Extinction Rebellion (Teil III): Offenbarungsersatz

Meyers Konversationslexikon aus dem Jahre 1874 versteht unter „Apokalyptik“ die

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Bezeich­nung eines beson­de­ren Zwei­ges der spä­te­ren jüdi­schen Lite­ra­tur, einer schrift­stel­le­ri­schen Pro­phe­tie, wel­che die bevor­ste­hen­de Erfül­lung der Ver­hei­ßung, die Voll­endung des mes­sia­ni­schen Reichs durch den Welt­lauf in Bil­dern und in einer künst­li­chen Sym­bo­lik schil­dert. In den Bibel­ka­non auf­ge­nom­me­ne Pro­duk­te die­ser Lite­ra­tur sind das Buch Dani­el und die Offen­ba­rung des Johannes.

Mit dem theo­lo­gi­schen Lexi­kon Sacra­men­tum Mun­di (1967) läßt sich ergänzen:

Noch deut­li­cher als bei den Pro­phe­ten erscheint die Geschich­te als Kampf­platz, auf dem sich auf der einen Sei­te Gott, sei­ne Engel und sein Volk, und auf der ande­ren Sei­te alle dämo­ni­schen Mäch­te, deren irdi­sche Hel­fer, die Sün­der und die Hei­den­völ­ker, gegen­über­ste­hen, (…), die gegen­wär­ti­ge Welt, die der Macht des Bösen aus­ge­lie­fert ist und dadurch dem Zor­ne Got­tes und der End­ka­ta­stro­phe über­ant­wor­tet ist, und die zukünf­ti­ge Wirk­lich­keit, in der das ver­klär­te All mit den himm­li­schen Wirk­lich­kei­ten verschmilzt.

Wir haben es im Fal­le von XR mit künst­li­cher Sym­bo­lik zu tun, deren psy­cho­lo­gi­sche Funk­ti­on im Wesent­li­chen das Auf­sta­cheln der Mas­sen und die Recht­fer­ti­gung inner­welt­li­cher revo­lu­tio­nä­rer und eli­mi­na­to­ri­scher Maß­nah­men (das Ende ist ja pro­phe­zeit!) ist. Der Apo­ka­lyp­ti­ker im Sin­ne eines Pro­phe­ten einer „ver­kapp­ten Reli­gi­on“ (Carl Chris­ti­an Bry) oder einer poli­ti­schen “Bewe­gung” instru­men­ta­li­siert das (angeb­li­che) nahe Welt­ende, um sei­ne eige­ne Ideo­lo­gie rea­li­sie­ren zu kön­nen. Er legi­ti­miert mit sei­ner Pro­phe­tie den Ein­satz der ulti­ma ratio.

Bekannt­lich berei­te­te in Deutsch­land das Bünd­nis zwi­schen okkul­ter Wis­sen­schaft und volks­tüm­li­chen Bedürf­nis­sen, zwi­schen der Angst vor der Höl­le und dem Elend der Mas­sen eine zugleich reli­giö­se und sozia­le Revo­lu­ti­on vor. In den Pro­phe­zei­un­gen des Welt­endes fand sie leicht ihr Pro­gramm und ihre Rechtfertigung,

schreibt der His­to­ri­ker Jac­ques Solé in Christ­li­che Mythen. Von der Renais­sance zur Auf­klä­rung (1982) über die Lutherzeit.
Frei­lich ist es ein ent­schei­den­der Unter­schied, ob apo­ka­lyp­ti­sches Den­ken dem Chris­ten­tum seit jeher inne­wohnt, inso­fern es „sei­ne his­to­ri­sche Dyna­mik sicher­te“ (Jac­ques Solé), oder es sich um ein Deka­denz­phä­no­men han­delt, also einen ver­kom­me­nen Abkömm­ling der eigent­li­chen (auch apo­kry­phen!) bibli­schen Apo­ka­lyp­sen. Erzeugt der Mensch, mit ande­ren Wor­ten, End­zeit­phan­ta­sien über­haupt nur dann, wenn er welt­li­che Herr­schaft (in der civi­tas ter­re­na) sichern will, wäh­rend die bibli­sche Offen­ba­rung die Ent­wick­lungs­ge­schich­te des Reichs Got­tes (civi­tas dei) erzählt?

In die­sel­be Ker­be wie der Mar­xist Solé schlägt iro­ni­scher­wei­se der Sozi­al­phi­lo­soph H.S. Cham­ber­lain, dem der Deutsch­land­funk Anfang die­ses Jah­res eine “Lan­ge Nacht” wid­me­te, im Kon­text derer auch die bis­lang weni­ger bekann­ten freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen Cham­ber­lains zu Intel­lek­tu­el­len jüdi­scher Her­kunft the­ma­ti­siert wur­den. Cham­ber­lain bringt die Ent­ste­hungs­zeit der Apo­ka­lyp­tik in Zusam­men­hang mit schwin­den­der welt­li­cher Herrschaft:

Mit dem Offen­ba­rungs­we­sen der Apo­ka­lyp­tik ver­hielt es sich fol­gen­der­ma­ßen: je tie­fer das jüdi­sche Volk poli­tisch sank, und je fer­ner infol­ge­des­sen sei­ne Hoff­nung auf Welt­herr­schaft rück­te, um so mehr hat­te sich — unter dem Ein­fluß baby­lo­ni­scher und per­si­scher Ideen — eine frü­her den Juden unbe­kann­te Phan­tas­tik über das Ende der Welt, und was alles dar­auf fol­gen soll­te, ent­wi­ckelt. Die­se Leh­ren „von den letz­ten Din­gen“, von der Wis­sen­schaft Escha­to­lo­gie genannt und von den gelehr­ten Rab­bi­nern zu allen Zei­ten miß­trau­isch behan­delt, wenn nicht gar ver­wor­fen, bil­de­ten einen Ersatz für den ver­sieg­ten Strom der Pro­phe­zei­ung. (H. St. Cham­ber­lain, Mensch und Gott, 1921, S. 150)

Von „Geschichts­ma­nage­ment“ (Ste­phan Siber) kann man spre­chen, wenn ein vor­aus­ge­sag­ter geschicht­li­cher Ablauf durch eige­nes Agie­ren vor­an­ge­trie­ben wird, um dann die eige­ne Vor­aus­sa­ge bestä­ti­gen zu kön­nen. Es han­delt sich also um die bewuß­te mani­pu­la­ti­ve Form der selbst­er­fül­len­den Prophezeiung.

Je grö­ßer die Kata­stro­phe in die­ser Form aus­ge­malt wird, des­to näher rückt ihr Ein­tre­ten und des­to här­ter müs­sen die Maß­nah­men sein, sie gera­de noch um fünf vor zwölf abzu­wen­den. Da die Geschichts­ma­na­ger nun aber nicht allein über die rhe­to­ri­sche Über­zeu­gungs­kraft der „schrift­stel­le­ri­schen Pro­phe­tie“ ver­fü­gen, son­dern auch in die öffent­li­che Mei­nung ein­grei­fen bzw. die­se über­haupt erst als ver­öf­fent­lich­te Mei­nung gene­rie­ren, kön­nen sie in einem ers­ten Schritt Kata­stro­phen­sze­na­ri­en her­auf­be­schwö­ren, um die­se dann im zwei­ten Schritt zum Woh­le der Welt­be­völ­ke­rung zu verhindern.

Apo­ka­lyp­tik ist Ersatz für die eigent­li­che Offen­ba­rung. Im Grie­chi­schen heißt apo­ká­lyp­sis nichts ande­res als: Offen­ba­rung. Rüdi­ger Safran­ski begann kürz­lich einen bemer­kens­wer­ten Vor­trag in der Köl­ner Phil­har­mo­nie mit Nova­lis: „Wenn Gott ver­schwin­det, regie­ren die Gespens­ter“, näm­lich, fuhr Safran­ski fort, die Gespens­ter der Ersatz­re­li­gio­nen. Für Ersatz­re­li­giö­se wer­de alles mög­li­che mit reli­giö­ser Bedeu­tung auf­ge­la­den. In der Wis­sens­ge­sell­schaft wer­de eben nicht beson­ders viel gewußt, son­dern beson­ders inten­siv geglaubt: „Über die Kli­ma­ka­ta­stro­phe reden wir wie einst über die Apokalypse“.

Die Erhit­zungs­ka­ta­stro­phe ist für uns hier­zu­lan­de (noch) kei­ne hin­rei­chend sinn­lich greif­ba­re Wirk­lich­keit. »Wenn wir wirk­lich sähen, was wirk­lich ist«, so Gün­ther Anders, »schwän­den unse­re schö­nen opti­schen Täu­schun­gen dahin, hät­ten wir mehr rea­lis­ti­sche Angst.«

schreibt der Han­no­ve­ra­ner Theo­lo­ge (!) Jür­gen Mane­mann, der vom Katho­li­zis­mus zur “Extinc­tion Rebel­li­on” kon­ver­tiert zu sein scheint. In der vom Tran­script-Ver­lag u.a. als Gra­tis­down­load unters Volk gepush­ten Bro­schü­re Extinc­tion Rebel­li­on – Hope Dies, Action Beg­ins führt er aus:

Vie­le Men­schen wer­den den Tem­pe­ra­tur­an­stieg nicht über­le­ben. Die ein­tre­ten­den Kata­stro­phen wer­den gesell­schaft­li­che Erup­tio­nen und die Gefahr des Auf­kom­mens auto­ri­tä­rer Regime, Faschis­men und Tota­li­ta­ris­men nach sich ziehen.

Das ist Geschichts­ma­nage­ment pur. Die War­nung vor „auto­ri­tä­ren Regi­men, Faschis­men und Tota­li­ta­ris­men“ ist der Vor­wand, mit dem von eige­nen durch­aus auto­ri­tä­ren Ten­den­zen und der Errich­tung tota­li­tä­rer Welt­ret­tungs­st­uk­tu­ren abge­lenkt wird. Wie käme man denn dar­auf, XR für tota­li­tär zu hal­ten, warn­ten doch gera­de sie so ein­dring­lich vor der­glei­chen! Auf ihrer Inter­net­sei­te for­dern sie derweil:

Wir schaf­fen das nur gemein­sam. In der größ­ten Grup­pe, die wir ver­ei­nen kön­nen: Uns alle.” “No shaming, no bla­ming” ein­zel­ner Men­schen, wir sind alle Tei­le die­ses toxi­schen Sys­tems, das wir gemein­sam über­win­den müssen.

Nimmt es noch wun­der, daß die Ver­fas­se­rin von Wann wenn nicht wir? Ein Extinc­tion Rebel­li­on Hand­buch (S.Fischer Ver­lag, 2019), Anne­ma­rie Botz­ki, nicht nur Grün­de­rin und CEO einer Fir­ma für Solar­pa­nels ist, (das wäre gera­de noch unter her­kömm­li­chem Lob­by­is­mus zu ver­bu­chen), son­dern auch die Demo­kra­tie „erwei­tern“ will, um „die Spal­tung der Gesell­schaft zu überwinden“?

Ich glau­be, dass vie­le Men­schen ein­fach noch unin­for­miert sind. Wir sind eine neue Bewe­gung, die öffent­li­che Mei­nung bil­det sich gera­de erst. Wir ver­su­chen zu hel­fen, indem wir so offen wie mög­lich kom­mu­ni­zie­ren. Wir sind nicht gegen Demo­kra­tie, wir wol­len die Demo­kra­tie erwei­tern – mit einer Bür­ge­rin­nen­ver­samm­lung. Die soll nicht das Par­la­ment erset­zen, son­dern dabei hel­fen, die Spal­tung der Gesell­schaft zu überwinden.

Botz­ki hat auch die Ver­kehrs­blo­cka­den in Ber­lin orga­ni­siert, die nicht (wie etwa von Green­peace bekannt) durch­ge­führt wer­den, um auf einen Umwelt­skan­dal auf­merk­sam zu machen. Sie haben den mani­fes­ten Zweck, Regie­run­gen in toto zu erpres­sen, und wenn die­se nicht parie­ren, sie abzu­set­zen. Logisch, sonst machen sie sich ja – schul­dig: „Wer sich wei­gert, zu han­deln, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, wird schul­dig“ (Extinc­tion Rebel­li­on – Hope Dies, Action Beg­ins).

Die Träg­heit der Demo­kra­tie, die Robert Habeck bemän­gel­te, ist nicht der ein­zi­ge Grund, sie ab‑, äh: umzu­schaf­fen. Im öster­rei­chi­schen Kurier wird genau­so argu­men­tiert, mit sug­ges­ti­vem Stups in Rich­tung Kurz-Grü­nen-Regie­rungs­ko­ali­ti­on: die „Gren­zen einer Beam­ten­re­gie­rung zei­gen sich beson­ders beim gro­ßen Kli­ma­schutz­plan 2030“. Lob­by­is­mus – look who’s tal­king – und man­geln­de Not­stands­ge­setz­ge­bung geben der Demo­kra­tie wie wir sie ken­nen den Rest, so XR auf ihrer Netz­prä­senz:

Demo­kra­tisch gewähl­te Abge­ord­ne­te wer­den durch die Lob­by­ar­beit mäch­ti­ger Kon­zer­ne und Inter­es­sen­grup­pen in ihrer Arbeit beein­flusst. Sie stre­ben nach wohl­wol­len­der Bericht­erstat­tung in den Medi­en, wes­halb es sein kann, dass sie sich vor unpo­pu­lä­ren aber nöti­gen Maß­nah­men scheu­en – aus Angst, nicht wie­der­ge­wählt zu wer­den sind häu­fig durch par­tei­spe­zi­fi­sche Abhän­gig­kei­ten in ihrer Ent­schei­dungs­fä­hig­keit limi­tiert. Infol­ge­des­sen sehen sich Politiker:innen oft nicht in der Lage, die weit­rei­chen­den Ver­än­de­run­gen umzu­set­zen, die nötig sind, um die Not­la­ge in Angriff zu nehmen.

XR beschreibt ihr Vor­ge­hen ganz offen in einem vier­schrit­ti­gen Mani­pu­la­ti­ons­ver­fah­ren (Botz­ki: „die öffent­li­che Mei­nung bil­det sich erst“), das fatal an das Pha­sen­mo­dell von Kurt Lewin nach dem II. Welt­krieg zur Re-edu­ca­ti­on der Deut­schen erin­nert. Lewins Pha­se 3 dient dem Ver­fes­ti­gen der „Umge­wöh­nung“ der Grup­pe, der neue Pro­zeß müs­se sich voll­stän­dig ein­pas­sen und ganz natür­lich „dazu­ge­hö­ren“. Bei XR heißt die 4. Pha­se „Han­deln“ und liest sich so:

Das Han­deln: Die revo­lu­tio­nä­re Wand­lung beginnt. Alte nor­ma­ti­ve Vor­stel­lun­gen und ihre Träger*innen ver­lie­ren an Zustim­mung. Neue Regel­wer­ke wer­den von den Gesell­schaf­ten auf­ge­zeigt und schließ­lich kommt es zu neu­en Ver­hal­tens- und Gefühlsmustern.

Wenn es stimmt, was Solé und Cham­ber­lain über Herr­schafts­an­spruch, Revo­lu­ti­on und Apo­ka­lyp­tik geschrie­ben haben, haben wir es heu­te mit einer gera­de­zu exem­pla­ri­schen his­to­ri­schen Situa­ti­on zu tun. Die Fra­ge nach der Welt­herr­schaft, der Neu­en Welt­ord­nung, steht auf dem Spiel. Ein paar expo­nier­te „Klimaschutz“-Aktivisten, deren bal­di­ges Erlah­men schon her­bei­ge­schrie­ben wird, haben die Funk­ti­on, Absich­ten zu offen­ba­ren, die dann auf höhe­rer Ebe­ne der Macht in Ruhe durch­ge­setzt wer­den kön­nen: Es kann ja gar nicht sein, daß das, was die­se Extre­mis­ten da auf­ge­führt und ange­droht haben, Rea­li­tät wird.

Oder, wie XR es sel­ber sibyl­li­nisch formuliert:

Kli­ma­not­stand ist also ein Not­stand von unten: von oben aus­ge­ru­fen, aber von unten eingefordert.

Eine zugleich sozia­le und reli­giö­se Revo­lu­ti­on wird vor­be­rei­tet. Um es zum Schluß apo­ka­lyp­tisch aus­zu­drü­cken: es wird alles offenbar.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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Kommentare (39)

zeitschnur

9. November 2019 22:22

Wieder sehr gut!
Allerdings finden wir, wenn wir die Evangelien lesen, tatsächlich "Endzeitreden Jesu" kurz bevor er hingerichtet wurde.
Sie stellen vor Augen, dass er auferweckt werden würde, für eine Zeitlang nicht mehr sichtbar auf Erden ist und zu einer Stunde, die niemand außer dem Vater weiß, wiederkommen wird. Nicht nur in den Endzeitreden spricht er davon und einer großen Not, bevor das alles geschieht, sondern auch in zahlreichen Gleichnissen (zB dem von den klugen und törichten Jungfrauen oder den Gleichnissen vom Herrn, der seine Diener mit Aufgaben und Talenten betraut und für lange Zeit verreist, aber eines Tages wiederkommt und Rechenschaft fordert. Jesu spricht auch selbst von einem Gericht, in dem "Schafe und Böcke" voneinander geschieden werden, jetzt aber noch nicht. Er verbietet eine Scheidung von Guten und Bösen sogar ausdrücklich im Gleichnis vom bösen Sämann: erst am Ende der Zeiten wird Gott selbst Unkraut von Weizen trennen. Bis dahin muss der Christ über das Charisma der "discretio spirituum", in Jesu Diktion an der Unterscheidung der "Früchte" schon hier erkennen, mit wem er es je zu tun hat.
Die Auferweckung Jesu als des Ersten der Entschlafenen IST der Beginn des Reiches Gottes, die Tage bis zu seiner Wiederkunft „Endzeit“, in der das Geheimnis der „anomia“, des Bösen, der Gesetzlosigkeit, der Unordnung noch vollendet offenbar werden muss (Offenbarung = Apokalypse)
Nicht nur der Seher Johannes nimmt Bezug auf Daniel, sondern auch Jesus selbst in diesen Endzeitreden.
Eine gewisse Apokalyptik wohnt der alttestamentlichen Messiashoffnung inne, aber seltsam überlagert sich die Hoffnung auf die "malchut" (das Königtum Gottes) mit der Hoffnung auf ein Ende dieses "kosmos" (dieses Weltsystems, wie Jesus vor Pilatus sagt). Petrus schließlich schreibt, dass "wir einen neuen Himmel und eine neue Erde erwarten", also auch - nota bene - einen neuen Himmel. Ebenso bittet man im Vaterunser um die Realisierung des Willens Gottes "wie im Himmel so auf Erden"/"fiat voluntas tua sicut in caelo et in terra", was ebenfalls andeutet, dass selbst der Himmel irgendwie durcheinander ist. Und immer: „Dein Reich komme“, denn es ist noch nicht richtig da.
Die alte Kirche tat sich mit der Johannes-Offenbarung teilweise schwer, und manche östliche Kirche wollte dieses Buch nicht in den Kanon aufgenommen wissen. Später war auch Luther sehr skeptisch und in der Versuchung, das Buch einfach zu eliminieren, weil es die überhitzte Fantasie der Enthusiasten mehr anregte, als es den Glauben stärkte.

Zwei Linien kommen im Christentum zum Ausdruck: eine apokalyptische, die sie mit der jüdischen Apokalyptik teilt, teilweise auch der der heidnischen Sibyllen. Aus dem Hellenismus stammt ebenfalls die Frage, warum es jetzt so lange keine Propheten mehr gab: einerseits kam daher, wie im Artikel beschrieben, die Apokalyptik (um ein Ende des Äons wusste auch das alte Israel und wollte seine Zeichen erkennen!), andererseits stammt aus diesem Hintergrund auch das Konzept einer "Heiligen Schrift", die als ewiger Dauerprophet dienen soll, wo keine lebendigen Propheten mehr sprechen. Dieses hellenistische Konzept führte einerseits zum Islam mit seiner "Buchreligion", aber auch zum Protestantismus und dem nachchristlichen Judentum sowieso.

Apokalyptik begleitet unsere gesamte Kulturgeschichte.
Wichtig zu erwähnen sind die massenweisen Marienerscheinungen der letzten Jahrhunderte, die sich im 19./20. Jh verdichtet haben, und als Katholik erlebt man, dass sie allesamt apokalyptischen Ausmaßes sind und hin und her schlingern zwischen Weltuntergangsdrohung und Hoffnung auf die "malchut", die griechisch als "basileia tou theou" (Königtum Gottes) bezeichnet wird.
Dass die Marienerscheinungen bei nüchternem Verstand allerdings stets Lehrentscheidungen Roms bzw politische Aktionen, die Rom vorantreibt, bestätigten oder schon vorbereiteten, sollte jedem wachen Katholiken eigentlich auffallen, zuletzt bei der "Frau aller Völker" und der "Gospa" in Medjugorje, die seit Jahrzehnten erscheint und auf Welteinheit macht.
Apokalyptisch auch die charismatische Bewegung, die nach einer Prophezeiung des Propheten Malachi meint, kurz vor dem Weltende gäbe es noch einmal eine gewaltige geistige Bekehrungswelle auf der ganzen Welt, und die sei jetzt.

Interessante Arbeiten schrieb Wolfgang Eggert über die Instrumentalisierung kabbalistischer Apokalyptik: Hier wollen Geheimbünde, die auf bestimmte jüdische Messiassse der Barockzeit zurückgehen, das Weltende förmlich herbeiführen, und zwar nach dem Leitfaden der Bibel. Auch Hans Joachim Schoeps schrieb zu dem Thema ein kleine Monografie.

An dieser Stelle kommt die seltsame Vermischung der künstlichen Apokalyptik mit einer realen, alten Prophetie zum Ende der Welt und dem Beginn einer neuen Schöpfung. Und genau diese Vermischung schafft perfekteste Täuschungen, etwa beim Thema "Heiliges Land", das nach biblischer Prophetie wieder hergestellt werden soll am Ende der Tage: es wurde hergestellt, aber von wem? Der Messias war es jedenfalls nicht, der das eigentlich sollte... Und ist deswegen jetzt das Ende gekommen? Während evangelikale Kreise dies als Zeichen der Endzeit und Erfüllung der Prophetie ansehen, sagen manche Juden, er sei eine künstliche, „gemachte“ Herstellung der alten Prophetie und lehnen ein Leben in diesem Land ab, weil sie auf die Herstellung durch den Messias warten.
Die Klimathematik steht wohl im Zusammenhang mit den kosmischen Naturkatastrophen, die die jüdisch-christliche Apokalyptik, von der auch Jesus spricht, ankündigt: Menschen werden verbrannt werden von der Sonne, später wird die Sonne ihre Kraft verlieren, Sterne fallen vom Himmel, ein Drittel gar, Flüsse „kippen um“, der Mond wird nicht mehr scheinen, der Himmel wird aufgerollt wie ein Buch oder eine Zeltbahn, und die Menschen werden über sich kein All sehen, sondern den Christus Gottes, dem sie gelästert haben und die Berge darum bitten, sie zu begraben vor dem „Zorn des Lammes“.
Das Klimathema versucht diese Szenen zu realisieren, und manche Militärtechnik auf dem Gebiet der Wettermanipulation wird da sicher noch ein paarmal nachzuhelfen suchen. Vereint werden auf diese Weise sowohl Fromme als auch Unfromme, die glauben gemacht werden, dass hier an eine bestimmte Erwartung eines Weltendes bzw ein Goldenes Zeitalter, die „malchut“ eben, angeknüpft wird.
Mit Entsetzen sehe ich, wie viele Christen auf diesen Zauber hereinfallen und wie viele Agnostiker ebenfalls.

zeitschnur

9. November 2019 22:58

@ C.S. - Ich habe gerade erst gesehen, dass Sie mir in II. noch eine Frage gestellt haben wegen "Herrschaft". Ich denke, Sie ahnen, wie ich es meinte: Ich bezweifle einen positiven Sinn von "Hierarchie" ("heiliger Rangordnung"). Mir fiel irgendwann auf, dass noch Hieronymus so gut wie nie die Wörter "dominari" oder "imperare" verwendete, um entsprechende NT-Passagen zu übersetzen, die von der "Herrschaft" Christi sprechen. Er nimmt immer "regere". "Regere" meint aber nicht "herrschen", sondern nur Führung durch einen primus inter pares. Alle Formulierungen wie zB in den "laudes regiae", die aus fränkischer Zeit stammen, "Christus vincit, C. regnat, C. imperat", wobei das "imperare" dieses hierarchische Herrschen NEBEN dem eigentlich dienenden Führen meint, sind neutestamentlich kaum begründbar und frühchristlich ebenfalls kaum vorhanden.
Die Theodizeefrage hängt wesentlich daran, dass Gott nicht herrscht, wie wir denken, dass er herrschen müsste. Zugleich heißt es, seine "Regierung" sei ewig.
Auch die Rede Jesu von den Kleinsten, die die Größten sein werden und umgekehrt, stürzt ebenfalls wie schon das Magnificat seiner Mutter jeglichen Glauben an Hierarchien um: "Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen" - aber nicht um eine Rollenumkehr zu machen, sondern um Hierarchien einzuebnen. So sieht Jesaja voraus, dass alle Hohe und alles Tiefe geebnet werden wird.
Hierarchisches Denken - Frage ist, woher es kommt. es ist jedenfalls nicht so "alt" wie es vielleicht scheint.
Die Frage berührt aber nicht die freier Ordnungen - "Herrschaftsfreiheit" meint wie "An-archie" in meiner Verwendung einfach nur, dass kein Mensch "Herr" über den anderen sein kann. Aber natürlich kann einer dem anderen punktuell überlegen sein und darum als Hilfe zur Seite gestellt werden.

Franz Bettinger

9. November 2019 23:57

@Zeitschnur zielt - hier verfranzelt und kondensiert - ins Schwarze: 'Außer der AfD nehmen alle anderen Parteien und viele ihrer Exponenten (Politiker, inklusive LT und BT-Vorsitzende) in großem Maße verfassungsproblematische Positionen ein. Der VS selbst macht mit diesem Anti-AfD- Pamphlet klar: Er lässt sich missbrauchen, der VS ist nicht mehr verfassungskonform.‘

@Lotta: Ich bin mir da nicht so sicher, Lotta. eGolf ist natürlich blöd. Aber warum sagt Hape Kerkeling „scharfe Opposition“ und „so wenig Kanzler wie heute war nie“?! Das kam bei mir (und einigen Kommentatoren unter dem YouTube-Beitrag) als pro-rechts an. Klar, dass das Ganze vorher genau orchestriert war! Und deshalb: Selbst eine beabsichtigte „Unschärfe“ der Aussage kann viel sagen! Hape Kerkeling muss aufpassen. Selbst der Kabarettist Dieter Nuhr gilt inzwischen als rechts. - Oder dreht der Wind? Eher nicht. Die Linken blasen zum „Kampf gegen Rechts bis aufs Messer.“ Ihnen fällt außer Gewalt und Hass nichts mehr ein. Sie reden "gegen den Hass", exekutieren ihn aber tagtäglich und handgreiflich. Sechs Millionen, wie sich die Zahlen ähneln! Damals Juden, heute AfD-Wähler. Sie werden wieder gehasst. Sollen ausgegrenzt werden, das Leben zur Hölle gemacht bekommen. Interessante Zeiten déjà vu.

Kommentar Sommerfeld: Lieber Herr Bettinger, Sie gehören in den anderen Strang, den zu Schicks Text. Bitte nochmal dort posten, dann kann ich den hier löschen und Sie bekommen Ihre Antworten am richtigen Platz.

Laurenz

10. November 2019 00:26

In Anbetracht des Netzes sind solche politisch religiösen Kampagnen doch recht erfolglos, denn jeder muß nur vor seine Tür treten, um festzustellen, daß sich tatsächlich nichts geändert hat. Um Reichweite zu erzielen, sind solche Projekte doch recht teuer. Inflationsbereinigt mag man sich die Kosten für die Beseitigung Mossadeghs im Iran anschauen, https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Ajax

das war noch richtig billig und effizient. Heutzutage schafft es doch eher Ressentiments gegen die Protagonisten, vor allem dann, wenn vielen schnell klar wird, daß Geld fließt.

Franz Bettinger

10. November 2019 00:27

@zeitschnur: Was wäre das Gegenteil einer Buch-Religion (des Islam)? Eine Religion, die sich nicht strikt ans Buch der Bücher hält, sondern mit der Zeit geht, also eine moderne, täglich neu auszuhandelnde, also eine Auslegung-Religion? Die heutige christliche von Bischof Marx und Konsorten? Kann meine Frage mit Ja oder Nein beantwortet werden? Oder muss seziert und philosophiert werden?

quarz

10. November 2019 05:10

" um entsprechende NT-Passagen zu übersetzen, die von der "Herrschaft" Christi sprechen. Er nimmt immer "regere". "Regere" meint aber nicht "herrschen", sondern nur Führung durch einen primus inter pares."

Jesus als Gleicher? Das hört sich dann aber eher nach Udo Lindenberg an als nach Kirchenvater: "Christus, ich glaub', du bist doch eigentlich auch ganz locker ... ". Darin scheint mir eine groteske Verkennung der Beziehung Schöpfer-Geschöpf zum Ausdurck zu kommen, die vermutlich vom Glauben getragen ist, wahre Liebe erfordere die Nivellierung von rollenbedingten Unterschieden. Erinnert mich auch an die antiautoritäre Erziehung.

Gustav Grambauer

10. November 2019 09:11

Frau Sommerfeld, zeitschnur

M. E. ist das, was wir geade an (saturnischer) Verwüstung (sic!) und Endzeithype erleben, der Versuch der - widerrechtlichen - Beschleunigung der (Meta-)Geschichte hin zum Oriphiel-Zeitalter, auf daß der ersehnte Oriphiel heute schon käme und Michael vergessen mache. Welchen megalomanischen Todestrieb müssen die haben!

https://anthrowiki.at/Oriphiel_(Erzengel)

- G. G.

Monika

10. November 2019 10:34

Zu Apokalyptik als Offenbarungsersatz:
Zur Zeit Jesu waren apokalyptische Bewegungen an der Tagesordnung. Die Juden warteten auf das Eingreifen Gottes in die Geschichte. Jesus spitzte die uralte jüdische Gewissheit von der Nähe Gottes aufs schärfste zu. Mit ihm war das Reich Gottes herbeigekommen ( Lk20,21). „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“. Das Reich Gottes ist schon da, aber es ist kein weltliches Reich. Es ist nicht von dieser Welt ( d.h. von der Qualität dieser Welt).
Allerdings wurde Jesus als politischer Anführer denunziert und hingerichtet in der röm. Form der Kreuzigung. Das war für die Jesusbewegung der totale Zusammenbruch.
Der Glaube an die Auferstehung hielt die kleine Schar zusammen. Allerdings verstand die Urgemeinde ihre eigene Gegenwart nur als kurze Zwischenzeit bis zur Wiederkunft des Herrn und verkündete weiterhin die nahende Gottesherrschaft . Die Urgemeinde lebte noch in eschatologischer Aufbruchsstimmung. Sie verkündete aber die Frohe Botschaft und keinen nahenden Weltuntergang.
Erst die Parusieverzögerung führte zum Abflauen der christlichen Aufbruchstimmung, zur Kirchen- und Dogmenbildung, zur theoretischen Beschreibung dessen, was wir Offenbarung nennen. Zu neuen Aufbrüchen und Einbrüchen kam es seitdem im Laufe der Kirchengeschichte bis heute. Und auch die apokalyptischen Strömungen ziehen sich durch die gesamte Kirchengeschichte ( Joachim von Fiore, Apokalyptischen Reiter, das Buch mit den sieben Siegeln , das tausendjährige Reich ( Offb. 20,2-4))
Die große visionäre Kraft , die Dunkelheit und Offenheit der Bilder hat zu diesem lang anhaltenden Nachwirken der Apokalytik geführt. Bis hin zu XR.
Zum Thema des von „Menschen gemachten Weltendes“ schreibt Hermann Lübbe in seinem Essay POLITISCHER MORALISMUS, 1985
„Dass der Menschheit hienieden keine ewige Dauer beschieden sein werde, gehört kulturell zu den vertrautesten Selbstverständlichkeiten religiöser Orientierung aus apokalyptischer Tradition. Aber als ein mit eigenen technischen Mitteln besorgter Selbstvernichtungsakt wird doch gerade in der Apokalypse das irdische Ende der Dinge nicht beschrieben, und unsere Zivilisation muss in einem Zustand irritierender Selbsteinschätzung geraten, wenn die Anzeichen sich mehren, die die Vermutung stützen, dass der Menschheit, wenn sie sich niemals auf den Weg der modernen Zivilisation begeben hätte, wahrscheinlich eine längere Zukunft beschieden gewesen wäre, als sie jetzt noch vor sich haben mag.“
Und bevor es jetzt in theologische Spitzfindigkeiten geht frage ich ganz einfach und provokativ:
Was ist eigentlich schlimm am Weltuntergang?
Was gerechteres gibt es doch nicht...

Weltversteher

10. November 2019 10:58

Quarz:
Wer richtig konservativ oder reaktionär sein möchte, ist seinem Wesen nach viel näher am Alten als am Neuen Testament. Am Jahwe-Kult und nicht an der frohen Botschaft. Nichts anderes hat Christi Erscheinung doch bewirkt, als die Christus-Kraft in jeden von uns zu legen. Sie kann ja seither auch an keinem anderen Orte mehr sein...!

Kommentar Sommerfeld: Exakt dies besprach ich heut mit unserem Pfarrer anläßlich der Predigt zu Lk 20, 27-40. Das ist doch Jesu Absage ans jüdische Gesetz: nicht mehr der Gott von Abraham, Isaak und Jakob ist es, sondern der Gott der Lebenden.

Der_Juergen

10. November 2019 12:05

Wiederum ein grossartiger Text. Es hat mich besonders gefreut, dass Caroline Sommerfeld den bedeutenden Kulturphilosophen Houston Stewart Chamberlain positiv würdigt. Als Sechzehnjähriger las ich auf Empfehlung meines Vaters "Die Grundlagen des 19. Jahrhundert" des "Antisemiten" Chamberlain und "Kulturgeschichte der Neuzeit" des Juden Egon Friedell mit grossem Gewinn. Chamberlain, der "Antisemit", durfte übrigens in der "Fackel" des Juden Karl Kraus publizieren, weil er, der er Deutsch als Halbwüchsiger gelernt hatte, diese Sprache so meisterhaft beherrschte.

zeitschnur

10. November 2019 12:25

@ Franz Bettinger

Man muss sich entscheiden, ob man sich ernsthafte und anspruchsvolle Gedanken machen will oder nach einer Handstreich-Formel sucht. Jeder muss aber dann auch die Verantwortung für seine Entscheidung übernehmen. Wenn Ihnen mein Denken gegen den Strich geht, lassen Sie es doch einfach an sich ablaufen.

@ quarz

Sie treffen - wie @ Franz Bettinger - nicht im Ansatz das, was ich meine, weil Sie nach Anhaltspunkten im Althergebrachten, im Mainstreamdenken suchen, um das, was ich schreibe, in eine Schublade zu bekommen. Das ist ein Fehler. Nehmen Sie es doch als das, was ich tatsächlich geschrieben habe! Mehr davon auf meinem Blog bei Interesse: https://zeitschnur.blogspot.com/

zeitschnur

10. November 2019 12:59

@ Monika

Neulich nannte hier einer der Kommentatoren den badischen Philosophen Leopold Ziegler. Zum Thema ganz interessant ist sein Aufsatz "Gotterlebnis und Konfession" http://www.leopold-ziegler-stiftung.de/werke/6/gotterlebnis-oder-konfession

In dem Aufsatz wird die Problematik, die Sie ebenfalls aufgreifen, beschrieben, dass nämlich fehlende Gotterfahrung Bekenntnisse notwendig macht, die aber wiederum Gotterfahrungen häretisieren. Der lebendige Zeuge IST ein Häretiker gemessen an der confessio.

Die Apokalyptik als Offenbarungsersatz bildet diese Dichotomie ebenfalls ab. das würde zugespitzt sagen, dass der Zwang zum Bekenntnis immer auch notwendig zu einer künstlichen Apokalyptik führt, mindestens in der Grundfigur "Wenn du das nicht bekennst, kommt du in die Hölle", was präzise den persönlichen Untergang eines bestimmten Menschen ausspricht. Verstärkt durch Fatwas, Anathemata und auch die furchtbaren Malediktionen, die die Kirche im Zusammenhang der Anathemata vornehmen ließ, regelrechte Verfluchungen der Ketzer, bei denen jedes einzelne Glied des Leibes dieses Menschen verflucht wurde.

Vielleicht wäre hier noch der Zusammenhang zwischen "Fluch" und "Apokalyptik" zu bedenken, habe ich aber auch noch nicht getan, nur so als Aufgabenstellung für Interessierte. Jedenfalls liegt in jeder Verfluchung ein apokalyptischer Funke, eine apokalyptische Gestik, die gewissermaßen die endgültige und umfassende Vernichtung herbeiredet. Daher sagt Jesus "Segnet, die euch fluchen".

Sie werden allerdings um theologisch sauberes Denken nicht herumkommen, und nach einer Kulturgeschichte der Haarspaltereien in der langen "apokalyptischen" Wartezeit müssen Sie sich wie wir alle, die daran interessiert sind, dem Faktum stellen, wenn Sie nicht selbst abstürzen wollen. Der Weg ist nun mal schmal und nicht bequem, wie Jesus sagte!

Paulus jedenfalls verklammert die Offenbarung des "mysterium iniquitatis" mit der Begründung für die lange Wartezeit bis zur Wiederkunft. Das Böse, die Unordnung muss sich selbst gewissermaßen offenbaren bis zur vollständigen Selbstvernichtung, anders ist sie nicht zu überwinden bei einem Gott, der nicht herrscht, wie wir denken, dass er herrschen müsste. Auf den geheimnisvollen „Katechon“, der diesen Prozess verzögert, möchte ich hier nicht eingehen.

Was hat nun XR damit zu tun?
Es gibt die Verwegenheit derer, die tatsächlich die Bosheit auf die Spitze treiben wollen um zu sehen, ob sie nicht doch lebensfähig ist, wenn nichts mehr da ist, was sie untergehen lassen könnte. Es ist der Wahn dessen, der sich hinabstürzt und hofft, plötzlich fliegen zu können (das ist auch der Inhalt einer der Versuchungen Jesu in der Wüste!). Der Wahn, ob das Ebenbild Gottes nicht vielleicht doch ohne Gott einen ewigen Selbststand haben könnte. Ich denke, dass es darum geht.

Es ist ein schriller Gedanke, aber ich weiß, das solche Gedanken gedacht werden, und man sollte das ernst nehmen. Ob jeder dieser armen Irren, die als Satanspriester verkleidet Kunstblut opfern überhaupt kapiert, woran er sich da beteiligt, darf man aber bezweifeln. Die aber, die das alles inszenieren und finanzieren, wissen es sehr wohl.
Wie Frau Sommerfeld es beschreibt, will der Normalo das nicht glauben, es ist so bizarr, dass man fast erleichtert ist, dass ein solch irrsinniges Szenario doch gar nicht sein kann. Aber ich denke auch, dass es ernst gemeint ist, ernster als wir ahnen. Ähnlich wie bei der Vernichtung der Juden: das war zu irrsinnig, als dass man es glauben konnte, und doch weiß jeder, der aus einer solchen Familie kommt, dass die vielen Menschen wirklich weg sind und nie mehr wiederkehrten. Das Undenkbare wurde schon einmal vorausprobiert, exemplarisch gewissermaßen. Wer sagt uns, dass die Stufe 2 nicht auch eines Tages erprobt werden soll und wird? Und diesmal kann keiner mehr sagen, er habe nichts gewusst.

zeitschnur

10. November 2019 13:00

@ C.S.
Allerdings hatte ich Jesus an dieser Stelle so verstanden, dass er sagen wollte, eine Auferstehung der Toten ist vorgesehen, denn Gott nennt sich nach einzelnen Menschen (nicht nach einem Gesetz!). Er ist nicht abstrakt Gott, sondern der Gott Abrahmas, Isaaks etc. "Dein Gott ist mein Gott", sagt Ruth zu Naomi. es ist also der Gott Naomis, der der Gott Ruths wird.
Die Sadduzäer leugnen die Auferstehung.
Jesus will darauf hinaus, dass Gott sich nicht nach Leuten benennen lässt, die niemals mehr erweckt werden nach ihrem Tod, sondern nach Lebendigen, also solchen, die - im Gegensatz zu denen, die sich nicht mit dem Namen dieses Gottes verbinden lassen wollen (Gott ist mein Gott, wenn ich es ausdrücklich annehme und will, wenn nicht, dann nicht) - von ihm auferweckt werden am Ende der Tage.

Damit wird der Tag des Untergangs zum Tag der Erweckung, an dem sich die "Basileia tou theou" mit Macht Bahn brechen wird und die "iniquitas"/"anomia" sich selbst erledigt und in ihre Konsequenz, den "zweiten Tod" geführt haben wird.

MARCEL

10. November 2019 13:17

Wladimir Solowjevs "kleine Erzählung über den Antichrist" illustriert, womit wir es auch heute zu tun haben. Versuchung braucht immer die Mimikry, das Gewand des Guten, um die fatale Erbinfo des Bösen in den Wirt zu bringen. "Anti" heisst im Griechischen "an Stelle von". Der Antichrist nimmt die Stelle Christi ein und kann deshalb so viele verführen. Er erscheint gut, meint es aber nicht gut. Anders, als in der Mentalität der Hl. Schrift wird Versuchung heute aber abstrakter vorgetragen. Doch auch heute gilt: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen"

MARCEL

10. November 2019 13:26

@quarz@Weltversteher
Ein Grund, warum die Gnosis bzw. eine Neo-Gnosis heute Konjunktur hat. Bereits einem Marcion fielen die unterschiedlichen Gottesvorstellungen im AT und NT auf. Treiben wir es mit Gnosis allerdings zu weit, landen wir auch bei Extinction Rebellion...

zeitschnur

10. November 2019 14:14

@ Marcel et al.

Das ist eine gute Beobachtung: Gnosis bzw eine Dualisierung Gottes in den bösen Demiurgen und den guten Vater führt am Ende AUCH zu XR.
Man kann die tatsächlichen Unterschiede in den Gottesvorstellungen des AT und NT aber auch anders, nämlich vom Horizont des Menschen her deuten:
Hier wird uns bezeugt, was Menschen von Gott erkannten - nicht, was Gott allgemein und "total" ist.
Es sieht für mich eher so aus, als ob Gott immer wieder selbst Widergöttliches "mitnahm", als Entgegenkommen an den vollkommen verblendeten Menschen, um ihn eben doch langsam und sorgfältig "sehend", "gehend", "hörend" zu machen, Höhepunkt dann in Christus.
Schon Propheten kritisieren das Gesetz - etwa sagt Gott über Jesaja, er habe niemals Opferrituale gewollt, sondern offene Herzen. Weil die Menschen sich verschlossen, ließ er Opferrituale zu. Oder: schon Malachi sagt, der Umgang mit der Frau sei widergöttlich und würde zum Untergang führen. Obwohl er so in der Tora grundgelegt ist. Gott sucht Könige aus (Saul, David), obwohl er das Königtum als eine "Verwerfung Gottes" brandmarkt. Er kommt dem Menschen entgegen in seiner Schwäche. Der etwas ausgeleierte Spruch von Gott, der auf krummen Linien gerade schreibt, ist vielleicht nicht ganz falsch - man darf den Spruch nur nicht mutwillig ausbeuten für bewusstes Unrecht. Schließlich Jesus, der zum selben Thema der Ungerechtigkeit gegen die Frau sagt, Mose habe das nur zugestanden wegen der "Hartherzigkeit". Genauso viele andere Gesetze, immer wieder bei Jesus das "Ich aber sage euch..." (Schabbatgesetz, "Auge um Auge etc.).

Die Zuschreibung der Eigenschaften Gottes zu einer objektiven Gotteserfahrung, wie sie auch Markion vornahm, ist demnach falsch. Der Mensch erfährt Gott immer nur in seinen eigenen Grenzen, soll darin aber wachsen. Der Widerspruch liegt nicht in Gott, sondern immer in der prozessualen Annäherung Gottes unter vielen Zugeständnissen an den Menschen.

heinrichbrueck

10. November 2019 16:24

JHWH ist nicht der Gott des Neuen Testaments. Er ist der Gott der Juden. Der Unterschied liegt auf der Hand, der Gott des Neuen Testaments wurde Mensch, eine neue Form des Denkens durch den christlichen Geist. Wie soll der Christ den Juden positiv sehen können, wenn JHWH nicht sein Geist ist? Die Feindschaft bleibt unversöhnlich. Jeder Jude, der in eine Kirche geht, sieht einen Juden am Kreuz hängen. Es ist ihm unmöglich, den wahren christlichen Geist akzeptieren zu können, solange er Jude sein will. Zwei Welten, mit dem Unterschied, daß der Christ nicht vom Juden loskommt, und deshalb politisch unterlegen ist. In dieser Niederlage wird der falsche Gott offenbar.

"Klimanotstand ist also ein Notstand von unten: von oben ausgerufen, aber von unten eingefordert."

Faschismus als Offenbarungsersatz. Jeder Ersatzgott eine Niederlage des Christengottes. Deshalb verlieren konservative Humanisten immer. Und warum war es möglich, aus dem Christentum eine Prothese zu machen, also eine schädigende Weltanschauung unterzuschieben? Als Jesus gegen die Zinsknechtschaft durch den Tempel fegte, war seine Kreuzigung besiegelt. Und nun wollen Humanisten gegen die Kreuzigung revoltieren? Die Negation des Judengottes JHWH ist vorprogrammiert, gezeigt in der Auslöschung durch Ersetzungsmigration.

quarz

10. November 2019 16:35

@zeitschnur

Aber was Sie beschreiben ist doch gerade kein (wenn auch primus) Gleicher unter Gleichen, kein Suchender unter Suchenden, kein Begrenzter unter Begrenzten, kein Fehlerhafter unter Feherhaften. Kein Kumpeltyp von der Sorte "schwedischer Firmenchef" ("Leute, lasst doch dieses "allmächtiger" weg, ich bin der Gotty"), der den Menschen mit der Attitüde "wir sitzen doch alle im gleichen Boot, aber einer von uns muss halt das Steuer übernehmen - wenn ihr gestattet, übernehme ich das" entgegentritt. Sondern er muss souveräne Maßnahmen ergreifen. Und das kann er nur, weil er die Situation kraft seiner Allmacht im Griff hat, das Geschehen beherrscht, mithin ein Herrscher ist. Rebellion gegen diesen Anspruch hat bekanntlich prominente Opfer gefordert, die zu Beginn ihrer Karriere als Lichtgestalt - genauer: Lichtträger - gegolten haben.

Gracchus

10. November 2019 16:41

Drei zweifellos starke und spannende Beiträge von Frau Sommerfeld. Ich verspüre eine instinktive Abneigung gegen XR. Frage mich aber, wie wirkmächtig diese Gruppierung ist oder noch werden kann. Und ob die XR-Apokalyptik angemessen vor dem Horizont christlich-jüdischer Apokalyptik verstanden werden kann. Denn XR kennt keinen Gott und keine Verheißung. Eine Klima-Diktatur - deren Notwendigkeit einmal unterstellt - ist ja keine positive Utopie.

Wenn ich die These von Fr. Sommerfeld richtig verstanden habe, dient hier der Umweltschutz von XR als Vehikel dazu, quasi demokratische Prozeduren, liberale Grundrechte und rechtsstaatliche Garantien auszuhebeln. Ich habe Umweltschutz geschrieben, aber wie es scheint fokussiert die Bewegung auf Klimaschutz, und da frage ich mich, warum? Hierbei "oppositionelle" Wissenschaftler - so weit sind wir schon! - ernst nehmend, dass das Klima und dessen Einflussfaktoren noch beileibe nicht ausgeforscht sind, und auch wenn ich einen menschlichen Einfluss auf das Klima für plausibel halte, so ist der Anteil fragwürdig, und die Vorstellung, das Klima kontrollieren zu können, halte ich für blanke Hybris.

Klima kann man als Symbol des Geistig-Seelischen deuten, und die Herkunft der Inspiration von XR aus dem "Lügengürtel", der Sphäre des falschen Hl. Geistes, wie das esoterisch genannt wird. Dazu passen die emotionale Aufpeitschung und Panikmache und die Missachtung der persönlichen Freiheit. Die Notwendigkeit der Unterscheidung der Geister scheint mir aktuell wie nie. Im Westen sind wir einerseits spirituell ausgedörrt, gleichzeitig kann man gewissermaßen eine Explosion des Spirituellen erleben, meistenteils ohne initiatorischen Implus. Die Kirche ist ausser Gefecht gesetzt und kann kaum Orientierung geben.

Möglicherweise ist das in Bezug auf XR überintepretiert, aber auch das gedankenlose popokulturelle Spiel mit okkulten Symbolen ist mindestens fahrlässig. Denn die wissen nicht, was sie tun - und vielleicht: Apokalyptik: recht so. Wir erleben die Apokalypse westlicher Hybris, und XR und ähnliche Gruppen stellen das letzte Aufbäumen dar, indem sie ein globalistisches Narrativ installiert, dem sich urbi et orbi beugen sollen. Dieses Klima-Narrativ entfaltet - so weit ich sehe - nur innerhalb des Westens Wirkung.

Gustav

10. November 2019 18:16

Wie Pilze schießen die Mahnmale einer Mo­ral als Geß­ler­hü­te aus dem Bo­den, vor denen wir uns pflicht­schul­digst zu verneigen ha­ben. Da­ge­­gen wand­­te sich Schopenhauer un­ver­än­dert aktuell: "Ei­­ni­­ge deut­­­­­­sche Phi­lo­sophaster dieses fei­len Zeital­ters möch­ten den Staat ver­­­­­drehn zu einer Mo­ralitäts-, Er­zie­hungs- und Er­bau­ungs-An­stalt: wo­­­­­­bei im Hin­ter­grunde der jesuitische Zweck lau­ert, die per­sön­li­che Frei­­­­­heit und in­dividuelle Entwicklung des ein­zel­nen auf­zuhe­ben, um ihn zum blo­ßen Rade einer Chi­ne­si­schen Staats- und Religi­ons-Ma­­­schi­­­­­ne zu ma­chen. ... Dies aber ist der Weg, auf wel­chem man wei­­­land zu Inquisi­tio­nen, Ketz­er­ver­bren­nungen und Re­­li­gions­krie­gen ge­­­­­­l­angt ist."

Maiordomus

10. November 2019 19:14

@Sommerfeld. Ich weiss nicht, ob Sie sich auf dem theologischen Feld wirklich sicher fühlen. Das berühmte Memorial von Pascal von 1654 beschwört aus dem Geist von Augustinus und (später) Kierkegaards den Gott Abrahams, Isaacs und Jakobs im Gegensatz zum sophistischen Gott der Theologen und Schriftgelehrten; zugleich hat Pascal wie kein zweiter den tiefsten Grundgedanken von Meister Eckhart in Worte gefasst, und damit die neutestamentliche Mystik, die von Paulus bis Albert Schweitzer wegleitend wurde: "Nous ne nous connaissons-nous mêmes que par Jésus Christ." Ausserdem würde ich die Psalmen-"Übersetzungen" von Arnold Stadler empfehlen, die an Kühnheit bis heute nicht übertroffen scheinen; auf die Verharmlosungen der Kirchenbeamten kommt es wohl schon längst nicht mehr an; für letztere ist das staatskirchliche System, aus dem sie sich mästen, eher das Mass aller Dinge als die Gottesgeburt in der Seele, welche gemäss Meister Eckhart den einzig dynamischen Gottesbegriff im Rahmen der theistischen Gottesauffassung, die Dreifaltigkeit nämlich, voraussetzt. Diese Zusammenhäng scheinen Luther schon klar gewesen zu sein, als er 1516, ein Jahr vor dem Thesenanschlag in Wittenberg, die "Theologia teutsch" des von Johannes Tauler beeinflussten "Frankfurters" herausgab.

Die oben angedeuteten Zusammenhänge bilden die Grundlage der Religionsphilosophie des Goethepreisträgers Leopold Ziegler (1881 - 1958), auf welchen @Zeitschnur in ihrem vorvorletzten Beitrag verdienstvoll aufmerksam macht. Von Panik-Apokalyptik aber, das weiss @Monika, die sich auf meinen Lehrer Hermann Lübbe bezieht, ist die Christliche Lehre von den Letzten Dingen unbedingt zu unterscheiden. Zu diesen Letzten Dingen gehören der Tod und das Gericht, also die Kontingenz im Dasein des Einzelnen einerseits und die geschichtsphilosophische Perspektive andererseits, wie sie Schiller und Hegel in weiten Horizonten erfasst zu haben scheinen, im Sinne von: "Die Weltgeschichte ist das Weltgericht", was jedoch gerade nach Hegel nicht mit einem Aufruf zu Verzweiflung in Verbindung mit angekündigtem "Weltuntergang" verwechselt werden sollte. Eine Perspektive schliesslich, welche massgeblich wurde für die gegenüber Reformen optimistisch eingestellte sog. "Hegelsche Rechte".

Kommentar Sommerfeld: Wie sicher ich mich "fühle" sollte meine Sorge sein, für Inspirationen und Hinweise bin ich stets dankbar.

Gracchus

10. November 2019 19:38

@zeitschnur: Ich denke schon, dass es eine göttliche Hierarchie gibt, was ja letztlich doppelt gemoppelt ist. Die Crux ist aber, dass sich die göttliche Hierarchie nicht in den irdischen Hierarchien abbildet, allenfalls höchst unvollkommen. Die Crux ist weiterhin, dass man mit Blick auf die Verfasstheit des Menschen sagen kann, dass Herrschaft durchaus notwendig ist. Die Crux ist letztlich, dass man eben von einer sowohl positiven als auch negativen Anthropologie ausgehen muss: Der Mensch ist von Natur aus gut, aber durch den Sündenfall korrumpiert.

Gracchus

10. November 2019 19:42

@Gustav: In der Tat unverändert aktuell.

M. E. könnte man die "Zeichen der Zeit" bezogen auf die Deutschen auch so verstehen, dass die Lektion darin bestehen, dass sie sich endlich von ihrer Staatsgläubigkeit befreien.

zeitschnur

10. November 2019 22:28

@ Gracchus zuletzt

Ich kenne diese Gedanken ja sehr wohl, auch den ägyptisch-hellenistischen Entwicklungskontext dazu. Sie werden im hebräischen Kontext genau das so nicht finden. Die Hierarchisierung der Gesellschaft beschreiben die AT-Geschichtsbücher als regelrechten Abfall von Gott. Natürlich können Sie sagen: So wie der Mensch verfasst ist, muss er beherrscht werden - nur wollen Sie gern einer der Beherrschten sein, einer dieser Idioten, die man unter Kontrolle halten muss, während die Herrscher, sehen Sie sich an, welches Gesindel über uns herrscht, offenbar die Qualitäten dazu haben, sich von der Idiotie derer da unten wohltuend abzuheben?!
Ich habs nicht so mit Dionysios oder Pseudo-Dionysios und Co., das sind fixe Ideen, Ausgeburten der Selbstüberhebung der einen über die andern. Gerne fromm verpackt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein mediokrer Priester Ihnen allen Ernstes erzählt, es müsse eben Leute geben, die über einem stehen, wobei er darauf abzielt, dass er Ihnen gegenüber hochwürdig ist. Glauben Sie im Ernst solchen Firlefanz, der so durchschaubar ist?
Denn wenn überhaupt muss gelten, dass ALLE defizitär sind und keiner in der Position ist, sich über einem anderen zu wähnen. Hierarchien operieren aber immer mit einem theoretischen oder faktischen Mehrwert der Oberen. Ob es immer die Besten sind, die überhaupt nach oben streben, ist die zweite Frage. Vielleicht ist es ja der Abschaum der Menschheit, der überhaupt die kranke Idee hat, es müsse ein Oben-Unten geben, indem sie natürlich oben sind - was auch sonst. Lobazcewski jedenfalls sah das so, und vielleicht hatte er recht.

Solution

10. November 2019 23:05

Was die Klima-Debatte anbelangt, bin ich optimistisch. Es gibt sehr gute Argumente gegen die Klima-Hysteriker. Da das Thema nicht so einfach in das Rechts-Links-Schema einzuordnen ist - obwohl es immer wieder versucht wird - kann man durchaus Erfolge erzielen. Der Gegner liefert nicht zuletzt durch sein Verhalten und seine Unduldsamkeit selbst die besten Argumente. Antaios sollte eine Sonderseite im Verkaufsbereich anbieten, auf der skeptische Bücher, wie z.B. Günther Vogels "Die erfundene Katastrophe" angeboten werden. Schon mit wenigen Grundkenntnissen kann man die meisten Klimahysteriker in Grund und Boden argumentieren. Es gibt meiner Meinung nach kaum ein Gebiet, wo wir mehr gute Argumente und Einwände haben, als in der Klimadebatte. Als kleines Beispiel nenne ich nur das populäre Märchen von der Existenzbedrohung der Eisbären (siehe Susan J. Crockfords Buch hierzu).

Franz Bettinger

10. November 2019 23:49

@C.S: Ich denke schon, dass ich im richtigen Strang bin -
@Marcel schreibt oben, 13:17: „Anti heisst im Griechischen 'an Stelle von'. Der Antichrist nimmt also die Stelle Christi ein und kann deshalb so viele verführen. Er erscheint gut, meint es aber böse'.“ - Interessant! Hier eine Assoziation: Antifa bedeutet 'an Stelle von Faschisten‘. Die Antifa ist nicht ‚gegen Faschismus‘, sondern nimmt dessen Stelle (und Methoden) ein. Das ist (unfreiwillig) entlarvend. Ja. Und es gilt wie immer: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen."

Cugel

11. November 2019 00:32

@zeitschnur
Ich sehe das ebenso wie quarz.
Eine Gesellschaft ohne Herrschaft ist utopisch.
Ebenso der primus inter pares; schön wär's.
Da hilft es auch nichts, sich die Herrschaft mit dem Führungsbegriff schönzureden.
Utopien sind nicht Grundlage des konservativen Denkens.
Konservative gehen von der Realität aus.

Dazu Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Elite - Erziehung für den Ernstfall, Kaplaken 10:
"Es ist uns keine einzige rein egalitäre Gesellschaft bekannt, keine besteht ausschließlich aus Gleichen, und auch diejenigen, die der Gleichheit einen hohen Wert beimessen, kennen immer nur eine begrenzte, eine auf bestimmte Gebiete eingeschränkte Gleichheit. Es gibt keine Gesellschaft ohne Führungsgruppen.
...
Eliten im Sinne von herrschenden Klassen sind ein konstantes und grundlegendes Element der Politik überhaupt.
...
Zunehmende Spezialisierung und Differenzierung gehören zu den unaufhebbaren Zügen des Zivilisationsprozesses, und nur eine Katastrophe von apokalyptischen Ausmaßen wäre imstande, diesen universalen Trend zu stoppen. Jede Differenzierung führt aber zu einem Gefälle von Macht, Autorität, Kompetenz, Prestige und anderen sozial bedeutsamen Qualitäten. Differenzierung bildet Eliten, und je differenzierter eine Gesellschaft ist, desto mehr ist sie, schon rein funktional, auf Eliten angewiesen.
...
Herrschaft der Elite bedeutet also nicht, daß unbedingt die Besten herrschen."

Gustav Grambauer

11. November 2019 07:57

Wie kann man nur glauben, man könne sich dem vorliegenden Thema mit theologischen Betrachtungen auch nur annähern. Sicher ist das Thema eine schöne Steilvorlage zum Prahlen mit der eigenen theologischen Bildung, aber die Kräfte hinter XR arbeiten auf einer ganz anderen Ebene, siehe meinen obigen Hinweis. Die lachen nur voller Hohn über das, was an den theologischen Fakultäten an Pharisäertum respektive an totem Wissen gelehrt wird, denn sie haben es ja selbst manipuliert.

- G. G

zeitschnur

11. November 2019 08:09

@ quarz

Ich meine nicht den "Kumpeltyp" oder einen postmodernen Kollektivheiland.
Dennoch gibt das NT keine Hierarchie her. Woher immer die Kirche sich dies an Land gezogen hat: von Jesus kommt es wohl kaum, nicht mal aus der israelitischen Überlieferung!
Nehmen Sie doch nur die von Frau Sommerfeld erwähnte Stelle in Lukas 20. Dort sagt Jesus in der Debatte über die Auferstehung, dass diejenigen, die Gott für würdig befindet, an dieser Auferstehung von den Toten teilzuhaben, "Söhne Gottes" sein werden (V 36). Sie werden also denselben Titel haben, von dem der Engel Gabriel Maria ankündigte, dass ihr Sohn ihn erhalten würde ("Er wird Sohn des Allerhöchsten genannt werden" - nota bene: er IST es noch nicht, wird aber durch die Auferweckung, die ihm als Erstem widerfährt, dazu erhoben. Pauls sagt, dass er der "Erste unter den Entschlafenen ist", der erweckt wurde. Mit ihm und durch ihn vollzieht sich diese Erlösung, die vielen gilt und sie zu solchen macht, die ihm gleichen. ich wüsste nicht, wie man das anders verstehen soll. Aber er ist in der Tat der Erste und der, der sich hingab, um die Erlösung für alle möglich zu machen.
"Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele." (Mk 10,45)
Man muss aufhören, immer nur Interpretationen der Kirche zu lesen und anfangen, selbst NT zu lesen - Sie werden staunen, was da alles steht und vor allem: was da NICHT steht, wovon man denkt, es stünde da doch.

zeitschnur

11. November 2019 08:28

@ Cugel

Sie ordnen mich falsch ein: Ich sagte nicht, dass ich an eine "egalitäre" Gesellschaft glaube in dem Sinn wie das heutezutage kolportiert wird. Ich glaube an eine freie Gesellschaft der Verschiedenen. Nur lehne ich ab, dass einer Herr über den andern ist.
Ich kann nicht Christ sein, ohne die "Utopie" anzustreben:
"25 Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Vollmacht gegen sie gebrauchen. 26 Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, 27 und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. 28 Wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele." (Mt 20)
Eigentlich heißt es wörtlich in V 26 "Bei euch WIRD es nicht so sein" (Futur).

Bedenken Sie: Erst der Wille zur Macht macht Herrschaft (iS von Herrsein der einen über andere) überhaupt notwendig. Es ist ein Teufelskreis. Konservative, die den Willen zur Macht auch noch anbeten und forcieren, müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie damit nicht diesen Teufelskreis als immer neue Dystopie formulieren und sich dabei recht dreist auf die Fahnen schreiben könne, weil sie und ihresgleichen seit Jahrhunderten "Fakten" schaffen, das sei eben nun mal die "Realität".
Ob es "egalitäre" Gesellschaften gibt, bezweifle ich auch, daraus folgt aber nicht, dass es keine anarchischen oder herrschaftsfreien Gesellschaften geben kann. Die "malchut" jedenfalls wird eine solche sein. Und für Christen ist sie "schon mitten unter uns". Selbst wenn ich anerkenne, dass die Verdorbenheit des "kosmos" noch wirkt und kulminiert, kann deren "konservative" Bestätigung nicht Ziel meiner Gedanken und meines Wirkens sein.

Monika

11. November 2019 08:39

@ Maiordomus
Es ist wichtig, von einer Panik-Apokalyptik die christliche Lehre von den letzten Dingen ( Eschatologie) zu unterscheiden. Apokalyptik als Offenbarungsersatz ?
Das trifft es theologisch nicht ganz. Der Apokalypse ist die Verkündigung der Reich Gottes Botschaft durch Jesus entgegenzusetzen . Rudolph Schnackenburg, von Joseph Ratzinger als der bedeutendste deutschsprachige Exeget des NT bezeichnet, hat darüber in seinem Buch „ Gottes Herrschaft und Reich“ grundlegend geschrieben. Auch und gerade in Abgrenzung zur Apokalyptik. Aber das wäre ein eigenes Thema.
Jesus hat mit seinen Aussagen zum Kommen des Reiches Gottes sein jüdisches Umfeld irritiert. In Lk 17,20 ist zu lesen:
„Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er:“ Das Reich Gottes kommt nicht so , dass man es an äußeren Zeichen erkennen kann. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es! Oder: Dort ist es ! Denn: Das Reich Gottes ist ( schon) mitten unter euch. Es gibt zahlreiche Aussagen zum RG im NT. Auch sehr widersprüchliche.
Die Reich Gottes Vorstellung wurde in säkularer Form , in nicht apokalyptischer Weise von Marxisten und Neomarxisten ( Ernst Bloch, Prinzip Hoffnung) aufgegriffen. Das Gottesreich wurde ausschließlich auf die Erde verlegt.
Extinction Rebellion verlässt auch diesen Ansatz, dort gibt es eigentlich kein Prinzip Hoffnung mehr.
Der Autor des NZZ Beitrages über Extinction Rebellion bezeichnet deren VertreterInnen als „wohlstandsverwahrloste Neomarxisten“. Das trifft es m. E. schon. Lust am Untergang aus Langeweile.
Mehr ist da nicht.
Wie dieses westlich-liberalistische Lebensgefühl politisch benutzt (instrumentalisiert) wird, das ist eine andere Geschichte.

Maiordomus

11. November 2019 10:51

@Cugel. Ich beglückwünsche Sie dafür, dass Sie Kaltenbrunners Buch über die Eliten zitieren; es handelt sich um Grundlagen, die einen weiterbringen, auch zur Kompensation dessen, dass es nicht genügt, anti-links und etwas "rechts" zu sein. Beeindruckend bleibt bei Kaltenbrunner, dass er am Ende ein Meister des Verstummens wurde; dies war einerseits leider ein bedeutender Verlust, weil er nie ersetzt wurde - zum Beispiel reichen auch die Formate von Weissmann und Bosselmann nicht aus -, andererseits hat das Verstummen Kaltenbrunners durchaus eine metapolitische Substanz. Als Anregung für seine Leser zur Resignation sollte es jedoch nicht verstanden werden.

zeitschnur

11. November 2019 16:00

@ Maiordomus

Kaltenbrunner und XR:

Das Verstummen ist folgerichtig bei ihm. Er hat alles ausgelotet, auch die historischen Träume sagenhafter Friedensreiche, ich fand sein Buch über den Priesterkönig Johannes geradezu als Schlüssel: Auch der Priesterkönig Johannes war eine ganz ins Irdische verlegte Gestalt des Gottesreiches und knüpfte an die tiefe und verzweifelte christliche Hoffnung an. Die politische Instrumentalisierung dieser Hoffnung erzählt Kaltenbrunner dazu.
XR zelebriert allerdings diesen Spagat zwischen Untergangspanik und Erlösungssehnsucht auf einem dermaßen erbärmlichen und infantilen Niveau, dass ich mir manchmal wünschte, wir wären im Mittelalter, denn da hatten Die Träume wenigstens noch Geist, Charme und Herz.

Die Spannung lösen wir nicht auf zwischen der Aufgabe, dieses Äon bis zum Ende konstruktiv zu gestalten und dem gleichzeitigen Wissen, dass seine Tage gezählt sind und alles, was hier erreicht wird, im besten Fall nur vorläufig ist.
Das Problem ist, dass viele postmoderne glaubenslose Menschen diese Spannung spüren, aber förmlich kastriert sind im Umgang damit. Es ist, als wollte ein Eunuch etwas zeugen. So wurde die Spannung des Schon-und-noch-nicht durch die Säkularisierung monströs.
Wer weiß, was da noch an Monstrosität kommt, XR wird nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein.

quarz

11. November 2019 16:10

@ zeitschnur

Aber diese Beziehung der Gotteskindschaft hebt doch die hierarchische Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf nicht auf. Bei aller Verklärung wird ein Geschöpf niemals eine Metamorphose zum Gott machen (und als solcher zum Schöpfer werden, der sich als Zugeichgeschöpf im Nachhinein am Münchhausenzopf gepackt und in die Existenz versetzt hat).

Kurz vor der von Ihnen zum Beleg genannten Stelle heißt es bekanntlich: "Niemand ist gut außer dem einigen Gott". Und dieses ontische Gutsein wird zumindest im griechischen Text ("agaton") klar vom als gut Wahrgenommenen ("kalos") unterschieden, wodurch gerade dem fundamentale Rangunterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf auch ontisch und epistemisch Rechnung getragen wird.

Maiordomus

11. November 2019 18:24

@Monika. Danke für diesen Hinweis. Noch wertvoll für die Fortsetzung der Debatte wäre das Buch von Josef Pieper "Über das Ende der Zeit", in dem auch die Apokalyptik Kants referiert wird. Dass gemäss den Worten Jesu und natürlich dem philologisch umstrittenenen Letzten Buch des Neuen Testamentes mit dem Kommen des Reiches Gottes schwere Prüfungen verbunden sein werden, ist eine Perspektive, die wir uns, so weit wir uns überhaupt noch nach diesen Texten orientieren, nicht nehmen lassen sollten. Dabei gilt sogar Teilhard de Chardin (gest. 1955) als Apokalyptiker, wobei dieser freilich den Sonderfall eines Denkers darstellt, der für die Menschheit noch eine Weiterexistenz von einer Million Jahren in Rechnung stellt. Es gibt von ihm einen Satz, den sich auch die Klima-Apolkalyptiker vielleicht ins Stammbuch schreiben lassen könnten: "Wer spricht in einer Million Jahren noch darüber?"

zeitschnur

11. November 2019 19:44

Naja, @ quarz, da zitieren und deuten Sie etwas ... den Satz sagt Jesus in deutlicher Distanzierung seiner selbst zu Gott, er, den die Kirche zum Gott gemacht ("homoousios"/wesengleich mit dem Vater), bloß hat er selbst sich niemals eine solche Rolle zugeschrieben. Immer unterscheidet er deutlich zwischen dem Vater und sich selbst, der alles, was er hat und ist, vom Vater aufgetragen bekommen hat - das klingt nicht nach "Wesensgleichheit"! Ein äußerst haariges Thema!

Dennoch ist das ganze NT voll von Aussagen darüber, dass nicht nur der Christus selbst, sondern auch die in Christus Erlösten und von Gott der Auferstehung Gewürdigten "Gottessöhne" heißen werden und Petrus schreibt, "wir" (in Christus) seien "Teilhaber der Natur Gottes" (2Petr1)

Gen1 beschreibt, dass der Mensch als Mann und Frau "b' zelem elohim" (im Bild Gottes) und "bi d'mut elohim" (in der Gestalt Gottes) geschaffen worden sei. Dies wird noch beides jeweils in späteren Genesiskapiteln ausdrücklich und wortwörtlich wiederholt.

Die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist die von Urbild und Abbild, irgendwie (es bleibt für mich dunkel) in einer gemeinsamen Gestalt.
Bitte bedenken Sie einmal, dass man eine solche Beziehung nicht als Hierarchie auffassen MUSS, ohne deswegen eine Gleichmacherei oder gar "Wesensgleichheit" zu behaupten. Der unsägliche Gifttropfen kam ja erst durch diese Fachsimpelei über "homoousios" oder "homoiousios" im 4. Jh in unser Denken.
Es ist anders! Wenn man davon redet, dass einer wie Abraham der "Freund Gottes" war (Jes 41,8; 2 Chr 20,7; Jak 2,23) oder wie Mose mit Gott "von Angesicht zu Angesicht" redete, also auf Augenhöhe (Ex 33,11), dann will Gott offenbar selbst keine Hierarchie, aber er will als das "Urbild" geliebt werden. Von ihm kommt alles, ganz gewiss, aber offenbar nicht hierarchisch - das ist eine späte, hellenistische Idee!
Es steckt darin ein Mysterium, denn einerseits sind wir in Christus "zur Freiheit befreit" (Gal 5), andererseits sind wir nicht die Geber der Freiheit.
Ihre Übersetzung von dem "einigen" Gott ist etwas sehr seltsam, denn dort heißt es nur "gut ist nur einer, (das ist) Gott" (Mk 10,18). Auch finde ich Ihre Dichotomisierung von "agathos" und "kalos" sehr steil: man findet genau diese beiden Begriffe sogar im Sinne eines Hendiadyoin in der altgriechischen Sprache, insbesondere bei Platon, zusammengeschweißt zu einem Idealbegriff, der "Kalokagathia ", umgangssprachlich etwa in dem deutschen "schön und gut" ausgedrückt ist. Als zweigliedriges Hendiadyoin bedeutet er "Vollkommenheit". Jesus sagt hier, dass er selbst nicht im Sinne der Fülle gut ist, weil dies nur Gott zukommt. Alles, was uns an Gutem zukommt, stammt aus seinen Energien und seiner Kraft, deren Teilhaber wir aufgrund seiner Liebe sein dürfen, wenn wir es annehmen. Jesus meint also nicht, dass er nicht gut ist, sondern er sieht sich selbst auch nur als Empfangenden. Doch das will man in der Kirche nicht gerne hören ...

RMH

11. November 2019 20:19

@Der_Juergen,

Zustimmung, H. St. Chamberlain darf keine Tabu-Figur sein. Er hat hervorragende Bildungsbücher geschrieben. Wer Kant nicht im Original verstehen mag, kann oder will, nach H.St. Chamberlains "Kant" wird er zumindest ein Grundverständnis haben. Sein Werk über Goethe erschließt ebenfalls bestens dessen Ideenwelt und all den heutigen Wagner-Umdeutern sei sein Werk über R. Wagner zu Pflicht aufgegeben. H.St. Chamberlain ist so viel mehr als nur die ewig herangezogenen "Grundlagen", welche aber dennoch sehr lesenswert sind.

Eigentlich ist ein Rüdiger Safranski von der Art seiner Bildungs-Bücher ein Chamberlain Epigone - und auch die Safranski Bücher kann man mit Gewinn lesen, wenn man nicht immer gleich "ad fontes" gehen will oder kann.

Zum Thema: Ich denke, es wurde durch die sehr gute Artikel-Reihe klar, dass wir es bei XR mit etwas Obskurem zu tun haben und die alte Polittante Ditfurth hat mit ihrer Sektenwitterung vermutlich gar nicht mal so danebengelegen. Für mich erscheint diese Truppe eine ähnliche Ausbeuterfirma zu sein, wie das, was L. Ron Hubbard aus seinen eigenen telemitischen Erfahrungen gemacht hat (übrigens: hoch interessant die gesamten Verstrickungen vom O.T.O, Church of Satan, Temple of Seth etc): Eine Gelddruckmaschine. Wir wissen zwar nicht, ob Anhänger von XR für die üblichen Kurse, Seminare und "Selbsterfahrungen" ordentlich abdrücken dürfen, jedoch muss eine Ausbeutung nicht immer finanzieller Natur sein, schon alleine, dass man eine Truppe von Anhängern hat oder schaffen will, die bereit ist, im Ernstfall in den Knast zu gehen, dürfte klar machen, dass wir es im Grunde genommen zumindest mit der Vorstufe einer auf illegale Aktionen ausgerichteten Organisation zu tun haben, mit einer Form oder dem Versuch der organisierten Kriminalität.

Zu den theologischen Abhandlungen des Diskurses:
Für mich persönlich ist ein Grad der Unterscheidung zwischen all den Heilsversprechen, Erleuchtungen, bessere-Welt-Predigern oder Apokalyptik-Visionen stets die Frage gewesen, ob hier eine Erlösung als göttliches Geschenk der Gnade gelehrt wird oder aber die Lehre der Selbstoptimierung, des sich selber am Schwanz des eigenen Pferdes aus dem Sumpf Ziehens, die Selbsterleuchtung, Selbsterkenntnis, die Selbst-Vergottung.

Das Element des göttlichen Gnadenaktes der Erlösung, welches jedem zugänglich ist und keine großen Erleuchtungsbemühungen voraussetzt, ist nun ein sehr spezifisch christliches Erkennungsmerkmal. Alle, die sich letztlich selbst zum Gott machen, sind auf einem anderen Weg.

Wer viel Zeit hat, kann sich ja einmal die enzyklopädische Trilogie von Karl R. H. Frick, „Die Erleuchteten“, „Licht und Finsternis (2 Bände)“ zu Gemüte führen.

Nemesis

11. November 2019 20:41

"Die Menschheit besitzt vier Dinge,
die auf dem Meer zu nichts nutzen -
Steuer, Anker, Ruder,
und die Furcht unterzugehen."

Antonio Machado

Götz Kubitschek

11. November 2019 21:51

badeschluß zum III. das war eine der wichtigsten artikelreihen dieses jahres auf sezession.de - dank an caroline sommerfeld, dank an alle beteiligten.

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