Maschinenraum, Überraschungslosigkeit, Betrieb

Arbeit und Wahrnehmungsweise verschieben sich weg vom Ereignis hin zum Betrieb, weg vom Paukenschlag hin zur Überraschungslosigkeit.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Drei Bei­spie­le: Zeit­schrift Tumult, Iden­ti­tä­re Bewe­gung und Winterakademie.

– – –

1. Die Zeit­schrift Tumult arbei­tet, so der Unter­ti­tel, an der per­ma­nen­ten “Kon­sens­stö­rung”, und das ist nichts ande­res als das, was mir aus mei­nem Büch­lein Pro­vo­ka­ti­on seit Jah­ren um die Ohren gehau­en wird: daß wir alle­samt das Ende des Dis­kur­ses “in sei­ner Kon­sens­form” wol­len, also ein Ende des harm­lo­sen Geplau­ders, des “aus­las­sen­den” Gesprächs, kei­nes­falls also eine Ende “des Gesprächs” überhaupt.

Um der Debat­te neu­en Schwung zu geben, initi­ier­te Tumult-Her­aus­ge­ber Frank Böckel­mann für Dres­den eine Ver­an­stal­tungs­rei­he mit dem Titel “Tumult Forum”. Die Auf­takt­ver­an­stal­tung soll­te am 9. Janu­ar mit Uwe Tell­kamp über die Büh­ne gehen, und zwar nicht über irgend­ei­ne Büh­ne, son­dern über die des Pia­no-Saals im Cosel-Palais direkt neben der Frauenkirche.

Nun kam es, wie es kom­men muß­te: Vor zwei Wochen fand in die­sem von Bert Kirs­ten gelei­te­ten Pia­no-Salon eine Podi­ums­dis­kus­si­on über die Fra­ge “Was ist kon­ser­va­tiv?” statt. Ein­ge­la­den hat­te die Oswald-Speng­ler-Stif­tung, betei­ligt waren die AfD-Poli­ti­ker Maxi­mi­lan Krah, Albrecht Gla­ser, Marc Jon­gen sowie – par­tei­los – ich. Herr Kirs­ten sah sich vor, wäh­rend und nach der Ver­an­stal­tung Droh- und Pro­test­schrei­ben der Anti­fa aus­ge­setzt, und um Scha­den von sei­nem Unter­neh­men abzu­wen­den, hat er nun sei­ne Rol­le als Mit­ver­an­stal­ter der Tumult-Rei­he abge­ge­ben – er wird auch sei­nen Pia­no-Salon nicht zur Ver­fü­gung stellen.

Vor mir liegt das abge­nutz­te Deutungsbesteck:

+ Es gibt einen Zusam­men­hang zwi­schen Mei­nungs­frei­heit, Mei­nungs­äu­ße­rungs­mut und Risi­ko­kal­ku­la­ti­on: Daß jemand mutig sein muß, wenn er in sei­nen Räum­lich­kei­ten Tell­kamp, Flaig, Gru­ber, Schil­ling, Ber­nig und Klo­novs­ky der Rei­he nach auf­tre­ten las­sen will, sagt viel. Daß er das Risi­ko (!) am Ende nicht ein­ge­hen will, sagt alles – und zwar nicht so sehr über ihn, son­dern über unser Land.

+ Es gibt einen Unter­schied zwi­schen kon­se­quenz­lo­ser links­ra­di­ka­ler und fol­gen­schwe­rer rechts­kon­ser­va­ti­ver (also: bür­ger­li­cher) Mei­nungs­äu­ße­rungs­rea­li­tät. An der Uni­ver­si­tät Leip­zig fin­den Jahr für Jahr rund 80 teils offen links­ra­di­ka­le und links­extre­mis­ti­sche Ein­füh­rungs­ver­an­stal­tun­gen für Erst­se­mes­ter-Stu­den­ten statt. In Dres­den weiß ein Mann nicht, ob er nach einer Lesung mit Tell­kamp noch Kla­vie­re ver­kauft kriegt.

+ Der Lern­ef­fekt, daß Repres­si­on aus der Anony­mi­tät Mei­nungs­äu­ße­rungs­mög­lich­kei­ten abschnei­det, ist fatal. Dem wäre kon­kret bei­spiels­wei­se dadurch zu weh­ren, daß sich der Ober­bür­ger­meis­ter Dres­dens oder irgend­ei­ne ande­re Grö­ße demons­tra­tiv, also öffent­lich­keits­wirk­sam, neben Böckel­mann und Kirs­ten in die 1. Rei­he setzte.

Ins­ge­samt aber: über­ra­schungs­los, daß das nun mit dem Pia­no-Salon nichts wird. Hof­fent­lich wird aus der Rei­he “Tumult Forum” doch noch etwas. Man sucht nach Räumlichkeiten.

– – –

2. Die im gemein­schaft­li­chen Haus­pro­jekt in Halle/Saale akti­ve Grup­pie­rung der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung ist dort Anfang Okto­ber bereits aus­ge­zo­gen. Sie betreibt die Bar nicht mehr und hat auch ihren Büro­raum aufgegeben.

Die Grup­pe in Hal­le bestä­tigt damit eine Ent­wick­lung, die wir ins­ge­samt kon­sta­tie­ren müs­sen: Es ist dem Staat samt sei­nen gewalt­tä­ti­gen Hel­fern aus Anti­fa-Krei­sen gelun­gen, einen jun­gen, patrio­ti­schen Ansatz zu kri­mi­na­li­sie­ren und letzt­lich zu mar­gi­na­li­sie­ren, der unter nor­ma­len Bedin­gun­gen auf­grund zwei­er Grün­dungs­kri­te­ri­en zu einem gro­ßen Erfolg hät­te wer­den kön­nen: Gewalt­frei­heit und Internationalität.

Es war ohne Zwei­fel das Ziel, mit der IB eine Bewe­gung zu kri­mi­na­li­sie­ren, die wesent­li­che Kri­te­ri­en erfüll­te: Patrio­tis­mus jen­seits NS-affi­ner Jugend­grup­pen; groß­städ­tisch, uni­ver­si­tär, modern; gewalt­frei, aber ver­tei­di­gungs­be­reit; krea­tiv, aus­ge­stat­tet mit cha­ris­ma­ti­schen Köp­fen, auf­ge­la­den mit rea­li­täts­na­hen The­men; spektakulär.

Das war und ist ja ein Vor­rü­cken wie auf dem Schach­brett, das kam ja alles in den­sel­ben andert­halb Jah­ren hoch: Pegi­da, AfD, IB, Ein­Pro­zent, das gan­ze publi­zis­ti­sche Umfeld. Pegi­da und IB gal­ten und gel­ten dabei als pro­ble­ma­tisch in dem Sin­ne, daß es kei­ne kal­ku­lier­ba­ren Struk­tu­ren gibt: Par­tei­en kön­nen ins Getrie­be ein­ge­baut wer­den, Ver­la­ge müs­sen Geld ver­die­nen und ordent­lich ange­mel­de­te Unter­neh­mun­gen sein. Die Iden­ti­tä­ren? In ihrer Dyna­mik unbe­re­chen­bar – jung, idea­lis­tisch, aufwuchsfähig.

Also zack – ver­leum­den, denun­zie­ren, angrei­fen: Da wird eine gewalt­freie Grup­pe zur rechts­extre­mis­ti­schen Ver­ei­ni­gung erklärt, und gleich­zei­tig hat das Haus­pro­jekt in Halle/Saale seit sei­ne Ein­wei­hung über 50 zum Teil schwers­te Atta­cken erlebt und zur Anzei­ge gebracht – ohne jeden Fahn­dungs­er­folg durch die Poli­zei und ohne jede schüt­zen­de Stel­lung­nah­me durch die Stadtoberen.

Denun­zie­ren, angrei­fen also, und kri­mi­na­li­sie­ren – das sind die Mit­tel, die völ­lig skru­pel­los ein­ge­setzt wer­den, und das soll­te sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, wer heu­te der Wer­te­Uni­on und Herrn Maa­ßen irgend­et­was zutraut: Die­ser Mann ist der Vater der IB-Kon­ta­mi­nie­rung durch den zu par­tei­po­li­ti­schen Zwe­cken miß­brauch­ten Verfassungsschutz.

Es wird wei­ter­ge­hen, was auch sonst – oder es kommt ein­fach etwas Neu­es, aus einer Rich­tung, die kei­ner kennt. Die Jungs (die ja zum Teil gar kei­ne mehr sind) müs­sen jeden­falls neu nach­den­ken, sich neu erfin­den, den Dreh raus­krie­gen. Das wird aber nicht mehr im Haus in Hal­le statt­fin­den, denn über die­ses Haus müs­sen nun auch wir neu nachdenken.

– – –

3. Wir wer­den in Schnell­ro­da vom 10. bis 12. Janu­ar unse­re 20. Win­ter­aka­de­mie ver­an­stal­ten und zum The­ma “Lesen” wie­der 150 Schü­ler und Stu­den­ten begrü­ßen dür­fen (das letz­te gute Dut­zend Plät­ze wird hier ver­ge­ben).

Wir wer­den mit die­sen Aka­de­mien dann viel­leicht auf­hö­ren, wenn ich mich als Rent­ner ohne Ren­te um den Gemü­se­gar­ten, die Obst­bäu­me und die Nutz­tie­re küm­mern darf. Viel­leicht hat dann Leh­nerts und mein Nach­fol­ger eine schö­ne Tagungs­stät­te in Mit­tel­sach­sen oder am Thü­rin­ger Wald auf­ge­tan – und die heu­te noch unge­bo­re­nen jun­gen Leu­te sam­meln sich dort.

Seit ein paar Jah­ren nun hän­gen an einem der Aka­de­mie­ta­ge für ein paar Stun­den Typen im Dorf her­um, die unser IfS “dicht­ma­chen” wol­len. Als dies zum ers­ten Mal ange­kün­digt war, gab es Lage­be­spre­chun­gen mit der Poli­zei, dem Ord­nungs­amt, mit unse­ren Nach­barn und mit der Presse.

Mitt­ler­wei­le: Folk­lo­re, ein­falls­lo­se, steu­er­geld­fi­nan­zier­te Rou­ti­ne, durch­ge­führt von Leu­ten, die stän­dig beto­nen, wie unwich­tig und über­schätzt wir sei­en – und die den­noch ihre (bezahl­te) Lebens­zeit in den ein­falls­lo­sen Kampf gegen unse­re Unwich­tig­keit investieren.

Selt­sam, wie sich alles abschleift. Wir haben mal gezählt: Seit 2014 sind wir “Schnell­ro­daer” in 37 Büchern ent­we­der aus­schließ­lich oder kapi­tel­wei­se The­ma. Es gibt wis­sen­schaft­li­che Abhand­lun­gen, popu­lär­wis­sen­schaft­li­che Dar­stel­lun­gen, denun­zia­to­ri­sche Pam­phle­te, eine Roman­vor­la­ge, drei Thea­ter­stü­cke, dazu dut­zen­de Semi­na­re über, gegen, wegen uns, und eine lan­ge Rei­he von Homestorys …

Alles, was wir tun, alles, was jemand über uns schreibt, alles, was man hin­ter uns ver­mu­tet, ist für die­se Leu­te der Rede wert. Recht haben sie! Wir sind in der Tat “reichs­un­mit­tel­bar”, und jeder Halb­satz ist dafür gut, Türen aus den Angeln zu heben …

Aber jetzt: unse­re Beschäf­ti­gung mit denen? Tat­säch­lich der mit wirk­lich unwich­ti­gen Leu­ten ange­mes­se­ne Umgang: andert­halb IfS-Stu­di­en zu lin­ken Netz­wer­ken, ein paar Arti­kel, wenn uns die Kläf­fer auf Knö­chel­hö­he zu sehr nerv­ten – das war’s.

Ob die­ses vom VS erwähn­te “Kol­lek­tiv IfS dicht­ma­chen” weiß, daß es rüber­kommt wie eine Ver­wal­tungs­ge­mein­schaft? Irre, was so alles zum “Betrieb” ver­kom­men kann, wenn man mit sei­nem Leben nicht wirk­lich etwas vorhat.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (37)

Der_Juergen

12. Dezember 2019 12:44

Die BRD befindet sich seit geraumer Zeit in einer Übergangsphase von einer versteckten zu einer offenen Diktatur. Wenn nichts Spektakuläres geschieht - etwa ein schwerer Terroranschlag auf Asylanten oder Juden, der natürlich auch unter falscher Flagge inszeniert werden kann -, wird dieser Zustand wohl noch geraume Zeit andauern, mit steter Steigerung des Drucks auf patriotische Oppositionelle, aber vorderhand noch ohne allzu drastische Repressionsmassnahmen wie Verbote oder Verhaftungen.

Aus einem hier abgegebenen Leserkommentar erfuhr ich kürzlich, dass sich Kalbitz, der innerhalb der AFD doch zu den "Radikalen" gezählt wird, von der IB distanziert hat. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, wem man überhaupt noch vertrauen kann und wer sich letzten Endes als unsicherer Kantonist, als Opportunist erweist. Ausser so weiterarbeiten, wie es Sezession, das Institut für Staatspolitik sowie die IB bisher getan haben, sehe ich persönlich keine Alternative für die nahe Zukunft. Wenn es schiefgeht, könnt ihr dann zumindest sagen: "Wir haben's gewagt."

Niekisch

12. Dezember 2019 12:53

"..Staat samt seinen gewalttätigen Helfern aus Antifa-Kreisen gelungen.."

Dazu instruktiv das neue Machwerk des "künstlerischen Leiters des Zentrums für politische Schönheit", Philipp Ruch:
"Schluss mit der Geduld-Jeder kann etwas bewirken- Eine Anleitung für kompromisslose Demokraten", Ludwig 2019, 191 Seiten. Ohne es bei seiner Geiferei gegen "Rechts" zu merken, gibt er uns Hinweise auf Verteidigungs-und Angriffsmittel gegen unsere Feinde.

MARCEL

12. Dezember 2019 13:01

Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit:
1980 Solidarnosc in Polen erfolgreichste oppositionelle Bewegung, wird im Danziger Abkommen von Regierung nolens volens legalisiert. Aber...
1981 Dez.: Kriegsrecht unter Gen. Jaruzelski, alles rückgängig, Internierung der Führung, Solidarnosc im Untergrund (oder Exil) bis 1988/89
Hieße Kriegsrecht heutzutage vielleicht Klima-Notstand?
"Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich" (Mark Twain)

zeitschnur

12. Dezember 2019 13:43

Die Demokratie, wie wir sie kennen, hat einen Konstruktionsfehler: Die „Wahrheitsfindung“ durch Mehrheitszustimmung diskriminiert per definitionem die Minderheiten.

Um das zu übertünchen, will man den Minderheiten auf Biegen und Brechen klar machen, dass sie eigentlich dem Mehrheitsentscheid zustimmen. Wer dann immer noch nicht zustimmt, wird als Polarisierer verhetzt oder ganz ignoriert.
Man kreiert als Feigenblatt „Minderheiten“, für deren Rechte man sich entgegen dem Wunsch und Willen der Mehrheit starkmacht und führt „Anti-Diskriminierungsgetze“ ein. Dabei gerät die Meinungsmehrheit im Volk in die Rolle der Diskriminierer und Demokratiefeinde, der man virtuelle Mehrheiten in den Parlamenten entgegenstellt. Das ist eine Frontlinie und ein Kriegszustand. Eine Minderheitselite schließlich muss sich als inszeniertes Opfer („Wir sind die Guten“) von Diskriminierung gegen das Volk schützen und es tyrannisieren, damit es nicht etwa die Minderheit, die sie darstellen, diskriminiert.

Anhand dieses Szenarios wird wieder einmal deutlich, dass der Repräsentationsgedanke absolut idiotisch ist und grundsätzlich zu einer Tyrannei führt — über kurz oder lang. Denn die Idee, irgendwelche Typen könnten andere „repräsentieren“ und deren Interessen vertreten ist so am realen Menschen vorbei, dass ich nicht verstehe, wie man je auf diese Idee einen Pfifferling geben konnte. Der Repräsentationsgedanke ist das Feigenblatt für eine gnadenlose Hierarchie-Ideologie und Herrsch-Absicht.

Thomas von Aquin beschrieb diese Problematik der „Politie“ bereits zutreffend und zeigte, wie sie schnurgerade in der „Demokratie“ (der chaotischen Herrschaft des Mobs) landen wird, in der es dann kein Halten mehr geben wird: während in der Tyrannis eines einzelnen Monarchen oder Oligarchien eine klare Polarisierung geschieht, geschieht das in der Demokratie nicht: sie ist ein wahrer Drache an täglich wechselnden Fronten, in denen am Ende keiner mehr weiß, wo er gerade steht. Man braucht enorme intellektuelle Kräfte, um diesem Sog zu widerstehen.

Ob aber der Herr Maaßen es nicht weiß?

Maiordomus

12. Dezember 2019 15:03

@Zeitschnur. Was Sie Thomas von Aquin über die Demokratie unterstellen, ist in Wirklichkeit die von Karl Popper in seinem Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" beschriebene Demokratiekritik Platons.

Richtig bleibt, dass Thomas in seiner für sein Format eher schwächeren Studie "Von der Herrschaft des Fürsten" als relativ gerechteste Staatsform auf die Monarchie tippte im Gegensatz zu den im 13. und 14. Jahrhundert in Italien und in der Schweiz bis hin zum Hotzenwald aufkommenden republikanischen Stadt- und Dorfstaaten. Diesen war aus seiner Sicht nicht zu trauen, und sie schienen ihm ausserdem unstabil.

Im Vergleich zu Thomas' Fürstenbuch begründet dann später Machiavelli auf der Basis genau beobachteter politischer Verhältnisse eine stärker empirisch orientierte Politologie als quasi der Hobbes und Carl Schmitt des Spätmittelalters beziehungsweise der italienischen Renaissance. "Il principe* ist das Buch mit dem relativ kleinsten Anteil politischer Irrtümer, weil man, wenn man auf die Wahl zwischen dem Schlimmsten, dem Zweitschlimmsten und dem Drittschlimmsten setzt, viel eher recht bekommt als mit idealtypischen Vorstellungen von Staat und Politik. Es ist einigermassen naiv, dass Thomas und sogar noch Erasmus dem Fürsten empfahlen, immer bei der Wahrheit zu bleiben. Machiavelli setzte, im Sinne der virtù, keineswegs auf das Gegenteil, aber auf unbedingte Vorsicht bei der Kommunikation für den Fall, dass man an der Macht bleiben will. Damit gab er aber kein Rezept für die Verbreitung von fake news, weil natürlich Glaubwürdigkeit ein Autoritätsfaktor war und dies auch heute noch bleibt. In diesem Punkt muss, jenseits von Moral, Trump sehr aufpassen. Der erfahrenere Putin kann es besser.

RMH

12. Dezember 2019 15:25

"Die BRD befindet sich seit geraumer Zeit in einer Übergangsphase von einer versteckten zu einer offenen Diktatur. "

Dieser Feststellung von @Der_Juergen möchte ich zustimmen, unter der Hervorhebung, des aktuell versteckten und verschleierten Zustandes der bereits existierenden Diktatur, die aber dennoch immer wieder offen zu Tage tritt, wenn man nur gewillt ist, dies überhaupt wahrzunehmen.

Die Beschreibung des Uhrwerks der ineinander greifenden Rädchen, bei der man sich "oben" dann immer schön die Hände in Unschuld waschen kann, im Artikel von G.K. macht es deutlich. Im Moment der Betroffenheit zeigt sich die Unfreiheit deutlich und offen, aber die Masse will es gar nicht sehen und die, die es dennoch sehen, sehen lieber weg und verdrängen es, reden es sich schön etc - solange sie eben nicht selber betroffen sind.

Das System wird alles dafür tun, dass die schlaglichtartig beleuchteten Momente des Einblicks in den bereits existierenden Terror möglichst kurz bleiben und die Masse weiter beruhigt vor sich hin arbeitet und Steuern erwirtschaftet. Eine "offene" Diktatur wird also nicht so bald eintreten, die jetzige funktioniert bereits zu gut. In diesem Punkt weiche ich mithin ab von der Position von @Der_Juergen.

Man hat es geschafft, wirklich jeden davon zu überzeugen, dass man mit "Anreizschaffung" und zum Teil auch nur niedrigschwelliger "Vergällung", mit nudging hier, Stößchen dort, sich ja angeblich immer noch im Bereich der "Freiheit" befände und das freie Willensentscheidungen tatsächlich ja angeblich nach wie vor noch möglich seien, dabei spürt jeder doch genau, die Freiheit, sich dann am Ende gegen das "Gewünschte" und Opportune zu entscheiden, muss man sich erst einmal leisten und am Ende tatsächlich auch erlauben können und da hört es bei Otto-Normal-Arbeitnehmer-Gehaltsempfänger zumeist schon wieder auf.

Das Schweigen der Lämmer ist das, was am meisten einen aufregt. Auch das mittlerweile komplett abhandengekommene Bewusstsein für Einschränkungen der Freiheit, ja das als clever und smart bejahte sich gegenseitig über den Tisch ziehen ("Selber schuld, hätte sich ja auch anders entscheiden können, niemand zwingt einen dazu, "Nazi" zu sein etc.")

Wie auch immer, dass es mit der IB ein Stück weit zu Ende geht, wurde auch dadurch deutlich, dass zuletzt kaum noch Aktionen erkennbar waren. Eine aktivistische Bewegung, die am Ende nur noch redet, sich erklärt und Videobotschaften, sprich vom Computer von zu Hause aus operiert und kaum mehr auf Straßen und Plätzen, ist faktisch am Ende.

Zurück bleibt mir am Ende die Erinnerung an zum Teil ernsthaft fantastische Aktionen, wie bspw. die Besetzung des Brandenburger Tors in Berlin.

Wenn es zu einem Re-Start kommen sollte, dann sollte man sich auf die reinen Aktion reduzieren und keine großen Erklärungen mehr machen (dafür gibt es andere). Leider wird der Preis dafür immer weiter nach oben gesetzt, so dass man vermutlich kaum noch Aktivisten dafür finden wird. Und damit wären wir wieder bei der bereits existierenden Diktatur (PS: Ich weiß, dass ich mir mit diesen Zeilen, vom noch (!) sicheren Schreibtisch aus, leicht tue und eigentlich den Vorwurf des Maulhelden verdiene - dennoch, liebe IBler, seht es als Versuch einer Spiegelung, meine Anerkennung habt ihr sowieso).

Laurenz

12. Dezember 2019 15:25

@zeitschnur ... ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, auch wenn, entweder Ihr erster Absatz unglücklich formuliert ist, oder aber einem falschen Grundgedanken unterliegt. Die Schwäche der ehemaligen Volksparteien liegt darin begründet, daß sie nur noch die Interessen absoluter Minderheiten vertreten, und Mehrheiten diskriminieren. Hinzu kommen die vielen Wähler, die noch, schlecht informiert, aus Reminiszenz diese Parteien wählen. Auch können wir feststellen, daß sich in unserem Polit-System Delegierte von Parteien und Berufs-Politiker als Repräsentanten ihrer Partei oder der Gesellschaft längst entfremdet haben. Siehe das berühmte Gauck-Zitat. Es fehlt eben der politische Wille, dies zu ändern. In Irland zB existiert für das Parlament eine Berufs-Quote. allerdings fielen dadurch die vielen ungelernten Politiker, wie Herr Kurz, Frau Göring-Eckhardt oder Herr Kühnert unten durch, denn diese Protagonisten haben nie einen Beruf gelernt. Selbst die Leserschaft des Spiegleins widerspricht der dortigen Propaganda-Redaktion auf Civey immer öfters. Es ist also nicht so, daß unsere linken System-Profiteure nicht wüßten, was die Glocke geschlagen hat. Deswegen ist es ja überhaupt erst dazu gekommen, daß Herr Kubitschek sich veranlaßt sah, diesen Artikel oder Büchlein über Konsens oder Nicht-Konsens zu schreiben. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wird uns daher eine betroffene Jugend fragen, warum habt Ihr nichts gegen diesen Totalitarismus getan? Das wird spätestens dann passieren, wenn, wie in der Ukraine üblich für viele Stunden am Tag, Wasser oder Strom abgeschaltet werden, und das smarte Telefon nicht mehr aufgeladen werden kann.
Um mit der Erlaubnis von Frau Kositza eine emotionale Betrachtung zu erwähnen, hier ein neuer Artikel von Herrn Broder, der den aktuellen Zeitgeist gut beschreibt. Um es aber festzuhalten, ich meine damit den medialen religiösen Zeitgeist, und nicht die Lebenssituation der Menschen in unserem Lande.
https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2019-35/artikel/infantilisierung-der-gesellschaft-die-weltwoche-ausgabe-35-2019.html

Andreas Walter

12. Dezember 2019 17:41

“in Mittelsachsen oder am Thüringer Wald“

Richtig. Genau die Regionen habe ich auch schon als aussichtsreich identifiziert. Wobei ich auch noch mit Gera und Umgebung liebäugle, auch wenn dort die Landschaft vielleicht nicht so schön ist.

Da möchte/muss ich nächstes Jahr auch hinziehen. Würde sehr gerne dabei auch mit jungen Prodeutschen zusammenziehen.

Sogar mit Ausländern die mit Deutschland sympathisieren habe ich kein Problem. Es gibt nämlich unglaublich viele Gründe, die Deutschen und Deutschland zu mögen, zu bewundern und zu respektieren. Ja, sogar zu lieben.

Bitte nehmt mich mit.

vopo53

12. Dezember 2019 20:25

Bei allem theoretisieren sollte man nicht vergessen, das mit dem „erzwungenen“ Auszug der Identitären Bewegung aus dem gemeinschaftlichen Hausprojektes in Halle, der „praktische Teil“ der Entwicklung eingeschränkt ist.
Ich war 2018 zu zwei Veranstaltungen, 2019 zur „Werkstatt Europa“ und zu den „Bilderstürmern 2.0“ in der Adam-Kuckhoff-Straße, Veranstaltungen die ich sehr gut fand und zu denen ich gerne wieder gehen würde. Das so etwas in der Zukunft nicht stattfinden wird ist schade. Ich bedauere auch, dass man Leute, mit denen man ordentliche Gespräche führte, jetzt nicht so schnell wiedersieht, weil ein Kontaktdatenaustausch damals als nicht unbedingt notwendig erachtet wurde, man war sicher, sich bei der nächsten Veranstaltung sowie so wieder zu sehen.
Diesen direkten Kontakt, das sprechen von Angesicht zu Angesicht und das gemeinsame Erlebnis, meine ich mit dem „praktischen Teil“ der Übung, der wird bestimmt an anderer Stelle wieder möglich sein. Der Gedankenaustausch im Netz ist richtig, aber nicht vertiefend wie ein Gespräch an einem realen Ort und in Echtzeit.
Neben den Akademien in Schnellroda gibt es doch weiterhin den jährlichen IfS-Kongress, oder? Der wurde nicht erwähnt.
Den Antifa-Aufmarsch zur Podiumsdiskussion in Dresden empfand ich eher als deren Pflichtprogramm und nicht so spektakulär wie zu anderen Veranstaltungen. Ich sah die Truppe allerdings nur beim Verlassen des Palais. Die härtere Gangart wird auf anderer Ebene und, wie es sich zeigt, für die Initiatoren erfolgreicher ausgeführt.

Nemo Obligatur

12. Dezember 2019 20:59

Heute nachmittag Stuttgart Hauptbahnhof. Am Bahnsteig entlang ging eine kleine, dicke Frau mit käsigem, mürrischem Gesicht und grünem Haar. Sie war vorwiegend in Schwarz gekleidet, trug eine schwarze Jacke mit der Aufschrift "Antifaschistische Aktion", den bekannten schwarzen und roten Fahnen und noch ein paar ähnliche Sticker. Also praktisch offen verfassungsfeindlich. Diese ganze Person sah so unsympathisch aus, so nach verpfuschtem Leben und offen zur Schau getragener Dummheit! Im Grunde nicht vorstellbar, gegen diese geborenen Verlierer, zu unterliegen. Im Moment mögen sie mehr sein und sich der Rückendeckung der Medien und eines zahlungskröftigen Staates erfreuen. Das wird nicht ewig so bleiben.

Wo ginge es denn immer nur aufwärts? Unsere Sache heißt Deutschland. Die Sache ist gerecht, die Mittel sind angemessen, die Männer und Frauen haben das Herz am rechten Fleck. So muss es zu einem guten Ende kommen, wie lange es auch dauern mag. Ich kann mich gut daran erinnern, wie noch in den Achtzigerjahren praktisch "kein vernünftiger Mensch" mehr an die Wiedervereinigung glaubte. Die Mauer wird ewig stehen, mit ihr die DDR, hieß es allenthalben. Jeder weiß, wie es kam.

zeitschnur

12. Dezember 2019 21:37

@ Maiordomus

Ich habe Thomas allerdings sehr wohl so verstanden: Er argumentiert so, dass, je mehr Personen regieren, desto leichter rutscht die Regierungsform ins Chaos ab. Er weist das knapp anhand der römischen Geschichte nach (1. Buch, 5. Kapitel).
Ansonsten ging Thomas offenbar doch von einer idealtypischen christlichen Gestaltung des Gemeinwesens aus und daher seine "naiven" Ratschläge.

zeitschnur

12. Dezember 2019 21:45

@ Laurenz

Ich wollte eine Art "Benommenheit" beschreiben, in der das Mehrheits-Minderheitsverhältnis plötzlich verschwimmt und kippt, zu einem Kippbild wird und bestimmte Interessierte dies für ihre Zwecke ausnutzen, in dem sie das Kippbild bewusst bedienen und ausmalen.
Wesentlich ist dabei, dass es dem Einzelnen unglaublich schwer gemacht wird, die Frontlinien zu erkennen, zwischen denen er sich befindet geschweige denn, eine freie eigene Position zu finden.

Ratwolf

12. Dezember 2019 21:49

Routinen und Rituale dienen dem Gefühl der Sicherheit.

"Sicherheit" ist in meiner Welt ein neurotischer Begriff. Man ist dem Menschen und der Welt abgewandt. Es geht um Zufriedenheit als eine fragile Ausgeglichenheit von Gehirnfunktionen. Das ist nicht Leben im eigentlichen Sinne.

Erstrebenswert sind Gehirnaktivitäten, wie Einsicht, Gerechtigkeit und Hingabe. Und diese Prozesse sind meist nur mit anderen Menschen in Relation zu erreichen.

Der Mensch ist ein Kleingruppengeschöpf und kommunikativ. Die Idee einer Identitären Begegnungsstätte war gut. Das Haus sah nach etlichen Angriffen schlimm und abschreckend aus.

Wäre ein gut zu schützendes Haus auf dem Lande ein Versuch wert?

limes

12. Dezember 2019 23:05

Tatsächlich eine Zäsur? Einige ungeordnete Gedanken zu Text und Kommentaren:

● Reichsunmittelbarkeit gilt heute nur für den, der gar nichts zu verlieren hat. Familie aber macht verletzlich. Insofern hatte Janis Joplin auf zynische Weise recht: »Freedom's just another word for nothin' left to lose«.

● So plötzlich wurde das Hausprojekt in Halle aufgegeben? In der COMPACT 12/2019 noch, die von rechtem Selbstbewusstsein nur so sprühte, forderte Martin Sellner angesichts nur zweier rechter Stützpunkte in Deutschland dazu auf, weitere zu gründen.

● @zeitschnur: Den Systemfehler sehe ich nicht bei der Demokratie, sondern bei der grenzenlosen und zum immerwährenden Wachstum verdammten Marktwirtschaft, die auf Kartellregime hinausläuft und deren milliardenschwere und nimmersatte Akteure durch »Mäzenatentum« auf vielfältige Weise auf die Politik einwirken, desinformieren, korrumpieren und manipulieren.

● Die Linken haben gute Lieder: »The Partisan« (Leonard Cohen) zum Beispiel. Aber die Linken verschließen die Augen fest von der Tatsache, dass sie selbst schon längst zum Establishment gehören und Unterdrücker sind (»Verwaltungsgemeinschaft«). Und dass nun ihnen entgegengeschleudert wird: »Die Freiheit wird bald kommen!«

»Es wird weitergehen, was auch sonst …«. Danke.

Laurenz

13. Dezember 2019 02:25

@limes @zeitschnur .....

Zitat-Den Systemfehler sehe ich nicht bei der Demokratie, sondern bei der grenzenlosen und zum immerwährenden Wachstum verdammten Marktwirtschaft - Zitatende

Auch das ist wieder links-grüne Rhetorik, wie zB von Precht oder Indset. Wieso folgen Sie diesem Schwachsinn?

Es gäbe Situationen, in denen kein Wachstum vonnöten wäre, aber das wollte gut vorbereitet sein und wäre ein Mehr-Generationen-Projekt über 150 oder 250 Jahre. Ziel der meisten von 7,5 Milliarden Menschen ist ein Lebensstandard und ein Einkommen der Deutschen Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Um das zu erzielen ist noch sehr viel Wachstum nötig. Und diesen Menschen vorzuschreiben, solch ein Lebensstandard ginge nicht, ist illegitim, und wird wenn von nicht-integeren Politikern und Philosophen ausgesprochen, die selbst davon nicht betroffen sind. Und jedes Jahr wächst die Erd-Bevölkerung um 80 Mio. (also plus 1x Deutschland), wie wollen Sie diese Menschen ohne Wachstum ernähren? Ja die Menschen sollen dann kein Fleisch essen, aber irgendwann reicht auch die verfügbare Agrar-Fläche für 14 Milliarden Veganer nicht mehr aus.
Auch Deutschland's Bevölkerung wächst, allerdings destruktiv. Immer weniger müssen immer mehr erwirtschaften, um immer mehr Unproduktive zu ernähren, auch das geht nicht ohne Wachstum. Und diese immer weniger werdenden Produktiven werden in Staaten auswandern, in denen sie weniger belastet werden, daher die Destruktivität.
Wo Sie tatsächlich mit 0-Wachstum auskommen würden, wäre, wenn wir zB auf die ökologisch sinnvollere Bevölkerungsdichte Frankreichs schrumpfen wollten. Dann müßte die Bevölkerung Deutschlands von aktuell knapp 82 Mio. auf gut 37 Mio. schrumpfen. In diesem Falle könnten wir hervorragend mit einem Minus-Wachstum leben.
Aber darüber redet auch, ganz bigott, ein Precht nicht und trägt weiterhin seine teuren Klamotten zur Schau. Links reden und rechts leben.
Es lebe die bürgerliche Mitbestimmung!

Franz Bettinger

13. Dezember 2019 09:00

Es gibt sie wieder, Hexen und Teufel. Jedenfalls werden sie dringend gebraucht. Prof. Günter Scholdt ironisch: "Wenn im journalistischen Daueralarm der politische Gegner zum Leibhaftigen denaturiert, handeln die Störer ja subjektiv richtig. Mit Teufeln diskutiert man nicht.“ All das wirft Licht auf diesen dunklen Staat, diesen Schurkenstaat, der keine Ahnung von wirklicher Demokratie hat. Wie? Verfassungs-Schutz? Lachhaft! Der VS ist, was er immer war unter den Nazis, den Stasis und unter den Merkels: Staatspolizei. Ein Regierungsschutz!

Caroline Sommerfeld

13. Dezember 2019 09:20

Portrait eines Antifaphotographen im DLF "Kultur":
https://www.deutschlandfunkkultur.de/kampf-gegen-rechts-ein-antifa-fotograf-im-portraet.976.de.html?dram:article_id=465395.
Das postmoderne "pharmakós"-Ritual nimmt seinen ordnungsgemäßen Lauf und braucht nicht einmal versteckt zu werden. Siehe hierzu das großartige neue Kaplaken "Bürgerkrieg und Sündenbock" von Konstantin Fechter.

zeitschnur

13. Dezember 2019 11:21

@ limes

Ich schrieb nicht, dass ich den Systemfehler in DER Demokratie sehe, sondern in der, wie wir sie kennen. Und das ist eine Repräsentationsdemokratie, die letztendlich von feudalen Verhältnissen nicht so weit weg ist, wie sie tut.
Bei einer direkten und dezentralisierten Demokratie wäre das anders.
Eine echte freie Marktwirtschaft liegt nicht vor - sehen Sie das denn nicht? Sie wiederholen da aus mS unkritisch sozialistische Propaganda. Wir haben Staats- und Elitenkapitalismus, ja, das haben wir, aber was hat das bitte mit freien Märkten zu tun? Regierungen, die ständig Banken und bankrotte Staaten retten "müssen", die auf freien Märkten längst bankrott wären, sind nicht nur Spielbälle des "Kapitals", sondern sie sind Funktionen einer nicht im Vordergrund stehenden Elite, in der eine diktatorische, absolut unfreie Gelderschaffung und -verwaltung, eine ungerechte, planwirtschaftliche Verteilungs- und Begünstigungspolitik Dinge fördert, die auf dem freien Markt sofort weg vom Fenster wären. Es ist der blanke globale Korporatismus, den ich für identisch halte mit der neuen ebenfalls globalen Form des Faschismus. Glauben Sie mir: auf einem freien Markt, wäre die Familie Kubitschek-Kositza ökonomisch und geistig sehr erfolgreich, ganz einfach, weil sie interessante Bücher verlegt und interessante Debatten ermöglicht - nicht, weil alle, die mit ihnen im Diskurs sind, "Rechtsextreme" sind. Das wiederum erzählt uns ein unfreies Meinungskartell. Ich erinnere an die Buchmesse in F. - das hat mit "freiem markt" nichts zu tun!
Freie Märkte sind zwar anfällig für einiges, was Sie auch andeuten, aber das Mittel dagegen ist nicht Erdrosselung der Märkte, sondern ein stabiles Rechtssystem. Das muss aber nicht zwingend staatlich verwaltet werden. Der real existierende Sozialismus war im Grunde nichts anderes als Staatskapitalismus mit einer Elite anonymisierter Funktionäre und bedurfte deshalb ständig der Geldspritzen aus seinem mächtigen Double im Westen, das sich damals noch antagonistisch gab, heute aber die Masken fallen lässt. Alle großen Hungersnöte der letzten 100 Jahre waren erzeugte, nicht einem "freien Markt" geschuldete. Ihre schlimmsten Täter und Macher: Stalin, Churchill (verheerend in Indien/Bengalen mit wahrscheinlich 3 Mio Toten 1943), und dann: Mao. Mit UNfreien Märkten können Sie solche Szenarien erzeugen!
Das ganze Leid der Welt, die verheerenden Kriege, die Leichenberge, die schreiende Ungerechtigkeit geht ursächlich auf die Macht des Staates zurück. Es ist daher absurd, dass sowohl links wie rechts ein gespenstischer Etatismus propagiert wird. Der Staat soll die "eigenen" Wünsche sichern. Welch ein Wahn! Das hat er noch nie getan und wird es nicht tun in alle Ewigkeit. Er tut nur das, was ihm selbst gerade recht ist. Wenn sich das mal zeitweise deckt mit "eigenen" Bedürfnissen, sollte niemand so naiv sein zu glauben, das bleibe immer so.
Auch das knappe Zeitfenster, in dem etwas mehr Meinungsfreiheit möglich war, wurde uns nicht aus Menschenfreundlichkeit gegeben, sondern aus Kalkül: wir sollten uns frei wähnen und in Sicherheit wiegen. Der heutige Strunzdeutsche ist doch unfähig, sich vorzustellen, dass der Staat nicht seine Mutti ist und glaubt daher auch immer noch mehrheitlich jeden Mist, der aus Muttis Mund kommt. Und wenn Mutti sagt, dass der oder der "rechts" ist, dann brechen sie den Kontakt ab zu den "Rechten", auch dann, wenn diese Rechten Linke sind oder Marsmännchen ohne Politreligion. Und das, @ limes, schafft kein "freier Markt"!

Gustav Grambauer

13. Dezember 2019 16:12

Wieso wird Totalitarismus eigentlich immer nur quasi als angeblich isolierter Bazillus im Gesinnungsleben wie in einer besonderen Quarantäne-Petrischale verortet?

In den nächsten Stunden und Tagen wird die Repube evtl. über diesen Erregungsvorschlag (Sloterdijk)

https://www.youtube.com/watch?v=dbtri4Bjdww

in Hysterie verfallen (entweder "pro" oder "contra"), wobei Frau Esken aber nur für heutige Chefs völlig übliches und alltägliches Führungsgebaren sowie völlig übliches und alltägliches nachträgliches "Kommunikationsmanagement" gezeigt hat. Solche Kündigungen in solchem Stil dürften 60 % der sogenannten Arbeitnehmer und 90 % der "Vorgesetzten" nicht nur einmal erhalten bzw. ausgesprochen haben, sofern es überhaupt noch unbefristete Arbeitsverträge gibt. Und in die Netzwerkstationen der Angestellten hineingespitzelt wird üblicherweise bei Bedarf sogar in Echtzeit mit Verfolgung jedes einzelnen Mausklicks, wofür nur Amateure Kennworte benötigen; irgendein Pfiffikus ist auf die Geschäftsidee gekommen, ein diesbezügliches Produkt des Human-Resources-Sumpfes zum TeamViewer umzuwidmen, ein lustiges Zustimmungs-Gadget einzubauen und es auf dem offiziellen Markt als Wartungssoftware anzubieten.

Das Abschlußplädoyer der Anklage i. S. Frau Esken in obigem Kontraste-Beitrag spricht der Autoflügel der SPD, damit auch jeder versteht, wo die Fäden der Ermittlungen / Operativen Bearbeitung zusammenlaufen. Was für ein Obergipfel der Heuchelei, denn die deutsche Autoindustrie - und dabei wiederum Porsche - ist weltweit führend sogar in der Ausspitzelung ihrer eigenen Kunden, nur noch übertroffen von Tesla, wo man von bis zu 27 Videokameras beim Autofahren überwacht wird, und wofür - im Tesla wie im deutschen Auto - die Kunden gern mit ihrem eigenen Geld bezahlen und wonach sie sogar gieren (sonst würden sie diese überzüchteten und überteuerten Autos ja nicht kaufen). Es sind oft dieselben, die beim - auf die rein gesinnungsmäßige "Petrischale" bezogenen - Schlüsselreizwort "Totalitarismus" sogleich zu höchter Hypermoral auflaufen, ganz abgesehen von der sich dort meist wiederholenden selektiven Wahrnehmung.

Oder um einmal ein Beispiel aus der Schweiz zu geben: nahezu jeder, der davon hört, regt sich über das DDR-"Hausbuch" auf (ich teste das immer wieder gern), auf welches Kripo und Stasi nur im Verdachtsfall zugegriffen haben - während in der Hälfte der hiesigen Kantone täglich 6.15 Uhr alle Daten aller hunderttausender Übernachtungsgäste fahndungsgerastert werden. Die von "den hohen rechtsstaatlichen Sdändääärds" (Standards) und von den "hohen Ansprüchen der Schweizer Hotellerie" schwärmende Mohlersche Allgemeinheit ist aber nicht bereit, im Kopieren der "ID" durch den Rezepionisten / Platzwart / Herbergsvater beim Einchecken die Berührung geschweige denn die Kollision mit dem Institut der Unschuldsvermutung zu sehen ...

https://www.freiburger-nachrichten.ch/nachrichten-kanton/von-der-reception-ins-fahndungssystem

Fazit: 1. Was wollen wir von solchen "Zivilgesellschaften" in ihren Lebenslügen eigentlich erwarten??? 2. Wir sind doch längst mittendrin in einem allumfassenden Totalitarismus, bei dem man sich nur wundern kann, daß er nicht schon viel früher auf die Ebene des Gesinnungsterrors stärker durchgeschlagen hat.

- G. G.

limes

13. Dezember 2019 16:55

@ Zeitschnur: Zugegeben, auf Ihre Differenzierung der Demokratieformen bin ich nicht eingegangen und stimme Ihnen hinsichtlich der Bevorzugung der direkten Demokratie zu.

Von »freier« Marktwirtschaft habe ich aber nichts geschrieben, sondern von »grenzenloser«. Den globalen Markt meine ich damit, auf dem Waren und Geld, Arbeitskräfte und Konsumenten grenzenlos zwecks Profitmaximierung verschoben werden können.

Was Sie über Staats- und Elitenkapitalismus schreiben, findet ebenfalls grundsätzlich meine Zustimmung. Warum aber machen sich »Regierungen, die ständig Banken und bankrotte Staaten retten "müssen", die auf freien Märkten längst bankrott wären«, zu »Funktionen einer nicht im Vordergrund stehenden Elite«, wenn sie nicht auf die eine oder andere Weise an Reichtum und Macht dieser Eliten teilhaben wollen? Wer macht sich da wen dienstbar? Warum quetscht – als krassestes Beispiel - eine Regierung den kleinen Normalsteuerzahler aus bis aufs Blut, schaut aber gelangweilt zu, wie mit Cum-Ex-Geschäften das hart erarbeitete Geld der kleinen Steuerzahler an Großanleger ausgeteilt wird?

Ihrer Anklage: »Das ganze Leid der Welt, die verheerenden Kriege, die Leichenberge, die schreiende Ungerechtigkeit geht ursächlich auf die Macht des Staates zurück« greift in den vielen Fällen zu kurz, in denen aus wirtschaftlichen Interessen skrupellos Einfluss auf die Geschicke von Völkern genommen wird. Aktuell ist der Blick auf die Sponsoren der zahllosen Stiftungen und NGOs aufschlussreich. Oft sind hier dieselben Financiers zu finden, die auch Massenmedien – und neuerdings Influenzer – in ihrem Portfolio haben.

Sie tun mir Unrecht, wenn Sie mich in die linke Ecke stellen. Das – wie Sie es nennen - »knappe Zeitfenster, in dem etwas mehr Meinungsfreiheit möglich war« führe ich (anders als Sie selbst) sogar auf einstmals funktionierende Marktwirtschaft zurück: Viele relativ kleine Verleger in früheren Zeiten sorgten im Wettbewerb um das beste »Blatt« für Meinungsvielfalt. Das änderte sich aber in dem Maß, in dem die kleinen Verlage von großen geschluckt wurden und schließlich von Konzernen mit undurchschaubaren, meist internationalen Investoren.

Es ist die Tendenz, Kartelle zu bilden, die im kapitalistischen Westen am Anfang der gegenwärtigen totalitären Entwicklung stand. Und das betrifft nicht nur das Verlagswesen, sondern auch Banken, Rüstungsindustrie, Saatgutmonopolisten, Nahrungsmittel- und Pharmakonzerne, die Energiebranche … Sie alle wollen so groß und mächtig werden, dass sie keine Konkurrenz mehr zu fürchten brauchen, dass die Gesetze eines freien Marktes für sie nicht mehr gelten.

Mir steht der Sinn nicht nach mehr Staat, sondern nach mehr Freiheit. Freiheit, die ein (als Garant für das Wohlergehen des eigenen Volkes funktionierender!) Staat nur in sicheren Grenzen gewährleisten kann.

Und: @Laurenz: Nicht nach mehr Freiheit ZUM Konsum steht mir der Sinn, sondern nach mehr Freiheit VOM Konsum: Freiheit statt Ersatzbefriedigung durch Konsum.

Tun Sie sich mal ein paar Minuten TV-Werbung an: Wen interessiert noch der Gebrauchswert? Jetzt in der Vorweihnachtszeit wird ein Parfum angepriesen, das »Libre« heißt! Warenästhetik ist allgegenwärtig - als Surrogat für Familie, für Freiheit, für Erotik, für Natur … Diese Tauschwertwerbung beweist ja gerade, dass die mit lächerlichem Pathos beworbenen, austauschbaren Produkte nicht gebraucht werden. Wonach sich die Menschen wirklich sehnen, ist das, wofür die Produkte kein Ersatz sein können: Freiheit, Familie, Erotik, Liebe, Natur …

Es lebe die wahre Freiheit, nicht die trügerische Freiheit der Warenwelt: Die Freiheit, seine Kinder in der Familie aufwachsen zu lassen (Freiheit von der Ökonomisierung der Frau), Freiheit, mit einer sinnstiftenden Arbeit seine Familie ernähren zu können und vom Verdienst auch für die alten Tage vorsorgen zu können, Freiheit in der Natur erleben, sei es als Spaziergänger oder als Wanderer, als Reiter, Tourenskiläufer, Hundefreund …

Und übrigens: Warum sollte ich die wachsende Weltbevölkerung ernähren wollen? Wenn die Weltbevölkerung weiter wächst, wird ihr eines Tages nicht mehr zu helfen sein.

Laurenz

13. Dezember 2019 17:28

@Gustav Grambauer .... @zeitschnur hat die systemische Lösung doch recht gut beschrieben, die, so schätze ich persönlich, zumindest Konsens von einem Teil der SiN-Leserschaft sein dürfte. Die Bürger eines Dorfes oder einer Stadt müssen eben wieder selbst entscheiden dürfen, wen sie in Ihre Gemeinschaft aufnehmen wollen oder nicht. Wäre eine solche Systematik im föderalen Kleinformat gegeben, dann bliebe jegliche Überwachung absurd. Oder wenn jemand Arbeitsplätze ins Ausland verlegt, ist das kein Problem. Aber dann gibt er und seine Familie den Paß ab und sie gehen mit. Reise, Reise....

Atz

13. Dezember 2019 20:08

Jederzeit lassen sich im Internet neue Formate aufzusetzen. Eine Podiumsdiskussion wird von vielleicht 60 Personen besucht, die Videos der Veranstaltung von 16000 Personen oder mehr gesehen. Wer sichergehen will, dass Videos nicht verloren gehen, nutzt verschiedene Kanäle. Organisationen lassen sich gründen und auch wieder versenken. Auftauchen an Orten, wo man nicht erwartet wird. Der ZERO Film von Bannon ist so beispielhaft, weil er alternative Erzählungen einwirft, denen ich nicht so ganz glaube, auch mit unglaubwürdigen Experten wie Krauthammer, und einen erzählerischen Rahmen borgt. Einfach eine ganz neue Linie ziehen.

Idise

14. Dezember 2019 03:14

@ Nemo Obligatur
Na, da bin ich aber einmal froh, hier auf einen Kommentar zu stoßen, welcher sich nicht der allgemein vorherrschenden Depression hingibt.
Auch die intellektuelle „Verkopfung“ hilft keineswegs weiter. Diese reine Lagebeurteilung ist stets nur rückwärts gewandt und deshalb schon destruktiv. Auch scheint mir hier keiner jemals wirklich in Notlagen für Leib und Leben gesteckt zu haben. (Sollte dies doch der Fall gewesen sein, so bitte ich um Entschuldigung, so jedoch hier mein Eindruck).
Ja, die Lage ist schlimm, gleicht einer Dauervergewaltigung von allem, an was wir glauben, was uns wichtig ist. Jedoch liegt es ganz gewiss an uns selbst, uns jene Freiheit zu geben. Zuerst ist doch die Angst vor dem persönlichen Verlust zu überwinden, hinweg über eine Bereitschaft ihn registrierend zu akzeptieren, sich umzudrehen und loszulassen. Verbindet man dies mit dem Bewusstsein, dass es schon immer ein Morgen geben wird, so gelangt man doch zu einer inneren Freiheit, welche sich jeder Widrigkeit entgegenzustellen fähig ist. Mit dieser gewonnenen Freiheit lassen sich Berge versetzen. Sie ist von unschlagbarer Kraft und Ausstrahlung. Sie ermutigt andere ebenso, diesen Weg einzuschlagen, ist Vorbild, ist furchtlos. Durch diese Reduzierung auf das elementare Eigene lässt sich der wahre Kampf erst führen und letztendlich auch gewinnen, denn was soll dieser Kraft noch entgegenstehen, potenziert sie sich doch durch bereitwillige Nachahmer. Und es geschieht bereits. Und Wahrheit unterliegt auch keinem Mehrheitsentscheid, sie wird erkannt und weitergegeben. Die Aktivisten haben viel dazu beigetragen. Nun gilt es positive Provokation auszusenden in Form von öffentlich gelebter Gemeinschaft, mit Einigkeit und Fröhlichkeit. Lasst uns lachen, singen, tanzen. Lasst uns die Begehrlichkeit wecken, bei uns dabei sein zu wollen. Dann wird das auch was mit Volk und Vaterland.

Tiuri

14. Dezember 2019 07:33

Den drei Beispielen ist gemeinsam, dass es ein Kampf um Räume ist und nicht um Inhalte. Im Falle der IB ermöglichte der Verlust digitaler Räume (Facebook, instagram, youtube) es den Medien IB-Aktionen totzuschweigen, ohne fürchten zu müssen damit die Deutungshoheit zu verlieren - weil die IB nicht einmal mehr eigene Deutungen verbreiten konnte. Der Verlust des realen Raums (Hausprojekt) ist die Folge dessen.
Bei der Tumult-Konferenz ist der Raumverlust offenbar, ebenso wie die Raum-Behauptung der Akademie.

Grundsätzlich gilt: Wo wir Räume haben, können wir diese erfolgreich nutzen und ausbauen (Akademien, BdK, AfD-Webpräsenzen, diverse randständige Websites). Das Problem, über das wir uns Gedanken machen sollten ist also wie wir bestehende Räume sichern und neue schaffen können. Benötigt werden Lösungen gegen Deplatforming und Antifa Einschüchterung. Im Kommentariat schwadroniert man allerdings durchgängig zum hundertsten Mal über sein persönliches Lieblingsthema ohne jede Relevanz.

Ein paar Überlegungen:
(1) Zum Verlust digitaler Räume (deplatforming):
1.1 Feststellungen:
Manche Plattformen sind freier als andere, auf youtube und twitter geht mehr als auf facebook, instagram, patreon. Warum ist das so? Was folgt daraus für unsere Aktivitäten?
Die Tendenz geht auf allen Plattformen zu weniger Freiheit, dabei wird insbesondere die Zeit direkt nach rechtsmotivierten Anschlägen o.ä. für neue Einschränkungen genutzt.
Auf Plattformen die komplett frei oder in rechter Hand sind (4chan/pol, bitchute, gab), dominiert eine destruktive degenerierte NS-Rechte. Interessanterweise könnte man daraus folgern, dass eine gewisse Zensur für uns sogar förderlich ist.

1.2 Lösungsvorschläge/Auswege:
Der Zensur ausweichen: Der Versuch alternative Plattformen zu nutzen oder aufzubauen (VK, bitchute, gab) kann als gescheitert betrachtet werden, da man dort zwar ungestört seine Inhalte verbreiten kann, sie jedoch von niemandem gelesen werden, der nicht ohnehin schon gleicher Meinung ist.
Die Zensur bekämpfen: Der Klageweg ist eventuell erfolgversprechend, die EinProzent Klage gegen Facebook dürfte das derzeit entscheidendsten Projekt unseres Lagers sein.
Sich der Zensur anpassen: Rhetorik und Symbolik runterschrauben, fraglich ist, wieviel da noch runtergeschraubt werden kann. Eventuell ist eine Kombination möglich aus sehr weichgespülten Inhalten auf den großen Plattformen, die dann gezielt weiterleiten zu klaren Inhalten auf zensurfreien Alternativplattformen (etwa Telegramm, Martin Sellner hat es ja mit Erfolg vorgemacht).

(2) Zum Verlust realer Räume:
2.1 Zunächst eine klare Analyse, Personen wie Herr Kirsten sollten ausführlich befragt werden, darüber wer und wie Druck auf sie ausgeübt hat, welcher Punkt letztlich ausschlaggebend war (bspw. finanzielle, soziale, körperliche/gesundheitliche Risiken?) und was getan werden müsste, damit sie dem Druck standhalten können.

2.2 Lösungsvorschläge
Die Frage realer Räume ist v.a. eine des Geldes. Anders als bei digitalen Räumen gibt es hier keine Instanz, die uns aus einem einmal gekauften Raum einfach hinauswerfen kann (zumindest noch nicht).
Wie kommt man an Geld? Ich halte es für absolut zumutbar, wenn jeder AfD Mandatsträger ein Monatsgehalt pro Jahr in einen Fond einzahlen muss. Wer das nicht tut, wird bei der nächsten Wahl nicht aufgestellt.
Würde man das tun, könnte man in jeder dt. Großstadt einen Veranstaltungsraum erwerben und sichern wie eine Bank.

nom de guerre

14. Dezember 2019 11:59

@ Atz

"Der ZERO Film von Bannon ist so beispielhaft, weil er alternative Erzählungen einwirft, denen ich nicht so ganz glaube, auch mit unglaubwürdigen Experten wie Krauthammer, und einen erzählerischen Rahmen borgt." Das verstehe ich nicht: alternative Erzählungen und Experten, die jeweils nicht glaubwürdig sind, mit anderen Worten, man belügt das eigene Publikum; oder flunkert zumindest ein bisschen. Was soll daran positiv sein? Oder habe ich das jetzt falsch verstanden?

@ Tiuri

"Im Kommentariat schwadroniert man allerdings durchgängig zum hundertsten Mal über sein persönliches Lieblingsthema ohne jede Relevanz." Haben Sie denn den Eindruck, dass es für die praktische Arbeit der im realen Raum agierenden Rechten auch nur die geringste Relevanz hat, was hier im Kommentariat diskutiert wird und was nicht? Ich eigentlich nicht, zumindest fällt auf, dass auf Fragen oder Vorschläge seltenst eingegangen wird. Das meine ich gar nicht wertend, denn wenn dieser Input, ohnehin meist laienhaft, nicht benötigt wird, ist es umso besser, nur gibt es dann für das hiesige Kommentariat auch keinen Grund, sich mit solchen praktischen Fragen auseinanderzusetzen, zumal ein öffentliches Forum dafür ggf. auch nicht der geeignete Ort ist.

Laurenz

14. Dezember 2019 12:40

@limes @ Zeitschnur & @Laurenz ...

Marktwirtschaft gibt es immer nur im kleinen Rahmen, das haben Sie doch selbst moniert. Und das, war schon immer so. Wieder zitiere ich einen meiner liebsten Sprüchlein: "Wenn Sie heute planen morgen Boing oder Lockheed Martin zu übernehmen, sind Sie bereits gestern tot."
Heute ist dies nur aufgrund des Netzes auffälliger als es vorher jemals war, weil eben irgendeiner nie dicht hält, und es einfach ist, zu publizieren.

Das internationale ökonomische Agieren Deutschlands vor dem II. Weltkrieg war mit ein Grund für diesen. Das galt auch schon für den 1. Weltkrieg und die meisten Kriege zuvor. Von daher vergessen Sie einen "freien" Markt, auch gut sichtbar bezüglich von North-Stream II.

Die Kritik zeitschnurs, vor allem an den über 20 gelungenen Holodomors in den letzten 300 Jahren durch die Royal Navy mit über 80 Mio. Opfern, viele davon auch in Deutschland, ist natürlich berechtigt, aber natürlich müßig, weil Krieg nicht nur in der menschlichen Natur liegt, sondern auch in der Natur des gesamten Universums. Und Krieg verhindern kann man nur, wenn man für ihn gerüstet und bereit ist, ihn auch zu führen.
Alles andere ist Selbst-Opferung und ein Propaganda-Sinn des Christentums, sich quasi selbst zu degenerieren und zu unterwerfen.

Was Ihre, limes, Konsum-Frage angeht, so ist diese, ähnlich dem Fasten, ein Luxus-Problem. Nur derjenige, der etwas zum Verzicht besitzt, kann auch verzichten. Von daher ist es nicht repräsentativ, wenn Sie von Sich ausgehen.
Die Ost-Asiaten haben die Nase voll davon, sich vom Westen vorschreiben zu lassen, wie sie zu leben haben. Wir sollten zumindest im SiN-Forum, auf diesen linken Imperialismus verzichten.

Und mit Ihrer Sinn erheischenden weltweiten Geburten-Kontrolle, die nur per Staatsgewalt ausgeübt werden kann, werden Sie mit den vielen SiN-Christen Ärger bekommen. Diese ziehen den Untergang dem Unglauben vor. Sie bemerken das doch auch an der Mit-Foristin zeitschnur, die hier recht plausibel schreibt, aber ganz sozialistisch, eine andere menschliche Natur voraussetzt, als die real existierende.

Maiordomus

14. Dezember 2019 12:52

Es gibt noch andere Probleme als logistische, was Kubitschek im Artikel oben, als Ausgangspunkt vernünftiger Debatte, auf den Punkt gebracht hat:

"Es gibt einen Unterschied zwischen konsequenzloser linksradikaler und folgenschwerer rechtskonservativer (also: bürgerlicher) Meinungsäußerungsrealität."

Die Bemerkung in Klammer hätte er sich schenken können. Im Rückblick auf die Konservative Revolution, von Ernst Jünger bis Armin Mohler, dessen "Gedankengut" für mich zwar nicht gerade bekenntnisfähig ist: "Rechts" und "bürgerlich" sind weder historisch noch aktuell identisch, wobei ich nicht mal primär an nationalbolschewistische Irrläufer denke; eher schon an de Maistre, Tocqueville, noch intelligente Mitglieder der Häuser Habsburg und Hohenzollern, Erik von Kuehnelt-Leddihn, zu schweigen vom schon genannten Jünger und Carl Schmitt. Die und viele andere kann man als "rechts" einschätzen, aber eher nicht bürgerlich.

Führt man die Rechte genealogisch auf den entsprechenden Flügel der Aufklärung und die in den angelsächsischen Ländern und bei Gentz (Burke-Übersetzer) kulminierte notwendige Kritik an der französischen Revolution zurück, kann man zum Beispiel Vulgärmaterialisten und einschlägige Rassentheoretiker sowie Kraniometrie-Ideologen bis hin zu Julius Streicher eigentlich nicht in die rechte Genealogie einordnen.

Nach dem von Jacques Maritain formulierten "Erhaltungsgesetz der Dummheit", dahin lautend, dass Dummheit erhalten bleibe und konsequent dazu neige, ins Mehrheitslager zu wechseln, ist der wahre "Vogelschiss" unterdessen bei einer faktischen Chef-Ideologin der ARD angekommen; einer Autorin mit Referenzen aus der Spiegel-Bestsellerliste und Verfasserin eines mit 120 000 Euro Zwangsgebührengeldern finanzierten *Framing"-Manuals zur ideologischen Verteidigung des umstrittenen Staatssenders.

Dieser Befund gilt allerdings nur, wenn man der Neuen Zürcher Zeitung von heute (14.12. 2019) glauben darf. Der Artikel von René Zeyer, "Achtung, Faschismus" wäre es wert, von allen hier tätigen Autoren und Foristen genau gelesen zu werden.

Gemäss der oben angesprochenen Autorin und Fachreferentin, Dr. Elisabeth Wehling, der führenden deutschen Spezialistin für "Framing", hat die Gehirnforschung unterdessen herausgefunden, welches die biologischen Grundlagen rechten Denkens sind. Gemäss René Zeyer wurde ein modernisiertes, dem angeblich neuesten Stand der Hirnforschung angepasstes sozusagen empirisches Kriterium gefunden, Untermenschen von vernünftigen und gesunden Repräsentanten der Gattung "homo sapiens" zu unterscheiden: "Trump-Wähler, allgemein Wähler im rechten Spektrum, haben eine grössere Amygdala, also einen grösseren Bereich im Gehirn, der Angst und Stress und Aggression berechnet."

Politisches Verhalten wird hier, wie Zeyer analysiert, nicht psychologisch (was übrigens auch seine Fragwürdigkeiten hat MD) erklärt, sondern physiologisch, so wie einst der "physiologische Schwachsinn des Weibes" und allgemein das Untermenschentum der rassisch Minderwertigen. Dazu Zeyer:

"Beispielsweise sind Trump-Wähler dann nicht nur dumm, machen nicht nur etwas falsch, sondern sie sind krank, ihr Gehirn funktioniert nicht normal. Wobei 'normal' daran gemessen werden kann, dass ein Normaler nicht Trump wählt."

Meines Erachtens wurde noch nie so präzis nachgewiesen, wie der sogenannte Faschismus (die Sache selbst bleibt komplexer) in der Maske des Anti-Faschismus neue Urstände feiert. Das Gedankengut von Julius Streicher lässt sich problemlos durch Resultate der sogenannten Hirnforschung auf den neuesten Stand bringen. Die wichigste ideologische Anpassungsleistung betrifft freilich die Übertragung auf ein in Konsens-Objektivität zugelassenes Feindbild. Erkenntnistheoretisch, zwar nicht rein politisch, ist in Deutschland, wo man schon immer nur politisch korrekt sein wollte, das Niveau von Julius Streicher zumindest rein formal wieder erreicht.

Meine Erfahrung mit Hirnforschungsgläubigen geht schon seit 30 Jahren dahin, dass ihnen erkenntnistheoretische Grundlagen allzu oft fehlen, sie nicht mal das zwar noch überholbare Standardwerk "Das Ich und sein Gehirn" (Popper/Eccles) prüfungsfertig studiert hätten, was dann zu lächerlichen pseudowissenschaftlichen theoretischen und praktischen Verirrungen führt. Habe mich zu dieser Sache auch schon gegen Schluss der von Kubitschek verdienstvoll initiierten Handke-Debatte geäussert. Noch wichtiger als politische Meinungsbekenntnisse scheinen mir Textkenntnisse. Solche waren zum Beispiel bei René Zeyer vorhanden, als er die neue Untermenschentheorie der ARD-Ideologin auch auf der Grundlage etwa der Theorie vom "geborenen Verbrecher" bei Cesare Lombroso kritisierte.

Aber: Kubitschek behält, liest man die Analyse Zeyers, wohl recht: " Es gibt einen Unterschied zwischen konsequenzloser linksradikaler und folgenschwerer rechtskonservativer Meinungsäußerungsrealität." Dass Streicher-Gedankengut nun offenbar vollkorrekt bei den Linken gelandet ist, sollte nicht bedeuten, dass man bei der Rechten in diesem Punkt "Gleichstellung" einfordern sollte. Siehe Maritains "Erhaltungsgesetz der Dummheit".

Laurenz

14. Dezember 2019 13:53

@Maiordomus .... nix gegen Ihren Beitrag. Man kann den lesen und mehr oder weniger auch verstehen. Sie beschreiben irgendwie etwas, anhand von irgendwelchen Autoren, die niemand kennt oder nur sehr wenige kennen.
Allerdings erschließt sich mir nicht, was Sie tatsächlich uns mitteilen wollen?

deutscheridentitaerer

14. Dezember 2019 14:50

@nom de guerre

"Ich eigentlich nicht, zumindest fällt auf, dass auf Fragen oder Vorschläge seltenst eingegangen wird."

Mir fällt vor allem auf, welch naive Vorstellung über die Mühe praktischer politischer Arbeit hier bei vielen herrschen. Viele der hier zirkulierenden Vorschläge wären ja grundsätzlich hilfreich, sind aber mit den vorhandenen Mitteln schlicht nicht umsetzbar.

Das größte Nadelöhr liegt dabei im fehlenden Personal, dass willens und geeignet ist, dauerhaft Zeit in Projekte zu investieren, ohne dafür außer Anfeindungen von links und, besonders zermürbend, von Besserwissern aus dem eigenen Lager, zu erhalten. Wie man dieses Problem in den Griff kriegt weiß ich nicht; früher dachte ich wie viele, wenn es schlimmer wird, tauchen auch mehr Leute im Widerstand auf, mittlerweile habe ich den Eindruck, weil es schlimmer geworden ist, kommen immer weniger.

Atz

14. Dezember 2019 16:32

@nomdeguerre: Eine Antwort ist simpel: Die Form lügt manchmal, aber Geschichte ist eine Geschichte, eine Erzählung über Fakten. Das Ziel von politischer Kommunikation ist nicht das eigene Millieu. Der Chronist bestimmt, was später gewusst wird.

Die Leute glauben heute die USA hätten den 2. Weltkrieg allein an den Stränden der Normandie gewonnen. Weil diese Erzählung formuliert ist, andere Erzählungen und Fakten kommen nicht vor. Etwa, dass die USA vor 1941 gar nicht im Krieg standen und politisch hin und her haderten.

Zeitgeschichtliche Deutung ist konstruierend, nicht empirisch. Gerade, wenn Generationen wegsterben, bleibt es wichtig die Deutungshoheit zu ergreifen, die oft Minderheiten der Zeit zufällt. Fernsehdokumentationen sind wichtige Multiplikatoren.

Übrigens: eine Literaturgeschichte von 1870, 1923, 1940, 1955, 1973. In allen kommt eine Vergangenheit und ein Kanon vor, die der andere Band nicht kennt. Wenig davon ist Lüge.

"Linke" Erzählungen über gesellschaftliche Veränderungen, Generationenanliegen usw. nehmen und mit den gleichen Erzählmustern das genaue Gegenteil zeigen... Denn diese Erzählungen sind heute Vorverständnisse im Mainstream. Mangels Alternativen.

Z.B. die 68er hätten den Mief der Adenauerjahre abgeschüttelt. Oder eine breite gesellschaftliche Ablehung der 68, auch unter damaligen Studenten und ein Rechtsruck, 70er als Zeiter den Mitgliederexplosion bei der CDU. Oder 68 bei Tupamaros beginnen.

Ein Bundeskanzler Kiesinger ist im öffentlichen Bewusstsein nur noch als fragwürdiges "NSDAP-Mitglied". Über Friedrich II kennt man nur ein Bündel von Anekdoten und bestimmten deutenden Erzählungen. Der Manfred von Richthofen war ja ein doller Jagdflieger, oder es waren einfach die Flugzeuge zeitweise technisch überlegen um die Abschussziffern zu erklären. Kriegsentscheidend war sowieso nichts.

Nach 89, der kollektive Schamkult für die Opfer von provinziellen Brandanschlägen, bis hin zu den millionenschweren Organisationen der Rechtsbekämpfungsindustrie. Die Erzählung wie wir dazu gekommen sind, dass Bundesminister die linksextreme Thesen von damals, gereinigt von der Staatsfeindschaft, übernehmen und die Geldsäckel öffnen. Doch damals war man in Bonn und Berlin nur um den Ruf im Ausland besorgt!

Gracchus

14. Dezember 2019 16:46

Kubitschek: "Vor mir liegt das abgenutzte Deutungsbesteck..." Abgenutzt ist das richtige Wort, und ich muss mir eingestehen, dass ich die Illusion gehegt habe, es werde sich daran etwas in absehbarer Zeit ändern und solche Diskussionsreihen wie von tumult liessen sich leichter durchführen, und es KEINEN Mutes bedarf, gewisse Ansichten zu äussern, Ansichten, die ich im Übrigen für nicht besonders recht halte. Was ein Bekenntnis erschwert.

Die Zeichen stehen auf Polarisierung. Der Konsens ist empirisch m. E. gebröckelt, wird aber durch staatliche Subventionen weiterhin aufrechterhalten, und es sieht danach aus, dass man das in Mitteleuropa, v. a. in und durch Deutschland, durchziehen will. Höckes Wort, sinngemäß: wenn die Deutschen erstmal loslegten ..., gewinnt eine bittere ironische Pointe.

Ich denke nicht, dass es sich um einen demokratischen Konstruktionsfehler handelt, wie Sie @zeitschnur meinen, auch nicht per se einer repräsentativen Demokratie. Demokratietheorie ist ein endloses Thema; daher nur kurz: der Repräsentationsgedanke ist ein semantischer Restbestand und gibt, wo das Volk herrscht und nicht der König, eher wenig Sinn. Juristisch sind Vertretungsverhältnisse allerdings Gang und Gäbe, man selber hat ja nicht Zeit sich um alles zu kümmern.

Wo Sie aber recht haben @zeitschnur: Das Grundgesetz ist stark auf die repräsentative Demokratie enggeführt; um auf Bundesebene Plebiszite durchzuführen, müsste das Grundgesetz erstmal geändert werden. Diese Engführung, dieses Misstrauensvotum gegen das Volk in der Verfassung, von dem diese ihren Ausgang genommen hat, hat - Überraschung - historische Gründe, weil "man" der Auffassung war, das dt. Volk müsse erstmal zur Demokratie erzogen werden. Die Deutschen haben brav gelernt - und begreifen Demokratie als Ideologie, nicht als Prozessform. Es fehlt also m. E. an einer demokratischen Kultur, zu der - wie Kubitschek schreibt - ein offenes Meinungsklima gehört.

nom de guerre

14. Dezember 2019 19:52

@ deutscheridentitärer

Damit, dass Vorschläge infolge mangelnder Kenntnis der realen Gegebenheiten großenteils gar nicht umsetzbar sind, mögen Sie Recht haben. Was ich schrieb, war wie gesagt keine Kritik, nur eine Beobachtung.

Sie schreiben: „früher dachte ich wie viele, wenn es schlimmer wird, tauchen auch mehr Leute im Widerstand auf, mittlerweile habe ich den Eindruck, weil es schlimmer geworden ist, kommen immer weniger.“ Das wundert mich nicht. Die Verschlimmerung gewisser Zustände hat sicher zur Folge, dass sich mehr Leute darüber aufregen, mehr alternative Medien konsumieren, für deren Botschaften also erreichbar sind, und sich (anonym) im Internet austauschen. Aber ein Engagement mit „Gesicht zeigen“ ist doch tatsächlich etwas, das gut überlegt sein will, wobei man sich über die Konsequenzen, die das haben kann, im Klaren sein muss. Berichte über abgefackelte Autos und Kinder von AfD-Abgeordneten, die in der Schule Morddrohungen bekommen (wie kürzlich bei PI-News zu lesen war), wirken da ebenso wenig ermutigend wie die zunehmende staatliche Repression.

Man verstehe mich nicht falsch: Ich weiß, dass Bürger öffentlich aktiv sind, die durchaus etwas zu verlieren haben. Aber wenn selbst ein letztlich harmloser kritischer Geist wie Peter Weber derart attackiert wird (nicht physisch, aber doch so, dass es ihn offenbar sehr mitgenommen hat), dass er ins Krankenhaus musste, gibt einem das zu denken. Nicht jeder ist dafür geeignet und nicht jeder verfügt über die Ressourcen, um bestimmte Attacken und Verluste abfedern zu können. Wer diese Voraussetzungen nicht mitbringt, ist vermutlich sogar eher eine Belastung als ein Gewinn für eine alternative Bewegung. Umso mehr bewundere ich die Leute, die sich trotzdem offen engagieren und es über lange Zeit durchhalten.

Meine Wenigkeit hat sich vor ein paar Monaten vor einem nahen Verwandten, den ich länger nicht gesehen hatte, geoutet. Ich bin jetzt um eine Erfahrung reicher, und weiß a) wie es ist, wenn man angeschaut wird, als hätte man den Verstand verloren und b), dass sprechpuppenartiges Herunterspulen von linken Positionen (jeder, ja, jeder einzelne Afrikaner, der nach Deutschland möchte, muss aufgenommen werden, aus humanitären Gründen nämlich, und wenn das Probleme mit sich bringt, sind die selbstverständlich lösbar; ferner muss Deutschland Vorreiter in der Energiewende sein, andere Länder ziehen dann schon nach; der einzige Nachteil ist, dass die Windanlagen in der Landschaft vielleicht nicht ganz so schön aussehen; usw. usf.) auch ohne jegliches virtue signalling möglich ist, einfach weil derjenige (kein dummer Mensch und auch nicht mehr besonders jung; vertrat vor ein paar Jahren z.T. deutlich andere Ansichten, während ich selbst lediglich einige Illusionen verloren habe) wirklich glaubt, was er sagt. Im Ergebnis bestand die Reaktion auf meine Sicht der Dinge in völliger Verständnislosigkeit. Und auch wenn es sicher schlimmer hätte kommen können (immerhin fielen keine bösen Worte), wäre ein Gespräch über die Sonderangebote vom Mediamarkt zielführender gewesen. Wie viel Frustration, neben den weiter oben angesprochenen Angriffen, außerhalb eines so kleinen Kreises möglich ist, kann ich nur erahnen.

@ Atz

Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Was Sie über Deutungsmacht und deren Folgen schreiben, ist natürlich zutreffend. Vermutlich gehe ich zu naiv an diese Fragestellung heran, bei der strategisches Denken angebrachter wäre.

GoetzGeorg

14. Dezember 2019 23:16

Ein Axiom diese Universums, ja allen Seins, lautet nun einmal: "Ohne Moos, nix los !" Das mag vielen Kopfarbeitern hier ein Greuel sein, für mich als beruflicher Praktiker vertraute und akzeptierte Spielregel. Für die politische Arbeit und Eroberung politischer (Veranstaltung-)räume bedeutet dies z.B., daß mit den ca. € 70Mio. für die Desiderius Erasmus Stiftung (aus den gesamt derzeit € 581 Mio. Gesamtmitteln für alle Parteisstiftungen), die leider erst ab der nächsten Legislaturperiode ausbezahlt werden, endlich professionelle und sichere Strukturen aufgebaut werden können, weil man in der Lage ist Räume zu erwerben, Personal und Kommunikation zu bezahlen und solche Orte rund um die Uhr auch abzusichern. Das in jedem Bundesland. Geld für das Piano ist dann auch noch übrig. Bis dahin rate ich den Herrschaften der Erasmus Stiftung dringend, z.B. die Konkurrenz wie die Heinrich-Böll-Stiftung én detail zu studieren, in all ihrem erfolgreichen und klugen Wirken, um die grüne Heilslehre unter die Menschen zu bringen. Zielgruppen mögen zum Teil andere sein. Jedenfalls machen die das richtig gut. Wenn die Erasmus Stiftung endlich potent ist, muss natürlich noch in vielen anderen politischen/medialen "Räumen" endlich Gas gegeben werden. Ich hoffe, daß dies nicht zu ungelenk in's Werk gesetzt wird.

Maiordomus

15. Dezember 2019 11:53

@Laurenz: Zu den Autoren, von denen Sie vielleicht nie gehörte haben. De Maistre gilt zusammen mit Louis de Bonald als Begründer des soziologischen Denkers, wiewohl er metapolitisch zugleich der bedeutendste Reaktionär in der Zeit der Restauration war und ausserdem der umstrittene Ideologe und Inkubator der päpstlichen Unfehlbarkeit mit seinem Standardwerk "Du pape" von 1819. Nur deutete er die päpstliche Unfehlbarkeit im Sinne von Carl Schmitt, dem Begründer des Begriffs "Politische Theologie", rein dezisionistisch: die Unfehlbarkeit ist mitnichten etwas Bewiesenes, sie ist ein reiner Ordnungsfaktor, damit theologische Debatten nicht ausufern.

Und natürlich war der gescheite de Maistre der schärfste Kritiker Rousseaus, der zeitweilig am gleichen Ort lebte und am gleichen Ort ein Denkmal hat wie de Maistre, nämlich in Chambéry, Savoyen. Wie Marx setzte er Rousseau mit dem Jakobinismus gleich, wiewohl dieser über den Katholizismus etwa gleich dachte wie der Büchnerpreisträger Mosebach. Alexis de Tocqueville schliesslich ist nun mal der wichtigste Kritiker der blossen liberalen Gleichmacherei, was immerhin auch einem Thor von Waldstein in dem von mir ziemlich scharf kritisierten Buch von ihm (Antaios-Verlag) aufgefallen ist. Über Eric von Kuehnelt-Leddihn können Sie sich in alten Jahrgängen sowohl von Sezession als auch Sezession im Netz schlau machen. Und den Namen der Sprachwissenschaftlerin und ARD-Ideologin Dr. Elisabeth Wehling müssen Sie sich deswegen merken, weil diese herausgefunden haben will, dass politisches Denken von Rechtsbornierten bis hin zu Trump-Wählern auf einer Gehirnstörung im Bereich "Amygdala" beruht. Obwohl ich bei Ihnen vielleicht auch schon politische Borniertheit angemahnt habe, halte ich dies für pseudowissenschaftlichen Bullshit und würde Sie wie auch alle anderen, denen man sowas unterstellt verteidigen. Umgekehrt scheint mir klar, was ich nicht mal schlecht finde, dass jeder AfD-Politiker, der einen solchen bio-physiologischen Scheiss gegen politisch Andersdenkende absondert, mit einem sofortigen Partei-Ausschluss-Verfahren rechnen müsste.

Maiordomus

16. Dezember 2019 07:15

Vergessene Denker

@Korr.ad Laurenz: Denker, von denen Sie gemäss eigener Aussage vielleicht nie g e h ö r t haben: De Maistre und Bonald waren gemäss einem Standardwerk "Über die Geburt der Soziologie aus dem Geist der Restauration" als Uralt-Rechte und Erzreaktionäre Begründer des soziologischen D e n k e n s.

Zu den weiteren wohl nicht nur Ihnen von hier Unbekannten gehört der Romantiker G e n t z, Übersetzer von Edmund Burke ins Deutsche, welch letzterer Brite gemäss Novalis mit den "Reflections on the Revolution in France" (auch für de Maistre sehr wichtig) ein revolutionäres Buch gegen die Revolution geschrieben hat. Wir unterhalten uns hier über die G e n e a l o g i e des konservativen Flügels der europäischen Rechten, welche jedoch wegen ihrer Verbindung oder wenigstens Bedeutung für die Restauration nicht mit der nationalistischen Rechten zu verwechseln ist, deren Ahnherr der Philosoph Johann Gottlieb Fichte ist, der berühmte "Redner an die deutsche Nation" im Zusammenhang mit Napoleon. Diese Grundlagen waren vor 45 Jahren Thema meiner Doktorprüfung im "Nebenfach" Politische Philosophie, bei einem Lehrer, den ich hier nicht extra nennen muss, nämlich den Spezialisten für die Hegelsche Rechte. Ohne deren Kenntnis, mit jeder Menge vergessener Denker, kann man nur bedingt als Kenner der deutschen Rechten gelten. Dabei ist man bei diesen Voraussetzungen nicht unbedingt auf Armin Mohler angewiesen. Hingegen ist die Kenntnis des Frühwerks "Politische Theologie" (1922) von Carl Schmitt unabdingbar. Dank diesem Buch, über das mein Lehrer ein Seminar veranstaltete, würden Sie auch die spätere "politische Theologie" der Linken, in der Tat eine Art christlicher Bolschewismus, besser verstehen. Sie sollten sich bewusst sein, dass Sie für Ihren Ladenhüter vom Christentum als erstem wahrem Bolschewismus wohl nicht ausreichend Grundlagenstudien gemacht haben, um eine solche These - sie gehört zur christlichen Ketzergeschichte, vgl. das Standardwerk von Arnold - in ihre angemessenen Proportionen zu verweisen.

PS. Vielleicht war Novalis, der auf seine Weise ebenfalls in die Geschichte der deutschen und europäischen Rechten gehört, so etwas wie der Peter Handke der Frühromantik.

Maiordomus

16. Dezember 2019 09:51

PS. Friedrich Gentz (1764 - 1832), der Übersetzer und Vermittler von Edmund Burke in Deutschland, war ein Österreicher, und wie de Maistre, Bonald und der Schweizer Karl Ludwig von Haller für das Denken der sog. Restauration repräsentativ, aber nicht nur dafür, siehe das politische Denken kluger Österreicher von Franz Grillparzer bis und mit Hugo von Hofmannsthal, welch letzterer noch für die sog. Konservative Revolution Bedeutung erlangte. Wobei Metternich vom weltpolitischen Horizont her doch eine andere politische Liga war als HC Strache so wie Gentz als politischer Denker meines Erachtens bedeutender als Heidegger. Servus an die youtube-Kanal-Betreiber in Wien!

Maiordomus

17. Dezember 2019 08:57

@PS an Sellner. Damit Sie nicht glauben, ich sei ein bedingungsloser Fan von Metternich: Die Haussuchungen und weiteren Schikanen gegen Sie waren leider hundertprozentig Tradition Metternich. Hier dürfen Sie sich als Österreicher in einem beunruhigenden "Heimatgefühl" wiedererkennen. Aber: Von HC Strache bis zu Ihrem wohlgekämmten Bundeskanzler-Bubi bleibt Metternich, worüber sich der 96jährige Henri Kissinger schon seine Gedanken gemacht hat, als weltpolitischer Stratege dann schon eine ganz andere Liga! Seine Losung "Kraft im Recht" sollte man indes eher als aussenpolitischen Grundsatz aneignen als zur Verfolgung innenpolitischer Gegner.

Wobei die Massnahmen gegen Sie, Herr Sellner, vielfach offensichtlich nicht rechtens waren. Für eine rein schikanöse Haussuchung aufgrund politischer Gesinnung erhielt ich vor etwa 45 Jahren 700 Franken Genugtuung, wobei das letztere Wort wichtiger war als das Geld.

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.