der Reihe “Aufgeblättert. Zugeschlagen – Mit Rechten lesen” zu sehen.
Diesmal debattieren Ellen Kositza und Susanne Dagen mit Alexander Wendt; bisherige Gäste waren Caroline Sommerfeld, Matthias Matussek, Sophie Liebnitz, Vera Lengsfeld und meine Wenigkeit.
Sowohl aus der Zuhörer- als auch Teilnehmerperspektive hat mir das “literarische Trio” bisher viel Freude bereitet. Der besondere Reiz an der aktuellen Folge ist der zum Teil recht schroffe Dissens zwischen Wendt, Dagen und Kositza was die Qualität der vorgestellten Bücher betrifft. Das Urteil, was gute Literatur (oder Kunst generell) ist und was nicht, fällt mitunter auch bei jenen nicht ganz eindeutig aus, die viel lesen, wissen, kennen, und ihren Geschmack lange gebildet haben.
Mich selbst frappiert es immer wieder zuverlässig, wenn jemand die Evidenz des objektiv Geglückten oder Mißglückten nicht zu sehen vermag – oder, wie ich wohl relativierend und paradox sagen sollte, des aus meiner Sicht objektiv Geglückten oder Mißglückten, aber ich tue es nicht, weil an einem solchen Punkt jedes Vergnügen am Streit um künstlerische und literarische Fragen verloren geht. Am Ende ringt man hier doch immer um das Verhältnis zwischen dem Guten, Wahren und Schönen, also um die letzten, wichtigen Dinge, auch wenn man weiß, daß man nie ans Ende kommen und nur ein Fragment der Wahrheit ergreifen wird.
Gleich im ersten Teil der neuen Folge wird heftig und ohne Grauzonen gestritten: Ellen Kositza findet Christian Dittloffs Debütroman Das weiße Schloss so richtig, richtig gut, während Dagen und Wendt ihn so richtig, richtig schlecht finden, letzterer schon allein aus handwerklichen Gründen. Als Beispiel zitiert er aus einer Sexszene, in der er etliche Metaphern als unpassend beanstandet. Mir erschien es jedenfalls einleuchtend, daß (wollustdurchschauerte) Körper nicht wie Kartenhäuser einstürzen.
Um Sexszenen, insbesondere das Übermaß daran, geht es auch in der Diskussion von Michel Houellebecqs neuem Roman Serotonin. Spätestens seit Unterwerfung wird Houellebecq von etlichen Kritikern als (Neu-)Rechter oder mindestens Nicht-Linker identifiziert. Daran hatte ich, von Definitionsfragen mal abgesehen, schon seit der Lektüre von Ausweitung der Kampfzone (das muß wohl im Jahr 2000 gewesen sein) keinen Zweifel.
Anders als Susanne Dagen empfand ich die Verfilmung von Elementarteilchen durch Oskar Roehler (der mit Thor Kunkel erneut einen rechtsaffinen Autor verfilmt hat) alles anderes als “kongenial”. 2006 schrieb ich in der Jungen Freiheit einen gesalzenen Verriß, der mir im Nachhinein etwas ungerecht erscheint – aber um das zu beurteilten, müßte ich den Film wohl nochmal sehen. Etliche Szenen sind noch nach Jahren bei mir hängengeblieben, also war vielleicht doch mehr dran, als ich damals erkennen konnte.
Als drittes Buch hat Alexander Wendt einen inzwischen schon etwas angestaubten Hut aus der Bücherkiste hervorgeholt: Mit Rechten reden, erschienen im Oktober 2017, das vorwiegend aus der Feder von Per Leo stammt, versehen mit einem klapprigen theoretischen Rückgrat von Daniel-Pascal Zorn, dessen 15 Minuten Blenderruhm allmählich verstrichen sind. Es hat mich ein wenig enttäuscht, daß Wendt auf dieses Buch allzu sehr hereingefallen ist.
Es liest sich nur dann schlau, wenn man nicht selbst der Adressat ist und die ganzen Schuhe um die Ohren geschmissen bekommt, die man sich nach Ansicht der Autoren anziehen soll, zumal, wenn es mit ihrer Redlichkeit der Darstellung nicht allzu weit her ist. Und wie Susanne Dagen betont, drückt sich dieser als “Leitfaden” getarnte Knäuelsalat vor einer eigentlichen inhaltlichen Auseinandersetzung. Ich habe darauf in epischer Breite geantwortet, aber Leo (und Zorn) zogen es vor, wie Brummkreisel um die eigene Achse zu rotieren. Sie werden immer noch, auch von Wendt, für Ansprüche gelobt, die sie weder einlösen können noch wollen.
Ich kann Wendt auch nur eingeschränkt zustimmen, daß ein Autor, der etwas von sich hält, eitel sein müsse. Er selbst vielleicht schon, um die Dreistigkeit aufbringen zu können, er habe der Welt etwas zu sagen, was sie noch nicht oder so noch nicht gehört hat, aber seine Prosa sollte es nicht sein.
Wendt selbst ist freilich ein feinsinniger Autor von Rang – sein jüngstes Buch Kristall, eine “Reise in die Drogenwelt des 21. Jahrhunderts” kann man hier bestellen.
Aber nun zur 6. Folge des Literarischen Trios selbst:
Michael B.
> Ich kann Wendt auch nur eingeschränkt zustimmen, daß ein Autor, der etwas von sich hält, eitel sein müsse
So, hat er das gesagt? Mich hat er in seinem damals neuen Publico erst einmal im Kommentar gesperrt, als ich ueber seinen Freund Klonovsky meinte, dass der "vor Eitelkeit spritzt" (gut, ich hatte noch mehr geaeussert, aber durchaus in Abwaegung zu K.-s anerkennenswerten Faehigkeiten).