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Für das 90. Heft der Sezession – »Sachsen« – hatte ich einen Beitrag über diverse Ost-West-Differenzen der AfD beigesteuert. Programmatisch wurde darin ein Standpunkt vertreten, der in der Gewichtung des Sozialen in den Ostverbänden – man nennt das zwischen Schnellroda, Magdeburg, Erfurt und Potsdam »Solidarischen Patriotismus« – eine entscheidende Stärke sah.
Gleichwohl bekamen nicht nur relevante Parts der Westverbände Kritik ab (z. B. für das Mißachten bis Ablehnen des solidarisch-patriotischen Kurses), sondern auch der wahltechnisch stärkste Ostverband: Sachsen. Ich schrieb, und zwar im Vorfeld der Kommunalwahlen Ende Mai, bei denen die AfD in 60 Prozent der Kommunen überhaupt nicht zur Wahl stand oder aber, bei Wahlantritt in anderen Regionen, erwartungsgemäß nicht alle zu besetzenden Stühle füllen würde können (was in der Tat vielerorts so geschah):
In etlichen Klein- und Mittelstädten tritt man gar nicht erst zur Wahl an. In Kommunen, in denen zur Bundestagswahl 2017 circa 30 Prozent AfD wählten, wird die Partei zu Kommunalwahlen nicht auf dem Zettel stehen – zwei Jahre möglicher Kärrnerarbeit vor Ort fanden schlicht nicht statt. Andernorts naheliegende Gründe (gesellschaftliche Isolation) können in Städten und Gemeinden nicht herangezogen werden, in denen fast ein Drittel der Bürger für die AfD votiert. Vielmehr ist ein Streben in die Landesmetropolen und „Hauptparlamente“ zu vermerken, das ein Engagement auf vermeintlich subalterner Ebene obsolet erscheinen läßt. Dabei ist Dresden für einen Vogtländer fern, nicht aber der unmittelbare Ortsbeirat oder das nächste Stadtparlament.
Der Wahlerfolg der AfD Sachsen – stärkste Kraft bei den Europawahlen, respektable Ergebnisse bei den Kommunalwahlen (also dort, wo man kandidierte) – war am Abend des 23. Mai verbucht, aber die grundlegenden Probleme, siehe Zitat, blieben bestehen: Noch immer steht es aus, eine graswurzelartige, alternative Nachbarschaftspolitik zu entwickeln, die die unverzichtbare Grundlage einer jeden basisnahen Bewegung darstellt. Denn zu sehr ist man überzeugt, es doch auch so mit einem Selbstläufer zu tun zu haben – solange man 25 Prozent plus erreicht, sehen sich entsprechend naive Denkarten bestätigt.
Bleiben überregional mobilisierfähige Themen mittelfristig aus, fallen Köpfe weg oder gibt es gar eines Tages – warum auch immer – eine Spaltung, kann eine Landtagsfraktion verloren werden; lokale Verankerung hingegen bliebe bestehen, versiegten auch die Geldflüsse in der Landeshauptstadt. Hier fehlt es – einstweilen – an Weitsicht und einer stufenartigen Planung aus Nah- und Fernziel zur Umwandlung bestehender Verhältnisse.
Zu befürchten bleibt, daß einige Personen im Landesvorstand diese Notwendigkeit (noch?) gar nicht realisieren; ihr verengt und bisweilen gar arrogant anmutender Blick richtet sich nur aufs Parlamentarische und auf mögliche seligmachende Koalitionen, sollte die CDU Michael Kretschmer als Ministerpräsidenten mittelfristig nicht (mehr) durchbringen.
Es fehlt im Gegensatz zu Brandenburg oder Thüringen nach wie vor an »organischen Politikern« an der Sachsenspitze, die das produktive und unverzichtbare Zusammenspiel des arbeitsteiligen »Mosaiks« in seiner ganzen Tragweite begreifen und über ein politiktheoretisches Grundgerüst verfügen. Das mag auch daran liegen, daß nach Petrys Austritt 2014 die ehedem Petry-loyale zweite Reihe überwiegend – auch aus strategischen Gründen – unangetastet blieb, zur ersten Reihe wurde und sich gewisse Verhaltensmuster und Denkweisen aus diesem Dunstkreis daher verstetigten.
Doch das Positive ist: In vielen Kreisverbänden gibt es seit den Kommunalwahlen kundige Mandatsträger, die dies ähnlich sehen und frohen Mutes an die Arbeit gingen bzw. gehen. Man steht am Anfang eines Prozesses, und es ist anzunehmen, daß die Sachsenbasis sukzessive Personaländerungen im Landesvorstand einleitet. Im Wahljahr wurde auf derartige Rochadenversuche pflichtbewußt verzichtet. Zurecht.
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Der Erfolg des Mai 2019 mußte indes dazu anspornen, in die lokale und regionale Offensive zu gehen, damit Sachsen dauerhaft eine solidarisch-patriotische Volkspartei als stärkste Kraft verzeichnen kann und damit Vorbild für Deutschland ist. Wie ist es diesbezüglich um die AfD bestellt?
Der Landtagswahlkampf ist in vollen Zügen. Anders als noch im April und Mai ist die AfD diesmal zumindest optisch flächendeckend von Plauen bis Zittau präsent. Einwurfsendungen und Plakate sind ebenso vorhanden wie Vortragsveranstaltungen und mediale Präsenz. Aber das wars, und das ist lediglich das obligatorische Tagesgeschäft; ein »Hingucker« bleibt bis dato ebenso aus wie professionelle Direktkandidaten-Präsentationen und ein akutes Thema, das in den Wochen vor der Wahl noch einmal einen Schub geben könnte.
Im Vergleich zu Brandenburg hängt der sächsische Wahlkampf an einigen wenigen Personen der Basis und läuft schleppend voran; die Spitze agiert nicht professionell und verpaßt diese historische Chance. Man glaubt bisweilen kaum, daß jemand aus dieser Mannschaft ernsthaft in Regierungsverantwortung treten möchte. Leute vom Format eines Tino Chrupalla oder Maximilian Krah sind “oben” allein auf weiter Flur – und die beiden Genannten kennen eigentlich andere Schwerpunkte ihrer Arbeit im Bund und in Europa.
Hinzu kommt, daß der Wahlkampf – für Außenstehende wie viele AfD-Mitglieder – so wirkt, als ob er »vor sich hin plätschert«. Es mangelt an Biß, der dann, vergleichbar Björn Höckes »Abschiebeinitiative 2020« in Thüringen oder Andreas Kalbitz’ Aufforderung zur Zerschlagung linker Netzwerke, für Berichterstattung und Kontroversen sorgt.
Auch an eignen Unzulänglichkeiten liegt es also, daß die Zahlen in Umfragen stagnieren.
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Die AfD wird derzeit bei INSA mit 25 Prozent, bei Infratest Dimap mit 26 Prozent verbucht; die CDU kommt auf 28 bzw. 26, die SPD auf 8 bzw. 9, die Grünen je auf 12, die FDP konstant auf 5 und die Linke auf 16 bzw. 15 Prozent. Sonstige umfassen u. a. NPD, Freie Wähler (FW) und Die Partei; sie kommen vereint auf 6 Prozent, wobei der Löwenanteil (3 + x Prozent) durch die in Sachsen bürgerlich-konservativ operierenden FW, die sich als AfD-like als »Mut-Bürger« titulieren, beansprucht werden dürfte.
Die FW nehmen der AfD wichtige Stimmen weg und machen die – ebenfalls unter Sonstige subsumierte – Petry-Partei Blaue Wende gänzlich überflüssig, die sich als »Konservativ. Aber anständig« vermarktet, indessen weniger als ein Prozent erreichen dürfte. Daran können auch launige Slogans wenig ändern (»Grüne in den Tagebau«, »Make Sachsen scheen again« u. dgl.).
Eine andere AfD-Abspaltung, der Aufbruch Deutscher Patrioten Mitteldeutschland (ADPM), gehört ebenfalls ins sonstige Lager; die ADPM tritt allerdings nur in wenigen Gemeinden überhaupt in Erscheinung, und ihr sachsen-anhaltisches Zugpferd André Poggenburg wollte gar den ohnehin kaum wahrnehmbaren Wahlkampf einstellen, ja stattdessen den ADPM-Aktiven die Wahl der AfD empfehlen – und wurde daher aus der von ihm gegründeten Splitterpartei gedrängt. Ein Ergebnis über 0,1 Prozent wäre eine Überraschung.
Die NPD, in Sachsen immerhin zwei Legislaturperioden im Landtag und 2014 mit 4,99 Prozent denkbar knapp an der 5‑Prozent-Hürde gescheitert, wird in den Umfragen längst nicht mehr gesondert aufgeführt und ist ebenso wie ADPM, Petry und Konsorten Teil der sechs Prozent »Sonstigen«.
Daß der MDR bei der üblichen Talkrunde alle Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien einlud und überdies der FDP (2014: 3,8 %) ein Podium bietet, nicht aber einem Nationaldemokraten, was in diesem Ergebnis-Kontext naheliegend wäre, paßt zur bewährten Ausgrenzungsstrategie, dürfte aber nicht ursächlich dafür sein, daß die NPD mit lediglich 0,8 bis 1,5 Prozent der Zweitstimmen zu rechnen haben wird; auf Direktkandidaten wurde ohnehin überwiegend verzichtet.
Während NPD und Co. also leer ausgehen werden, kann die AfD nicht nur über die Listenwahl ihre bis zu 30 Kandidaten unterbringen, sondern wird sich auch in den einzelnen Wahlkreisen vielerorts bei den Direktkandidaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU liefern. Man blickt nicht zuletzt gespannt auf Görlitz, wo der patente AfD-Lokalstar Sebastian Wippel den amtierenden Ministerpräsidenten Kretschmer mit einiger Aussicht auf Erfolg herausfordert.
In Ostsachsen dürfte die AfD sowieso Oberwasser haben, in West- und Nordsachsen hingegen die Union. In bestimmten Teilen von Leipzig und Dresden werden zudem auch Linkspartei und Grüne (wieder) reüssieren.
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Über die Grünen wurde bei sezession.de bereits viel geschrieben. Sie surfen auf der Welle des Zeitgeistes, der ihnen hold ist. Die Linke hat hier mehr zu knabbern. In Sachsen hat sie den Westen und den Süden der Metropole Leipzig – und das war’s im Großen und Ganzen.
Außerhalb dieser Hochburgen verliert sie an Rückhalt, auch weil viele ältere Menschen, die die Linkspartei als »Ostpartei« oder als Partei der alten, sicheren Zeiten mißverstehen, versterben. Hinzu kommt, daß in den einzelnen Regionen Sachsens, ob im Erzgebirge oder in der Lausitz, im Vogtland oder in der Sächsischen Schweiz, Lokalkolorit und Heimatverbundenheit, Geselligkeit und Gemeinschaftsgefüge groß geschrieben werden. Das schmerzt die ausgerechnet in Sachsen besonders kosmopolitisch positionierte Linke.
Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion, gerät diesbezüglich regelrecht in Wallung. Auf ihrem Blog schreibt sie erstaunlich larmoyant über schwieriges Terrain für linke Politik. Daß die in Leipzig so erfolgsverwöhnte Linke auf dem Land vor die Hunde geht, macht sie nicht etwa an den volksfernen Inhalten ihrer Partei und deren Umfeld fest; vielmehr beleidigt die einstige SED-Kaderin die verbliebenen Wähler, während sie die Exilierten als Fortschrittlich-Emanzipatorisch adelt.
Angesichts der Verstrickungen der Linkspartei mit dem – mindestens gewaltbereiten – Antifa-Milieu ist es bemerkenswert, wie jovial mit Militanzfantasien umgegangen wird. Bei Köditz heißt es unverblümt:
In solchen Fällen ist eine Intervention von außen unverzichtbar. Dann ist „die Antifa“ das Blauhelmkontingent. Und wenn dann, wie in Mittweida damals geschehen, fast 1.500 Antifaschist*innen am Sammelpunkt der Demo stehen, dann kann es passieren, dass der über 70-jährigen Genossin, die ansonsten immer „Keine Gewalt!“ fordert, fast die Tränen in den Augen stehen, wenn über die Lautsprecher der Chumbawamba-Song „Enough ist enough“ mit der Textzeile „Give the fascist man a gunshot“ erklingt.
Der musikalisch artikulierte Haß reißt der vorgeblich humanistischen Gesinnung die Maske vom Gesicht. Im von Köditz zitierten Lied heißt es nämlich weiter:
Come shoot the fascist with a gun
Erschieße den “Faschisten” ist besonders perfide, denn ein “Faschist” kann für den Antifaschisten bekanntermaßen situativ jeder Nichtlinke werden – ob christlicher Abtreibungsgegner, Sozialpatriot, JF-Leser oder WerteUnion-Sympathisant.
Die Geschichte des Antifaschismus wird daher auch in Sachsen einst als Geschichte gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu schreiben sein. Der Gegner ebenjenes totalitären Antifaschismus ist nicht der inhaltliche Konkurrent, der mehr oder weniger stark Andersdenkende, der weltanschauliche Widerpart, sondern das zu vernichtende Böse. Entmenschlichung und verbale Legitimierung von Gewaltverbrechen zählen längst zum Standardrepertoire linker Politiker.
Um so erschreckender, wenn seitens der Medien jeder Aufkleber einer rechten Splittergruppe zum Quasi-Terrorismus stilisiert wird, während der ganz reale Gewaltfetisch des linken Milieus auch in einem CDU-Stammland wie Sachsen meist unbeachtet bleibt.
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Daß die CDU Verluste hinnehmen wird müssen (2014: 39,4 %) ist ausgemacht, aber sie werden mutmaßlich nicht so hoch ausfallen, wie bei der Konkurrenz gehofft wird. 30 Prozent könnten für die sächsische Union machbar sein, und das hieße: Es gäbe jenseits einer Minderheitsregierung noch Optionen mit oder ohne FDP (je nach Erreichen der 5‑Prozent-Hürde).
Der Wahlkampf der CDU, inhaltlich von Professor Werner Patzelt mitverantwortet, ist, und das darf gesagt werden: klug. Das betrifft nicht die Gestaltung der Plakate (grün, langweilig) und ebensowenig die Inhalte ebendieser: Die CDU regiert schließlich seit 1990, fordert aber, Oppositionspartei spielend, mehr Polizisten, mehr Lehrer, besseren Nahverkehr. Es ist zu begrüßen, daß die AfD damit begonnen hat, entsprechende Wahlplakate der CDU unmittelbar mit eigenen zu kontern, also die Union etwa auf ihre nicht gehaltenen Wahlversprechen oder ihre Rolle als untätige Regierungspartei aufmerksam zu machen.
Klug erscheint der Wahlkampf deshalb, weil der unverkrampfte und rastlos wirkende Einsatz des Spitzenkandidaten Kretschmer Dorf um Dorf erreicht, zielgruppenspezifisch ausdifferenziert ist und positive Stimmungen vermittelt. Sachsen geht es ja objektiv besser als Sachsen-Anhalt oder Brandenburg – dies wird geschickt als CDU-Erfolg promotet. Das alles wird keine Zuwächse zu 2014 ermöglichen, aber die Fallhöhe wird kleiner, weshalb um die 30 Prozent bereits ein Erfolg darstellen würden.
Auf diesem Weg hilft auch der Einsatz von Hans-Georg Maaßen. Der ehemalige VS-Präsident tourt durch Sachsen und trifft auf begeisterte WerteUnion-Anhänger und – bedauerlicherweise – zahlreiche AfD-Sympathisanten, die das manipulative Spiel der WerteUnion nicht durchschauen und immer noch hoffen, daß die Union die »Linkswende« der Kanzlerschaft Angela Merkels revidieren würde – ganz so, als ob diese nicht in der DNA der CDU stecken würde.
Damit man das nicht falsch versteht: Jeder, der aus dem Apparat stammt und die Fehler desselbigen erkennt und in sich selbst überwindet, kann einen Gewinn darstellen. Nur ist Maaßen eben weiterhin Wahlkämpfer der CDU, nicht der AfD, und Brücken baut er derzeit nicht, sondern versieht sie mit einer perfiden Blockade (»Nur, wenn die AfD dies und jenes …«).
Das heißt auch: Die AfD samt Umfeld wäre gut damit beraten, sich nicht demonstrativ und überschwänglich an den Hals eines jeden zu werfen, der einen Zentimeter von der Merkel-Ära abweicht, und mag es auch ein Zentimeter in die korrekte Richtung sein.
Wirklich problematisch wird es für Kretschmer und Co. also erst nach der Wahl. Dann nämlich, wenn der Wunsch der verhältnismäßig wertkonservativen und christlichen Basis abseits der Großstädte, deren Aktive sich in persönlichen Gesprächen meist umstandslos in Richtung einer Annäherung an die AfD äußern, mit Kretschmers Machterhaltungswillen um jeden Preis kollidiert: Daß er, ungeachtet seines markant heimattümeligen Wahlkampfes, die Grünen bereits ins Boot gestiegen sieht, ist evident. Er stünde dann in einer Reihe mit äußersten Linken wie Jürgen Kasek. Offene Flanken für die AfD.
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Eine bereits bestehende offene Flanke wäre auch der Flirt des sympathisch wirkenden CDU-Generalsekretärs Alexander Dierks mit grünen und roten Kräften. Dierks hatte am 1. Mai bereits mit antifaschistischen Jugendgruppen, Sozis und Gewerkschaftern in Chemnitz »gegen rechts« demonstriert; nun ließ er sich erneut wiederholt mit DGB-Personen ablichten, und im Zuge einer solchen Veranstaltung, bei der Dierks für sein Instagram-Profil fotografiert wurde, saß zudem eine Linkspartei-Abgeordnete mit Antifa-Nähe in der ersten Reihe.
Dierks inszeniert seine Partei und sich regelmäßig als »konservativ«. Daß er mit antifaschistischen Agitatoren kein Problem hat, sehr wohl aber mit der in Sachsen durchaus gemäßigten AfD und ihrem Umfeld, ist offenkundig machttaktischen Erwägungen geschuldet. Sein Direktmandat im Wahlkreis Chemnitz 2 ist in Gefahr; im Kampf gegen den lokalen AfD-Kandidaten benötigt er Leihstimmen des linken Lagers im Rahmen einer Einheitsfront.
Dafür greift die Partei auch auf die Sprache des Antifaschismus zurück und lobpreist in billiger Art und Weise den »Kampf gegen Rechts«. Es geht also weit mehr als “nur” um den ausgerufenen »Kampf gegen Rechtsextremismus«. Die »Parteirechten« der WerteUnion werden auch hier folgenlos protestieren (– oder auch nicht, es ist einerlei).
Die CDU geht also, beileibe nicht nur in Gestalt ihres Spitzenfunktionärs Dierks, auch in Sachsen einmal mehr den opportunistischen Weg. Die AfD sollte derartige Pakte und Verhaltensauffälligkeiten nicht zu früh vergessen, wenn die CDU einst umschwenken wird. Noch gibt es in der Landesspitze Sachsens Kräfte, die der Union für einige Posten zu vieles zu schnell verzeihen würden und daher wohl überdies zu inhaltlichen Zugeständnissen jeder Art bereit wären.
Auch aus diesem Grund schrieb ich im Mai an dieser Stelle:
Wer nicht radikal und grundsätzlich (gemeint ist nicht: radauhaft, extremistisch) beginnt, kann seine Positionen später nicht mehr moderat abschwächen. Aber genau dies vollzöge sich ohnehin in jedweder Verhandlungskonstellation. Die Grünen machen es einmal mehr vor: Maximalforderungen und selbstbewußt-kämpferisches Auftreten motivieren die eigenen Sympathisanten, beeindrucken Wechselwähler und gefallen der Jugend; abrücken – zum Wohle der Verhandlungsstimmung mit dem eventuellen Gegenüber – kann man freilich immer noch später. Andersherum geschieht bzw. funktioniert das: nie.
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Ohnehin gilt: Die AfD befindet sich in bezug auf Koalitionsverhandlungen in bequemer Lage. Sie kann und muß akribisch beobachten, was die CDU treibt und welche Seite sie entblößt.
Wird die Union mit Grünen (oder gar den Linken) handelseinig, verprellt die CDU konservative Wählerschichten und treibt sie der AfD entgegen. Wird die Union hingegen dazu neigen (was ich nicht glaube), mit der AfD eine Art Kompromiß, etwa eine tolerierte Minderheitsregierung, einzugehen, wäre die AfD »salonfähiger«; der von Linken seit Jahren herbei fabulierte Tabubruch wäre in dem Falle nicht 2023, sondern bereits 2019 vollzogen. Voraussetzungen für beides: ein angemessenes AfD-Ergebnis.
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Was ist ein angemessenes AfD-Ergebnis? Persönliche Prognosen und Schätzungen sind meistens zu subjektiv und spekulativ, aber ich möchte mich, schon alleine der Diskussion wegen, gleichwohl festlegen:
Alles unter 25 Prozent für die AfD wäre eine Niederlage, 25–26 Prozent ein Remis, 26–27 Prozent ein kleiner Erfolg, und alles über 27 Prozent ein – relativer – Sieg. Aber nur ein Wahlergebnis von 30 Prozent und mehr würde wohl wirklich ein kleineres Republikbeben verursachen. Deutschland hätte es verdient.
Ergänzung 1: Über die SPD habe ich kein Wort verloren. Jedes einzelne wäre auch eines zuviel. Bewegte Bilder sprechen hier Bände.
Ergänzung 2: Auch in Brandenburg wird am 1. September gewählt, in Thüringen einige Wochen später. Ich habe mich bei meinen unsystematischen Beobachtungen allerdings bewußt auf Sachsen konzentriert. Hinweise, Diskussionen und Zahlenmaterial zu den beiden weiteren Ländern gern in der Kommentarspalte!
Laurenz
Vielen Dank, Herr Kaiser, für die kurze, aber doch detaillierte Übersicht. So klar kriegen wir das, tief im Westen, sonst nicht mit.
Was die Linke angeht, so kann sie doch ihre sozial-faschistische Herkunft aus der DDR und der Sowjetunion nicht verbergen, einerseits erschreckend viehisch, andererseits hilfreich, weil sie als reaktionäre & konter-revolutionäre Kraft leiden wird.
Der Grünen-Hype scheint sich etwas ausgeblasen zu haben, was gar nicht früh genug passieren konnte. Prognosen, daß man fast täglich erwarten kann, seinen Arbeitsplatz quasi nur noch schwimmend oder im Hagelsturm zu erreichen, treten nicht ein. Von daher ist der Weltuntergang angesichts bigotter Promotion Grüner Mandatsträger hoffentlich doch nur ein Kartenhaus am Strand der Nordsee während einer Spring-Flut.
Ich habe auf meinem Mobil-Telefon eine Video-Stellungnahme von Herrn Patzelt. Man meint tatsächlich einen AfD-Granden reden zu hören. Leute, wie Maaßen und Patzelt, oder früher Bosbach sind die gefährlichsten (CDU-)Politiker überhaupt, grandiose Schauspieler. Bieten diese Scheinheiligen doch das Bild einer diversifizierten CDU/CSU, die es so gar nicht gibt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion konnte um die 15 Rebellen bei EURO-Abstimmungen immer gut verschmerzen. Allerdings bekamen diese Pseudo-Rebellen genug mediale Aufmerksamkeit, eine wirklich kluge Strategie des AgitProp-Profis IM Erika.
Die CDU-Basis hofft, zumindest im Westen, auf ein eigenes Einknicken bei den 3 bevorstehenden Landtags-Wahlen. Würde das doch die Chancen erhöhen, trotz gekaufter JU, endlich mit Herrn Merz die mächtige IM-Erika-Fraktion ablösen zu können. Es steht für uns zu hoffen, daß Herr Merz sich zukünftig nicht durchsetzen kann und die CDU/CSU links außen bleibt.
Was Ihre Beschreibung der AfD in Sachsen angeht, so kann man nur die Situation einfach so zur Kenntnis nehmen. Es wird eben noch Zeit brauchen, um die Dinge zu entwickeln. Spaltungen sind unprofessionell. Der eigentlich authentische Herr Poggenburg war es nicht, und hat dies wohl zu spät eingesehen. Es gibt hier weder einen langen Marsch, noch einen Marsch auf Rom, solch größenwahnsinnige Träume sollte sich jeder Konservative abschminken. Angesichts der gegnerischen Übermacht müssen sich die AfD-Liberalen selbst fragen, ob ihre eigenen Lebensmodelle und Überzeugungen angesichts der Tribut-Leistungen an junge orientalische Eroberer in 2-stelliger Milliardenhöhe pro Jahr, es noch angebracht erscheinen lassen, den freizügigen Sklavenhandel in Europa promoten zu wollen. Die Macht-Frage entscheidet sich zukünftig ganz intern zwischen der mehrheitlichen Macht-Option für die AfD oder am Festhalten zu lange geliebter liberaler Überzeugen mit Partikular-Interessen aus einem vergangenen Jahrtausend. Es geht in den nächsten 10 Jahren um alles oder nichts. Die nachhaltige Enthemmung der Arbeitsmärkte durch Schröder/Fischer, der übliche Verrat an den Sozial-Versicherten, die schwache und absehbar gescheiterte Währung zu Lasten der Unter- und Mittelschicht, hat die SPD in den Ruin geführt, und es sieht nicht so aus, als würde sie nochmals aufstehen. Alle "starken" und "guten" Spezi-Gesetze beweisen nur das Symptom-doktorn an einer grundsätzlichen gesellschaftlichen deutschen Krankheit.
Nur in der zukünftig alles bestimmenden sozialen Frage kann die AfD zukünftig die 50%-Hürde anpeilen und die "Nationale Einheitsfront wider das Volk" vernichtend schlagen und endlich nach desolaten Jahrzehnten konstruktiv gestaltend tätig werden. Das gilt gemeinsam für die Nationalen, wie für die Liberalen in dieser Partei.