Mar­sches kei­nen “Haß” bemer­ken. Zumin­dest ver­ste­he ich dar­un­ter etwas ande­res, als die Demons­tra­ti­on von Natio­nal­stolz und Wehr­be­reit­schaft. Es herrsch­te eine beleb­te, gesel­li­ge, posi­ti­ve Atmo­sphä­re vor, viel­leicht mit Neu­jahrs­fei­ern zu ver­glei­chen. Ich habe kei­ner­lei Kra­wal­le bemerkt, der Men­schen­zug beweg­te sich trotz sei­ner Grö­ße geord­net und ruhig vor­an, und der Abfall lan­de­te tat­säch­lich größ­ten­teils in den Mülltonnen.

Der Unter­schied zu Deutsch­land ist der­art frap­pie­rend, daß man das Gefühl hat, ein Par­al­lel-Uni­ver­sum betre­ten zu haben. Ein stär­ke­rer Kon­trast zu dem ver­drucks­ten bun­des­deut­schen “Natio­nal­ma­so­chis­mus” ist kaum denk­bar. Und wenn man aus Deutsch­land kommt (Öster­reich geht es ein biß­chen bes­ser), dann ist ein sol­ches Kon­trast­pro­gramm über­aus erfri­schend, ja begeis­ternd. Gewiß kann ich mir vor­stel­len, daß der­lei Kund­ge­bun­gen auch ner­ven oder unge­sund wer­den kön­nen, wenn sie all­zu häu­fig werden.

Wie wohl so man­cher Deut­sche oder Öster­rei­cher mit his­to­ri­schem Bewußt­sein konn­te ich mich aller­dings einer gewis­sen Gefühls­am­bi­va­lenz nicht erweh­ren. Daß sich Polen so viel Patrio­tis­mus und Natio­nal­ge­fühl bewahrt hat, ver­dankt es gewiß auch sei­nem Selbst­bild als Dau­er­op­fer der Geschich­te, als “Chris­tus unter den Natio­nen”, immer wie­der von Fremd­mäch­ten besetzt und geteilt, immer wie­der um sei­ne Frei­heit kämp­fend. Ins­be­son­de­re, wenn Deutsch­land und Russ­land sich zusam­men­schlos­sen, wür­de es für Polen ungemütlich.

Ich wur­de wäh­rend des Mar­sches Zaun­gast einer bezeich­nen­den Sze­ne: eine klei­ne Grup­pe Patrio­ten hat­te sich in Uni­for­men der pol­ni­schen Armee der Zwi­schen­kriegs­zeit geklei­det, und recht­fer­tig­te sich vor einem ame­ri­ka­ni­schen Fern­seh­team: “Wir sind kei­ne Nazis oder Faschis­ten. Die pol­ni­sche Nati­on ist nicht Nazi. Wir haben dage­gen gekämpft, gegen Nazis und Kom­mu­nis­ten…” Und er ver­wies auf angeb­li­che Auf­mär­sche tau­sen­der “ech­ter” Nazis im Nach­bar­land Deutsch­land (ich habe kei­ne Ahnung, auf wel­che Art von Fake-News er sich hier bezog), was doch viel schlim­mer sei, als alles, was in Polen gele­gent­lich an Dumm­hei­ten passiere.

In Wahr­heit war Polen kei­nes­wegs ein unbe­tei­lig­tes, pas­si­ves Opfer des zwei­ten Welt­kriegs, son­dern trug erheb­li­che Mit­schuld an sei­ner “Ent­fes­se­lung”. Die nach fast 150 Jah­ren Tei­lung frisch auf­er­stan­de­ne Nati­on von 1918 ver­hielt sich gegen­über ihren Nach­bar­län­dern ziem­lich aggres­siv, führ­te Erobe­rungs­krie­ge gegen die kurz­le­bi­ge Ukrai­ni­sche Volks­re­pu­blik (1918–19), das bür­ger­kriegs­ge­beu­tel­te Sowjet­russ­land (1919–21) und gegen das eben­falls frisch in die Unab­hän­gig­keit ent­las­se­ne Litau­en (1920). 1921 ver­such­ten Kor­fan­tys Trup­pen, Ober­schle­si­en zu beset­zen, was durch deut­sche Frei­korps erfolg­reich abge­wehrt wur­de. Nahe­zu ver­ges­sen ist heu­te auch, daß sich Polen 1938 im Züge des Mün­che­ner Abkom­mens ein Stück des Tesche­ner Lan­des einverleibte.

Eth­ni­sche Min­der­hei­ten muß­ten im Polen der Zwi­schen­kriegs­zeit etli­che Repres­sio­nen erlei­den. Das Volks­tum der Ukrai­ner, Weiß­rus­sen, Juden und Deut­schen wur­de unter­drückt, teil­wei­se auch gewalt­sam; berüch­tigt wur­den die von Mas­sa­kern (“Brom­ber­ger Blut­sonn­tag”) gefolg­ten Inter­nie­run­gen der Volks­deut­schen im Jahr 1939, die von der NS-Pro­pa­gan­da weid­lich aus­ge­schlach­tet wur­den.

Ste­fan Scheil hat die fata­le pol­ni­sche Groß­macht­po­li­tik der Zwi­schen­kriegs­zeit gut dar­ge­stellt, sie­he etwa hier.  Von den pol­ni­schen Ver­bre­chen wäh­rend der Ver­trei­bun­gen der Jah­re 1945–47 will ich gar nicht erst anfan­gen, auch nicht von den ober­schle­si­schen Lagern für Volks­deut­sche nach dem 2. Welt­krieg, in denen grau­sam Rache geübt wurde.

Davon ist in der Erin­ne­rungs­po­li­tik sowohl Deutsch­lands als auch Polens wenig bis gar nichts übrig­ge­blie­ben, mit posi­ti­ven Fol­gen für die einen und nega­ti­ven für die ande­ren. War­schau ist vol­ler Monu­men­te und Gedenk­ta­feln, die an die Zeit der deut­schen Besat­zung erin­nern, etwa an den Auf­stand im War­schau­er Ghet­to (1943) und den War­schau­er Auf­stand (1944), der angeb­lich zwi­schen 150.000–225.000 zivi­le Opfer forderte.

Auch die Erin­ne­rung an die sowjet­rus­si­sche Besat­zung wird leben­dig gehal­ten – par pro toto steht dafür das Geden­ken an das Mas­sa­ker von Katýn. Zu letz­te­rem gibt es sogar eine Art Meta-Monu­ment von erheb­li­cher Grö­ße, das an den Tod des dama­li­gen Prä­si­den­ten Lech Kac­zyń­ski erin­nert, der 2010 auf dem Weg zu den Katýn-Gedenk­fei­ern in Smo­lensk durch einen Flug­zeug­ab­sturz umkam.

Da Polen zen­tra­ler Schau­platz des Holo­caust war, trach­ten die Polen auch auf die­sem Gebiet, ihre gedenk­po­li­ti­sche Wes­te rein­zu­hal­ten. Das 1998 ver­ab­schie­de­te “Gesetz über das Insti­tut des Natio­na­len Geden­kens” hat böse gesagt den pri­mä­ren Zweck, ein all­zu hef­ti­ges Rüt­teln an der pol­ni­schen Opfer­rol­le gesetz­lich zu unter­bin­den. Auch hier haben wir es mit einer kom­plet­ten Umkeh­rung der Grund­sät­ze der deut­schen Gedenk­po­li­tik zu tun, die jeg­li­chen Ver­such einer his­to­ri­schen Ent­las­tung Deutsch­lands sank­tio­niert, sei es auf lega­lem oder sons­ti­gem Wege.

Im Febru­ar 2018 wur­de ein Zusatz, das soge­nann­te “Holo­caust-Gesetz”, ver­ab­schie­det, wonach mit Gefäng­nis­stra­fen von bis zu drei Jah­ren geahn­det wer­den sol­le, wenn Polen „fak­ten­wid­rig die Ver­ant­wor­tung oder Mit­ver­ant­wor­tung für Ver­bre­chen“ zuge­schrie­ben wer­de, „die durch das Drit­te Deut­sche Reich began­gen wur­den“. Dar­un­ter fal­len auch miß­ver­ständ­li­che For­mu­lie­run­gen wie „pol­ni­sche Vernichtungslager“.

Dies führ­te dazu, daß Isra­el star­ken diplo­ma­ti­schen Druck auf Polen aus­üb­te. Man wit­ter­te wohl den Ver­such, sich dem geschichts­po­li­ti­schen Zugriff (lies: der mora­li­schen Erpres­sung) zu ent­zie­hen. Es kam schließ­lich zu einem Kom­pro­miß, und im Juni 2018 wur­de in etli­chen deut­schen Leit­me­di­en, unter ande­rem der FAZ, eine Anzei­ge geschal­tet, in der zu lesen stand:

Es liegt auf der Hand, dass der Holo­caust ein bei­spiel­lo­ses Ver­bre­chen war, das Nazi­deutsch­land gegen das jüdi­sche Volk ein­schließ­lich aller Polen jüdi­scher Her­kunft began­gen hat. Polen hat stets höchs­tes Ver­ständ­nis für die Bedeu­tung des Holo­caust als des tra­gischs­ten Abschnitts der Geschich­te des jüdi­schen Vol­kes zum Aus­druck gebracht.

Wir erken­nen an, dass es Fäl­le von Grau­sam­keit gegen Juden gege­ben hat, die wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs von Polen began­gen wur­den, und wir ver­ur­tei­len jeden ein­zel­nen die­ser Fälle.

Es ist uns eine Ehre, an das hel­den­haf­te Ver­hal­ten vie­ler Polen, ins­be­son­de­re der Gerech­ten unter den Völ­kern, zu erin­nern, die ihr eige­nes Leben in Gefahr brach­ten, um jüdi­sche Men­schen zu retten.

Wir wei­sen Ver­su­che zurück, Polen oder die pol­ni­sche Nati­on ins­ge­samt für die Grau­sam­kei­ten ver­ant­wort­lich zu machen, die die Nazis und ihre ver­schie­de­nen Natio­nen ent­stam­men­den Kol­la­bo­ra­teu­re began­gen haben. Lei­der ist es eine bedau­er­li­che Tat­sa­che, dass eini­ge Men­schen – unab­hän­gig von Her­kunft, Reli­gi­on oder Welt­an­schau­ung – sich damals von der schlech­tes­ten Sei­te gezeigt haben.

Die Mit­schuld­fra­ge wur­de sozu­sa­gen auf die “Einzelfall”-Ebene ver­legt. Da bleibt aller­dings immer noch die Fra­ge nach den anti­jü­di­schen Pogro­men offen, die in Polen nach dem Krieg ver­übt wur­den. Nach dem pol­nisch-jüdisch-ame­ri­ka­ni­schen His­to­ri­ker Jan Tomasz Gross war die Empa­thie der Polen für die Juden nach 1945 nicht all­zu groß; das Schick­sal des eige­nen Vol­kes wog schwe­rer, wäh­rend der Anti­se­mi­tis­mus eine lan­ge Tra­di­ti­on in Polen hat. Hin­zu kam, daß Juden unter den Kom­mu­nis­ten Polens stark ver­tre­ten waren, sowohl in der Vor­kriegs- als auch Nachkriegszeit.

Immer­hin haben die Polen es geschafft, fol­gen­den Pas­sus in der Erklä­rung unterzubringen:

Bei­de Regie­run­gen ver­ur­tei­len ent­schie­den alle For­men des Anti­se­mi­tis­mus, und sie äußern ihr vol­les Enga­ge­ment, ihm in allen For­men ent­ge­gen­zu­tre­ten. Bei­de Regie­run­gen brin­gen auch ihre nega­ti­ve Hal­tung gegen­über Anti­po­lo­nis­mus und ande­ren nega­ti­ven natio­na­len Ste­reo­ty­pen zum Ausdruck.

Man stel­le sich vor, die deut­sche Regie­rung wür­de sich mit Isra­el dar­auf eini­gen, daß nicht nur Anti­se­mi­tis­mus, son­dern auch “Anti­ger­ma­nis­mus” ver­ur­teilt wer­den muß!

Ein paar Mona­te spä­ter soll­ten Polen und Isra­el erneut gemein­sam in die Schlag­zei­len gera­ten. Am 20. Novem­ber 2018 mel­de­te die Pres­se, daß bei­de Staa­ten erklärt hat­ten, den im Dezem­ber fäl­li­gen UN-Migra­ti­ons­pakt nicht zu unterzeichnen.

Der Wider­stand gegen die­sen “Pakt” zeigt sich nicht zufäl­lig am deut­lichs­ten in Län­dern mit einem star­ken Natio­nal­be­wußt­sein (neben Polen auch Ungarn, das gute Bezie­hun­gen zu Isra­el pflegt) oder Län­dern, in denen ein Trend zur natio­na­len Selbst­be­sin­nung erkenn­bar ist (Öster­reich).

Das Geschichts­bild, das sich in Polen durch­ge­setzt hat, hat gute und schlech­te Sei­ten. Es immu­ni­siert die Polen dage­gen, sich ein schlech­tes Gewis­sen machen zu las­sen und stärkt ihre Wider­stands­kraft gegen glo­ba­lis­ti­sche Agen­den. Die Schat­ten­sei­te ist, daß dies, wie üblich, auf Kos­ten Deutsch­lands geht, dem die ewi­ge Täter- und Allein­schuld­rol­le zuge­spielt wird. Ein Selbst­bild, das die deut­schen Wider­stands­kräf­te der­art geschwächt hat, daß das “Finis Ger­ma­niae” in greif­ba­re Nähe gerückt ist.

Der Wider­stand gegen den Glo­ba­lis­mus ist aller­dings auch im gesamt­eu­ro­päi­schen Inter­es­se wich­ti­ger als der Streit um das “rich­ti­ge” Geschichts­bild. Man soll den Polen ihre Per­spek­ti­ve gön­nen, und sich freu­en, daß sie zumin­dest in die­ser Hin­sicht weni­ger kor­rum­piert sind als ande­re Völ­ker Euro­pas. Ein “Schuld­kult” à la Deutsch­land ist das letz­te, was ich den Polen (oder irgend­ei­nem ande­ren Volk) wün­sche.  Sie haben im gro­ßen Stil nichts ande­res gemacht, als die Öster­rei­cher, die sich nach 1945 zu den “ers­ten Opfern Hit­lers” erklär­ten, wodurch die “Bewäl­ti­gung” weni­ger tief ein­ge­si­ckert ist als in West­deutsch­land. Und das hat­te lang­fris­tig gese­hen posi­ti­ve Fol­gen. 2010 habe ich auf die­sem Blog anläß­lich einer Rei­se nach Nie­der­schle­si­en ein wenig über die­ses Phä­no­men nachgedacht.

Die schlech­te Nach­richt ist, daß auch in Polen der kul­tur­mar­xis­ti­sche Wurm ein­ge­drun­gen ist. Hier kann man Auf­nah­men einer klei­nen Gegen­de­mons­tra­ti­on sehen, auf der Regen­bo­gen­fah­nen geschwenkt wur­den, und eine jun­ge Frau im “Social-Justice-Warrior”-Look den Unab­hän­gig­keits­tag als “Fei­er­tag für wei­ße und katho­li­sche Män­ner” anprangerte.

In einem aktu­el­len, detail­ier­ten Arti­kel für Ame­ri­can Renais­sance beschreibt ein in Polen leben­der, ame­ri­ka­ni­scher “Expat” die Lage:

Von außen betrach­tet erscheint Polen wie eine wei­ße Fes­tung, die Ein­wan­de­rer abweist, Schwu­le igno­riert und an tra­di­tio­nel­len Nor­men fest­hält. Und den­noch hat sich das kul­tu­rel­le Para­dig­ma seit dem ent­schei­den­den Wahl­sieg der “Recht und Gerechtigkeit”-Partei (PiS) im Jah­re 2015 kon­ti­nu­ier­lich ver­scho­ben. Libe­ra­lis­mus und Kul­tur­mar­xis­mus sind in der Offen­si­ve, wäh­rend sich der Natio­na­lis­mus auf dem Rück­zug zu befin­den scheint.

Schuld gibt der Autor vor allem den “Cuck­ser­va­ti­ves” der PiS. Obwohl die Regie­rungs­par­tei gegen Mer­kels Flücht­lings­po­li­tik gewet­tert hat, hat Polen eine viel grö­ße­re Anzahl an syri­schen “Flücht­lin­gen” auf­ge­nom­men, als die EU ursprüng­lich ver­lang­te. Die meis­ten sei­en aller­dings rasch wie­der weitergezogen.

Den­noch gebe es eine wach­sen­de Zahl von lega­len Wirt­schafts­mi­gran­ten. In War­schau sei­en immer häu­fi­ger auch far­bi­ge Men­schen zu sehen, ins­be­son­de­re Inder, die für “Uber Eats” arbei­ten. Der pol­ni­sche Pre­mier­mi­nis­ter Mate­usz Mora­wi­ecki habe neu­lich gegen­über Ange­la Mer­kel geprahlt, daß Polen zahl­rei­che Migran­ten aus Usbe­ki­stan auf­ge­nom­men habe. Der Autor nennt etli­che Fäl­le von ter­ro­ris­ti­schen Akti­vi­tä­ten, Ver­ge­wal­ti­gun­gen, Mor­den und Gewalt­ta­ten, ver­übt von Ara­bern, Tune­si­ern, Mar­rok­ka­nern, Indern, Tsche­tsche­nen und Geor­gi­ern. Im Par­la­ment sit­zen bereits zwei schwar­ze Abgeordnete.

Noch sei die Gesamt­la­ge erträg­lich, aber genau so habe es in den west­li­chen Län­dern auch begonnen:

Die meis­ten Aus­län­der berei­ten kei­ne Pro­ble­me, aber wir soll­ten uns bewußt sein, daß die Migran­ten, die in fünf­zi­ger und sech­zi­ger Jah­ren nach Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich kamen, nicht sofort anfin­gen, Ter­ror­an­schlä­ge zu pla­nen, Frau­en zu beläs­ti­gen, Wohl­fahrt zu ver­lan­gen und Scha­ria-Gerich­te zu instal­lie­ren. Sie zähl­ten oft zu den bes­ten Leu­ten in ihren Hei­mat­län­dern. Das Gewicht ver­schob sich erst durch den Nach­zug ihrer erwei­ter­ten Fami­li­en und Freun­de in gro­ßen Scharen. (…)

Mein Punkt ist die­ser: Das Leben in Polen wird für Nicht-Wei­ße immer ein­fa­cher, wodurch das Land für eine gro­ße Anzahl von Migran­ten aus der Drit­ten Welt attrak­tiv wird. Die Din­ge könn­ten sich verschlimmern.

Im Mai hat Polen – neben Deutsch­land, Öster­reich und den meis­ten ande­ren EU-Län­dern – in Mar­ra­kesch eine wei­te­re UNO-Dekla­ra­ti­on unter­schrie­ben, von der Sie bis­lang noch nie etwas gehört haben (Had­mut Danisch berich­te­te darüber).

Eine der Ziel­set­zun­gen der “Poli­ti­schen Erklä­rung von Mar­ra­kesch” ist, “für regu­lä­re Migra­ti­on und Mobi­li­tät zwi­schen Euro­pa und Nord‑, West- und Zen­tral­afri­ka zu wer­ben, beson­ders jun­ger Men­schen und Frau­en”, sowie “gegen Frem­den­feind­lich­keit, Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung zu kämp­fen.” Erstaun­li­cher­wei­se hat die­sel­be Regie­rung, die regel­mä­ßig gegen­über ihren Bür­gern und der aus­län­di­schen Pres­se damit prahlt, kei­ne Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men, ein Abkom­men zur Ankur­be­lung afri­ka­ni­scher Ein­wan­de­rung unterzeichnet.

Wei­te­res Anzei­chen des kul­tur­mar­xis­ti­schen Ver­falls sei der Auf­stieg der Schwulenlobby:

Jedes Jahr wird die Schwu­len­pa­ra­de in War­schau grö­ßer und grö­ßer, wäh­rend die jähr­li­che Pro-Leben‑, Pro-Fami­li­en-Para­de nur einen Bruch­teil an Teil­neh­mern anzieht. Und dies in einem Land, das offi­zi­ell zu 95% katho­lisch ist. Wie im Wes­ten wer­ben die Befür­wor­ter der Homo­se­xua­li­tät für ihre Nei­gun­gen. Regen­bo­gen­far­be­ne Tasche sind ein ein häu­fi­ger Anblick in der Hauptstadt.

Eben­so rasch brei­ten sich femi­nis­ti­sche Ideen aus: Lin­ke, beson­ders Femi­nis­tin­nen, sei­en fana­ti­sche Befür­wor­ter der Abtrei­bung und ver­lan­gen nach deren tota­ler Libe­ra­li­sie­rung (zur Zeit ist Abtrei­bung nur in Son­der­fäl­len erlaubt: Ver­ge­wal­ti­gung, Bedro­hung des Lebens der Mut­ter, schwe­re Geburts­de­fek­te). Zu die­sem Zweck gibt es in War­schau auch einen all­jähr­li­chen “Schwar­zen Marsch”, auf dem sich Frau­en in Schwarz klei­den und ihr “Recht” auf Abtrei­bung einklagen.

Polen hat eine der nied­rigs­ten Ver­ge­wal­ti­gungs­ra­ten Euro­pas. Es ist iro­nisch, daß Femi­nis­tin­nen oft mehr Ein­wan­de­rung aus der Drit­ten Welt for­dern, was mit Sicher­heit die Häu­fig­keit von Ver­ge­wal­ti­gun­gen erhö­hen wür­de. Femi­nis­ti­sche Ideen brei­ten sich immer wei­ter und wei­ter aus, wäh­rend die Frau­en die Män­ner eher als Riva­len denn als Gefähr­ten betrach­ten, und das Fami­li­en­le­ben eher als Bür­de denn als Segen.

Eben­so habe sich die Prä­senz von Anti­fa­schis­ten und Links­ra­di­ka­len ver­stärkt. Ihr Ziel sei es, “die pol­ni­sche Geschich­te in den Dreck zu zie­hen”. Im Gegen­satz zu den meis­ten Polen haben sie eine instink­ti­ve Abscheu vor allem, was patrio­tisch oder natio­na­lis­tisch ist. Die­se lin­ken Grup­pen sei­en unter ande­rem auf­ge­taucht auf:

Demons­tra­tio­nen gegen Ein­wan­de­rer, gegen israe­lisch-jüdi­sche Kri­tik an Polen, gegen ame­ri­ka­ni­sche Ver­su­che, die Polen zu Repa­ra­ti­ons­zah­lun­gen für die Sho­ah zu über­re­den, und sogar auf unse­rem natio­na­len Marsch zum Geden­ken der Schlacht bei War­schau, als die pol­ni­schen Streit­kräf­te die Bol­sche­wi­ken besieg­ten und ihr wei­te­res Vor­drin­gen nach Euro­pa stopp­ten. Die Anti­fa erscheint nun auf buch­stäb­lich jeder unse­rer Ver­an­stal­tun­gen und ruft Slo­gans wie “No Pas­arán”, “Natio­na­lis­mus  muß geheilt wer­den” oder “Nie­der mit dem Faschis­mus”. Auf die meis­ten nor­ma­len Men­schen wirkt das jedoch, als woll­ten sie ledig­lich das Andenken an den Kom­mu­nis­mus ver­tei­di­gen, was in der Tat der Fall ist.

Die­ses Jahr habe die bereits erwähn­te Bür­ger­meis­te­rin Han­na Gron­kie­wicz-Waltz gar den Gedenk­marsch für die Gefal­le­nen des War­schau­er Auf­stan­des unter­sagt, mit der Begrün­dung, die Teil­neh­mer wür­den “tota­li­tä­re Sym­bo­le” tra­gen (etwa des “Natio­nal­ra­di­ka­len Lagers”). Ein Auf­stand gegen das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsch­land wäre eigent­lich ein Grund zum Fei­ern für die Anti­fa; statt­des­sen beju­bel­te sie die­se Entscheidung.

Auch auf die Unter­stüt­zung der Kon­ser­va­ti­ven kön­nen sich Polens Natio­na­lis­ten nicht mehr hun­dert­pro­zen­tig ver­las­sen, obwohl sie ihnen gene­rell wohl­woh­lend gegen­über­ste­hen und es erheb­li­che inhalt­li­che Über­schnei­dun­gen gibt. Auf­fäl­lig sei auch die stei­gen­de Prä­senz von mul­ti­eth­ni­scher “Diversity”-Ästhetik in Wer­be­an­zei­gen, als wol­le man das Volk für zukünf­ti­ge Ent­wick­lun­gen kon­di­tio­nie­ren. So zeig­te ein Pos­ter zu den 100-Jahr-Fei­ern der pol­ni­schen Unab­hän­gig­keit allen Erns­tes einen Hand­schlag zwi­schen einem schwar­zen und einem wei­ßen Mann.

Die Schluß­fol­ge­rung des Autors:

Eini­ge mei­ner pol­ni­schen Freun­de sind der Ansicht, daß die Lage nie­mals so schlimm wer­den kann wie im Wes­ten. Ähn­lich hal­ten Beob­ach­ter von außen das “soli­de Polen”, das “soli­de Ungarn” (“Based Pol­and”, “Based Hun­ga­ry”) etc. für unein­nehm­ba­re Fes­tun­gen, die Sor­os nicht errei­chen kann. Ich wünsch­te, das trä­fe zu.

Der Pod­cast einer Orga­ni­sa­ti­on, die eine Stüt­ze unse­rer Bewe­gung ist, schloß neu­lich mit einem kur­zen Gespräch über die Fra­ge, war­um Ost­eu­ro­pa von den bös­ar­ti­gen Kräf­ten, die den Wes­ten zer­stö­ren, bis­lang rela­tiv ver­schont geblie­ben ist. Ein Teil­neh­mer ant­wor­te­te, daß ein Grund die über vier­zig Jah­re andau­ern­de Tren­nung des Ostens vom Wes­ten sei; ein ande­rer der angeb­lich fun­da­men­ta­le Unter­schied zwi­schen dem slawischen/osteuropäischen Cha­rak­ter und dem westlichen.

Ich den­ke, daß der ers­te Grund zutrifft, aber ich glau­be nicht, daß Polen so lan­ge durch­ge­hal­ten hat, weil irgend­et­was an dem pol­ni­schen Cha­rak­ter ein­zig­ar­tig ist. Wir sind der Fäul­nis ein­fach noch nicht lan­ge genug aus­ge­setzt gewe­sen. Die Din­ge wer­den sich ver­schlim­mern, wenn die Lebens­qua­li­tät im Land steigt, sich ein “libe­ra­le­rer” Markt her­aus­bil­det, und wenn Polen zuläßt, sich von NGOs, den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und der Euro­päi­schen Uni­on beein­flu­ßen zu lassen.

Die Lage in Polen ist kei­nes­wegs hoff­nungs­los, aber ich will an dem Glau­ben rütt­teln, daß der Osten irgend­wie den Wes­ten ret­ten wird.

 

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (59)

Der_Juergen

23. November 2018 10:14

Eine sehr treffende Analyse!

Mein eigenes Verhältnis zu Polen, in dem ich anlässlich mehrerer Besuche insgesamt einige Monate verbracht habe, ist ambivalent. Den Patriotismus der Polen, ihr Einsatz für Tradition, Familie und Glauben ruft bei mir Bewunderung hervor (ja, es gibt die von Lichtmesz erwähnten Ausnahmen, aber welch ein Kontrast zum Westen!). Was mir an ihnen sauer aufstösst, ist neben dem im Artikel beschriebenen Hang, sich als ewige Opfer zu gebärden und die vielen dunklen Seite ihrer Geschichte völlig auszublenden, ihre sture Amerikafreundlichkeit und ihre Russenfeindlichkeit. Glauben sie denn ernsthaft, die Nato-Mitgliedschaft und das Vorhandensein amerikanischer Basen würden sie im Ernstfall schützen? Im Gegenteil - die Stützpunkte werden zu den ersten Zielen der russischen Raketen gehören.

Man erinnert sich da an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, als sich Polen, um die Worte eines britischen Diplomaten zu wiederholen, benahm wie ein Kanarienvogel, der zwischen zwei Katzen sitzt und beide fressen will. Wer durch die Ungunst der Geographie im Osten und im Westen je einen übermächtig starken Nachbarn hat, tut gut daran, entweder ein gutes Einverständnis mit beiden zu suchen oder, wenn das nicht möglich ist, sich mit dem weniger gefährlichen gegen den gefährlicheren zu verbünden. Vermutlich hätte die weiseste Politik für Polen darin bestanden, sich mit dem Reich gegen die expansive kommunistische UdSSR zu verbünden. Stattdessen stiess es beide mächtigen Nachbarn vor den Kopf (u. a. durch die Terrorisierung der deutschen, ukrainischen und weissrussischen Minderheiten) und vertraute auf das ferne England, das ihm aus logistischen Gründen gar keine Hilfe leisten konnte.

Eine pure Unverschämtheit sind schliesslich die Forderungen Warschaus nach deutscher "Entschädigung" für die Schäden der Besatzung. Mit einem Viertel deutschen Territoriums , auf das es historisch nicht den geringsten Anspruch hatte, wurde Polen mehr als reichlich "entschädigt".

Gespür für das Mögliche, politischer Realismus - all das war nie eine Stärke dieser in mancher Hinsicht so bewundernswerten Nation, die drauf und dran ist, ihre alten Fehler zu wiederholen.

Sandstein

23. November 2018 12:26

Danke für diesen Beitrag, habe ihn mit viel Freude gelesen.
Meine Familie stammt aus Schlesien, wurde vertrieben und hat praktisch keine Verbindungen ins heutige Polen.
Ich selber war ein Jahr im Austausch und lernte Polnisch, und auch viele polnische Befindlichkeiten und Eigenarten kennen.
Und es stimmt, Polen ist in bestimmten Ebenen nicht bereit, Positionen aufzugeben. Dazu gehören der Glaube, die Erinnerung an polnische Freiheitskämpfe, und damit untrennbar verbunden: die Geschichte von Unterdrückung und Staatenlosigkeit.
Allein deshalb wird Polen im Vergleich zu Deutschland noch lange so etwas wie eine nationale Identität haben. Und machen wir uns nichts vor, die "Pull"-Faktoren sind in Polen nicht so stark wie bei uns. Aber auch das ändert sich, und fährt man in Universitätsstädte wie Thorn, dann sieht man schon recht viele Ausländer und Fremde.
Aber dass sich Ghettos mit Arabern oder Türken bilden, halte ich für relativ unwahrscheinlich.
In Polen herrscht Konsens über die Rolle der Kirche (geistiges Leben) , des Vaterlandes (politisches Leben) und der Frau (gesellschaftliches Leben), und damit über alle elementaren Bestandteile einer Kultur.

Eventuell könnte es einmal interessant werden, Land in Schlesien zu kaufen, und zu besiedeln.
Vielleicht kommen wir so wieder an unsere Ostgebiete, ganz ohne Revisionismus ;)

Wahrheitssucher

23. November 2018 13:05

@ Der_Jürgen

Wie (fast) immer vollste Zustimmung zu Ihren Ausführungen!
In diesem Zusammenhang ein Churchill-Zitat (aus der Erinnerung, übersetzt):
„Es gibt keine Tugend, die sie (die Polen) nicht besitzen und keinen Fehler, den sie je vermieden“.

Wahrheitssucher

23. November 2018 13:35

Herr Lichtmesz,

erst recht nach wiederholter Lektüre: Ihre Artikel sind Leuchttürme... (in der Medienlandschaft ohnehin, aber auch auf SIN)!

Gotlandfahrer

23. November 2018 17:02

Lieber Herr Lichtmesz,
Meine volle Zustimmung. Wenn ich heute nach Ostpreussen fahre sehe ich (selbst inzwischen im russischen Teil ansatzweise), dass die heutigen Bewohner pfleglicher mit Stadt und Land umgehen als wir mit Restdeutschland. Man muss froh sein, dieses Land heute in besseren Händen als den hiesigen zu wissen. Dafür danke ich den Polen und wünsche ihnen alles Gute.

Mitleser

23. November 2018 17:17

"Als Beispiel für diese wachsende Immunschwäche nennt der Autor Polens Bereitschaft, den UN-Migrationspakt zu unterschreiben - was nun obsolet ist."

Ich glaube sie verwechseln den VN-Migrationspakt mit der Marrakesh Political Declaration.

"The Polish government was one of the signatories of the recent Marrakesh Political Declaration along with other European Union countries. One of its purposes is to “promote regular migration and mobility, especially of young people and women, between Europe and North, West and Central Africa” and to “fight against xenophobia, racism and discrimination.” Astonishingly, the same government that regularly boasts to its citizens and to the foreign press that it refuses to take migrants signed an agreement to increase African immigration."

ML: Danke, wurde korrigiert!

Fredy

23. November 2018 19:44

Als jemand der den Osten, insbesondere Schlesien, das Sudetenland und Ostpreußen, bereist und kennengelernt hat wie nur wenige, wage ich die Behauptung, dass die Zeit kommt, in der Deutsche sagen werden: Gottlob sind diese Landstriche seinerzeit nicht in BRD-Hand verblieben. Es geht längst nicht mehr darum Schlachten von gestern zu schlagen, Deutscher gegen Pole; der Gegner zwingt zu allgemeineren Kategorien: Weiß gegen Schwarz und Braun. Aber Lichtmesz hat Recht: Der Nationalmus der Polen ist noch nicht so weit. Er ist auf derselben Stufe wie der extremen Rechten bei uns. Wir, das weiße Europa, brauchen einen Internationalismus.

W. Wagner

23. November 2018 21:18

@Gotlandfahrer und Fredy
Nein! Nichts ist besser so.
Wir haben etwas verloren, was uns jetzt als Seelenbestandteil und Kulturraum fehlt.

Der_Juergen

23. November 2018 23:03

@W. Wagner

Ich kann den Schmerz eines Deutschen über den Verlust urdeutscher Gebiete, auf die Polen keinen historischen Anspruch besass, voll und ganz verstehen. Die Vertreibung war eine der grossen Grausamkeiten des letzten Jahrhunderts.

Die verlorenen Ostgebiete zurückfordern zu wollen, wäre aussichtslos. Die Polen würden sie nie und nimmer kampflos abgeben, und in einem Zeitalter, wo ein Industriestaat innerhalb einiger Wochen Atombomben bauen kann, wenn er dies ernsthaft will, verbietet sich der Gedanke an eine gewaltsame Heimholung der Ostgebiete von allein. Ausserdem, was würden Sie im hypothetischen Fall einer Wiedergewinnung mit den dort wohnenden Polen machen? Sie vertreiben und damit den Kreislauf von Hass und Gewalt zwischen zwei weissen europäischen Völkern verewigen? Oder sie als illoyale und rachsüchtige kompakte Bevölkerungsgruppe in Deutschland belassen? Das ginge ebenso wenig.

Auch eine künftige nationale deutsche Regierung wird an den Realitäten nicht rütteln und die Ostgebiete nicht zurückfordern können - nicht wegen irgendeiner imaginären historischen Schuld, sondern weil Deutschland gegen eine militärisch übermächtige Koalition den Krieg verloren hat und sich gegen das ihm infolge seiner Niederlage zugefügte Unrecht nicht wehren konnte. "Vae victis" ist eine zeitlos gültige Wahrheit.

Mit @Fredy bin ich mir darin einig, dass eine Einheitsfront der christlich geprägten weissen Völker gegen die afro-islamische Invasion eine absolute Notwendigkeit ist und dass jeder innereuropäische Konflikt selbstmörderischen Charakter trüge.

Armin Borussia

24. November 2018 06:39

Das Schlusswort deprimiert dann doch irgendwie..

W. Wagner

24. November 2018 09:13

@Der_Juergen
Von dem von Ihnen Angesprochenen habe ich nichts behauptet, verlangt, gemeint.

Gustav Grambauer

24. November 2018 09:49

W. Wagner

"Wir haben etwas verloren, was uns jetzt als Seelenbestandteil und Kulturraum fehlt."

Werde Ihnen mit einmal die Absurdität und Anmaßung dieser Aussage, gerade gegenüber den Polen, aufzeigen. Darf ich fragen, wo Sie leben und ob Sie schon jemals in Polen waren?

1. Genießen Sie mal eine Zeit in Polen, lassen Sie sich auf den Charme ein. Tanken sie auch ab und zu bei ORLEN und freuen Sie sich diebisch, wie die Operational-Economics-Managerkaste die Polnische Wirtschaft

https://de.wikipedia.org/wiki/Polnische_Wirtschaft_(Stereotyp)

auch nach rund dreißig Jahren immer noch nicht in die Knie zwingen konnte. Sie werden es am Kolorit und an vielen Kleinigkeiten bemerken. Die Kassierer sind meist lockere junge Leute, denen der Spaß am Laden aus jeder Pore herausquillt. Dann fahren Sie zurück über die Grenze und betreten eine ADAC-getestete deutsche Autobahnraststätte. Für meinen Teil ist mir dieser abgrundtiefe Gegensatz tief in mein Herz eingebrannt. Kam mir bei diesem Erlebnis in meinem eigenen Land (!) vor wie Adolar nach der Landung mit Gulliwerkli auf einem seltsamen fremden Planteten! Das Abstruse der Sterilität, Perfektionssucht, des Sauberkeitszwanges, Modernewahns, insgesamt des unerbittlichen Dranges hin zur Widernatürlichkeit standen mit vor Augen wie nie zuvor und nie danach: das viele künstliche Licht, die grellen Farben, die Charts-Musik (welche "Disco-Feeling" evozieren sollte - jedoch die zugleich strukturell gegebene Starre nie würde aufbrechen können), die ungeheuren Glasfronten ("Sidolin-Streifenfrei"), die millimetergenauen Anordnungen der Waren in den langen Regalen (allein in dem gigantomanischen Süßigkeitenregal) - aber vor allem der passiv-aggressive Autismus der Menschen, die nicht in der Lage waren, mit diesen Räumen in Resonanz zu gehen, diese Räume mit entsprechender Präsenz und Ausstrahlung auszufüllen, die stattdessen dort wie kleine Fremdkörper wirkten, denen man mit einem Blick für das Bizarre sofort ansah, wie mies sie inmitten dieser Großkotzigkeit bezahlt werden. Die Klofrau, ein Wort, das ich sonst nicht verwende, eine fette PoC mit einem billigen Dudel-Radio. Hier Dritte-Welt-Feeling.

Und Sie sprechen von Kultur und Seele!

2. Haben als ich noch in Berlin lebte gern ausgedehnte Radtouren von dort aus in Richtung Riesengebirge / Schneekoppe unternommen. An einer Bushaltestelle in einem Dorf kurz hinter Görlitz standen polnische Jugendliche und grüßten uns freundlich. So etwas hatte ich in dem Setting noch nie erlebt. Es durchfuhr mich: was führen die an Hinterhältigkeit gegen uns im Schilde? Zuindest wollen die uns doch mit ihrer Freundlichkeit verhöhnen, oder? Denn in Brandenburg vibrierte damals das Klima unter Jugendlichen vor unterdrückter Aggressivität oder zumindest vom zwanghaften Anspruch, sich gegenseitig in "Coolness" ergo Rohheit zu überbieten. Radfahrer, zumal wenn auf eleganten Fahrrädern unterwegs, noch dazu wenn Brillenträger wie ich, galten bei der märkischen Dorfjugend als links und uncool, wir wurden unzählig oft aus tiefergelegten Opel Astras mit irgendwelchen satanischen Motiven auf der Heckscheibe heraus scharf angeschnitten, bedroht, angepöbelt und mit Stinkefingern bedacht. Aber die polnischen Jungs und Mädels waren völlig frei von diesem Haß, hatten`s tatsächlich unverfänglich-freundlich gemeint!

Nein, die Deutschen würden dorthin keine Kultur und keine Seele mehr bringen, weil sie, abgesehen von wenigen Ausnahmen, inzwischen gar keine Kultur und gar keine Seele mehr haben. Sie sind verkommen zu einem "keine inneren seelischen Ansprüche mehr rechtfertigenden industriellen Menschentum" - ganz im Gegensatz zu den Polen. Wegen der Nähe zu Berlin würden sie nur die Berliner Masche seit der Gründerzeit in Polen ausleben, alles so monströs umzubuddeln und aufzumotzen, daß es niemals wieder eine Patina bekommen kann und es dann jahrzehntelang verrotten zu lassen - bis sie es im Zuge ihrer oszillierenden Politik erneut noch monströser aufmotzen und dann erneut jahrzehntelang verrotten lassen usw. usf. Wir sind neulich mit den SBB durch den Norden des Kantons Zürich gefahren. Habe an einer Stelle aus dem Fenster geschaut und mich gewundert - irgendetwas war plötzlich anders. Auf einmal so viele Bagger und ein völlig anderer Stil des Straßenbaus. Die Dörfer verschandelt mit diesen "KaufCenters" und Gewerbegebieten, sogar mit Flutlicht-Masten. Überall aggressive Werbung. So viele Fertigbungalows aus dem Katalog, teilweise mit Reetdächern und im Schweden-Stil, dies in alemannischen Gefilden! Und noch dazu auf fast jedem Dach der Solarpopanz. PVC-Fensterahmen, sogar PVC-Haustüren, so viele Verbundfenster ohne Sprossengliederung, wie große Löcher in den Häusern! Die Leute so "jugendlich" gekleidet, so abscheulich-häßlich. Man möchte gar nicht wissen, was sie für bunte Knete im Kopf haben. Auf einmal so viele "getunete" Autos und so monströse Landmaschinen. Sehr befremdlich dies alles ... Des Rätsels Lösung: der Zug war entlang der Grenze durch eine BRD-Enklave gefahren!

- G. G.

KlausD.

24. November 2018 13:51

@Gustav Grambauer
"Wir haben etwas verloren, was uns jetzt als Seelenbestandteil und Kulturraum fehlt. "
Was W. Wagner unter "Seelenbestandteil und Kulturraum" versteht kann ich mit wenigen Worten nicht ausdrücken, kommt aber in einem Vortrag von Frank Stoner "Auf der Suche nach der deutschen Identität" sehr gut zum Ausdruck, denke ich (gut, ein paar Minute Zeit muß man sich dafür schon nehmen, aber es lohnt sich!).
https://nuoviso.tv/home/stoner/auf-der-suche-nach-deutscher-identitaet-stoner-frankfrei/

Wahrheitssucher

24. November 2018 14:10

@ W. Wagner
@ Gustav Grambauer

"Wir haben etwas verloren, was uns jetzt als Seelenbestandteil und Kulturraum fehlt."

Gestatten Sie, den Widerspuch aus meiner Sicht aufzuklären?

Sie, Herr Wagner, beziehen sich auf das, was als Teil des Deutschen Reiches verloren ging, und dieses Verlustgefühl ist allemal gerechtfertigt.

Sie, Herr Grambauer, verwenden einen anderen Maßstab, Sie beziehen den heutigen Zustand der BRD eben darauf,
Auch das ist gerechtfertigt, aber Sie haben an dem Adressaten vorbei geschrieben...

RMH

24. November 2018 15:18

Jetzt mal bitte halblang. Man verkaufe uns bitte gerade die Polen (!) nicht als eine Art von "edlen Wilden" oder ureuropäische Überbleibsel im Stile der Wisente in Bialowieza. Die konkrete, persönliche Begegnung ist das eine, das Politische das andere. Der Artikel differenziert diesbezüglich ja auch sehr gut. Was das Politische angeht, so sind die nach wie vor überdeutlich wahrzunehmenden antideutschen Impulse und Haltungen einfach nur noch degoutant und abzulehnen - Punkt!

Einhergeht die naive polnische Einstellung, man müsse nur den USA den roten Teppich ausrollen und man hätte damit die bösen Deutschen und Russen ausgeschaltet. Wenn in Polen irgendeiner mal einen Funken Verstand walten lasse würde, dann würde er merken, dass eigentlich gerade Deutschland sein bester und ehrlichster Verbündeter sein könnte. Gut, unter einer A. Merkel, die sich selber zwar polnischer Wurzeln rühmen kann und die aber dennoch nur die große Selbstauflösung in einer ideal gedachten Paneuropa-Suppe oder noch besser der One-World als Lösung anzubieten hat, werden wir solche Vernunft in Polen nicht wecken oder fördern können.

Unter dem Strich habe ich mich - auf persönlich menschlicher Ebene, also nicht der politischen - bei meinen Mittel- Ost- Südosteuropa-Reisen als Deutscher am besten bei unseren ehem. Kollaborateuren Slowakei, Westukraine und Kroatien aufgehoben gefühlt. Gut, das war und ist subjektiv. Bei Polen und Tschechen kam ich mir zu oft nur mit Vorbehalten empfangen vor, mit der Tendenz zum Versuch des Betruges und Ausnutzens.

W. Wagner

24. November 2018 16:50

Auch @Grambauer scheint meinen Satz (der sich auf andere Kommentare bezog) völlig mißverstanden zu haben, da danke ich @Wahrheitssucher für seine Worte.
An meinen Polenerfahrungen ist hier - unter denen, die mich kennen - sicherlich nicht zu zweifeln. Aber bitte kehren Sie zu Martin Lichtmesz’ Text zurück, den ich in jeder Hinsicht für wichtig erachte.

heinrichbrueck

24. November 2018 17:14

Dieses Kommentariat ist manchmal schwer zu verstehen. Überall Demokraten, da wird man doch krank! Woher kommt eigentlich diese Denke, die Deutschen hätten nur die Ostgebiete verloren? Der Westen blieb also das Deutsche Reich? Seit den Attentaten auf Bismarck, schon davor, war die Zielrichtung sowas von klar. Diese ganzen verlorenen Gebiete; Banat, Siebenbürgen, Elsaß und wie sie alle heißen; haben wir zu diesem Zeitpunkt keine anderen Probleme. Inzwischen lügen sich historisch doch alle europäischen Länder in die Tasche; Hauptsache Deutschland überweist die Kohle, eine Schande! Klartext, gebt den Polen eine demokratische Chance! Die hinken doch mächtig hinterher, denen fehlen Jahrzehnte. Die Polen sind eine kleine Muschi des globalen Spielers, wie alle diese - im Augenblick - geschonten Ostländer. Wenn wir uns vor Augen führen, was Deutschland an Angriffen inzwischen überlebt hat, dann würde ich keinen Doppelbatzen auf diese mickrigen Ostsüdländer wetten, kämen sie frontal an die Reihe. Nö nö, an diesen Typen hängt unsere Welt nicht, die werden uns bestimmt nicht retten. Unsere Lebenszeit hat nichts mit den verlorenen Ostgebieten zu tun. In diesem Sinne werden Jahrhunderte ins Land ziehen. In einer Lebensspanne kommt man vielleicht nur einen Meter voran, aber dann muß es das richtige Meter in der historisch richtigen Ausführung sein.

Gustav Grambauer

24. November 2018 17:20

W. Wagner, Weltversteher, KlausD.

Wir haben hier eine sozusagen "realpolitische" Diskussion, in der es um Verbündete, Warschauer Unverschämtheiten, Entschädigungen, herrschenden Konsens, polnischen Nationalismus, Atombomben als Erwiderung auf Forderungen und anderes auf dieser Ebene sowie zunehmend um den "hypothetischen Fall einer Wiedergewinnung" (Der_Jürgen) geht. Wenn in einer solchen durch und durch realpolitischen Diskussion geäußert wird: "Wir haben etwas verloren ...", dann ist eine solche Äußerung auch realpolitisch zu verstehen. Das inkrimierte "wir" führt auf "Die Deutschen" bei Fredy zurück. Und auf der realpolitischen Ebene ist der Deutsche leider nun mal der Homo Bundesrepublicanensis, der sich, auch und gerade nach dem, was er nach 1989 angerichtet hat und vermittels seiner Mutti erst noch anrichten wollte, bitte mit Äußerungen über Verluste im Osten zurückhalten möge. Möchte Ihnen, W. Wagner, keineswegs unterstellen, - wir sind hier bei SIN und ich kenne Ihre Beiträge ja -, daß Ihr Beklagen des Verlustes von Seelenbestandteilen und Kulturräumen Ausdruck derjenigen billigen Sentimentalität ist, mit der die Politidole des sogenannten Bundesbürgers Politik zu machen pfleg(t)en. Vom Weltversteher angesprochen möchte ich nur eine saubere Trennung von realpolitischer Diskussion und Verständigung über Seele, Verlust und Trauer anmerken. Übrigens sind Dregger, Strauß, Waigel & Co. auf den Vertriebenetreffen durchweg als zynische Lügner aufgetreten wenn sie die Leute mit sentimentalem Schleim eingeseift haben. Diese Einseifungen wurden lediglich aufgrund von "Meinungsumfragen" auf Sympathiewerte für die CDU / CSU hin kalkuliert, sonst nichts. Aber genau das kommt eben dabei heraus, wenn niemand der Vermischung der beiden Ebenen Einhalt gebietet.

- G. G.

Cacatum non est pictum

24. November 2018 18:47

Erneut Dank für einen interessanten, äußerst facettenreichen Artikel aus der Lichtmeszschen Feder. Es ließe sich über zig Punkte ausgiebig diskutieren. Mich hat besonders der letzte Abschnitt wachgeküßt, in dem ein Kenner des Landes beschreibt, daß auch in diese patrotisch gesinnte Nation die ersten Segnungen von Globalkapitalismus und Modernitätsdekadenz eingesickert sind. (Symbolisch das letzte Fotomotiv unter dem Beitrag: Unten befindet sich ein Fahnenmeer aus Nationalfarben, hoch oben ein Wolkenkratzer mit weltbekanntem Schriftzug als Signum der globalen Geldmacht.)

Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis. Das scheint ein generelles Muster der Wohlstandsmehrung zu sein. Die Europäer haben sich fossile Energieträger erschlossen und deren Nutzung maximal perfektioniert. Sie haben damit materiellen Wohlstand erzeugt, der geschichtlich seinesgleichen sucht. Nur werden die fossilen Vorkommen in absehbarer Zeit versiegen, so daß auch das massenindustrielle Zeitalter zwingend sein Ende findet. Die historisch prägende Kraft der Globalisierung wird dann längst geschwunden sein. Es wird der Marsch zurück angetreten in Richtung Entmassung und Reagrarisierung. Dann wird sich auch die Dekadenz erledigt haben.

Wünschen wir uns - im Sinne unserer Nachkommen -, daß wenigstens ein kleines Stück vom alten Europa noch erhalten bleibt, an dessen Rockzipfel sich spätere Generationen zu einer kulturellen Neubesinnung emporziehen können. Bis auf weiteres bleiben die osteuropäischen Länder hierfür ein Banner der Hoffnung.

bb

24. November 2018 20:58

Gustav Gramdingens hat recht.

Regenmeister

24. November 2018 21:27

@Gustav Grambauer
"Auf einmal so viele Bagger und ein völlig anderer Stil des Straßenbaus. Die Dörfer verschandelt mit diesen "KaufCenters" und Gewerbegebieten, sogar mit Flutlicht-Masten. Überall aggressive Werbung. So viele Fertigbungalows aus dem Katalog, teilweise mit Reetdächern und im Schweden-Stil."

Ihr Zug ist gewiss nicht durch die Vororte von Posen oder Stettin gefahren?

Ihre Beobachtungen sind doch Symptom der von W. Wagner aufgestellten Behauptung. Länder wie Brandenburg oder (Vor)Pommern sind vierfach kastriert (geografisch, religiös, soziologisch und politisch). Die Spätfolgen sorgen dafür, dass die Jugend auch in absehbarer Zeit weder lässig noch freundlich grüßen wird.

@Der_Juergen
In Moskau sind 1989 Pläne zur geordneten und friedlichen Rückabwicklung des Vertreibungsgeschehens ausgearbeitet worden. Wäre es damals nach den Russen gegangen, wäre Königsberg seit 25 Jahren wieder deutsch. Die lautstarken Reparationsforderungen aus Polen sind meines Erachtens ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass Niederschlesien oder ein Stück dünnbesiedeltes Pommern mit weißem Ostseestrand gegen harte Milliarden auch heute noch wiederzubekommen wären.

@W. Wagner
Ich bin zu 100 Prozent bei Ihnen.

quarz

25. November 2018 00:13

@Regenmeister

"Wink mit dem Zaunpfahl, dass Niederschlesien oder ein Stück dünnbesiedeltes Pommern mit weißem Ostseestrand gegen harte Milliarden auch heute noch wiederzubekommen wären."

In der derzeitigen politischen Situation sind diese Gebiete dort, wo sie jetzt sind, wesentlich besser aufgehoben und geschützt als sie es in einer von merkelscher Migrationspolitik gegeißelten Bundesrepublik Deutschland wären, wo sie auch mit Orientalen und Afrikanern überschwemmt würden. Sie jetzt zurückzuwollen wäre wie die Forderung eines IS-Museumsdirektors (falls es sowas gibt) an Berlin, das Ischtar-Tor im Pergamonmuseum zurückzugeben, damit er es im Irak als heidnisches Machwerk in die Luft sprengen kann.

Wahrheitssucher

25. November 2018 01:03

@ Gustav Grambauer

Dank für Ihre Bezeichnung als „Weltversteher“. Gefällt mir auch ganz gut. Möchte mich aber dennoch weiterhin auch als Suchenden bezeichnen. Was Ihre Forderung nach Trennung der beiden Ebenen betrifft, war es genau das, was ich zum Ausdruck bringen wollte.

Gustav Grambauer

25. November 2018 09:04

Wahrheitssucher, ggf. Weltversteher

Oh, ich habe Sie beide verwechselt und bitte vielmals um Entschuldigung, denn die zutreffende Anrede ist auch eine Sache des Respekts!

- G. G.

t.gygax

25. November 2018 14:58

Polen, drei Anmerkungen persönlicher Art:
a) 1977 Reise durch ganz Polen auf Campingplätzen. Ein sozialistischer Staat, der aber kulturell westlich orientiert ist. Gespräche mit jungen polnischen Studenten in Danzig- alles Jazz -Rock Liebhaber, jeder kannte Polanski, in Warschau in den Kinos französische Polit-Thriller mit Delon , Kinski etc..das gab es weder in Rumänien, noch in Bulgarien, noch in der DDR, die ich ebenfalls bereiste. Unglaublich viel Verfall, desolate Häuser , in der Disco in Danzig fragt mich der Besitzer, ob wir amerikanische Dollars hätten (" we need hard coins" ) In Elbing Betrunkene am frühen Morgen, und an jeder Haltestelle Leute, die mit Fingerzeichen andeuteten, dass sie illegal Geld tauschen wollten-wir lebten damals gut........peinliche Erinnerung an das Abschiedsessen in Warschau , wir zahlten für ein gutes Essen ( Kaviar als Vorspeise) soviel, wie der Kellner im Monat verdiente, um uns herum nur Leute mit Uniform und deutlich ekennbare Funktionäre, der heftige Kontrast zu den zum Teil unterirdisch ausgestattenten Campingplätzen ( Hygiene!! Sauberkeit!! alles zum Vergessen...)war extrem.
Auf der masurischen Seenplatte segelten wir mit Original deutschen Booten, die mein Vater noch von seiner Jugend in Westpreußen her kannte.....
b) 1998 ein polnischer Schüler in der Oberstufe eines Gymnasiums in Süddeutschlandzu mir : " die Polen hassen zwei Völker, die Deutschen und die Russen"
c)2018 wieder Campingreise durch Polen, Posen, Bromberg,Deutsch-Eylau ( Ilawa) Osterode, Frauenburg ( Frombork) Elbing, Danzig, Stegna, Ostsee, Köstrin an der Grenze.
Eindruck: das ist ein Volk, das sich seine Identität bewahrt hat-auf der ganzen Strecke keine einzige Kopftuchfrau, keine Türken, keine Schwarzen, und insgesamt auf tausenden Kilometern nur 6 Windräder. Schüler westlich gekleidet, aber absolut dizipliniert ( ich besuchte ein Orgelkonzert in Frauenburg, massenhaft Schulklassen, die waren mustergültig gezogen!) , in den Städten der übliche Konsum, in den Geldtauschstuben z.T. fragwürdige Berechnungen, auch im Land immer noch viel Verfall jenseits der großen Straßen und Touristenorte. Aber die Leute-(saß abends als einziger Deutscher unter 50 Polen die gewaltig aßen und tranken und die Fussball WM verfolgten) wirkten sicherer, ruhiger, gelassener und entspannter als die Leute in der BRD. Die sind in sich ruhender als wir gehetzten Bundesrepublikaner......
An der Ostsee unerfreuliches-riesiger Campingplatz, wir waren die einzigen Deutschen, da war man sehr reserviert, um nicht zu sagen unfreundlich. Solch ein Benehmen zahlenden Gästen gegenüber wird man in Italien nie finden, in Frankreich allerdings durchaus. Die lieben uns auch nicht. Dies nur nebenbei.
Fazit: als wir über die Oderbrücke fuhren, sagte ich zu meinem Sohn " die leben nur von den Überbleibseln der deutschen Vergangenheit und von den EU Zuwendungen...( was auch stimmt Polen ist ein Nehmerland in der Eurozone, und das nicht zu knapp!) aber die haben durch ihre Verwurzelung in ihrer glorifizierten Geschichte und ihrem geradezu fanatischen Katholizismus (Sonntag in Polen-reihenweise junge Leute auf dem Weg zur Messe!!!) sich etwas bewahrt, und das schützt sie vor dem ganzen Blödsinn, der bei uns betrieben wird. In Polen ist es nicht einmal denkbar, dass ein Regierungschef das eigene Volk beschimpft, der würde hinweggefegt....
Aber all das hilft uns nichts. Wir müssen unsere Identität haben und können nicht auf andere hoffen".
Mein Sohn stimmte mir zu, was mich gefreut hat-er beobachtet sehr genau und hat als junger Mensch auch einen anderen Blickwinkel als ich, der allmählich älter wird......

Ergon

25. November 2018 21:37

Auch wenn sich der Artikel sichtbar um Differenzierungen bemüht, zuletzt werden sie mit dem Verweis auf den "Widerstand gegen den Globalismus", der im "gesameuropäisches Interesse" sei, weggewischt und zum Ausdruck kommt prononciert der neurechte ideologische Kern. Der Verweis auf ein abstraktes europäisches Interesse ist fragwürdig, da der einzig in Frage kommende Träger, die Europäer, zu hetereogen und uneinig sind, um die kollektive Zuschreibung eines Interesses zu rechtfertigen.

ML: Dieses Interesse ist objektiv vorhanden, die Schwierigkeit besteht darin, ein Bewußtsein dafür zu schaffen.

Zudem ist die ideologische Schnittmenge zwischen neurechtem Europäismus und Globalismus nicht gering, etwa in der Ablehung des Konzepts nationalstaatlicher Souveränität, die gerade in der Diskussion um den UN-Migrationspakt eine Hauptrolle spielt.

ML: Genauer betrachtet, ist das eine sehr geringe und rein formale "Schnittmenge". Dieser "Europäismus" bedeutet nicht notwendigerweise die Auflösung der Nationalstaaten oder die "Ablehnung des Konzepts nationalstaatlicher Souveränität" schlechthin.

Der neurechte antiglobalistische Widerstand ist punktuell, und wenn von antikapitalistischen und antimodernistischen Tendenzen abgesehen wird, zentriert um die Frage der Massenzuwanderung von Nicht-Europäern nach Europa und Nordamerika, am radikalsten formuliert vom im Europaheft zitierten Arthur Kemp: "Alle Ethnien und Kulturen sind rassischen Ursprungs, und solange nur die Rasse intakt bleibt, läßt sich alles Weitere zu einem späteren Zeitpunkt erneuern." Es geht also um den Erhalt des Genpools, und nur so läßt sich erklären, dass auf der einen Seite die neuerliche Teilung in Deutschland und "white ethnostates" in den USA, die aus neurechter Sicht wohl zu den multikulturalisitsch "verseuchtesten" Ländern gehören, gefordert werden und es auf der anderen Seite eine durch die Teilnahme der Identitären an den Feiern zum polnischen Unabhängigkeitstag ausgedrückten Solidarität gegenüber Polen.

ML: Es ist doch ganz einfach: Ein "umgevolktes", multikulturalisiertes Deutschland, dessen Bevölkerung und Kultur ausgetauscht wurden, wäre kein Deutschland mehr, allenfalls nach dem Namen, der auf einem komplett anderen Inhalt klebt. "Erhalt des Genpools" heißt nichts anderes als ÜBERLEBEN.

Zugleich verabschiedet sich die Neue Rechte damit weitgehend vom politischen Diskurs in Deutschland, der Diskussion darüber, wie dieses Gemeinwesen gestaltet werden soll.

ML: Dieser "Diskurs" ist doch schon lange eine Farce (was schon damit beginnt, daß dieses "Gemeinwesen" im gleichen Maße zerbröckelt, wie es auf hilflose Weise beschworen und umgedeutet wird), und wurde zunehmend in Echokammern und Filterblasen verlegt (es ist ja nicht so, als ob die NR bislang in diesem "Diskurs" willkommen gewesen sei). Die Antwort können nur Gegendiskurse sein.

Zum Thema Polen/Ostgebiete ließe sich einiges sagen, vielleicht nur soviel: Der Artikel bestätigt, wie tief die Gräben zwischen Deutschen und Polen sind, wobei anzumerken ist, dass sie in ähnlicher Tiefe auch zu Anderen, etwa den vier Hauptgegnern aus den beiden Weltkriegen, verlaufen. Im Unterschied zu Letzteren sind die Polen zwar deutlich expressiver in ihrer Haltung, haben aber auch machtpolitisch weniger Gewicht. Die polnischen Reparationsforderungen indizieren vor allem den Druck, den die EU auf Betreiben Berlins in der Frage der Aufnahme von Migranten ausübt und der bereits heute zur Kürzung von EU-Strukturhilfen, die zu einem substanziellen Teil von Deutschland getragen werden, führte. Griechenland ist vor einigen Jahren ähnlich verfahren und versuchte, sich gegen die Ihne auferlegten Sparpläne mit Reparationsforderugen gegen Deutschland zur Wehr zu setzen. Ein Kommentar im Handelsblatt meine dazu, dass wie schon Griechenland, das letztlich die Sparpläne und die Troika akpzeptieren mußte, sich auch Polen, wenn es in der EU bleiben wolle, dem Willen Berlins beugen müssen wird. Ach ja: Vielleicht sollte ein Deutscher im schweizer Exil vorher Beruhigungspillen nehmen, bevor er mit der SBB grenznahe Regionen bereist.

quarz

26. November 2018 07:45

"den USA, die aus neurechter Sicht wohl zu den multikulturalisitsch "verseuchtesten" Ländern gehören"

Nota bene: aber erst seit relativ kurzer Zeit. Bis in die 1960er Jahre hinein hat sich die Bevölkerung der USA zum weit überwiegenden Teil aus europäischen Einwanderern gespeist, die kulturell nahe miteinander verwandt waren. Dieser Grad der kulturellen Nähe ermöglichte in kürzester Zeit das "e pluribus unum" in den USA. Bereits die Kinder europäischer Einwanderer trugen englische Vornamen und brachten durch diese Äußerlichkeit ihre Bereitschaft zur Integration zum Ausdruck.

Diese Voraussetzungen sind inzwischen nicht mehr gegeben, wodurch die empirisch-wissenschaftlich vielfach belegte Entsolidarisierung des Staatsvolkes in jeder Hinsicht verursacht wurde. Wenn man ihren polemischen Begriff der multikultrellen "Verseuchung" durch den neutraleren der gesellschaftlichen "Funktionsstörung" durch Multikulturalisierung ersetzt, dann ist er plötzlich kein "neurechtes" Spezifikum mehr, sondern einfach ein Forschungsresultat.

Hartwig aus LG8

26. November 2018 11:10

Die Schlachten werden auf verschiedenen Ebenen geschlagen.
Geostrategisch befindet sich Polen im Feindeslager. Die allerjüngste Eskalation im schwarzen Meer zwischen Ukraine und Russland könnte von eben jenen Kräften ausgeheckt worden sein, die das sich auf der Zielgeraden befindende Nordstream2-Projekt doch noch stoppen wollen. Offene kriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen Russland und Ukraine würden den Spielraum für Berlin sehr eng werden lassen. Und Polen befindet sich mit der Ukraine in vorderster Reihe, wenn es darum geht, Gründe für einen Stopp von Nordstream2 zu "kreieren".

links ist wo der daumen rechts ist

26. November 2018 16:33

Völkisches Eingedenken

Danke, Herr Lichtmesz, daß Sie diese Diskussion losgetreten haben.
Jetzt scheint sich doch einiges zu klären bzw. werden endlich auch die Risse im rechten Lager überdeutlich sichtbar.

Aber gleich vorweg:
Daß man die Verluste jahrhundertelang deutsch besiedelter Kulturgebiete kleinredet, indem man behauptet, Schlesien, Pommern und Teile Ostpreußens wären heute besser in einem polnischen Staat aufgehoben, da die seelenlose Merkel-BRD ihrer ja gar nicht würdig wäre – das, meine Herrschaften, ist einfach infam. Oder anders formuliert: einen dreisteren Ausdruck von „Nationalmasochismus“ (ohnehin ein hilfloser Begriff) kann es gar nicht mehr geben; dagegen sind mir die dämlichen Bomber-Harris-Nackedeis fast schon sympathisch.
Wenn man Deutschland als so unumkehrbar kaputt ansieht, daß man die Ostgebiete ein zweitesmal abschreibt, ja wie in Dreiteufelsnamen soll sich dann das Gebilde BRD doch noch „völkisch“ regenerieren?
Die polnische Nation ist das eine, ein polnischer Staat mit ethnisch willkürlich festgelegten Grenzen durch die jeweiligen Siegermächte und hanebüchenen „historischen“ Begründungen der Verlierer-Nutznießer das andere. Das gilt im übrigen auch für Südtirol oder die Sudetengebiete.
Und bitte: was soll denn noch das Geschwafel vom „großen Austausch“ (dem Steckenpferd eines französischen Pseudointellektuellen, dem halt das Algerientrauma im Nacken sitzt), wenn der tatsächlich stattgefundene große Austausch in Form der millionenfachen Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa einfach – etwa zugunsten der glorreichen polnischen Nation - ausgeblendet wird.

Hätte man diese deutsch besiedelten Gebiete nicht entvölkert und v.a. auch Preußen nicht liquidiert, müßten wir heute nicht endlos über "Europa" diskutieren - es gäbe es längst - mit Nationalitäten, die eben nicht deckungsgleich mit Staatsgebieten sein müssen.

@ quarz
In der derzeitigen politischen Situation sind diese Gebiete dort, wo sie jetzt sind, wesentlich besser aufgehoben und geschützt als sie es in einer von merkelscher Migrationspolitik gegeißelten Bundesrepublik Deutschland wären, wo sie auch mit Orientalen und Afrikanern überschwemmt würden. Sie jetzt zurückzuwollen wäre wie die Forderung eines IS-Museumsdirektors (falls es sowas gibt) an Berlin, das Ischtar-Tor im Pergamonmuseum zurückzugeben, damit er es im Irak als heidnisches Machwerk in die Luft sprengen kann.

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Eigentlich verschlägt es einem die Sprache, daß derartiges in einem Medium des nationalkonservativen Lagers möglich ist.

Vielleicht wäre es doch besser, neben der Selbstberauschung an bestimmten Ideologemen und der endlosen Aufwertung der Sprache des Hauptfeindes durch sklavische Mimikry (all dieses Cuck- und Meme-Zeug) sich stattdessen beispielsweise einmal über die letzten Tage Gerhart Hauptmanns zu informieren.

Oder aber man lese Kubitscheks Kommentare zu Hans Bergel im Nachbarthread und den dazugehörigen Links:
https://sezession.de/59905/nachtgedanken-7-ausschlachten-oder-eintauchen

Gustav Grambauer

26. November 2018 18:58

links ist wo der daumen rechts ist

"Daß man die Verluste jahrhundertelang deutsch besiedelter Kulturgebiete kleinredet, indem man behauptet, Schlesien, Pommern und Teile Ostpreußens wären heute besser in einem polnischen Staat aufgehoben, da die seelenlose Merkel-BRD ihrer ja gar nicht würdig wäre."

Sie fangen schon wieder mit der Vermischung der Ebenen, an, die bitte strikt getrennt voneinender beurteilt werden sollten; in dem Fall auch, um die bösen Unterstellungen in Ihrem Knäuel zu vermeiden. Sie sind es, der unzulässigerweise obige Kausalität in der Schlußfolgerung fingiert, die in der Diskussion nicht den Hauch einer Substanz hat.

Hier noch einmal die Ebenen für Sie:

1. das Unrecht von damals

2. der Zorn über das Unrecht

3. die Trauer über den Verlust

4. das - reale - Fehlen von Seelenbestandteile und Kulturräume (W. Wagner)

5. die Identitätsfrage, die der Verlust wie ein Kontrastmittel sichtbar macht (KlausD.)

6. die Frage der Beziehung zu (den) Polen

a. in der Unrechtslage

b. angesichts der Gegebenheit der Europäischen Union,
in der sie ein Nehmerland sind

c. angesichts des von der USA-Landeselite aus
gegen Deutschland in Stellung gehenden
Pilsudski-Intermariums 2.0

d. angesichts des polnischen Nationalismus

e. angesicht der Explosivität (Der_Jürgen)

7. die Frage, ob mit den heutigen seelischen und kulturellen Gegebenheiten überhaupt "realpolitisch" aus der Unrechtslage etwas zur Heilung des o. g. Verlustes unternommen werden sollte

a. de lege lata (Gustav Grambauer)

b. de lege ferenda

8. die Frage, ob überhaupt "realpolitisch" aus der Unrechtslage etwas zur Heilung des o. g. Verlustes unternommen werden könnte

9. was ggf. im Hinblick darauf das Beste wäre.

a. de lege lata (Gebe zu bedenken, daß als
handelnde Subjekte nur der Bunte Tag und
die Bunte Regierung der Bunten Republik
in Frage kämen.)

b. de lege ferenda

Niemand hat hier etwas "kleingeredet".

- G. G.

Cacatum non est pictum

26. November 2018 20:48

@links ist wo der daumen rechts ist

"...

Eigentlich verschlägt es einem die Sprache, daß derartiges in einem Medium des nationalkonservativen Lagers möglich ist ..."

Mir ist nicht ganz klar, was Sie gegen die Behauptung des Foristen quarz substantiell vorzubringen haben. Angenommen, die deutschen Ostgebiete würden morgen zurückgegeben: Glauben Sie, dieses Territorium würde von der autodestruktiven deutschen Politik unserer Tage verschont bleiben? Wohl kaum. Man würde es vermutlich in kürzester Zeit ähnlich verschandeln wie das derzeitige Staatsgebiet. (Haben Sie heute die Meldung von den Berliner Polizeischülern vernommen, denen nun verstärkt richtiges Deutsch beigebracht werden soll?)

Jetzt, wo die Unterzeichnung des UN-Migrationspaktes unmittelbar bevorsteht, würde Merkel, Schäuble und Konsorten die Rückgewinnung dünn besiedelter Landstriche doch hervorragend in die Karten spielen: Ein großes Auffangbecken für den Bevölkerungsüberschuß Afrikas wäre erschlossen; Territorium für die kapitalistische Reservearmee, die man uns in Millionenstärke auf den Hals hetzen wird.

Ficht Sie das alles nicht an? Was haben Sie zu entgegnen? Wäre ein tribalisiertes und heruntergekommenes Ostpreußen denn eine adäquate Wiedergutmachung für das Unrecht der Nachkriegsjahre?

Ergon

26. November 2018 21:51

@ ML Abgesehen davon, dass die Zuschreibung objektiver Interessen unabhängig von intentionalen Zuständen wie Überzeugungen und Absichten wegen ihrer teleologischen Prämisse mehr als fragwürdig ist, braucht es für eine solche Zuschreibung einen geeigneten Träger, also jemandem, dem das Interesse zugeschrieben werden kann, allgemein eine natürliche Person oder etwas Personenähnliches, z.B. juristische Personen, Institutionen, Staaten oder Völker. Die Europäer stellen aber nicht ansatzweise, angesichts der tiefen historisch bedingten Risse und des Umstands, dass selbst die elementare kommunikative Ebene mangels einer gemeinsamen Sprache dysfunktional ist, eine Gemeinschaft dar und sind deshalb ebenso wenig wie die Menschheit ein möglichen Träger von Interessen. Damit ist zugleich ein weiteres Element aus der Schnittmenge von Europäismus und Globalismus ausgemacht. Das Postulat vom primären gesamteuropäischen Interesse des (im wesentlichen, den gelegentlichen Antimodernismus außer Acht lassend) auf die Zuwanderungsfrage beschränkten Widerstands gegen den Globalismus ist bloß das zentrale Ideologem der NR.

In einem seiner Beiträge benannte der Gehenkte die implizite Prämisse, die politischen Diskussionen in Deutschland unterliegen, und zwar die Sorge um Deutschland. Es ist die Auseinandersetzung darüber, wie der politische und gesellschaftliche Zustand zu bewerten ist und wie die Zukunft gestaltet werden soll. Sie ist und war gelegentlich in der deutschen Geschichte verträglich mit radikal unterschiedlichen ideologischen Positionierungen, mit Filterblasen und Gegendiskursen, sofern das Bezugsobjekt Deutschland selbst nicht in Frage gestellt wird. Davon zu unterscheiden sind Positionen, die auf unterschiedliche Weise Deutschland selbst, seine territoriale Integrität, in Frage stellen, wozu sowohl die "No border, no nation"-Fraktion gehört als auch europäisch ausgerichtete Neurechte, die die eigenen dystopischen Entwürfe zur Wirklichkeit und Deutschland für unrettbar verloren erklären und die Sezession des Ostens vom Westen fordern. Der Selbstausschluss aus dem politschen Diskurs findet insofern statt, als dass es niemanden mehr gibt, der bereit ist, zuzuhören, auch nicht innerhalb eines Gegendiskurses. Offen bleibt die Frage, ob nur die neu entdeckte, reine Lust an der Provokation und am Spektakel durchscheint, weisen doch die Veröffentlichung des an den mehr als verschrobenen Gedankengängen Alain de Benoists orientierten Titels "Marx von rechts" mit vorhersehbarem Echo und die seltsame Hommage an die 68er in diese Richtung.

heinrichbrueck

27. November 2018 10:18

Für die "Agenda 2050" braucht niemand die Ostgebiete zurück. NWO und Weltregierung sollten als Sachverhalt akzeptiert werden. Wie diese kommenden Zeiten ein Volk überleben kann, darum geht es wohl.
https://www.freiewelt.net/nachricht/die-vision-die-merkel-bewegt-10072711/

quarz

27. November 2018 22:28

@Ergon
"dass die Zuschreibung objektiver Interessen unabhängig von intentionalen Zuständen wie Überzeugungen und Absichten wegen ihrer teleologischen Prämisse mehr als fragwürdig ist ..."
Im Gegenteil. Da sowohl Überzeugungen als auch Präferenzen meist widersprüchlich strukturiert sind, ergibt nur ein vorab vorhandenes objektives Interessen einen Sinn, vor dessen Hintergrund ein Teil der widersprüchlichen Überzeugungen und Präferenzen als Irrtümer gedeutet, als solche korrigiert und dann zu einem konsistenten Ganzen reorganisiert werden können.

"Die Europäer stellen aber nicht ansatzweise, angesichts der tiefen historisch bedingten Risse und des Umstands, dass selbst die elementare kommunikative Ebene mangels einer gemeinsamen Sprache dysfunktional ist, eine Gemeinschaft dar und sind deshalb ebenso wenig wie die Menschheit ein möglichen Träger von Interessen."
Spätestens seit dem Mittelalter ist Europa durch ein enges Geflecht kulturellen Austausches seiner Regionen bzw. Nationen verbunden, der ganz deutlich eine weit engere Zusammengehörigkeit konstituiert als sie z.B. gegenüber der islamischen Welt oder der chinesischen Zivilisation gegeben ist. Europa stellt daher durchaus eine Ebene in der Hierarchie der kulturellen Identitäten dar.

Ergon

28. November 2018 18:17

Anscheindend ist es zwecklos darzulegen, wie unangemessen Formulierungen wie "gottlob sind diese Landstriche seinerzeit nicht in BRD-Hand verblieben." sind, weshalb ich darauf verzichte. Überraschen kann der nichtexistente deutsche Bezug nicht, gehen doch die Teilnahme der Identitären an den polnischen Unabhängigkeitsfeiern am 11. November und die neurechte Forderung nach erneuter Teilung Deutschlands entlang des Eisernen Vorhangs in die gleiche Richtung.

ML: Totaler Unsinn. Es gibt diese "neurechte Forderung nach erneuter Teilung Deutschlands" nicht. Es handelt sich lediglich um eine Diagnose anhand demographischer Entwicklungen, die einige stellen.

@quarz Die Rationalitätsannahme eines widerspruchsfreien Systems von Überzeugungen mag unrealistisch sein, der Umstand impliziert aber keine weitreichenden Annahme metaphysischer Entitäten wie objektive und absolute Zwecke, Ziele oder Interessen. Überzeugungen sind, sofern sie keine normativen Anteil haben, wahrheitsdefinit und können deshalb als Irrtümer gedeutet werden. Dagegen sind Präferenzen subjektiv (oder intersubjektiv) und lassen sich allgemein nur über formale Eigenschaften, z.B. mangelnde Kohärenz, kritisieren. Die Annahme absoluter Zwecke, Ziele, Funktionen oder Interessen ist vor allem ein erkenntnistheoretisches Problem, denn während sich Überzeugungen trotz aller methodischer Probleme der Demoskopie um Grundsatz ermitteln lassen, ist die Zuschreibung bei absoluten Interessen wie im Fall des "gesamteuropäischen Interesses" eher Ausdruck einer ideologischen Festlegung. Ihren Ausführungen über Europa als Kulturkreis widerspreche ich nicht, sie stehen aber auch nicht im Widerspruch zur Aussage, dass weder die Europäer noch die Menschheit ein geigneter Träger von Interessen sind.

Ergon

28. November 2018 21:20

@ML "Unter den im Europa-Heft der Sezession vorgestellten Europa-Konzepten ist das »Europa der Vaterländer« das unserem Kontinent angemessene, das Intermarium (inklusive seiner Visegrad-Keimzelle) mit Blick auf die heutige Lage und vor allem auf die zukünftige Entwicklung das wünschenswerte. Es ist das Konzept einer Sezession des Ostens vom Westen.[...] Die neuen Bundesländer gehören dabei in Mentalität, Alltags- und Wahlverhalten sowie historischem Bewußtsein zum Osten." (Götz Kubitschek, Das europäische Ich)

ML: Können Sie lesen? Das ist keine "Forderung".

Ergon

29. November 2018 00:19

@ML Jetzt wird die Diskussion absurd. Natürlich leitet die Phrase "es ist wünschenswert, dass"

ML: Und diese Phrase steht bitteschön wo? Du liebe Güte, ich werde doch selber wissen, was ich "fordere" und was nicht.

allgemein eine Forderung ein, zumal auch im Wortsinne ein Wunsch eine abgemilderte Form der Forderung darstellt. Eine "Diagnose anhand demographischer Entwicklungen, die einige stellen." ist auf keinen Fall.

Ergon

29. November 2018 16:50

@ML Es geht nicht um Sie, oder nur insofern, als dass Sie im Heft zwei dieser Konzepte, von Ley und von Kemp, vorgestellt und besprochen haben, sondern um Kubitschek und sein Editorial. Die eine zurückgenommene Form der Forderung enthaltende Phrase ist direkt im ersten zitierten Satz zu finden: "Unter den [...] Europa-Konzepten ist [...] das Intermarium [...] das wünschenswerte." Im weiteren Text expliziert er dann, was er unter dem Terminus "Intermarium" versteht, nämlich, auf Ihren Artikel verweisend, die "Sezession des Ostens von Westens", wobei der Osten aus Kubitscheks Sicht und in Abweichung zum ursprünglichen Konzept des Intermarium ausdrücklich die "neuen Bundesländer" mit einschließt.

quarz

30. November 2018 20:47

@links ist ...

Sie verkennen die Alternativen. Diese sind:
a) ehemalige deutsche Ostgebiete an Merkeldeutschland anschließen und diese Gebiete dadurch mit Orientalen und Afrikanern zu überschwemmen.
b) diese Gebiete in Polen zwar nicht von deutschen, aber immerhin von Europäern kultivieren zu lassen.

Welches Szenario stellen Sie sich denn vor? Anschuss an Merkeldeutschland und durch einen wundersamen Zauber haben die deutschen Politiker zugleich ein Damaskuserlebnis und veranlassen die vielen Orientalen und Afrikaner, das Land zu verlassen?

Wenn es je eine Möglichkeit geben wird, die ehemaligen deutschen Gebiete wider durch Deutsche besiedeln zu lassen, dann sicher nur unter Prämisse b). Und wenn nicht, dann habe ich dort lieber polnische, also europäische Nachbarn als Araber und Sudanesen.

quarz

30. November 2018 21:00

@Ergon

"Dagegen sind Präferenzen subjektiv (oder intersubjektiv) und lassen sich allgemein nur über formale Eigenschaften, z.B. mangelnde Kohärenz, kritisieren."

Natürlich sind sie subjektiv indem und insofern sie die Präferenzen eines Subjektes sind. Indem sie das aber sind, stellt sich die Frage, wer oder was dieses Subjekt ist und ob bzw. wie dessen Interessen auf dessen Präferenzen reduziert werden können. Mein Punkt war, dass Interessen nicht auf Präferenzen reduziert werden können, weil diese (sowohl sychron als auch und vor allem diachron) widersprüchlich sein können. Präferenzen können allenfalls Indizien für Interessen sein. Während nun aber kein Problem mit dem Umstand auftritt, dass Präferenzen einer zeitlichen Veränderung unterworfen sind, ist das bei Interessen sehr wohl ein Problem, weil ein und derselbe Sachverhalt zwar zu verschiedenen Zeitpunkten durch widersprüchliche Präferenzen bewertet sein kann, er kann aber nicht zugleich im Interesse und nicht im Interesse des Subjektes sein. Deshalb taugt der empirische Organismus zwar allenfalls als Subjekt von Präferenzen (selbst das ist aber aus anderen Gründen zweifelhaft), nicht aber als Subjekt von Interessen. Und wenn kein empirischer Organismus das Subjekt ist dann gibt es entweder überhaupt keine Interessen oder das Subjekt ist ein metaphysisches. Suchen Sie es sich aus!

links ist wo der daumen rechts ist

1. Dezember 2018 07:13

@ Quarz et al.

Nur zur Klärung:
Ich halte die „Wiedergewinnung“ der Ostgebiete für mehr als illusorisch (das wissen wir eh alle), aber konjunktivische Kausalitäten a'la „überlassen wir (?) diese Gebiete lieber den Polen als den verkommenen Merkel-Deutschen, die sie ohnehin gleich massenhaft mit kulturfremden Figuren bevölkern würden“ sind für mich einfach absurd und, ich wiederhole es gerne, bloßer Ausdruck eines nationalen Selbsthasses.
Erstens haben wir (?) die Ostgebiete nicht, zweitens stünde es in niemandes Macht sie umgehend mit wem auch immer zu bevölkern.

Polens gegenwärtiger „Nationalismus“ gründet auf verbrecherischen Praktiken einer fragwürdigen Siegerjustiz. Hier hätte man während des Kalten Krieges z.B. im Sinne Paul Wilhelm Wengers gegensteuern (Südtirol-Lösung) oder nach 1989 gleich die Ordnung von Jalta zu Grabe tragen können. Deutschland als der tatsächliche Hegemon hätte seine ökonomische Potenz für eine erfolgreiche europäische Einigung in die Waagschale werfen müssen – gut 100 Jahre nach den leider nicht realisierten militärstrategischen Überlegungen des älteren Moltke.
Nichts davon ist geschehen.

Für die Zukunft entscheidend wird das deutsch-russische Verhältnis sein.
Da interessieren mich die nachgeholten übersteigerten Nationalismen der früheren Ostblockstaaten nicht, sofern sie extrem deutschfeindlich sind (Polen, Tschechien), historisches Unrecht prolongieren und dabei den USA hofieren. Das wiegt schwerer als die Annahme einer gemeinsamen europäischen Kultur.

Des weiteren glaube ich nicht, daß das Hauptproblem in der Verwechslung bestimmter Ebenen liege (historisches Unrecht/Revanchismus vs. realpolitische Taktik/Verzicht), indem man eine Illusion der Alternativen konstruiert, sondern schlicht und einfach darin, daß einige Kollegen konstative und performative Aussagen verwechseln.

quarz

1. Dezember 2018 18:05

@links ist ...

Ich verstehe Sie nicht. Vielleicht würde ich Sie verstehen, wenn Sie endlich ihre alternative Vision/Option zu derjenigen formulierten, die Sie so zornig zurückweisen.

Ergon

1. Dezember 2018 18:57

@quarz Die Ablehnung eines absoluten Begriffs des Interesses bedeutet nicht, dass er auf Überzeugungen, Absichten, Vorlieben, etc. reduzierbar ist, sondern nur, dass er relativ dazu ist. Außerdem sehe ich nicht, warum das Interesse zeitlich invariant sein soll, erkennbar an Wendungen, jemand verliere das Interesse oder zeige ein verstärktes Interesse an einer Sache. Die im Duden aufgeführten Bedeutungen

"1.geistige Anteilnahme, Aufmerksamkeit
2. a. Neigung, Vorliebe
b. Neigungen zum Erwerb, Kauf
3. a. das, woran jemandem sehr gelegen ist, was für jemanden oder etwas wichtig oder nützlich ist; Nutzen, Vorteil
b. Bestrebung, Belange"

sind auch ensprechend auf Personen relativiert. Die einzige Möglichkeit eines absoluten Begriffs von Interesse wäre 3.a, und auch nur dann, wenn der Nutzen/Vorteil absolut in Sinne von Utility aufgefasst wird, wobei wir wieder beim Utilitarismus, der Nutzenethik, wären.

Zu Ihrer Antwort an "links ist usw.": Die Ostgebiete sind altes deutsches Siedlungsgebiet und ein Kulturraum, der im Gegensatz zum Westen nicht vollkommen von alliierten Bomberstaffeln zerstört wurde. Hier bin fast geneigt zu sagen: Das können Sie nicht verstehen, Sie sind Österreicher. Nicht dass die Möglichkeit nur ansatzweise realistisch wäre. Polen gäbe die Ostgebiete nicht freiwillig her und die "Zwei-plus-Vier"-Gespräche 1990 mit den ehemaligen Kriegsgegnern zeigen, dass Deutschland einen dritten Weltkrieg führen müßte, um sie wiederzugewinnen.

Unabhängig davon sind Ihre aufgeführten "Alternativen" polemisch, denn auch wenn die Möglichkeit besteht, dass sich die Bundesrepublik in Richtung amerikanische Verhältnisse entwickelt und zuletzt multikulturell auflöst, sie ist auch nach Öffnung der Grenzen 2015 nicht mit "Orientialen und Afrikanern überschwemmt". Ihre Ansicht ist symptomatisch für die "europäistische", die europäische Identität und Kultur in den Mittelpunkt stellende Szene, die Westeuropa einschließlich Deutschland für "unrettbar" hält und nicht nur einen kaum vorhandenen deutschen Bezug hat, sondern sich zum Teil ausgesprochen antideutsch geriert. Die ehemalige PEGIDA-Frau Tatjana Festerling, die sich inzwischen nur noch über Deutschland auskotzt, gibt ein herausragendes Beispiel. Im Vergleich dazu das vor Sendungsbewußtsein strotzende Gezwitscher von Annegret Kramp-Karrenbauer:

"Wir haben eine Verantwortung! Die Menschen verlassen sich darauf, dass wir unser Land stark machen. Wenn unser Wertesystem Standard überall in der Welt sein soll, geht das nur mit starkem Deutschland und starkem Europa. Das ist die Verantwortung, die über die CDU hinaus reicht."

quarz

2. Dezember 2018 11:51

@Ergon

"Die einzige Möglichkeit eines absoluten Begriffs von Interesse wäre 3.a"

Selbst der wäre relativ zum Subjekt, zum Nutznießer des Nutzens. Was dem einen nützt, kann dem anderen schaden. Dass das Interesse relativ zu seinem Subjekt ist, ist doch unbestritten.

Aber es ist eben nicht auf dessen Präferenzen reduzierbar. Nehmen sie da klassische Beispiel des Odysseus. Er ordnete an, dass man ihn an einen Mast binde, damit er dem Gesang der Sirenen lauschen könne, ohne ihrem fatalen Lockruf folgen zu können. Selbst wenn er darum flehen würde, so seine Anordnung, sollten ihn seine Gefährten nicht losbinden.

Wie vorhergesehen äußert der gefesselte Odysseus die Präferenz, losgebunden zu werden. Seine treuen Gefährten wollen in seinem Interesse handeln, können sich aber nicht auf Odysseus' Präferenzen berufen, weil diese widersprüchlich sind. Seine aktuelle Präferenz: "Bindet mich los!". Seine frühere Präferenz: "Bindet mich ja nicht los". Beide Präferenzen relativieren die jeweils andere: "Bindet mich ja nicht los, egal was ich fordern werde" bzw. "Bindet mich los, egal, was ich gefordert habe".

Wenn sie also in seinem Interesse handeln wollen, können sie sich also nicht an Odysseus' Präferenzen orientieren, sondern müssen sich - sofern sie den begriff des Interesses nicht überhaupt verwerfen, an etwas jenseits seiner Präferenzen orientieren. Diese jenseitige Instanz ist dann nicht mehr relativ zu den Präferenzen (in diesem Sinne also objektiv) aber natürlich nach wie vor relativ zum Subjekt, dessen Interesse zur Debatte steht (in diesem Sinne also subjektiv).

Hier - wie so oft - führt die Rede von relativ/absolut bzw. subjektiv/objektiv in die Irre, solange nicht eingegrenzt ist, welche konkrete Relation zur Debatte steht.

"Sie sind Österreicher"
Wie kommen Sie auf die Idee?

"auch wenn die Möglichkeit besteht, dass sich die Bundesrepublik in Richtung amerikanische Verhältnisse entwickelt und zuletzt multikulturell auflöst, sie ist auch nach Öffnung der Grenzen 2015 nicht mit "Orientialen und Afrikanern überschwemmt"
Die Überschwemmung ist in vollem Gange. Warum verschließen Sie die Augen vor den statistischen Daten in den verschiedenen Alterskohorten bzw. Schuljahrgängen? Und die Ostgebiete sind derzeit vor ihr geschützt. Was wäre für das deutsche Volk gewonnen, wenn wir in der aktuellen Situation, die Schutzmauer beseitigten und damit die Möglichkeit einer künftigen deutschen (mit den Polen einvernehmlich geregelten) Wiederbesiedlung ruinieren? Das käme mir vor wie das Ansinnen, Löcher in Noahs Arche zu bohren.

Lotta Vorbeck

2. Dezember 2018 19:03

verspätet nachgetragen
zu @Gustav Grambauer - 24. November 2018 - 09:49 PM

EU-Mittel, vulgo BRD-Steuergeld ermöglichte(n) bei Suwalki den Bau einer landschaftsfressenden Autobahnschneise ...

... ansonsten reicht es, beispielsweise in Görlitz die Neiße zu überqueren und nur mal ein paar Schritte zu laufen: just begegnen einem bildhübsche junge Frauen - Kinderwagen schieben am östlichen Ufer der Neiße junge Frauen, die wie Frauen aussehen und nicht die in Mitteldeutschland wochentags vormittags im Zentrum jedes Städtchens überproportional häufig präsenten, fastfoodmampfenden, kollosal übergewichtigen, bunthaarigen, tattoobedeckten und zerpiercten, eine Hand am Smartphone, mit der anderen Hand die glimmende Marlboro zum Munde führende Single-Mums.

Die regional erzeugten Köstlichkeiten, welche noch heute im Schlesischen / Masurisch-Ostpreussischen überall angeboten werden, sowie Bier und Vodka polinischer Provenienz wären nochmals eine eigene Eröterung wert.

Ergon

2. Dezember 2018 22:10

@quarz Sie lesen meine Sätze nicht genau genug: "Die Ablehnung eines absoluten Begriffs des Interesses bedeutet nicht, dass er auf Überzeugungen, Absichten, Vorlieben, etc. reduzierbar ist, sondern nur, dass er relativ dazu ist." Insofern weise ich Ihr Beispiel der Einfachheit halber aus formalen Gründen zurück: Ihm unterliegt die Prämisse, ich würde den Begriff des Interesses auf Vorlieben reduzieren wollen. Inhaltlich läßt es sich so interpretieren, dass derjenige, der dem Gesang der Sirenen erlegen ist, zeitweise einen Teil seiner Personalität, also die Annahme, er sei ein rationales Wesen, verliert, die die Voraussetzung zur Zuschreibung von Überzeugungen, Absichten, etc. ist. Es ist nicht "sein" Wille, die Insel zu betreten.

Zu Ihrem Sein als Östereicher: Das deuteten Sie an, ich glaube in einer Diskussion darüber, ob Sellner sich in seinen auf Youtube-Auftritten auf Österreich beschränken sollte. Außerdem entsprechen Ihre in diesem Strang geäußerten Ansichten im distanzierten bis nicht vorhandenen deutschen Bezug denjenigen von Sellner und Lichtmesz. Sie hätten die Annahme auch einfach bestätigen können.

Wenn Sie sich die Zahlen des BAMF zur Migration nach Deutschland nach 2015 ansehen, werden Sie feststellen, dass sie nicht einfach zu interpretieren sind und die Formulierung, Deutschland sei von "Orientialen und Afrikanern überschwemmt" angesichts der Relation der Migration zur Gesamtbevölkerung bestenfalls eine polemische Zuspitzung ist. Entscheidend ist die zukünftige Entwicklung, das Thema der politischen Auseinandersetzung, die inzwischen, wie der Einzug der AfD in den Bundestag, die Affäre, die die Äußerungen des (ehemaligen) VS-Chefs Maaßen auslösten und die Demontage von Merkel durch ihre eigene Partei zeigt, eine hohe Dynamik aufweist und die Risse im System sichtbar werden läßt.

quarz

2. Dezember 2018 23:05

@Ergon

Dass Sie zusätzlich zu Vorlieben (Präferenzen) noch Absichten und Überzeugungen ins Treffen führen, ändert nichts Wesentliches. Absichten sind nichts anderes als Vorlieben im Kontext der Überzeugung, diese umsetzen zu können und Überzeugungen betreffen im Entscheidungskontext nur die Wahl der Mittel, die Vorlieben umzusetzen. Nicht umsonst ist vom Präferenzutilitarismus bzw. vom informierten Präferenzutilitarismus die Rede. Der Kern all dieser propositionalen Einstellungen sind im Entscheidungskontext die Präferenzen.

"Inhaltlich läßt es sich so interpretieren, dass derjenige, der dem Gesang der Sirenen erlegen ist, zeitweise einen Teil seiner Personalität, also die Annahme, er sei ein rationales Wesen, verliert, die die Voraussetzung zur Zuschreibung von Überzeugungen, Absichten, etc. ist. Es ist nicht "sein" Wille, die Insel zu betreten."

(Handlungs-)Rationalität können Sie in Anbindung an ihre Relata (und im außermoralischen Zusammenhang) nicht anders als durch das konsistente Zusammenspiel von Präferenzen und Informationsverarbeitung konzipieren. Und diesbezüglich besteht völlige Symmetrie zwischen den beiden einander widersprechenden Forderungen des Odysseus. Dass seine Rationalität unter dem Einfluss des Sirenengesangs außer Betrieb sei, ist wohl eine Projektion Ihrer eigenen Präferenzen, die aber für des Odysseus Rationalität nicht konstitutiv sind. Sie ergreifen lediglich die Partei des nicht gefesselten Odysseus, weil ihre Urteilsperspektive eher der des ungefesselten gleicht als der des gefesselten. Der gefesselte Odysseus ist aber (in der Konzeption - letztlich - präferenzabhängiger Interessen) nicht weniger rational als der nicht gefesselte. Er verfügt über dieselben Informationen wie der nicht gefesselte. Aber er hat halt andere Präferenzen. In diesem Zusammenhang (der Präferenzen transzendierende Interessen außer Betracht lässt) hat Humes Urteil volle Gültigkeit: „Es läuft der Vernunft nicht zuwider, wenn ich lieber die Zerstörung der ganzen Welt will als einen Ritz an meinem Finger.“

"Wenn Sie sich die Zahlen des BAMF zur Migration nach Deutschland nach 2015 ansehen, werden Sie feststellen, dass sie nicht einfach zu interpretieren sind und die Formulierung, Deutschland sei von "Orientialen und Afrikanern überschwemmt" angesichts der Relation der Migration zur Gesamtbevölkerung bestenfalls eine polemische Zuspitzung ist."
Nein, das stelle ich nicht fest. Vor allem dann nicht, wenn ich jene Statistiken betrachte, die uns darüber informieren, wie hoch und in rasantem Wachstum begriffen in deutschen Schulen der Anteil der Schüler mit (orientalischem bzw. islamischem) Migrationshintergrund ist. Ihre Bagatellisierung dieses Umstandes erinnert mich etwas an diejenige der Bischöfin Käßmann, bei der mich - im Gegensatz zu Ihnen - derlei Kleinreden freilich nicht wundert.

Lotta Vorbeck

3. Dezember 2018 00:01

@Ergon - 2. Dezember 2018 - 10:10 PM

"... Wenn Sie sich die Zahlen des BAMF zur Migration nach Deutschland nach 2015 ansehen, werden Sie feststellen, dass sie nicht einfach zu interpretieren sind und die Formulierung, Deutschland sei von "Orientialen und Afrikanern überschwemmt" angesichts der Relation der Migration zur Gesamtbevölkerung bestenfalls eine polemische Zuspitzung ist. ..."

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Und welcher Prozentsatz der "Gesamtbevölkerung" besteht aktuell bereits aus Orientalen und Afrikanern respektive deren Nachkommenschaft, während zugleich täglich neue Orientalen und Afrikaner ebenso illegal wie ungehindert über die Grenze ins Asylparadies BRD gelangen bzw. gleich directamente per Nachtflug auf Geheiß der Merkel-Regierung importiert werden?

links ist wo der daumen rechts ist

3. Dezember 2018 00:37

@ Quarz

Ich weiß nicht, was an meinen Ausführungen so kompliziert sein soll, wenn Sie doch gerade selbst das klassische Beispiel einer double-bind-Situation schlechthin angeführt haben: Odysseus am Mast.
Zum Anlaßfall Polen habe ich dieses Konstrukt einer Illusion der Alternativen versucht zu erläutern.
Sie formulieren halt ein scheinbar übergeordnetes Interesse, indem Sie in unlauterer Weise Endzeit-Metaphern einführen („Arche Noah“), ich habe hingegen den für mich unauflösbaren Widerspruch zugespitzt. Endgültige Antworten weiß ich nicht, da ich im Gegensatz zu Ihnen nicht in die Zukunft blicken kann. Historisches Unrecht kann ich aber sehr wohl erkennen und auf dieser Grundlage argumentieren.
Dieses reklamierte übergeordnete Interesse halte ich für eine ziemliche Anmaßung, da nicht klar ist, in wessen Namen Sie eigentlich sprechen, ob wir uns auf begrifflicher oder metaphorischer Ebene bewegen und v.a. von welchen realen Verhältnissen Sie ausgehen, wenn Sie düstere Zukunftsszenarien („Überschwemmung“) als Gegenwartsdiagnose ausgeben.
@ Ergon hat dazu ja schon Relevantes gesagt.
Vollends unverständlich wird es, wenn Sie in Ihrem letzten Eintrag dann doch plötzlich von der „Möglichkeit einer künftigen deutschen (mit den Polen einvernehmlich geregelten) Wiederbesiedlung“ sprechen... Auf welcher völkerrechtlichen Grundlage, unter welcher Regierungskonstellation, gar unter „Trockenlegung“ einer bereits im übrigen Deutschland stattgefundenen, irreversiblen nichteuropäischen „Überschwemmung“?
Zugegeben, ich bin etwas verwirrt.

Generell:
Manche sind fixiert auf die Ereignisse seit dem Sommer 2015 und vergessen, daß das Thema Asyl/Zuwanderung/“Überfremdung“ seit Beginn der 80er Jahre virulent ist und der Komplex Bevölkerungstransfer eben nicht isoliert mit Blick auf die letzten drei Jahre betrachtet werden kann.

Cacatum non est pictum

3. Dezember 2018 01:15

@Ergon

"...

Wenn Sie sich die Zahlen des BAMF zur Migration nach Deutschland nach 2015 ansehen, werden Sie feststellen, dass sie nicht einfach zu interpretieren sind und die Formulierung, Deutschland sei von 'Orientialen und Afrikanern überschwemmt' angesichts der Relation der Migration zur Gesamtbevölkerung bestenfalls eine polemische Zuspitzung ist ..."

Werfen Sie einen Blick in die Kindergärten und Grundschulen unseres Landes. Mehr müssen Sie nicht tun, wenn Sie wissen wollen, wie sich die Bevölkerung Deutschlands in 25 Jahren zusammensetzen wird. Daran würde nicht mal ein sofortiger Einwanderungsstop etwas ändern, der ja nicht andeutungsweise in Reichweite liegt.

Sie können meinetwegen eine progressive Haltung einnehmen und behaupten, die sich vollziehende ethnische Zersplitterung Deutschlands wäre etwas Gutes und Heilsames (oder was auch immer). Ein beträchtlicher Teil der autochthonen Deutschen denkt ja heute so. Aber diesen völlig offenkundigen Prozeß leugnen zu wollen, ist schon reichlich bizarr. Auf dem Gebiet erreichen Sie nicht das Niveau Ihres philosophischen Austausches mit dem Foristen quarz.

Ihre und des "Däumlings" Argumentation kommen im Junge-Union-Stil daher: irgendetwas hochzuhalten und zu verteidigen vorgeben, während man seinen vermeintlichen Idealen gleichzeitig anderswo den Boden unter den Füßen wegzieht. Solange eine Regierung im Amt ist, die glasklar und unerbittlich die eigenen staatlichen Strukturen zerstört, ist jede geographische Ausweitung des Staatsgebiets mit Nachdruck abzulehnen. Punkt.

Ergon

3. Dezember 2018 19:49

@quarz Ihre handlungstheoretischen Erörterungen gleiten ab. Vorlieben sind eine spezielle Art der Überzeugen und grundsätzlich verschieden von Absichten oder dem auf ein Objekt gerichteten Willen. Jemand, der die Überzeugung hat, er könne eine Handlung vollziehen, muss noch lange nicht den Willen zum Vollzug der Handlung haben. Konstitutiv für den Vollzug von Handlung sind Personen, Wesen, die bestimmte Rationalitätsannahmen z.B. bzgl. ihrer Überzeugungen erfüllen, ebenso wie die Zuschreibung der Verantwortung für Handlungen nur in Bezug auf Personen möglich ist. Die Rationalitätsannahmen stellen ein Ideal dar, dem kein Mensch vollständig entspricht, weshalb in den unterschiedlichsten Situationen zeitweise etwa im Fall eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit oder langfristig im Fall von psychatrischen Erkrankungen eine eingeschränkte Rationalität und Personalität angenommen wird. Diese Asymmetrie, die zeitweise Einschränkung der Rationalitätsannahme, läßt sich in Ihrem Beispiel an den Schilderungen der Geschichte der an den Sirenen-Inseln vorbeisegelnden Argonauten ausmachen, an Wendungen, die Sirenen lockten mit ihrem Gesang oder Seeleute würden dem betörenden Gesang der Sirenen erliegen, oder der Rede davon, dass außer der Hörweite der Zauber seine Wirkung verlor. Das in vielen Ihrer Beiträge durscheinende Bestreben, alles auf einen Nutzenkalkül, auf bestimmte wirtschaftswissenschatliche Modellierungen zu reduzieren, wirkt dagegen selbst in dem von Ihnen vorgebrachten Beispiel ar­ti­fi­zi­ell.

@Cacatum et al. Wie steht es mit Daten, Zahlen, Fakten zur Stützung Ihres eschatologischen Ausblicks? Und damit meine ich für das Bundesgebiet repräsentative Zahlen, nicht eingeschränkt auf Migrationszentren. Ebenso wenig meine ich die auch Aussiedler einbeziehenden Statistiken über Personen mit Migrationshintergrund. Es ist wohl nur, wie Martin Lichtmesz es formulierte, "eine Diagnose anhand demographischer Entwicklungen, die einige stellen."

quarz

3. Dezember 2018 22:11

@Ergon

*seufz*

Cacatum non est pictum

5. Dezember 2018 21:33

@Ergon

"...

Wie steht es mit Daten, Zahlen, Fakten zur Stützung Ihres eschatologischen Ausblicks?"

Leben Sie in Hintertupfingen? Wie gesagt: Gehen Sie in die KiTas und Schulen. Dort können Sie Ihre eigenen Daten erheben und auswerten. Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß ich mich beim Thema Ausländeranteil auf offizielle Statistiken berufe! Auf diesem Gebiet werden Sie schier nichts finden, was nicht bei den Prämissen, dem Auswertungsmodus, der Interpretation oder sonst irgendeinem Parameter so verfälscht worden wäre, daß es mit der medialen Beschwichtigungspropaganda konform geht.

Beispiel ehemalige Kindergartengruppe meines Sohnes im Jahr 2017: 19 Kinder, davon 15 Muslime, 2 Polen und 2 "Biodeutsche". Beispiel Realschule in meinem Heimatstadtteil: Dort wirbt man mit einer Schülerschaft, die ihre Wurzeln in mehr als 30 unterschiedlichen Nationen hat. Schauen Sie sich einfach nur die Klassenfotos im Internet an, und Sie wissen sofort, was Tango ist. Reden Sie es sich ruhig schön, aber hören Sie auf, andere Leute für dumm zu verkaufen.

Ergon

6. Dezember 2018 09:24

@Cacatum non est pictum Ihr Argument ist, wie Ihnen ohne Frage bewußt sein muss, ungültig: "Und damit meine ich für das Bundesgebiet repräsentative Zahlen, nicht eingeschränkt auf Migrationszentren." Zumindest hier befindet sich kein einziges muslimisches Kind in der Kindergartengruppe, über die ich Einblick über mein persönliches Umfeld habe, durchaus aber Kinder mit einem sich auf die Herkunft eines Elternteils aus Oberschlesien beziehenden Migrationshintergrund. Und in der Grundschulklasse gibt es genau ein "Flüchtlingskind". Zudem verkennen Sie den Charakter der "medialen Beschwichtigungspropaganda", in der u.a. über undifferenzierte Statistiken zu Personen mit Migrationshintergrund die Migration als etwas "Normales" und "Zwangsläufiges" dargestellt wird. Mit der impliziten Botschaft "es ist aussichtslos, sich dagegen zu wehren." stimmen Sie offenbar überein.

Cacatum non est pictum

6. Dezember 2018 15:44

@Ergon

"... Zumindest hier befindet sich kein einziges muslimisches Kind in der Kindergartengruppe, über die ich Einblick über mein persönliches Umfeld habe, durchaus aber Kinder mit einem sich auf die Herkunft eines Elternteils aus Oberschlesien beziehenden Migrationshintergrund. Und in der Grundschulklasse gibt es genau ein 'Flüchtlingskind' ..."

Dann scheinen Sie in einer Gegend zu wohnen, die von den Auswirkungen der Massenmigration bisher verschont geblieben ist. (Lassen Sie mich raten: neue Bundesländer, ländliches Gebiet.) Die Realität in westdeutschen Ballungsgebieten (und bei weitem nicht nur dort!) sieht komplett anders aus. Geburtendynamik, weiterer steter Zuzug von außen und eine offenbar steigende Auswanderungsbereitschaft autochthoner Deutscher - bei vergleichsweise geringerer Rückkehrquote - werden die ethnische Zersplitterung Deutschlands zukünftig noch forcieren. Ob man das nun "Überschwemmung" nennt oder nicht, die Tendenz ist deutlich.

Daß die Migration schwerpunktmäßig dorthin erfolgt, wo bereits Landsleute oder Familienangehörige der Neuankömmlinge wohnen, ändert an der Problemlage nichts. Auf diese Weise werden sich nur die ausländisch dominierten Stadtteile (und bald Städte) geographisch ausweiten, ähnlich den Banlieues in Frankreich.

"Zudem verkennen Sie den Charakter der 'medialen Beschwichtigungspropaganda', in der u.a. über undifferenzierte Statistiken zu Personen mit Migrationshintergrund die Migration als etwas 'Normales' und 'Zwangsläufiges' dargestellt wird. Mit der impliziten Botschaft 'es ist aussichtslos, sich dagegen zu wehren.' stimmen Sie offenbar überein."

Das machen Sie genau woran fest? Sich gegen drohendes Unheil zu wehren, ist immer richtig. Aber auch eine vernünftige Lagebeurteilung hat ihren Wert. Die eigenen Ressourcen sind naturgemäß begrenzt, und man sollte sie nicht unbedingt in Schlachten verpulvern, die nicht mehr zu gewinnen sind.

Ergon

6. Dezember 2018 18:01

@Cacatum Rekapitulieren wir den bisherigen Austausch, beschränkt auf das Thema der Zuwanderung. Ausgangspunkt war quarz und Ihre Behauptung, Deutschland sei von "Orientalen und Afrikanern überschwemmt" bzw. sei "verschandelt". Daraufhin bat ich Sie um einen bevölkerungsstatistischen Beleg dieser Aussagen, erhielt aber stattdessen als Antwort eine die inhaltliche Schwäche Ihrer Position nur unzureichend verhüllende wortreiche Mischung aus weiteren unbelegten Behauptungen, Appellen und Invektiven. Insofern beende ich von meiner Seite das eine Diskussion vortäuschende sinnlose Treiben. Nur noch das: Ihre Vermutung über meine Wohngegend ist falsch.

Cacatum non est pictum

6. Dezember 2018 21:51

@Ergon

Wenn meine Hütte brennt, kann ich das zur Kenntnis nehmen und die Flucht ins Freie ergreifen. Ich kann aber auch an Ort und Stelle verharren, bis mir der Brand von einem Feuerwehrmann per Kohlenmonoxidmessung bestätigt wird. Beides ist gleichermaßen legitim, aber nicht gleichermaßen schlau. Habe die Ehre!

Brandolf

4. Oktober 2020 17:19

Die national-patriotische Euphorie in Polen ist nur eine lächerliche Farce! Polen ist kein vollständig souveräner Staat, sondern seit 1989/1990 nur ein Klientelstaat des Imperiums USA, der seinen Wohlstand zu einem beachtlichen Teil Subventionen der EU-Wirtschaftsbürokratie verdankt.

Der faktische Machthaber Polens und Vorsitzende der klerikal-nationalkonservativen Regierungspartei PiS Jaroslav Kaczynski bestreitet oder rechtfertigt die im Zuge der Vertreibung der Deutschen aus den per Beschluss der drei Siegermächte auf der Konferenz von Potsdam im Rahmen einer politischen Neuordnung Nachkriegseuropas erfolgten Abtrennung Ostdeutschlands (Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, südliches Ostpreußen) und dessen Eingliederung in das unter der Schirmherrschaft der UdSSR neugegründete Polen begangenen Menschenrechtsverletzungen. Er ist ebenso wie der neoosmanisch-islamistische Despot Erdogan ein Megalomane, der die Verwirklichung des von seinem Idol, dem imperialen Militärdiktator Pilsudski, konzipierten Projekts einer von Polen dominierten Konföderation aller Staaten im Raum zwischen Ostsee und Schwarzen Meer (Intermarium), beabsichtigt.

Teil 1

 

Brandolf

4. Oktober 2020 17:29

Unfassbar ist auch das Unvermögen des Transatlantikers Kaczynski zur Kenntnisnahme des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Massenzuwanderung vormodern-sozialisierter, junger, männlicher Versorgungssuchender (Gunnar Heinsohn) und Siedler (Paul Collier) aus überwiegend islamischen Ländern nach Europa einerseits und den von den USA im Modus illegaler Angriffskriege vorgenommenen, für die betroffenen Staaten destabilisierenden und zerstörerischen Regimewechseln in Südwestasien und Nordafrika andererseits.

Übrigens irrt der Skateboard-fahrende und Hip-Hop-Musik hörende Bruder der ehemaligen WG-Mitbewohnerin von Herrn Lichtmesz mit seiner Behauptung über eine Invasion des bolschewistischen Russlands im Falle eines ausgebliebenen Mordanschlags auf die von arglosen Zeitgenossen in Unkenntnis ihrer tatsächlichen Intention mit dem Ausspruch: Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden zitierte - polenstämmige - Antidemokratin Rose Luxenberg, denn die Initiierung der Weltrevolution wurde von Lenin früh, wenn auch nur vorläufig und nicht endgültig, aufgegeben.

Teil 2