Zu dieser Prognose kommen die Bevölkerungswissenschaftlern Rainer Münz und Albert F. Reiterer in ihrem Buch Wie schnell wächst die Zahl der Menschen?. Diese exorbitante Menge will ernährt werden. Traditionelle Landwirtschaft kann diese Aufgabe nur schwerlich vollbringen – zu niedrig der Ertrag, zu groß der Bedarf an Fläche, zu stark der Einfluß der meteorologischen und biologischen Rahmenbedingungen auf die Ernte.
Gentechnik, Herbizide, Fungizide, Pharmazeutika und technologisierte Massenproduktion sollen Abhilfe leisten – die Industrialisierung und Oligopolisierung erreichte im letzten Jahrhundert den Agrarsektor. Es setzte sich dieselbe Logik wie in der allgemeinen Warenproduktion durch: automatisierte, standardisierte und auf maximale Effizienz getrimmte Herstellung verringert die Kosten und ermöglicht die tägliche Hähnchenbrust für jedermann. Welche Resultate das zeitigt, führt die amerikanische Dokumentation „Food, Inc.“ aus dem Jahr 2008 vor Augen:
Für einen schmalen Taler ist der Film bei YouTube verfügbar.
Zwar sieht der US-amerikanische Nahrungsmittelmarkt anders aus als der deutsche respektive europäische, die grundlegende Tendenz bleibt aber auch für Europa dieselbe: Milch für 0,60 Cent oder Geflügelfleisch für 5,00 Euro das Kilo kann nicht vom Hof der glücklichen Tiere oder von traditionellen Nutztierrassen kommen, sondern muß zwangsweise aus industrialisierter Produktion durch gezüchtete, spezialisierte Hochleistungstiere stammen.
Abseits der gesundheitlichen Folgen und Risiken für den Endverbraucher planiert diese „universalistische“ Monokultur der Nahrungsmittelproduktion die differenten kulturellen Formen der Landwirtschaft, die über die Jahrhunderte aus den Anforderungen, die das Land an seine Bewirtschafter richtete, erwuchsen.
Welche Relevanz divergierende Ackerbaukulturen für viele Bauern im Mittleren Westen der USA zumindest noch in den 1970ern und 1980ern hatten zeigen die Studien der amerikanischen Soziologin Sonya Salamon, die sie in Prairie Patrimony: Family, Farming & Community in the Midwest zu einem Werk verdichtete. Die Nachfahren deutscher Einwanderer faßten Landwirtschaft als eine Lebensaufgabe mit distinktiver Lebensweise auf, das es über die Familie generational weiterzuvererben galt, wohingegen der „angelsächsische“-Landwirt seinen Hof als profitbringenden Betrieb ansah.
Einer der von Salamon befragten „deutschen“ Bauern äußerte sich wie folgt:
Das Geld ist bedeutungslos. Ich möchte ein angenehmes Leben für mich, die Hauptsache ist, daß es etwas ist, das ich selbst zusammengefügt habe und ich möchte es erhalten sehen….Ich würde gerne in 500 Jahren zurückkommen und nachschauen, ob meine Ur-Ur-Enkel es immer noch haben.
Salamons Untersuchungen lieferten indirekt Anknüpfungspunkte für das überaus interessante anthropologische Konzept der biokulturellen Evolution, das wiederum in Verbindung zu den in den Netzfundstücken Nr. 13 angesprochene Feld der Dysgenik steht. Die Theorie der Gen-Kultur-Koevolution postuliert, daß sich menschliche Evolution anhand einer Kombination aus Genetik und Kultur vollzieht und fokussiert dabei den umweltverändernden Faktor „Kultur“.
Eine der zentralen Arbeiten zu diesem Forschungszweig lieferten der Anthropologe Robert Boyd und der Biologe Peter J. Richerson in Form ihres Buches Not by Genes Alone: How culture transformed human evolution (zu deutsch – Nicht allein die Gene: Wie Kultur die menschliche Evolution beeinflußte). Richerson nimmt in folgendem Video eine konzise Vorstellung des Konzepts vor:
Wie schon bei der Thematik der „Dysgenik“ besteht das Problem, daß ein Großteil der Literatur in englischer Sprache verfaßt ist und nur ein marginales Stück des gesamten Korpus in deutscher Übersetzung vorliegt (dasselbe gilt für Vorträge) – der universitäre Trend zum Englischen als universaler Wissenschaftssprache ist diesem Mißstand eher zu- als abträglich.
Nichtsdestotrotz gibt es die ein oder andere Publikation, die diesem Themenfeld zugeordnet werden kann, die auch ins Deutsche übersetzt wurde. Eine davon ist Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens des ehemaligen Co-Direktors des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig Michael Tomasello. Für denjenigen, der einen Einblick in die aktuelle Forschung auf diesem Feld sucht, lohnt sich außerdem ein Blick auf die Netzseite der interdisziplinären Institution aus Leipzig.
Leipzig, das ist doch schon wieder Sachsen. Immer wieder dieses Sachsen; glaubt man aktuellen Umfragen, dann könnte die AfD aus den kommenden Landtagswahlen am 1. September als stärkste Kraft hervorgehen. Daß in Sachsen die Uhren irgendwie anders ticken müssen als im Rest der Republik, das bemerkte auch der Zeit-Journalist Iljoma Mangold und besuchte in der Manier eines zeitgleich faszinierten und abgestoßenen Insektenforschers das zu Ruhm gekommene Buchhaus Loschwitz der Dresdnerin Susanne Dagen. Seine Eindrücke ruhen hinter der Bezahlschranke, der Deutschlandfunk hat es jedoch von „grün“ gelesen.
Indessen setzt Götz Kubitschek zusammen mit seinem Redakteur Benedikt Kaiser das mit der Sezession 88 – „Volk“ (kann hier bestellt werden!) gestartete visuelle Vorstellungsformat fort und bespricht das aktuelle Heft Nr. 90 (ist hier beziehbar): Im Mittelpunkt steht natürlich Sachsen.
In diesem Sinne obliegen die abschließenden Worte diesmal dem Präsidenten des Fußballvereins Erzgebirge Aue e.V. Helge Leonhardt, der anläßlich des zurückliegenden Muttertags folgende Worte an das Auer Stadionpublikum richtete und damit das linksliberale Großstadtdeutschland in Rage versetzte:
Ich möchte herzlich den Müttern zum Muttertag gratulieren. Es lebe die Mutter als Grundpfeiler der Gesellschaft. An alle Frauen im Stadion, die keine Mütter sind, habe ich folgende Botschaft: Werdet Mütter und tragt die Wismut-DNA weiter.
Sachsen, das ist eben anders.
Gustav Grambauer
"... tragt die Wismut-DNA weiter."
Die ist ein Tragpfeiler des heutigen Sachsen-Phänomens, "Ich bin Bergmann, wer ist mehr?!", siehe 22:15 bis 24:42:
https://www.youtube.com/watch?v=tgHlbjV3Pys
Kein Zufall, daß gerade in Aue die Lady-Di-inspirierten Liturgismen der Oneness-Society-Zivilreligion am wenigsten beliebt sind:
https://www.youtube.com/watch?v=U13h6eklE_w
- G. G.