Treffen sich ein Merseburger und ein Türke in einer Bar…
So geschehen bei uns in Halle am vergangenen Samstag, im Rahmen eines Kunst- und Familienfestes. Die Rede ist – wer mit den vorletztwöchigen Netzfundstücken vertraut ist, wird es wissen – vom Dichter Uwe Nolte und dem Pianisten Kemal Cem Yilmaz, die anläßlich unserer “Bilderstürmer 2.0”-Veranstaltung gemeinsam auftraten.
Sowohl Nolte, als auch Yilmaz hatten uns dieses Jahr bereits beehrt – ersterer zu einem Neofolk-Konzert im Februar, letzterer zur “Werkstatt Europa”, die er musikalisch am Klavier untermalte. Nun war, in der Vorbereitung unserer diesjährigen Kunstausstellung der Gedanke aufgekommen, ob die Kunst von Nolte und Yilmaz nicht vielleicht kompatibel sein könnte. Kein leichtes Unterfangen, versuchen sie mal zwei Künstler für ein Planungsgespräch an einen Tisch zu bekommen…
Am Ende kam es, wie es kommen mußte: Beide hatten etwas vorbereitet; Nolte eine kämpferisch-melancholische Auswahl seiner Gedichte, Yilmaz einige Walzer von Chopin, und das mußte jetzt zusammengebracht werden. Nach kurzer Zeit stand fest: Der Auftritt der beiden würde ein Abenteuer werden.
Nolte würde seine Auswahl lesen, klar, aber die Chopin-Walzer verschwanden einstweilen in der Notenmappe. Kemal Yilmaz hatte sich bereiterklärt über die Gedichte zu improvisieren; keine einzelnen Stücke, sondern eine große, lange Melodie über den Zeitraum der gesamten Lesung hinweg.
Ich gebe zu, als Mitveranstalter war ich wirklich gespannt, ob die Rechnung aufgehen würde, zumal die beiden Künstler im Vorfeld kein einziges Mal miteinander geprobt, sondern sich quasi blind auf den gemeinsamen Auftritt eingelassen hatten.
Was wir schließlich am Samstagnachmittag erlebten, das war ein Stück echte, ergreifend-schöne Kunst. Von der ersten gesprochenen Silbe, vom ersten Anschlag der Tasten an lag eine Harmonie im Raum, die klang, als hätten die beiden schon unzählige gemeinsame Konzerte absolviert.
Einfühlsam, mit hohem Respekt vor der gesprochenen Lyrik näherte sich Yilmaz auf den Klavier den Worten des Dichters; jeder Vers, so schien es, fand sogleich seinen Niederschlag in einem Akkord. Nolte hingegen nahm die angebotene Stimmung dankend an, und stieg in die grimmigen Dissonanzen genau so ein, wie der Pianist ihm in die Welt seiner Träume, etwa in Mörikes Sehnsuchtsland “Orplid” mit sphärischen, offenen Klängen folgte.
Was mir ganz persönlich bleibt, ist daher nicht nur das rundum gute Gefühl, das eine gelungene Veranstaltung im Hallenser Kulturzentrum hinterläßt, es ist auch das stille Glück, eine Dreiviertelstunde lang ganz ruhig und eingenommen den beiden Künstlern gelauscht zu haben, um dann an Körper und Seele gestärkt wieder in den Alltag zurückzutreten.
Wer sich über die Arbeit des Hallensers Uwe Nolte informieren möchte, wird hier fündig, Kemal Cem Yilmaz betreibt neben seiner Facebook-Seite auch den YouTube-Kanal “ProDissensio”, auf dem er regelmäßig Protagonisten unterschiedlicher Lager und Positionen zur Debatte lädt.
ALD
@niekisch: so wurde das populistische Lied von 2011 eigentlich wiederhochgeladen: https://www.youtube.com/watch?v=QHkA1FaY5vY
Bei der Version, die Sie gesehen haben, wollte ich eine Diskussion genau zu dieser Frage anstoßen (siehe Kommentare): "Wer gehört eigentlich wie dazu?"