Sezession 91 – Heft und Video

Nach der fast vergriffenen Sachsen-Ausgabe (Heft 90, Juni 2019) folgt nun mit Nummer 91 ein offenes Heft mit interessanten Themenfeldern.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

+ Das Edi­to­ri­al von Götz Kubit­schek eröff­net die August­aus­ga­be mit einer Betrach­tung zu Peter Slo­ter­di­jk und sei­nen klu­gen Aus­füh­run­gen in der Neu­en Zür­cher Zei­tung über das »zyni­sche Bewußt­sein zu Beginn des 21. Jahrhunderts«.

Anhand jener Gedan­ken über die Lüge und den Zynis­mus in der Poli­tik unse­rer Tage wird über­ra­schend deut­lich, was wir unter jenem Riß ver­ste­hen, von dem wir mei­nen, daß er noch brei­ter wer­den müs­se – nicht zuletzt den zahl­lo­sen Sekun­där- und Ter­ti­är­den­kern ist die­ser Text zur Lek­tü­re anemp­foh­len, weil es weni­ger Gegen­stän­de gibt, die von ihnen fal­scher ver­stan­den wer­den als die Riß-Meta­pher Kubitscheks.

+ Ellen Kositza wid­met sich der Musik­band Ramm­stein, deren pro­vo­ka­ti­ves Geha­be zu Umsatz­re­kor­den führt. War­um Kositza nun “Fan” der Grup­pe ist, soll­te man ihrer gewohnt süf­fi­san­ten “Bild und Text”-Kolumne entnehmen.

+ Ich selbst bin mit einem Autoren­por­trät zu Antoine de Saint-Exupé­ry ver­tre­ten. Das rit­ter­li­che Leben Saint-Exupé­rys vor Augen geführt, erscheint der Autor des Welt­best­sel­lers Der klei­ne Prinz nicht nur als Schöp­fer eben­die­ses intel­li­gen­ten und geist­rei­chen Kin­der­bu­ches, son­dern eben­so als Den­ker der Kame­rad­schaft, der Kühn­heit, der Treue, der gegen­sei­ti­gen Soli­da­ri­tät und der frei­en, star­ken Persönlichkeit.

+ Kubit­schek folgt im Anschluß: “In Klau­sur” kann als Appe­tit­ma­cher auf Num­mer 91 hier abge­ru­fen werden.

+ Gemäß Émi­le Durk­heim kommt es in Gesell­schaf­ten, in denen Dyna­mi­ken der Unord­nung ein­bre­chen, zu jäh stei­gen­den Selbst­mord­ra­ten, sei es Unord­nung auf­grund von Pro­spe­ri­tät oder von Nie­der­gang (Aus­nah­me: Krieg). Unser Autor Micha­el Kehl­berg beleuch­tet daher den Sui­zid als den unzu­gäng­lichs­ten Akt des Menschen.

+ Es ist Kositza vor­be­hal­ten, in ihrem sehr infor­ma­ti­ven, sehr per­sön­li­chen, sehr erhel­len­den Bei­trag “Wir ’89er” einen Rück­blick auf eine Zeit vol­ler Hoff­nung und ohne Par­tei dar­zu­le­gen. Von Die­ter Stein bis Manu­el Och­sen­rei­ter – in der Nach­wen­de­zeit gab es eine klei­ne leben­di­ge Sze­ne kon­ser­va­ti­ver Publi­zis­ten, die mutig auf Risi­ko setz­ten, als es noch kei­ne sichern­den Fut­ter­trö­ge gab.

+ Iden­ti­täts­po­li­tik ist in der west­li­chen Welt zu einem maß­geb­li­chen Hebel inner­halb der Macht­ver­hält­nis­se gewor­den. Das beleuch­tet Sey­ed Ali­re­za Mou­sa­vi anhand einer frucht­brin­gen­den Carl Schmitt-Lektüre.

+ Sieg­fried Ger­lich führt anschlie­ßend zwei bedeut­sa­me poli­ti­sche Strän­ge zusam­men: Einer­seits ana­ly­siert er – mit Depen­heu­er und Vos­ger­au – die “Herr­schaft des Unrechts” von 2015ff., ande­rer­seits bringt er die Karls­ru­her Ebe­ne mit ein, die Thor v. Wald­stein sezier­te.

+ Ein tief­grün­di­ger Bei­trag folgt aus der Feder Caro­li­ne Som­mer­felds. Die euro­päi­sche Auf­klä­rungs­über­le­gen­heit, so die Phi­lo­so­phin, ope­rie­re gegen­wär­tig mit drei Begrif­fen, die sie am Angel­punkt des Drei­ecks auf­hän­gen will, um zu ret­ten, was zu ret­ten sein soll: a) Lai­zis­mus, b) Zen­tris­mus und c) “Demo­kra­tie” als Lösun­gen der Apo­rie des “reli­giö­sen Bür­ger­kriegs”. Wohin die Rei­se geht – Som­mer­feld gibt mit Iwan Iljin und Ernst Jün­ger Andeutungen.

+ Der Ter­mi­nus der Künst­li­chen Intel­li­genz (KI) ist in Medi­en, Wirt­schaft und Poli­tik zum Dau­er­the­ma gewor­den. Mit der immer rascher vor­an­schrei­ten­den Ent­wick­lung von Tech­no­lo­gien, die in der Lage sind, “intel­li­gen­te” Leis­tun­gen zu voll­brin­gen, die bis­lang dem Men­schen vor­be­hal­ten waren, scheint sich die Rea­li­sie­rung eines alten Mensch­heits­trau­mes abzu­zeich­nen. Micha­el Wies­berg zeigt, wie nah Traum und Alp­traum zusammenhängen.

+ His­to­risch wird es im Bei­trag von Ste­fan Scheil. Der Exper­te für den Ers­ten und Zwei­ten Welt­krieg nimmt sich 80 Jah­re nach dem 1. Sep­tem­ber 1939 die dama­li­ge Lage in und um Polen vor. Er kann hier­bei auf sei­ne weg­wei­sen­de Arbeit Polen 1939 aufbauen.

+ Der gro­ße Gelehr­te des Kon­ser­va­tis­mus, Gerd-Klaus Kal­ten­brun­ner, wird dann in Form sei­nes The­sen­bei­tra­ges wie­der leben­dig. Der Arti­kel steht unter fol­gen­der Maxime:

Ich glau­be, daß heu­te und in abseh­ba­rer Zukunft eine kon­ser­va­ti­ve Erneue­rung not tut, und daß eine Kul­tur, ein Staat oder sonst ein gro­ßes Gemein­we­sen um so fort­schritt­li­cher (im Sin­ne von: rei­cher an Offen­heit, an Viel­falt, an Chan­cen, an Erkenntnis‑, Ori­en­tie­rungs- und Kor­rek­tur­mög­lich­kei­ten) sind, je mehr kon­ser­va­ti­ve Ele­men­te sie auf­wei­sen, sofern sie auch die gro­ßen Errun­gen­schaf­ten des durch Anti­ke und Chris­ten­tum in Gang gesetz­ten okzi­den­ta­len Eman­zi­pa­ti­ons­pro­zes­ses zu sichern verstehen.

+ Bei­trä­ge über Stauf­fen­berg und Rolf-Peter Sie­fer­les Mei­len­stei­ne run­den ein the­ma­tisch viel­fäl­ti­ge Aus­ga­be 91 ab, die dar­über hin­aus über einen gewohnt statt­li­chen Bespre­chungs­teil ver­fügt. Her­vor­zu­he­ben­de Titel sind Vir­gi­nia, Zwei Jah­re Nacht und Ernst Jün­gers Gesprä­che im Welt­staat.

+ Über die Mehr­zahl der Bei­trä­ge und über eini­ge wei­te­re The­men unter­hal­te ich mich in unse­rem mitt­ler­wei­le bewähr­ten For­mat der Video-Heft­prä­sen­ta­ti­on mit Chef­re­dak­teur Götz Kubitschek.

Abschlie­ßend unse­re Empfehlungen:

1. Kau­fen Sie das Heft 91 als Ein­zel­aus­ga­be hier.

2. Für die gan­ze Viel­falt des rechts­in­tel­lek­tu­el­len Blicks auf die Wirk­lich­keit emp­fiehlt sich natür­lich das Abon­ne­ment der Sezes­si­on. 6 x im Jahr 72 Sei­ten, 6 x Grund­la­gen, Debat­ten, Rezen­sio­nen. 6 x ein ein­ma­li­ges Typenprojekt!

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Hier gilt: solan­ge der Vor­rat reicht. Soll­te eins der Hef­te ver­grif­fen sein, wird der Preis von unse­ren Ver­triebs­mit­ar­bei­te­rin­nen auto­ma­tisch gesenkt. Hier bestellen!

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (6)

Der_Juergen

13. August 2019 13:06

Wie schon die vorige Ausgabe von "Sezession" ist auch die neue ganz hervorragend. Lauter bemerkenswerte Beiträge; Abstriche nehme ich nur bei dem Artikel von Siegfried Gerlich vor, der unverständlicherweise mit Mythen wie dem vom "NSU" hausiert und der Politcorrectness noch andere Konzessionen macht. Aber solche Schwächen fallen neben dem vielen Positiven kaum ins Gewicht. Also Dank und Gratulation an die Autoren!

RMH

13. August 2019 13:20

Das Heft wird neben anderen, noch nicht gelesenen Ausgaben, Teil meiner Urlaubslektüre werden - freu mich schon darauf (also auf die Lektüre, nicht nur auf den Urlaub).

Brettenbacher

13. August 2019 23:07

@RMH
"... neben anderen, noch nicht gelesenen Ausgaben" -.
Mein lieber Herr Gesangverein! Da können wir nur hoffen, daß der Bademeister im Urlaub ist.

Ruewald

16. August 2019 19:01

Auf den Beitrag zu Antoine de Saint-Exupéry bin ich gespannt: Erfinder, Abenteurer, Flugpionier, Dichter mit philosophischer und menschlicher Tiefe – unübertroffen, wie er die Erfahrung der Wüste in poetische Prosa gefaßt hat.

Ruewald

16. August 2019 19:04

Zum Beitrag über das existenziell zutiefst bewegende Thema Suizid:
Das beste und philosophisch gründlichste mir bekannte Buch ist von dem Philosophen Héctor Wittwer: "Selbsttötung als philosophisches Problem. Über die Rationalität und Moralität des Suizids", Paderborn (Mentis), 2003, (419 S.) – Wittwer führt durch die Philosophiegeschichte von der Antike bis in die Gegenwart am Leitfaden des Suizidthemas und nimmt die wichtigsten Argumentionsstränge mit analytischer Schärfe unter die Lupe.

Friedhelm Decher hat in "Die Signatur der Freiheit. Ethik des Suizids in der abendländischen Philosophie" (1999) ein ganzes Kapitel Durkheim gewidmet (S, 147-157). Bemerkenswert ist, daß Durkheim den Suizid aus moralischen Gründen als "Attentat auf die Person" ablehnt, wobei er "Person" als den letztgültigen Wert in den modernen Gesellschaften ansieht.

Das Wort "Selbstmord" ist aus folgenden Gründen begrifflich abzulehnen – das Verbrechen "Mord" auch auf die Selbsttötung auszudehnen, dieser semantiche Trick geht auf Augustinus zurück.

These: Selbstmord ist Mord. Mord ist ein Verbrechen. Folglich ist Selbstmord ein Verbrechen und verboten.
Widerlegungen:
1. Es handelt sich um einen definitorischen Zirkelschluß, petitio principii. Wenn "Mord" bereits in die Definition in "Selbstmord" hineingenommen wird, dann wird bereits vorausgesetzt, was erst zu beweisen wäre.
2. Mord ist gekennzeichnet als eine Gewalttat, die aus bösen Motiven (Habgier, Rache, etc.) heimtückisch gegen den Willen des Opfers verübt wird. Schließt man Geisteskrankheit aus, dann ist es der Wille des Suizidenten und offen in vollem Bewußtsein, sein Leben zu beenden.

MARCEL

18. August 2019 17:02

Autor Marcel Kehlberg hätte noch etwas mehr auf den Suizid als Protestform im kommunistischen Osten eingehen müssen, z. B. Selbstverbrennungen von Jan Palach, Oskar Brüsewitz oder von Ryszard Siwiec in Warschau.

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