Wie war denn das damals vor 2015?
Als die deutsche Rechte 2015 ihre Reihen großherzig für unzählige Flüchtlinge der Mitte, aus dem liberalen, oder auch aus dem grünen Lager öffnete, war recht schnell klar, daß diese ungeregelte und unkontrollierbare Zufuhr politischer Energie nicht ohne Folgen bleiben würde. Man kann sagen: In der Anfangszeit war es schon schwer eine gemeinsame Sprache zu finden.
Was bereits manche Zeit als weichgekochte Feindvokabel im eigenen Kreis verschrieen war – „Demokratie“, „Bürgerrechte“, „Toleranz“ ‑wurde auf einmal auf den Straßen lautstark eingefordert; schlimmer noch: Der Bürger, jener Totengräber alles und aller Edlen, sollte plötzlich wieder als revolutionäres Subjekt herhalten!
Es gab in diesen Wochen und Monaten viel gute Miene, viele heruntergeschluckte Einwände und auch viel Überwindung vor dem eigenen Spektakel-Ekel und so ganz aus dem Schneider sind wir ja ohnehin noch nicht. Mit jenen Späterweckten bleiben die Gespräche anders, unverstandene Andeutungen verlieren sich, manchmal bleiben nur noch ennervierte Buchempfehlungen als letzter Ausweg um die Diskussion zu beenden. (Ich weiß nicht, wie oft ich in den vergangenen vier Jahren einem den im Aufstieg befindlichen „Linksfaschismus“ witternden Wutbürger den grundlegenden Weißmann-kaplaken zum Thema anempfohlen haben. Oft jedenfalls.)
Mit den Ereignissen des Jahres 2015 ging uns aber nicht nur die Ruhe flöten (zum Glück will man sagen), es verlor sich doch auch ein wenig die Themenbreite. Bauten vor jenem Sommer noch unzählige Kleingrüppchen an eigenen mal mehr mal weniger ernstgemeinten Entwürfen, so hatte man hinsichtlich des Ernstfalles einer tatsächlichen politischen Möglichkeit plötzlich dahingehend übereinzukommen, daß jener bunte Flickenteppich, jenes Mosaik doch zumindest ein schlüssiges Gesamtbild zu ergeben hatte, so vielfältig es auch sein möge.
Vor einigen Wochen fragte mich ein junger Interessent (also wirklich jung: um die 16) dann tatsächlich mal „wie das eigentlich war, damals vor der Flüchtlingskrise“. Während ich mich also in jene Greisenpose warf, die nur die gerade dem Jünglingsalter Entwachsenen beherrschen, und zu erzählen begann („Also, am Anfang stand eigentlich ein Lesekreis…“ usw. usf), mußte ich erst einmal überlegen, wie ich diese ganze virulente Lebenswelt der deutschen Rechten vor 2015 überhaupt in einem kurzen Gespräch transportieren sollte.
Zugegeben, der Junge war weniger interessiert an unserem Lektürekanon als an handfesten Begegnungen, heiklen Banneraktionen und den markigen Aufklebermotiven aus den frühen Aktivistenjahren, was man ihm keinesfalls verdenken kann. Die Frage nach der Transportierbarkeit jener Stimmung vor PEGIDA, AfD und alledem ließ mich allerdings auch nach dem Gesprächn nicht so recht los. Auf eine Antwort stieß ich – eigentlich wenig überraschend – als ich die Suchfunktion unseres Netztagebuchs bediente.
Ich glaube es war Anfang 2011, als ich das erste Mal eine Druckausgabe der Sezession in der Hand hielt. Es handelte sich um das Heft 39, Dezember 2010, welches ich als Probeexemplar bestellt hatte. Ich habe die Ausgabe sicher noch irgendwo liegen, in wacher Erinnerung ist mir vor allem das Mishima-Portrait, das meine eindrückliche Lektüre von „Schnee im Frühling“ und „Unter dem Sturmgott“ in den Folgemonaten verursachte.
Im Editorial besagten Heftes nahm Kubitschek unter dem Titel „Speere schleudern, Speere spitzen“ eine Bestandsaufnahme des rechten, konservativen Milieus vor, die doch ganz gut den Charme jener Zeit einfängt, um die es in diesem Artikel geht:
„Sezession ist dem »Diktat der Welt« (Adorno) nicht im selben Maße unterworfen: Was wir bedenken und veröffentlichen, kann nicht unmittelbar benutzt und damit vernutzt werden, und wir sind uns sicher, daß unsere Abonnenten und Gelegenheitsleser Sezession aufblättern, um durch die Oberfläche auf den Grund zu kommen.
Ja nun: Das klingt alles ein bißchen zu fern, zu waldgängerisch, zu abgewandt und zu desillusioniert (»dennoch die Schwerter halten«/ Gottfried Benn usw.).”
Das trifft den Nagel schon auf den Kopf, aber warum erzähle ich das alles überhaupt? Nun, es liegt daran, daß unsere zwei Sonntagshelden, Tano Gerke und Jonas Mahraun seit ein paar Monaten das den meisten hoffentlich bekannte Blog-Projekt Anbruch um einen unterhaltsamen Podcast mit dem herzigen Titel „Wer redet ist nicht tot“ erweitert haben, der genau aus jener Zeit vor 2015 stammen könnte.
Die vor hochkulturellen Referenzen, dandyesker Selbstgefälligkeit, mehrfachbödigem Sarkasmus und dem wiederkehrenden Durchscheinen der großen Fragen nur so triefenden einstündigen Folgen wirken – aus aktivistischer Perspektive gesehen – maßlos aus der Zeit gefallen, ja im oben von Kubitschek erwähnten Sinne, regelrecht „nutzlos“.
Wo andere sich an tagesaktuellen Analysen abarbeiten, und stundenlang über den nächsten Schritt der Trump-Administration oder den neuesten Interview-Eklat der AfD debattieren, dient die Tagespolitik bei Anbruch stets nur als Stichwortgeber für das nächste Faustzitat, oder einen Witz über die gefallenen Götter des Literatenhimmels.
Dabei haben die stichwortartigen Titel der Folgen – „Batman, Falco, Klonovsky“, oder „Handke, Hesse, Hitler“ meist wenig mit dem Labyrinth an Querverweisen und Gedankensprüngen zu tun, in das sich der Hörer begibt – sie dienen lediglich als Köderhaken, an denen man tief in den Strudel des rechtskulturellen Kosmos gezogen wird.
Das alles ist natürlich eine große, tragikomische Blödelei, die ein bißchen an die Talkshow-Auftritt von Christian Kracht erinnert und gerade dieses unverschämte, der politischen Verantwortung, die stets auf ein Hygienezertifikat besteht, gänzlich abholde Spiel ist es, das jede Folge zu einem reizenden Zeitvertreib für die langen Winterabende macht.
Der (ebenso empfehlenswerte) Blog Anbruch ist hier zu finden, zu den Podcastfolgen geht es für alle Neu-Neurechten und Nostalgiker hier entlang.
Ratwolf
Bei Völkerwanderungen und beim Impulserhaltungssatz bleibt die Energie erhalten. Sie landet nur woanders.
Die Ruhe ist flöten, nun kommt die Arbeit.
Die Grünen haben einen Vorteil:
Sie setzen den Fokus auf die Verbrechen der Nationalsozialisten und unterstellen den heutigen Rechten ebenfalls einen sozial-darvinistischen Rassenoptimierungswillen, wenn sie auch nur vom "Volk als Abstammungsgemeinschaft" reden. Eine Unterstellung, welche durch nichts belegt werden kann.
Das verdeckt aber ihre eigenen Motive und Pläne (siehe auch Lichtmess-Sommerfeld-Gesetz):
Die Grünen (und ihre Anhänger und Mitläufer) verfolgen wie die Nationalsozialisten einen biologistisch-gesellschaftlichen Optimierungsplan. Dieser basiert auf der Übertragung des Prinzips einer rassischen "Biodiversität" auf die menschlichen Gesellschaften.
Das sieht sicher weniger blutig aus. Und es ist auch noch nicht vollendet. Aber die Vernichtung eines Volkes ist im vollen Gange.
Ein weiterer Vorteil der Grünen ist.
Es ist immer einfacher, eine Ordnung zu zerstören, als sie auszubauen oder sie zu mindest zu erhalten. An der Energie, welche bei der Zerstörung der Ordnung entsteht, kann man sich eine Zeit lang die Finger wärmen.
Was die Grünen seit ihrer Entstehung und der Ausnutzung der bestehenden Sozialsysteme gerne genutzt haben.