Jost Bauch ist verstorben – bleibende Texte

Prof. Dr. Jost Bauch ist verstorben. Der konservative Soziologe, Jahrgang 1949, lehrte in Konstanz.

Bauch hat neben medi­zi­ni­schen Wer­ken auch poli­ti­sche Bücher ver­öf­fent­licht. Im Gra­zer Ares Ver­lag erschien Der Nie­der­gang. Bauch unter­such­te dar­in Deutsch­land in der glo­ba­li­sier­ten Welt. Zuletzt publi­zier­te Bauch bei Kopp sei­ne Stu­die Abschied von Deutschland.

Ein Schlüs­sel­text von Jost Baust erschien bereits in der 12. Sezes­si­on (2006). Er stell­te die Fra­ge: »Wer bringt die Ver­hält­nis­se zum Tan­zen?« Aus aktu­el­lem Anlaß geben wir die­sen Auf­satz unge­kürzt wie­der; man kann ihn hier als PDF her­un­ter­la­den. Der Text hat nichts von sei­ner drän­gen­den Aktua­li­tät verloren.

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Als Mar­xist hät­te man es leicht: Da der Ver­lauf der Geschich­te deter­mi­nis­tisch im his­to­ri­schen Mate­ria­lis­mus fest­ge­legt ist, braucht man in der sprö­den Gegen­wart nur die sozia­len Grup­pen und Klas­sen auf­zu­spü­ren, deren Inter­es­sen mit dem End­zu­stand der ange­nom­me­nen Geschichts­ent­wick­lung über­ein­stim­men, und schon hät­te man das revo­lu­tio­nä­re Sub­jekt, das ein „objek­ti­ves Inter­es­se“ an der Ver­än­de­rung der Welt hat. Als Pro­blem bleibt nur der „sub­jek­ti­ve Fak­tor“: durch eine Avant­gar­de (also die leni­nis­tisch-mar­xis­ti­sche Par­tei) müs­sen die sub­jek­ti­ven, also irra­tio­na­len Inter­es­sen in das objek­ti­ve Inter­es­se trans­for­miert werden.

Als Kon­ser­va­ti­ver hat man es an die­ser Stel­le ungleich schwe­rer. Denn der Kon­ser­va­ti­vis­mus ver­fügt über kein deter­mi­nis­ti­sches Geschichts­bild, die Geschich­te bleibt offen und zufäl­lig. Als Zeu­gen kön­nen wir Carl Schmitt benen­nen, der zustim­mend Dono­so Cor­tés inter­pre­tiert: „Für ihn ist die Welt­ge­schich­te nur das tau­meln­de Dahin­trei­ben eines Schif­fes, mit einer Mann­schaft betrun­ke­ner Matro­sen, die grö­len und tan­zen, bis Gott das Schiff ins Meer stößt, damit wie­der Schwei­gen herrscht.“

Kon­ser­va­ti­ve Den­ker haben der lin­ken Geschichts­me­ta­phy­sik immer einen Vol­un­t­a­ris­mus und Dezi­sio­nis­mus ent­ge­gen­ge­setzt. Die Geschich­te ver­läuft nicht line­ar, ist nicht durch mate­ri­el­le Figu­ra­tio­nen von Pro­duk­tiv­kräf­ten und Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­sen oder ande­re Ant­ago­nis­men, die dia­lek­tisch zu ihrer Auf­he­bung trei­ben, vor­her­be­stimmt, Geschich­te ist per se ris­kant und des­we­gen ist der Kon­ser­va­ti­vis­mus behut­sam im Aus­grei­fen in die Zukunft. Das Prä gehört zunächst ein­mal den Zustän­den, so wie sie sind. Da wir also zunächst nicht wis­sen kön­nen, in wel­che Rich­tung die Rei­se geht, ist es für uns Kon­ser­va­ti­ve ungleich schwe­rer als für alle Fort­schritts­my­tho­lo­gen, ein Sub­jekt aus­zu­ma­chen, das eine Ent­wick­lung, auch wenn sie noch so rück­wärts­ge­wandt ist, trägt.

Die Fra­ge nach einem kon­ser­va­ti­ven Sub­jekt, das im Sin­ne des Kon­ser­va­ti­vis­mus die Zukunft gestal­tet, ist eigent­lich inner­halb des kon­ser­va­ti­ven Para­dig­mas gar nicht zu stel­len, da die Annah­me eines Sub­jekts, das wie auch immer auf die Zukunft Ein­fluß nimmt, bereits gegen Grund­axio­me des kon­ser­va­ti­ven Den­kens ver­stößt. In der Fra­ge nach dem Sub­jekt wird bereits Gestal­tungs­mög­lich­keit und Hand­lungs­be­reit­schaft im Blick auf die Zukunft unter­stellt. Prin­zi­pi­en, die nicht ohne wei­te­res mit dem kon­ser­va­ti­ven Den­ken ver­ein­bar sind.

Der aka­de­mi­schen Fra­ge, ob ein Kon­ser­va­ti­vis­mus, der zur sozia­len Bewe­gung wird, noch Kon­ser­va­ti­vis­mus ist, soll hier aber nicht wei­ter nach­ge­gan­gen wer­den. Viel­mehr soll es um die sozio­lo­gisch hand­fes­te Fra­ge gehen, ob es sozia­le Grup­pen, Bewe­gun­gen, Par­tei­un­gen, sozia­le Schich­ten gibt, die eine zuneh­men­de Affi­ni­tät zum Kon­ser­va­ti­vis­mus auf­wei­sen und damit zum „sozia­len Sub­strat“ eines nach­hal­ti­gen kon­ser­va­ti­ven Poli­tik­wech­sels in Deutsch­land wer­den kön­nen. Um die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, müs­sen drei Din­ge geklärt werden:

1. Was ist Kon­ser­va­ti­vis­mus in unse­rer Zeit? Was sind sei­ne Grund­la­gen und wel­che Form­be­stim­mun­gen muß er anneh­men, um zu einer sozia­len und poli­ti­schen Bewe­gung zu werden?
2. Wohin geht die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung? Wo gibt es auf sozio­struk­tu­rel­ler Ebe­ne Anknüp­fungs­punk­te für einen kon­ser­va­ti­ven Men­ta­li­täts­wan­del zumin­dest von Tei­len der Bevölkerung?
3. Wel­che Teil­men­ge der Bevöl­ke­rung ist für einen sol­chen Men­ta­li­täts­wech­sel prä­de­sti­niert, wel­che gesell­schaft­li­che Situa­ti­on muß ein­tre­ten, damit ein gesell­schaft­li­ches Sub­jekt eines kon­ser­va­ti­ven Poli­tik­wech­sels auf der poli­ti­schen Büh­ne erscheint?

Zum ers­ten: Auf die Fra­ge, was man brau­che, um eine Revo­lu­ti­on durch­zu­füh­ren, hat Lenin geant­wor­tet: Eine regu­la­ti­ve Idee, die die Mas­sen ergrei­fen kann und Orga­ni­sa­ti­on, Orga­ni­sa­ti­on, Orga­ni­sa­ti­on! Mit Ver­laub: Mit bei­den Kom­po­nen­ten steht es im kon­ser­va­ti­ven Lager nicht gut! Bereits in den sieb­zi­ger Jah­ren hat der Münch­ner Poli­to­lo­ge Man­fred Hät­tich for­mu­liert: „Das kon­ser­va­ti­ve Den­ken und die kon­ser­va­ti­ve Grund­stim­mung ver­mö­gen in der Regel kei­ne Mas­sen zu bewe­gen, weil sie kei­ne zün­den­den und sen­sa­tio­nel­len Ideen in die sozia­le Kom­mu­ni­ka­ti­on ein­brin­gen. Mobi­li­sie­rung in der Gesell­schaft geschieht in der Regel nicht durch Konservative.

Sen­sa­tio­nell ist nicht das Bestehen­de und Her­ge­brach­te, son­dern das Neue und Umstürz­le­ri­sche“. So gibt es auch kei­ne eigent­li­che „kon­ser­va­ti­ve Theo­rie“. Das Bestehen­de legi­ti­miert sich durch sein Dasein, wohin­ge­gen die Pro­gres­si­ven eine Theo­rie brau­chen, damit die Idee zur Wirk­lich­keit wer­den kann. Geht man in heu­ti­ger Zeit auf die Suche nach einer kon­ser­va­ti­ven Theo­rie, so fin­det man allent­hal­ben mehr oder weni­ger kom­pa­ti­ble Theo­riefrag­men­te, begriff­lich nicht ent­fal­te­te Wer­te­be­kun­dun­gen, sub­jek­tiv begrün­de­te Men­schen- und Gesell­schafts­bil­der. Allei­ne die sozio­lo­gi­sche Anthro­po­lo­gie von Arnold Geh­len macht Hoff­nung, die wie­der eine gewis­se Renais­sance erlebt.

Gleich­wohl ist eine kon­ser­va­ti­ve Mobi­li­sie­rung der Mas­sen mög­lich! Der sei­ner Natur nach pas­si­ve Kon­ser­va­ti­vis­mus wird aktua­li­siert und mobi­li­siert in der Abwehr revo­lu­tio­nä­rer Neue­run­gen! Kon­ser­va­ti­vis­mus ist reak­tiv, er ist immer Gegen­be­we­gung. Die Antriebs­ur­sa­che kommt von außen, es gilt, Schä­den zu ver­mei­den. Da der Kon­ser­va­ti­vis­mus grund­sätz­lich die Ver­hält­nis­se nicht ver­än­dern will, braucht er auch kei­ne sich selbst tra­gen­de sozia­le Bewe­gung, die kon­ti­nu­ier­lich die Ver­hält­nis­se bis zur Iso­mor­phie von Idee und Wirk­lich­keit ver­än­dert. Der Kon­ser­va­ti­vis­mus wird aktiv in der Reak­ti­on auf sol­che Bewe­gun­gen. Der Kon­ser­va­ti­ve ist im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ein „Kon­ter-Revo­lu­tio­när“.

Ich darf mich wei­ter auf Hät­tich bezie­hen, wenn ich vier Grund­axio­me aus­ma­che, auf die die kon­ser­va­ti­ve Welt­an­schau­ung, egal wel­cher Cou­leur im ein­zel­nen, fußt:

1. Der Mensch stellt sich nicht aus­schließ­lich als Wesen auto­no­mer Ratio­na­li­tät dar. Der Mensch ist in sei­ner Unzu­läng­lich­keit und Gebro­chen­heit in eine gött­lich gestif­te­te oder geschicht­lich gewor­de­ne, nicht unmit­tel­bar ver­füg­ba­re Ord­nung eingegliedert.
2. In der Geschich­te gibt es kei­ne Ten­denz zur Ver­voll­komm­nung. In der Geschich­te gibt es kein Fort­schritts­ge­setz, Geschich­te ist im wesent­li­chen ein Tre­ten auf der Stel­le, und was geschicht­lich tra­diert ist, hat zunächst schon dadurch Vorrang.
3. Aus der posi­ti­ven und posi­ti­vis­ti­schen Auf­fas­sung zur Geschich­te ergibt sich eine Respek­tie­rung der Plu­ra­li­tät und Man­nig­fal­tig­keit aller Lebens­er­schei­nun­gen. Der Kon­ser­va­ti­vis­mus hat eine Abnei­gung gegen uni­for­mie­ren­de Ten­den­zen und Pla­nun­gen im gesell­schaft­li­chen Leben.
4. Der Mensch als „instinkt­ver­un­si­cher­tes Män­gel­we­sen“ (Arnold Geh­len) bedarf der Außen­stüt­zung sei­nes Ver­hal­tens durch sta­bi­le Ord­nun­gen, Insti­tu­tio­nen und Kon­ven­tio­nen. Ohne insti­tu­tio­nel­le Außen­stüt­zen ver­liert der Mensch den kul­tu­rel­len Boden unter den Füßen, er primitivisiert.

Aus die­sen Grund­axio­men lei­tet Hät­tich eine Ethik des Kon­ser­va­ti­vis­mus ab, die aus Ord­nung, Gleich­maß, Wach­sen­las­sen, Dis­zi­pli­nie­rung der Lei­den­schaf­ten besteht. Dabei wird durch­aus zuge­stan­den, daß es im gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Leben Ver­än­de­run­gen und Evo­lu­tio­nen gibt, aller­dings soll­ten die­se orga­nisch aus der Sache selbst wach­sen und nicht arti­fi­zi­ell durch Ein­grif­fe von außen, durch Inter­ven­tio­nen beschleu­nigt sein. Die Fort­schritts­eu­pho­ri­ker glau­ben an die Mög­lich­keit der Ver­han­del­bar­keit aller Lebensbezüge.

Seit der Auf­klä­rung herrscht die Idee, daß das gesell­schaft­li­che Zusam­men­le­ben auf einem Kon­trakt beruht. Der fort­schritt­li­che Mensch schwingt sich auf zum Demi­ur­gen der Ord­nung wenn er alle Insti­tu­tio­nen, Gebräu­che, Tra­di­tio­nen, Kon­ven­tio­nen unter das Kon­tin­genz­ge­bot stellt: Alles ist mög­lich, wenn es denn nur von gesell­schafts­re­le­van­ten Akteu­ren gewollt wird. Und so kön­nen wir seit den berühm­ten 68er Jah­ren ein gewal­ti­ges Gesell­schafts­um­ge­stal­tungs­pro­gramm beob­ach­ten, des­sen ver­hee­ren­de Aus­wir­kun­gen wir heu­te auf allen Ebe­nen spüren.

Die­ses Pro­gramm zur Umge­stal­tung der gesell­schaft­li­chen Ord­nung ist schon sehr weit fort­ge­schrit­ten, was sich im wesent­li­chen an fünf Sach­ver­hal­ten zeigt:

1. In der Zer­schla­gung von Nati­on und Staat und der Her­vor­brin­gung einer mul­ti­kul­tu­rel­len Gesellschaft.
2. In der Ent­funk­tio­na­li­sie­rung der Familie.
3. In der Öff­nung der Märk­te ohne gebüh­ren­de Berück­sich­ti­gung natio­na­ler oder regio­na­ler Inter­es­sen mit der Fol­ge der Deindus­tria­li­sie­rung klas­si­scher Industrieländer.
4. In der Zer­schla­gung der klas­si­schen Bil­dungs- und Erzie­hungs­ein­rich­tun­gen durch Per­sön­lich­keits­ma­nage­ment und peo­p­le pro­ces­sing, das Bil­dungs- und Leis­tungs­be­reit­schaft durch eine Selbst­ver­wirk­li­chungs- und Betrof­fen­heits­se­man­tik erset­zen will.
5. In der Umwer­tung der tra­dier­ten Wer­te: Moral und Reli­gi­on wer­den ent­funk­tio­na­li­siert und in die Selbst­ver­füg­bar­keit einer gesell­schaft­lich geför­der­ten Bas­tel- und patch-work-Iden­ti­tät gestellt.

Ich sage nicht, daß die­se fünf Punk­te in ihrer Erschei­nungs­form von den Gesell­schafts­ver­än­de­rern Punkt für Punkt so geplant und gewollt sind, ich sage nur, daß sie (auch nicht­ge­woll­tes) Resul­tat ihres Wir­kens sind. Natür­lich sind Ver­än­de­run­gen die­ses Aus­ma­ßes nicht durch eine gesell­schaft­li­che Teil­grup­pe – und sei sie noch so bedeu­tend – gesamt­ge­sell­schaft­lich durch­setz­bar. Aber mit dem Marsch durch die Insti­tu­tio­nen ist die­ses 5‑Punk­te-Pro­gramm in Deutsch­land – und wie wir sehen wer­den auch in den USA – zum Groß­teil „Staats­pro­gramm“ und Staats­auf­ga­be geworden.
Paul Edward Gott­fried hat in sei­nem auf­se­hen­er­re­gen­den Buch Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus und die Poli­tik der Schuld auf­ge­zeigt, wie sich der Staat in den letz­ten Jahr­zehn­ten vom rechts­staat­lich ver­an­ker­ten Ver­fas­sungs­staat zum, wie er es nennt, „the­ra­peu­ti­schen Staat“ gewan­delt hat.

Aus­gangs­punkt des the­ra­peu­ti­schen Staa­tes ist eine Auf­fas­sung von Gesell­schaft, die als schuld­be­la­den gilt. Die Gesell­schaft ist durch­wo­ben von fort­schritts­feind­li­chen, into­le­ran­ten, das Zusam­men­le­ben erschwe­ren­den Vor­stel­lun­gen, Ein­stel­lun­gen und Prak­ti­ken, die aus einer „unbe­wäl­tig­ten Ver­gan­gen­heit“ her­rüh­ren und durch den the­ra­peu­ti­schen Zugriff des Staa­tes neu­tra­li­siert und eli­mi­niert wer­den müs­sen. In Deutsch­land ist der Ansatz­punkt des the­ra­peu­ti­schen Zugriffs auf die Gesell­schaft klar: Es ist die unbe­wäl­tig­te Ver­gan­gen­heit des Natio­nal­so­zia­lis­mus und die ver­meint­li­che Faschis­mus­an­fäl­lig­keit des Deut­schen, die eine Dau­er­the­ra­pie durch staat­li­che und para­staat­li­che Instan­zen erfor­der­lich macht.

Inter­es­sant ist nun, daß die­ses uns wohl­be­kann­te Denk­mus­ter in ande­rer inhalt­li­cher Aus­rich­tung auch für die USA gilt. Die wei­ße (Noch-) Mehr­heit gilt als zumin­dest latent ras­sis­tisch, sexis­tisch, homo­phob, vor­ur­teils­be­la­den in Bezug auf Min­der­hei­ten und bedarf der the­ra­peu­ti­schen Dau­er­inter­ven­ti­on, um auf den Weg der Beja­hung einer offe­nen, mul­ti­kul­tu­rel­len, plu­ra­lis­ti­schen, nicht-dis­kri­mi­nie­ren­den Gesell­schaft gebracht zu wer­den. Kurz: eine zumin­dest latent böse Gesell­schaft muß durch staat­li­che Dau­er­the­ra­pie zu einer guten Gesell­schaft trans­for­miert werden.

Nach Gott­fried hat die post­kom­mu­nis­ti­sche Lin­ke längst das Ziel der Ver­ge­sell­schaf­tung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel fal­len­ge­las­sen, um sich ganz der Logik des the­ra­peu­ti­schen Staa­tes zu wid­men, nicht die Natio­na­li­sie­rung der Schwer­indus­trie als For­de­rung des tra­di­tio­nel­len Sozia­lis­mus steht auf ihrer Fah­ne, son­dern poli­ti­cal cor­rect­ness und wohl­fahrts­staat­li­che Dau­er­be­treu­ung von sozi­al Benachteiligten.

Für den Kon­ser­va­ti­vis­mus sind der­ar­ti­ge Vor­stel­lun­gen kaum erträg­lich. Und wenn wir den moder­nen Kon­ser­va­ti­vis­mus inhalt­lich typi­sie­ren wol­len, so fin­den wir bei allen gro­ßen inhalt­li­chen Dif­fe­ren­zen der ein­zel­nen Frak­tio­nen – von einem reli­gi­ös bis hin zu einem natio­nal moti­vier­ten Kon­ser­va­ti­vis­mus – in der Beur­tei­lung der fünf oben genann­ten Punk­te der Gesell­schafts­ver­än­de­rung einen Minimalkonsens.Dieser besteht

1. in der Ableh­nung des mul­ti­kul­tu­rel­len und mul­ti­eth­ni­schen Gesell­schafts­kon­zepts. Das Pro­jekt ist ins­ge­samt geschei­tert. Mul­ti­kul­tur als Bevöl­ke­rungs­po­li­tik in Pau­schal­tou­ris­ten­per­spek­ti­ve erweist sich als demo­gra­phi­sche, öko­no­mi­sche, poli­ti­sche und kul­tu­rel­le Kata­stro­phe für die Ein­wan­de­rungs­län­der. Soweit der kon­ser­va­ti­ve Kon­sens. In der Fra­ge der Reak­ti­on auf die­se Her­aus­for­de­rung herrscht gro­ße Unei­nig­keit: Die Emp­feh­lun­gen rei­chen von grö­ße­ren Rück­füh­rungs­ak­tio­nen bis hin zu stär­ke­rer Integration;
2. in der For­de­rung nach einer völ­lig ande­ren Fami­li­en­po­li­tik. Fami­lie (dabei ist gemeint: Frau, Mann, Kind) muß wie­der in das Zen­trum der Gesell­schafts- und Sozi­al­po­li­tik gestellt wer­den. Die eta­blier­ten Par­tei­en (bis hin­ein in Tei­le der CDU) haben die Fami­lie als eine Art Ad-hoc-Ver­ei­ni­gung ange­se­hen, aus der der Mann belie­big ver­trie­ben wer­den darf, wäh­rend die Frau außer­fa­mi­liä­re Kar­rie­re­per­spek­ti­ven zum Ver­las­sen locken, wäh­rend das Kind mög­lichst bald nach der Geburt in Kin­der­hor­te und ähn­li­che Ein­rich­tun­gen abge­stellt wer­den soll. Gegen die­se desas­trö­se Poli­tik ist wie­der die För­de­rung der hete­ro­se­xu­el­len, man wagt es kaum zu sagen, „Nor­mal­fa­mi­lie“ ein­zu­for­dern, in der die Mut­ter­schaft der Frau zumin­dest ein funk­tio­na­les Äqui­va­lent zur mög­li­chen Kar­rie­re darstellt.
3. Kon­ser­va­ti­ver Kon­sens besteht in der Fra­ge, daß zum Woh­le der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung mit dem Pro­zeß der Glo­ba­li­sie­rung zumin­dest lis­tig und stra­te­gisch umzu­ge­hen ist. Glo­ba­li­sie­rung ist kein Natur­ge­setz und man muß die­ses Land nicht schutz­los dem Heu­schre­cken­fraß preisgeben.
4. Wir brau­chen drin­gend eine Keh­re in der Bil­dungs­po­li­tik. Der Spaß- und Erleb­nis­päd­ago­gik ist eine defi­ni­ti­ve Absa­ge zu ertei­len. Man muß der Wahr­heit wie­der zum Durch­bruch ver­hel­fen, daß Ler­nen mit Anstren­gung und Mühe ver­bun­den ist. In die­sem Zusam­men­hang gilt es auch, den Pisa-Nebel zu ver­trei­ben, dadurch her­vor­ge­ru­fen, daß man Glau­ben macht, es kön­ne durch mehr Päd­ago­gik und durch mehr sozi­al­the­ra­peu­ti­sche Betreu­ung die deut­sche Bil­dungs­mi­se­re beho­ben wer­den. Das wäre ledig­lich mehr von dem, was uns die­se Mise­re ein­ge­brockt hat. Nein, wir brau­chen eine ande­re Bil­dungs­po­li­tik, ande­re Bil­dungs­in­hal­te und ande­re päd­ago­gi­sche Kon­zep­te, die den jun­gen Men­schen viel stär­ker mit For­de­rung und För­de­rung in die Pflicht nehmen!
5. Dem Wer­te­re­la­ti­vis­mus ist nach­drück­lich Ein­halt zu gebie­ten. Aus der Tra­di­ti­on der abend­län­disch-christ­li­chen Kul­tur her­aus sind die spe­zi­fi­schen Wer­te­bin­dun­gen gegen jede Form des Wer­te­re­la­ti­vis­mus zu brin­gen. Ins­be­son­de­re die jun­gen Men­schen soll­ten wie­der ver­stärkt eine wer­te­ba­sier­te Sozia­li­sa­ti­on erfahren.

Über die­se fünf Punk­te soll­te im kon­ser­va­ti­ven Lager Einig­keit bestehen. Sobald man aber die hier ein­ge­hal­te­ne Abs­trak­ti­ons­ebe­ne ver­läßt, also poli­tisch kon­kre­ter wird, wird man fest­stel­len, daß es in den Vor­stel­lun­gen zur inhalt­li­chen Umset­zung gro­ße Dif­fe­ren­zen gibt.

Ich kom­me nun zum zwei­ten Punkt mei­ner Aus­füh­run­gen und möch­te mich der Fra­ge wid­men, wel­che gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung zukünf­tig zu erwar­ten ist und wel­che Anknüp­fungs­punk­te für eine kon­ser­va­ti­ve Wen­de bestehen. Mit Samu­el Hun­ting­ton kön­nen wir zunächst fest­stel­len, daß der west­li­che Kul­tur­kreis spä­tes­tens in den neun­zi­ger Jah­ren sei­nen Zenit über­schrit­ten hat und zuneh­mend die Füh­rungs­rol­le an den sini­schen Kul­tur­kreis mit dem Kern­staat Chi­na abge­ben muß. Der west­li­che Kul­tur­kreis befin­det sich im Niedergang.

Die Anzei­chen der „inne­ren Fäul­nis“ sind für Hun­ting­ton unüber­seh­bar: sin­ken­des Wirt­schafts­wachs­tum, sin­ken­de Spar- und Inves­ti­ti­ons­ra­ten, dra­ma­ti­scher Gebur­ten­rück­gang und Über­al­te­rung, schwin­den­de Bedeu­tung des Chris­ten­tums und mora­li­scher Zer­fall, Zunah­me des aso­zia­len Ver­hal­tens (Kri­mi­na­li­tät, Dro­gen­kon­sum, Gewalt­be­reit­schaft), Zer­fall der Fami­lie, Rück­gang des sozia­len Enga­ge­ments, Auto­ri­täts­ver­fall der Insti­tu­tio­nen, Kult um indi­vi­dua­lis­ti­sche Selbst­ver­wirk­li­chung und hedo­nis­ti­sches Ver­hal­ten, Absin­ken von Bil­dung und aka­de­mi­schen Leistungen.

Inter­es­sant ist in die­sem Zusam­men­hang, daß die moder­ne Sozio­lo­gie in ihrer Beschrei­bung der aktu­el­len Gesell­schaft die­se Phä­no­me­ne des Nie­der­gangs noch gar nicht auf den Begriff gebracht hat. Sie ist in der sozio­lo­gi­schen Beschrei­bung der Gesell­schaft, deren Teil sie auch ist, gleich­sam am Anfang der neun­zi­ger Jah­re ste­hen­ge­blie­ben, als die Pro­ble­me gera­de anfin­gen, sich zur Kri­se zu ver­dich­ten. Die Begriff­lich­keit reflek­tiert und the­ma­ti­siert phä­no­ty­pi­sche Ver­än­de­run­gen der Gesell­schaft, ohne über einen Sen­sor zu ver­fü­gen, der Erschei­nungs­for­men der gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lung auch als Nie­der­gang und Invo­lu­ti­on deutet.

So spricht Ger­hard Schul­ze wei­ter­hin mun­ter von der „Erleb­nis­ge­sell­schaft“, Ulrich Beck von der „Risi­ko­ge­sell­schaft“, so als ob öko­lo­gi­sche Pro­ble­me uns noch wirk­lich inter­es­sie­ren wür­den, Peter Gross von der „Mul­ti­op­ti­ons­ge­sell­schaft“, Ami­tai Etzio­ni von der „guten Gesell­schaft“ und so wei­ter und so fort. Ande­re Sozio­lo­gen wie Pierre Bour­dieu in Frank­reich und Antho­ny Gid­dens in Eng­land füh­ren Rück­zugs­ge­fech­te gegen die „neo­li­be­ra­le Heimsuchung“.

Das begriff­li­che Poten­ti­al ist dabei gar nicht geeig­net, den Zer­fall und die Deka­denz als Rück­wärts­be­we­gung, also als Nie­der­gang, wahr­zu­neh­men, weil sie die­se Phä­no­me­ne als Über­gang zu einer neu­en „Hoch­kul­tur“ inter­pre­tie­ren. Das Neue, das auf uns zukommt, ist in der Vor­stel­lung des größ­ten Teils der moder­nen Sozio­lo­gie anders aber gleich­wer­tig. Ein­zig die moder­ne sozio­lo­gi­sche Sys­tem­theo­rie in der Tra­di­ti­on Niklas Luh­manns bie­tet einen frame of refe­rence, der nicht nur gesell­schaft­li­che Höher­ent­wick­lung, son­dern auch gesell­schaft­li­chen Nie­der­gang inter­pre­tie­ren kann. Ich kann die­ses Kon­zept an die­ser Stel­le nur sehr grob nachzeichnen.

Im Kern han­delt es sich um die Beschrei­bung des Prin­zips der „funk­tio­na­len Dif­fe­ren­zie­rung“, die sich als man­nig­fa­che funk­tio­na­le Teil­ha­be des Men­schen am sozia­len Leben kenn­zeich­nen läßt: Ich bin gleich­zei­tig inklu­diert (so Luh­manns Begriff) ins Wirt­schafts­sys­tem, ins poli­ti­sche Sys­tem, ins Rechts­sys­tem und so wei­ter. Unter den Bedin­gun­gen des gesell­schaft­li­chen Nie­der­gangs kommt es nach Luh­mann nun zu „Exklu­si­ons­ver­ket­tun­gen“: Immer mehr Men­schen ver­lie­ren ihren Arbeits­platz und damit mit­tel- und lang­fris­tig die Mög­lich­keit, Publi­kums­rol­len in ande­ren Teil­sys­te­men wahr­zu­neh­men. Das gesell­schaft­li­che Leben fin­det dann ohne die exklu­dier­te Per­son statt. Die exklu­dier­te Per­son ist damit kein gesell­schaft­li­cher Sym­bol- und Bedeu­tungs­trä­ger mehr, sie ist nackt, nur noch Bedürf­nis­we­sen und Körper.

Hartz IV bei­spiels­wei­se ist die kon­se­quen­te Reak­ti­on auf die­se Ent­wick­lung: Der Arbeits­lo­se wird auf sei­ne Kör­per­be­dürf­nis­se redu­ziert, indem er nur soviel Trans­fer­leis­tun­gen bekommt, um als Kör­per zu über­le­ben, sei­ne Bedürf­nis­se auf Nah­rung, Woh­nung und ein Min­dest­maß an Unter­hal­tung (Fern­se­hen) wer­den befrie­digt, ansons­ten steht er außer­halb der Sozi­al­ord­nung. Zbi­gniew Brze­zinski hat die­se Form der Mini­mal­ver­sor­gung „Titty­tain­ment“ genannt. Die so Aus­ge­schlos­se­nen kön­nen nur noch als Kör­per gesell­schaft­li­che Wir­kun­gen erreichen.

Die­ser Exkurs in die Gesell­schafts­theo­rie war not­wen­dig, weil es nun um die Fra­ge nach dem Sub­jekt einer kon­ser­va­ti­ven Keh­re geht. Dabei zeich­nen sich im wesent­li­chen drei Ziel­grup­pen ab, die Affi­ni­tät zum Kon­ser­va­ti­vis­mus haben:

Ers­tens sind dies die Tra­di­tio­nell-Kon­ser­va­ti­ven des bür­ger­li­chen Lagers (im Sin­ne des Kon­ser­va­ti­vis­mus als Gegen­be­we­gung), die genug haben von den chao­ti­schen Zustän­den, die nicht mehr glau­ben, daß die „Alt­par­tei­en“ die Kraft zur Gegen­steue­rung auf­brin­gen und einen neu­en kon­ser­va­ti­ven Flü­gel oder eine neue selb­stän­di­ge Par­tei unter­stüt­zen wür­den. Hier fin­den wir gleich­sam das kon­ser­va­ti­ve Poten­ti­al „im Sys­tem“, also Men­schen, die eta­bliert sind und geord­ne­te gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se wol­len. Ein Groß­teil die­ser Kli­en­tel wählt tra­di­ti­ons­ge­mäß die Uni­on, ist aber mit dem kon­ser­va­ti­ven Pro­fil die­ser Par­tei nicht zufrieden.

Zu die­sen „Alt­kon­ser­va­ti­ven“ gehört eigent­lich auch die zwei­te Grup­pe: die zuneh­men­de Schar von arbeits­lo­sen Aka­de­mi­kern, die bür­ger­li­che Wer­te ver­in­ner­licht haben, aber unter – wie der Sozio­lo­ge sagt – „rela­ti­ver Depri­va­ti­on“ lei­den, weil sie trotz Stu­di­um ihr Lebens­ziel wohl ver­feh­len wer­den. Ins­ge­samt dürf­te die­ser Kreis wach­sen und eine „natür­li­che“ Kli­en­tel für eine kon­ser­va­ti­ve Wen­de darstellen.

Die drit­te Ziel­grup­pe ist die rapi­de wach­sen­de Schar der sozi­al Aus­ge­schlos­se­nen. Ein Groß­teil von die­sen wird sich natür­lich zunächst nach links ori­en­tie­ren oder aber als Nicht­wäh­ler dem poli­ti­schen Sys­tem den Rücken keh­ren. Gleich­wohl ist hier ein über­aus gro­ßes Poten­ti­al für kon­ser­va­ti­ve Poli­tik­ge­stal­tung vor­han­den, aber nur, wenn es dem Kon­ser­va­ti­vis­mus gelingt, sich genü­gend trenn­scharf von der Poli­tik der „sozia­len Käl­te“ des Neo­li­be­ra­lis­mus abzu­gren­zen und gleich­zei­tig nach­zu­wei­sen, daß die Pro­ble­me der sozi­al Exklu­dier­ten lin­ker Poli­tik geschul­det sind, die bei­spiels­wei­se durch die Ermög­li­chung einer unkon­trol­lier­ten Zuwan­de­rung die „indus­tri­el­le Reser­ve­ar­mee“, wie es bei Marx heißt, erwei­tert und damit Lohn­dum­ping und Arbeits­lo­sig­keit mit ver­ur­sacht hat.

Die sozia­le Kom­pe­tenz des Kon­ser­va­ti­vis­mus muß her­aus­ge­stellt und darf nicht den Lin­ken über­las­sen wer­den. Dazu ist es erfor­der­lich, daß die „nega­to­ri­sche Schief­la­ge“ des Kon­ser­va­ti­vis­mus über­wun­den wird. Die wesent­li­chen inhalt­li­chen Aus­sa­gen des aktu­el­len Kon­ser­va­ti­vis­mus sind „Gegen-Aus­sa­gen“, man ist sich einig gegen Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus und Glo­ba­lis­mus. Es feh­len gleich­sam posi­ti­ve Gegen- und Gesell­schafts­bil­der, es fehlt, so para­dox das klingt, die kon­ser­va­ti­ve Uto­pie. Also, wie hat das, was wir unter Nati­on ver­ste­hen, unter moder­nen Bedin­gun­gen auszusehen?

Wie ist im Zeit­al­ter der Glo­ba­li­sie­rung ein intel­li­gen­ter Pro­tek­tio­nis­mus mög­lich? Wie sol­len die sozia­len Siche­rungs­sys­te­me gestal­tet sein? Mit der intel­li­gen­ten Beant­wor­tung die­ser Fra­gen erzeugt der Kon­ser­va­ti­vis­mus Anschluß­fä­hig­keit für die Nöte und Pro­ble­me der an den Rand der Gesell­schaft gedräng­ten Men­schen und erschließt die­se als mög­li­ches Sub­jekt eines Paradigmenwechsels.

Dabei ist die Arbeit im vor­po­li­ti­schen Raum von gro­ßer Bedeu­tung. Vor­trags­ver­an­stal­tun­gen, Zeit­schrif­ten, Semi­na­re, Krei­se frei­er Rede, Beob­ach­tung des (partei)politischen Felds, Ver­net­zung im Wort­sinn: Die Orga­ni­sa­ti­on und Mobi­li­sie­rung der vie­len Ent­täusch­ten, Ver­än­de­rungs­wil­li­gen ist das eigent­li­che Meis­ter­stück, das voll­bracht wer­den muß. Die Dra­ma­tur­gie der Zuspit­zung berei­tet dann den Boden.

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Kommentare (14)

Caroline Sommerfeld

4. Dezember 2018 16:15

"Einzig die moderne soziologische Systemtheorie in der Tradition Niklas Luhmanns bietet einen frame of reference, der nicht nur gesellschaftliche Höherentwicklung, sondern auch gesellschaftlichen Niedergang interpretieren kann".

Sehe ich bekanntlich genauso, umso schlimmer, daß Jost Bauch gerade, wo ich seinem Werk begegnet bin, gestorben ist. Bücher überleben ihren Autor indes. "Abschied von Deutschland" ist trotz etwas reißerischem Titel und entsprechender Aufmachung ein richtig gutes Buch, das bekannte konservative Diagnostik u.a. mit Luhmann unterfüttert ("Können Nationen sterben?" heißt ein Kapitel). Für die kommende Sezession-Druckausgabe habe ich das Buch besprochen.

Maiordomus

5. Dezember 2018 10:50

Jost Bauch war mir trotz Beziehungen zur Uni Konstanz weniger ein Begriff als andere Gelehrte, die ich zumal aus der Pionierzeit der Gründung jener ersten deutschen Campus-Universität kannte: Bildungsbürger von Extraklasse wie die Professoren Besson, der die Eröffnungsvorlesung noch im Insel-Hotel hielt, dem ehemaligen Kloster, wo einst Heinrich Seuse Lektionen hielt; Arno Borst ("Mönche am Bodensee"), Bodenseeliteraturpreisträger; Manfred Fuhrmann (kulturkonservativer Altphilologe, Cicero-Biograph); Leonhard Neidhart (Politologe, erklärte in seiner Abschiedsvorlesung die Schweiz für Anfänger, wiewohl es nichts nützte); nicht zu vergessen Alexander Demandt, dessen Studie "Geschichte als Argument" auf der Basis der Geschichtsschreibung seit der Antike für pragmatisches Geschichtsdenken exemplarisch geworden ist, führte klar über Oswald Spengler, zumal aber über Habermas hinaus . Leider kenne ich bezüglich Jost Bauchs Publikationen nur das etwas kläglich kulturpessimistisch geratene Nachwort von Prof. Schachtschneider, der mit Bauch zusammen noch mal im Fernsehen aufgetreten ist. Dabei bleibt zu bedauern, dass der vergleichsweise jung verstorbene Prof. Jost Bauch seinem Namen leider zu viel Ehre machte, offenbar hat der Mann nicht gerade gesund gelebt. Man hätte ihn wohl noch gebrauchen können. Bauch könnte indes zu denjenigen gehören, die wie Sieferle, der meines Erachtens aber der aus neuester Zeit wohl bedeutendste Gelehrte dieser Sorte bleibt, vom jahrzehntelangen Leistungsausweis her, die nach dem Ableben stärker wahrgenommen werden als zu Lebzeiten. Das Prädikat "konservativer Soziologe", einst für Helmut Schoeck und Lothar Bossle vor allem zwecks Diffamierung verwendet, hat selbst bei annähernd ähnlich Gesinnten wenig Werbewert.

Bisher war mir im Gegensatz zum Soziologen Jost Bauch der Philosoph Bruno Bauch bekannt gewesen, über den mein einstiger Gymnasialprofessor für Philosophie, Pater Raphael Fäh, unter dem Titel "Begriff und Konkreszenz bei Bruno Bauch" 1940 in Freiburg im Uechtland bei den dortigen gelehrten Dominikanern doktoriert hat. Eine eigentliche Schande finde ich, dass dieser Bruno Bauch bei Wikipedia als "Rechtsextremist" geführt wird. Ich begreife einfach nicht, dass es auf dieser Seite immer noch Blogger gibt, welche sich bei Debatten auf solche Quellen berufen, ohne wenigstens die Einschränkung zu machen, "ich bin nur über durch Tendenz oder Zufall zustande gekommene Gerüchte informiert".

Michael B.

5. Dezember 2018 10:59

Es gibt natuerlich ausserhalb der Soziologie (die ich zugegebenermassen kaum kenne) einige andere Zugaenge zum Zerfall.
Z.B. Ideen der Form wie in "The Collapse of Complex Societies" des Historikers Joseph Tainter, die im wesentlichen auf Folgendes hinauslaeuft:

Staaten sind erst einmal Problemloeser. Mit Loesung jedes Problems bauen sie neue Ebenen an Buerokratie, Verwaltung und generell Schichten institutioneller, rechtlicher, erzieherischer, weltanschaulicher u.v.a. Aspekte auf, die sie eben "komplex" werden lassen. Diese Schichten und Durchdringungen der Gesellschaft kosten im Erhalt. Uebersteigen diese Kosten einen bestimmten Punkt im Verhaeltnis zum Gewinn (Schlagwort 'diminishing returns'), zerfaellt die entsprechende Gesellschaft. Entgegenwirken kann Innovation verschiedener Art (keineswegs und explizit nicht nur eng technisch gesehen), die das Spiel auf hoeherem Level wieder neu spielbar macht, aber eben auch Komplexitaet weiter erhoeht.

Ein stark simplifizertes (Tainter fuehrt das weiter aus) Beispiel ist das Roemische Reich:
Man expandiert um Zugriff auf ganz handfeste Ressourcen zu erhalten, um seine (schon allein dadurch - hier z.B. beginnt schon die interessante Rechnung - wachsende) Bevoelkerung zu ernaehren, seine umgebenden Konkurrenten kurz zu halten, seine Kultur wachsen zu lassen, und aus verschiedenen anderen Gruenden heraus. Hat man das erfolgreich geschafft, muss man durch Verwaltung und Infrastruktur absichern, um Regierbarkeit zu gewaehrleisten. Tainters These angewendet behauptet nun, dass das Roemische Reich letzlich einer Ueberdehnung unterlag, die es nicht mehr kostendeckend kompensieren konnte und daraufhin begann zu zerfallen.

Ich sehe das hier aehnlich wenn man einschliesst, dass die Art der Krise sich ja nicht nur auf Deutschland beschraenkt. Wesentliche Teile westlicher Kultur ueberdehnen gerade in ihren primitiven, Unterschiede straeflich vernachlaessigenden, und damit unzulaessig nivellierenden globalisierenden Formen gewaltig und Innovationen zur belastbaren (!) Finanzierung und Beherrschbarkeit dieser Attitueden sind nicht sichtbar.

Dabei geht es keineswegs zuerst ums Geld. Die oben genannten erforderlichen Innovationen haben noch andere Voraussetzungen in weitgehend durchgehend akzeptierten Wertesystemen, die z.B. Bildung (im weiten Sinn) betreffen, welche gnadenlos durch unbedachte Ideologisierung zerstoert werden. Hier ist dann wirklich eine Vorreiterrolle Deutschlands zu beobachten, die in ganz besonderem Mass unfreien wissenschafts- und technikfeindlichen Zeitgeist produziert. Wie man sich in einem rohstoffarmen Land in dieser hanebuechenen und braesigen Art einen der besten Aeste absaegt, die man je getrieben hat und auf dem man sitzt, das wird sich mir nie erschliessen.

Es liegt m.E. darin auch eine Schwaeche des 'Rechten', die diesen notwendigen innovativen Aspekt - leider wohl auch naturgemaess (konservativ) - in der Breite unberuehrt laesst, und keineswegs nur in Bezug auf Technologie und harte Wissenschaften gesehen. Einige ihrer Vertreter erkennen das aber, sogar Politiker. Ich lese z.B. gerade Hoeckes Interviews, und er ist sich nach meinem Gefuehl recht klar darueber, dass es eine "Rolle rueckwaerts" nicht geben wird und geben darf. Dieser Punkt ist schon wesentlich fuer das Gewinnen einer Meinungshoheit und einer der stark selbstlimitierenden Faktoren der Wachstumsaussichten alternativer Vorstellungen gegenwaertiger Auspraegung.

Nordlicht

5. Dezember 2018 12:41

Darf ich als Nicht-Soziologe einmal meine Irritation über dies Hartz-IV-Bashing ausdrücken? Als konservativer Bürgerlicher halte ich es für richtig und eine Frage der Moral, dass man sich nach dem Verlust des Arbeitsplatzes schnellstmöglich unabhängig von staatlicher Hilfe macht. Die Finanzhilfe nach ALG-II halte ich nicht für zu niedrig, es muss ein Abstand zu dem mit Mindestlohn erreichbaren Einkommen bestehen.

(Der eigentliche Skandal liegt darin, dass es zu viele prekäre Arbeitsplätze gibt, das wiederum in der Schwierigkeit begründet liegt, Arbeitsverträge zu kündigen. Dänemark zB hat ein flexibleres Arbeitsrecht.)

Eine Anmerkung zu der gegen Ende des Beitrages genannte Gruppe der "arbeitslosen Akademiker":
Wer trotz einem gelungen Studium keine Arbeitsstelle bekommt, hat das falsche Fach gewählt und/oder ist trotz Studienabschluss orientierungslos. Es gibt leider viel zu viele Studierende der "Laberfächer", zB Politikwissenschaft oder Pädagogik (nicht: Lehrer). Dass man mit durchschnittlichen Leistungen hinterher nur taxifahren oder kellnern kann, ist Fakt. Warum haben die Leute nicht Chemie, Ingenieurwesen oder auch Lehramt studiert? Wer in diesen Fächern den notwendigen Fleiss aufbringt, wird nicht arbeitslos.

Maiordomus

5. Dezember 2018 15:35

@Nordlicht. Es scheint mir wichtig und in Ihrem Fall verdienstvoll, dass auch die praktischen Fragen, welche von Soziologen gestellt werden, aufgegriffen werden. Aber natürlich geht es hier noch vorrangig um die Würdigung eines verstorbenen Intellektuellen, von dem z.B. Frau Sommerfeld bekannte, dass sie ihn erst vor kurzem überhaupt zur Kenntnis genommen habe. Selber bedaure ich, bei Studienbesuchen an der Universität Konstanz, z.B. bei Gelegenheit von Arbeitswochen künftiger Abiturienten, nie wenigstens im Schnupperverfahren eine Vorlesung von Herrn Bauch besucht zu haben, der seinerzeit offensichtlich nicht gerade zu den Stars der Hochschule gehört zu haben scheint. Analog dazu bestätigte mir aus Anlass seines Todes der damalige Rektor der Hochschule St. Gallen, wie völlig unscheinbar die Gelehrtentätigkeit eines Rolf Peter Sieferle gewesen sei; er war zumal nicht einmal negativ oder wenigstens als etwas provozierend aufgefallen, galt als fleissiger stiller Forscher und hatte nicht gerade viele Hörer. Würde er noch leben und nach Veröffentlichung seiner letzten Bücher eine Gastvorlesung wohl irgendwo in Deutschland halten wollen, würde ein solches Vorhaben entweder abgesagt oder durch Proteste mutmasslich unmöglich gemacht. Insofern sollte man über "Stille im Lande", wie es sie offenbar noch da und dort gibt, geradezu dankbar sein; diese vielleicht eher unter der Hand weiterempfehlen. Das war zur Zeit des Dritten Reiches und der DDR nachweisbar nicht viel anders. Selber habe ich erst kürzlich einem solchen 2017 verstorbenen fleissigen Professor zu Ehren- er lehrte in Dresden Geschichte der Reformation - eine Hommage in Form eines Gedenkaufsatzes in den Druck gegeben.

Fuechsle

5. Dezember 2018 15:44

Prof. Dr. Bauch war ein illusionsloser und doch leidenschaftlicher Patriot. Seine Haltung hat ihm z.B. an seinem Konstanzer Lehrstuhl viel Hass und Repression eingebracht. Wir saßen noch nicht lange in kleiner Runde zusammen, ein unkonventioneller Denker, der auch für die sogenannten kleinen Leute etwas übrig hatte.
Ich schließe mich Caroline Sommerfelds Würdigung an.
RIP

Der Gehenkte

5. Dezember 2018 16:06

@ Maiordomus

Zu Bruno Bauch

Der Begriff "Rechtsextremist" ist sicher unglücklich, aber eher, weil er nicht in den hist. Kontext paßt. Daß Bauch auf der äußersten Rechten stand, auch antisemitisch war, ist nun mal nicht zu ändern.

Einer seiner akademischen und philosophischen Hauptgegner war kein geringerer als Heidegger.

Hans Hauge versuchte zuletzt in "Heidegger, Løgstrup og Nazismen" sogar die These aufzustellen, daß Heideggers Satz von der "inneren Größe der Bewegung" bzw. seine Schrift "Einführung in die Metaphysik" möglicherweise eine versteckte Replik auf Bruno Bauch war.

Dieser Satz war es letztlich, der Habermas 1953 zum Anti-Heideggerianer machte und die ganze Lawine der Heidegger-Vernichtung aus biographischen Gründen - ohne das Werk noch zur Kenntnis zu nehmen - lostrat. Nach dieser Lesart ist die "Einführung in die Metaphysik" just eine antinazistische Schrift - Hauge dreht das Argument Habermas´quasi um.

Maiordomus

5. Dezember 2018 16:45

Den Ergönzungen zu Bruno Bauch habe ich wenig hinzuzufügen, ausser dass da offensichtlich versucht wird, den Schwarzen Peter bzw. den Braunen Peter von Heidegger an Bruno Bauch weiterzureichen; nach dem 2. Weltkrieg hiess das Spiel z.T. "Wenn Exnazis Exnazis Exnazis nennen" (William S. Schlamm). Für mich ist Bruno Bauch vor allem ein erkenntnistheoretischer Neukantianer aus dem Umfeld von Wilhelm Windelband, dessen phänomenologisches Hauptwerk "Das Heilige" (1924) für meinen einstigen Philosophielehrer wichtiger war als die Tatsache, dass Bruno Bauch Parteimitglied war und sich offenbar beim Reichsluftschutzbund engagiert hat. Diese Details sind in der in den Dreissigerjahren geschriebenen Dissertation meines Alt-Lehrers, dessen wichtigstes Feindbild allerdings die Freimaurer waren, nicht enthalten. Pater Raphael Fäh wusste Bruno Bauch als methodischen Denker zu schätzen, fand ihn klarer formulierend als den manchmal dunklen und schwurbeligen Heidegger, in dem er eine nihilistische Zerfallserscheinung der Scholastik sah. Dabei hat sich Fäh mit dieser seiner Dissertation, die 1940 in Sarnen gedruckt wurde, nie gebrüstet, Bauch auch in seinen vorzüglichen Lehrbüchern der Philosophie, die in der Zentralschweiz bis etwa 1970 als Lehrmittel in Gebrauch waren, Bruno Bauch nicht zitiert. Es bleibt aber wohl dabei, dass Bruno Bauch auf formal hohem Niveau philosophiert hat und mit tendenziösen politischen Kriterien so wenig einzuschätzen ist wie im 19. Jahrhundert die Schweizer Klassiker Jacob Burckhardt und Ignaz Paul Vital Troxler, die man längst auch schon auf Antisemitismus abgeklopft hat. Es bleibt aber dabei, @Gehenkter, dass Ihre Wortmeldung zu diesem Thema für mich wertvoll und verdankenswert ist.

Maiordomus

5. Dezember 2018 17:55

PS. Die Debatte über Jost Bauch, dessen Umstrittenheit, wie sie @Fuechsle schildert, mir schon deshalb nicht bekannt war, weil die anderen mir bekannten Professoren von Konstanz den Soziologen nie nannten, sollte mit derjenigen über den 1942 verstorbenen Windelband-Schüler Bruno Bauch wegen Verwechslungsgefahr im Prinzip nicht vermengt werden. Trotzdem scheint es mir richtig, bei allen Unterschieden und Unvergleichbarkeiten, bei Bruno Bauch wie bei Heidegger und neuestens bei Rolf Peter Sieferle darauf aufmerksam zu machen, dass die rein wissenschaftliche, nicht zuletzt methodische Leistung weder mit politischen Schlagworten noch mit der sattsam bekannten, irgendwann nicht mehr zweckmässigen Nazi-Keule auf Null gebracht werden kann. Bei allen enormen Unterschieden und weil jeder dieser Gelehrten letztlich in eine andere Abteilung gehört, bleibt als Substanz erhalten, dass ein jeder der Genannten für seine Lebensleistung Respekt verdient. Darüber hinaus kann man sogar von jedem was lernen, zum Beispiel bei Heidegger den Widerstand gegen das "Diktat des man", was unbeschadet politischer Irrtümer ein antitotalitärer Impetus ist. Mir fällt jedoch auf, dass sowohl Linke wie Rechte zunehmend etwas gegen die im Prinzip rechtsliberale Wortschöpfung des "Totalitarismus" zu haben scheinen, was mir meines Erachtens nicht antiliberal, sondern vor allem antifreiheitlich vorkommt.

Lotta Vorbeck

6. Dezember 2018 02:22

Im Frühjahr 2016 auf dem Kanal der WISSENSMANUFAKTUR des Andreas Popp veröffentlicht:

Karl Albrecht Schachtschneider & Jost Bauch: Einwanderung oder Souveränität
Wissensmanufaktur

https://www.youtube.com/watch?v=7l7Z-9zsq7M

Laufzeit: 1:04:53

51.173 Aufrufe

am 24.03.2016 veröffentlicht

Deutschland am Scheideweg. Die Illegalität der Einwanderung und der Verfall des Staates.

Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider & Prof. Dr. Jost Bauch im Gespräch mit Michael Friedrich Vogt. Die derzeitige Masseneinwanderung, die wir in Deutschland seit September 2015 erleben, passt absolut nicht mit der rechtsgültigen Gesetzeslage überein. In Deutschland gibt es das Asylrecht. Sauber formuliert ist es im Grundgesetz verankert. Die Entscheidungsträger in der aktuellen Einwanderungspolitik berufen sich bei ihren Taten darauf. Doch passen Taten und Gesetz überhaupt zusammen?

„Keinesfalls“ meint Karl-Albrecht Schachtschneider. Denn eine Begründung mit und aus dem existierenden Recht hat er bisher noch gar nicht wahrnehmen können. Für ihn ist die Auslegung der derzeitigen Asylpolitik der Bundesregierung nur ein zarter Hauch aus dem Gesetzestext, welcher hinzukommend noch wahnwitzig interpretiert werde. Denn es sei vor allem so, dass die Gesetze, die bestimmte Schutzrechte begründen – auch das Asylrecht – massiv umgangen werden.

Denn im deutschen Asylrecht heißt es explizit, dass Asyl nicht in Anspruch nehmen kann, wer aus einem Land der Europäischen Union oder einem sicheren Drittstaat, wie zum Beispiel der Schweiz, einreist. Darüber hinaus gibt es noch ein weiteres Schutzrecht, nämlich das des „Flüchtlings“. Wird einem Einwanderer der Flüchtlingsstatus anerkannt, so genießt dieser das sogenannte „kleine Asylrecht“, das heißt er darf nicht abgeschoben werden. Karl-Albrecht Schachtschneider weist explizit darauf hin, dass durch das kleine Asylrecht kein Einreiserecht begründet wird. Wenn jemand eingereist ist, stellt sich die Frage, ob legal oder illegal. Bei illegaler Einreise stellt sich die Frage, ob der Flüchtlingsstatus überhaupt anerkannt werden muss.

Diese Frage wird im Asylgesetz geregelt. Dort heißt es, daß niemand einreisen darf, der nicht über irgendeinen Einreisetitel verfügt, Staatsbürger oder Unionsbürger ist. Von den bisher weit über einer Million eingereisten Einwanderern seit August 2015 sei kein einziger nach gültigen Recht eingereist, so Karl-Albrecht Schachtschneider.

Der Soziologe Jost Bauch spricht bei der aktuellen demographischen Entwicklung von der Bildung einer Multiminoritätengesellschaft bis zu einem gezielten Ethnosuizid der Deutschen. Die Deutschen – schon vor mehreren Jahrzehnten von Experten warnend prognostiziert – sind auf dem Weg zum selbstgewählten Volkstod. Die Zukunft der Enkelgeneration wird gerade verspielt. Es ist absehbar, dass spätestens um 2090 herum die Deutschen im eigenen Land ihre Mehrheit verlieren und zu einer Minderheit neben anderen werden.

Berücksichtigt man die Tatsache, dass die deutsche Minorität eher alt, die eingewanderten Minoritäten eher jung sein werden, so dürfte klar sein, dass eingewanderte Minoritäten ihren Anspruch auf Dominanz geltend machen werden. Verteilungskämpfe zwischen den verschiedenen ethnischen und kulturellen Gruppierungen sind unausweichlich, wobei die "altdeutsche" Fraktion in diesen Verteilungskämpfen schlechte Karten hat. Verstärkt wird diese Entwicklung durch unterschiedlichen Religionen – einer schwachen und sich aufgebenden christlichen bei den Einheimischen auf der einen und einem aufstrebenden Islam bei den Einwandern auf der anderen Seite.

Jost Bauch schließt vor dem Hintergrund der Dynamik des Prozesses und des kompletten Scheiterns der "Multikulti-Gesellschaft" und der Integrationsillusionen auch bürgerkriegsähnliche Entwicklungen nicht aus.

Websites:
http://www.kaschachtschneider.de
http://www.studienzentrum-weikersheim.de

Publikationen:
Karl Albrecht Schachtschneider/Jost Bauch Einwanderung oder Souveränität: Deutschland am Scheideweg
Karl Albrecht Schachtschneider, Erinnerungen ans Recht
Karl Albrecht Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands: souverän ist, wer frei ist
Jost Bauch, Der Niedergang: Deutschland in der globalisierten Welt. Schriften wieder den Zeitgeist.
Jost Bauch/Harald Seubert, Deutschland und Europa in einer veränderten Welt (Weikersheimer Dokumentation)

Weitere Sendungen mit Karl Albrecht Schachtschneider:
Quo Vadis Europa - Euro-Verfall, Bankgeheimnis, Migrationspolitik ...
http://quer-denken.tv/index.php/bibli...

Die Souveränität Deutschlands in Europa
http://quer-denken.tv/index.php/bibli...

Weitere Sendungen mit Jost Bauch:
Sterben die Deutschen aus? Von der Multiminoritätengesellschaft bis zum Ethnosuizid der Deutschen
http://quer-denken.tv/index.php/beitr...

Maiordomus

6. Dezember 2018 12:28

PS. Noch was zu Bruno Bauch als "Rechtsextremer" (Wikipedia). Dieser "Rechtsextreme" wurde 1922 zum Rektor der Universität Jena gewählt. Zu jenem Zeitpunkt, das ist wieder ein anderes Problem, das man bei heutigen Schulrektoren erst recht kennt, waren alle wichtigen Werke von Bruno Bauch bereits publiziert, so seine bedeutende Dissertation über "Glückseligkeit und Persönlichkeit in der kritischen Philosophie" (1902) sowie seine Kant-Studien, deren Verdienst meines Erachtens in der logisch-didaktischen Vermittlung von Kants Urteilslehre besteht, zum Beispiel bezüglich einem schulmässig brauchbaren Verständnis von synthetischen und analytischen Urteilen; ohnehin war Bauch einer der wichtigsten Vermittler für Kant als Grundlagendenker auch für die exakten Wissenschaften, ein Lieblingsgebiet von Bauch im Gegensatz zum dazu wenig disponierten Heidegger. Den grössten Einfluss hatte Bruno Bauch auf meinen ehemaligen und ersten Philosophielehrer, einen der vorzüglichsten meines Lebens, in der meisterhaft klaren Vermittlung des Substanzbegriffs in der Neueren Philosophie, worüber Bauch schon vor dem 1. Weltkrieg publiziert hatte. Davon profitierte Kälin/Fähs "Lehrbuch der Philosophie" Bd.1, dessen methodische Stärke in der Vermittlung von Logik und Ontologie bestand, also demjenigen, was der Abiturient von den Grundbegriffen der Philosophie jenseits blödsinniger geschwätziger Indoktrinierung wirklich gelernt haben sollte, will er sich später in klaren Begriffen ausdrücken. 1921 war Bruno Bauch übrigens Herausgeber der Festschrift zum 75. Geburtstag von Elisabeth Förster-Nietzsche, deren Mann zum Ärger des Original-Nietzsche ein aufdringlicher Antisemit war, so dass der späte Nietzsche dann schrieb: "Ich lasse jetzt dann alle Antisemiten erschiessen." Von dem aber abgesehen: Auch für die Nietzsche-Rezeption war und wurde Bauch wichtig, und zwischen Bauch und Heidegger dürfte es ein nicht kleines Konkurrenz-Denken gegeben haben. Die Schöngeister entschieden sich für Heidegger, die Logiker und Methodiker, darunter mein Philosophielehrer in den Jahren 1965 - 1967, eher für Bruno Bauch, blieben dann entschieden in der Minderheit, zumal Bauch im Gegensatz zu Gehlen, Heidegger und Carl Schmitt nach dem 2. Weltkrieg infolge Ableben nicht mehr fortsetzen und im Hinblick auf die neuen Zeitverhältnisse präzisieren konnte. Wer Bauch indes wie Wikipedia zuerst mal als "Rechtsextremist" abqualifiziert, müsste bei jeder Erwähnung von Ernst Blocher, Georg Lucacs und Walter Benjamin noch die Qualitätsbezeichnung "linksextremer Philosoph" hinzufügen; aus meiner Sicht aber das Gegenteil einer geistigen Auseinandersetzung, der chronolatrische Ausdruck eines widerwärtigen geistigen Klimas in Richtung verdummendes Lagerdenken.

Gerne wünsche ich dem Andenken von Professor Jost Bauch (RIP), dass es ihm in Sachen Diffamierung nicht ähnlich ergehen möchte wie seinem bis auf weiteres noch für die Geschichte der Philosophie in Deutschland bedeutenderen Namensvetter.

PhilipStein

6. Dezember 2018 12:29

@Nordlicht:

"Wer trotz einem gelungen Studium keine Arbeitsstelle bekommt, hat das falsche Fach gewählt und/oder ist trotz Studienabschluss orientierungslos."

Sie werden es kaum glauben, es gibt aber den ein oder anderen Studenten, der sich für das politische Bekenntnis entschieden hat. Andere schreiben eben solche schlauen Sätze aus der Anonymität heraus, haben von der Realität aber anscheinend recht wenig Ahnung.

Übrigens, als Akademiker nutzt man für gewöhnlich den Genitiv ;-)

Maiordomus

6. Dezember 2018 13:29

@Ernst Bloch natürlich, nicht Ernst Blocher! Wie Windelband, der bedeutendste Lehrer von Bruno Bauch, welch letzterer 1933 über den autoritären Staat nicht das Gegenteil von Gottfried Benn absonderte, bleibt Bloch als einer der wenigen Linken für Zusammenhänge des Heiligen und der Mystik zitierbar, wie allenfalls sogar der späte Habermas.

Maiordomus

6. Dezember 2018 15:37

@Philip Stein. Sie treffen den Nagel auf den Kopf.

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