Wir veröffentlichen hiermit ihren zweiten Beitrag.
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Auf einmal, Corona sei Dank, gibt es fetten Applaus für die “Pflegenden”. Der ließ bisher auf sich warten. Der folgende Screenshot zeigt zwei Meldungen der Tagesschau-App vom 25.02.20. Sie sind wohl nur rein zufällig untereinander geraten.
In meiner Gedankenwelt ergibt sich zwischen diesen zwei Meldungen jedoch ein eventueller Zusammenhang:
Wäre die Befürwortung von Sterbehilfe genauso hoch, wenn wir die fehlenden 120.000 Pflegekräfte hätten? Man also wüßte, man wäre im Alter gut versorgt? Ist die Befürwortung nicht nur so hoch, weil man lieber tot wäre, als schlecht versorgt zu werden? Und was wäre, wenn man wüßte, man wäre gut versorgt?
Ausgehend von diesen Überlegungen und den Kommentaren unter meinem letzten Artikel hier auf SiN nun dieser Beitrag, auch wenn er in Philosophinnenhand vielleicht besser und tiefgründiger aufgehoben wäre. Qua Profession als Pflegekraft inkl. Pflegemanagement-Studium schreibe ich aus meiner Sicht- und werde vielleicht in den Kommentaren inhaltlich philosophisch ergänzt.
Letztlich dreht sich fast alles um die Grundfrage: Was genau verstehen wir als Gesellschaft unter „angemessen betreut“ bzw. „gepflegt“ – siehe Tagesschaumeldung Nr 1. Ohne Beantwortung dieser Frage ist jegliche Diskussion über „angemessene Pflege“ sinnlos. Wir müssen zuerst „angemessene Pflege“ definieren.
Aus Sicht der Autorin ist „angemessene Pflege“ viel mehr als „satt und sauber“. Es muß um eine eine menschengerechte und menschenwürdige Pflege gehen, nimmt man Artikel 1 des Grundgesetzes tatsächlich ernst. Eine menschengerecht-menschenwürdige Pflege hat den einzelnen Menschen als gewachsene Persönlichkeit und Individuum im Blick. Sie erschöpft sich nicht ausschließlich in bloßen körperlichen Verrichtungen, wie z.B. Essen eingeben, waschen, Inkontinenzversorgung, Mobilisation, sondern bietet auch Raum für Gespräche, Beratung und das Aufnehmen von Sorgen und Ängsten.
Es ist mir zu Ohren gekommen (im Ernst weiß ich es aus langer Erfahrung!), daß so manches Gespräch oder beruhigende Waschung dazu geführt haben, daß Bewohner gut und einigermaßen zufrieden schliefen – mal ohne Schlaftablette. Es soll auch würdevoller sein, bei Demenz mit ausgeprägter „Hinlauftendenz“ einfach begleitet zu werden bei diesen krankheitsbedingten Läufen, anstatt medikamentös ruhiggestellt zu werden und vor sich hin zu dämmern.
Die Autorin ist der Meinung, daß jemand nach 45 Arbeitsjahren und stetigem Einzahlen in die Sozialkassen auch bei notwendiger Einweisung in ein Pflegeheim das Recht hat, seine gewohnten zwei Tassen Espresso am Morgen zu erhalten und nicht eine koffeinfreie lauwarme kaffeeähnliche Substanz. Dies würde aber voraussetzen, daß es in diesem Pflegeheim deutschsprachige, ausgebildete Pflegekräfte gibt, die Zeit haben, Wünsche, Bedürfnisse und Gewohnheiten biographisch zu erfassen.
Denn auch bei den oben genannten körperlichen pflegerischen Verrichtungen gilt es die Individualität zu berücksichtigen, zumindest wenn es der Anspruch ist, menschengerecht-menschenwürdig zu pflegen. Warmes oder kaltes Wasser beim Zähne putzen, naß oder trocken rasieren, welches Duschbad/Shampoo, Hemd in der Hose oder draußen, Abend- oder Frühduscher etc.
Daß wir als Gesellschaft bzw. die politisch-verantwortlich Handelnden unseren alten bzw. pflegebedürftigen Mitbürgern dieses Maß an gewohnter Normalität und Individualität nicht zubilligen, jedoch Art. 1 des GG bei jeder anderen Gelegenheit betonen, erscheint moralisch doppelbödig.
Denn der Wohlstand, von dem wir zehren und in dem wir uns sattsam eingerichtet haben, wurde von den Generationen hier schon länger Lebender, meist Deutscher, erschaffen. Deren Schaffenskraft, Sparsamkeit und Wille schuf das Wirtschaftswunder und die weitere darauffolgende wirtschaftliche Prosperität.
Daß man nun in der gerade über uns hereinbrechenden Viruskrise diese Alten als besonders schutzbedürftig erkennt und nun wahnsinnig solidarisch sein will, ist an Verlogenheit kaum zu überbieten. Wo war denn zuvor die Solidarität mit ihnen?
Als sie in Vor-Corona-Zeiten zu vierzigst allein von Schwester Edeltraut im Nachtdienst versorgt wurden und dabei sehnsüchtig warteten, bis sie kam, um ihnen etwas zu trinken zu reichen oder sie aus ihrer vollen Inkontinenzhose zu befreien?
Nicht so wichtig wie der Schutz vor einem Virus? Schwester Edeltraut ist zu Corona-Zeiten auf einmal (die großstädtischen abendlichen Klatschorgien legen es nah) eine Heldin? Plötzlich ist sie mehr als eine Urinkellnerin und Popo-Abputzerin, die knapp über Mindestlohn verdienen darf?
Sie war schon zuvor eine tolle Frau, die einen wichtigen Dienst, neudeutsch Job, tut. Merci-Schokolade haben Pflegekräfte schon in Massen erhalten und Blumensträuße jeglicher Größe. Auch tolle „wertschätzende“ Politikerreden haben sie schon oft gehört, meist in Vorwahlzeiten. Nur – die helfen nicht gegen schlechte Arbeitsbedingungen und Personalmangel. Hier hilft nur noch eine „nationale Kraftanstrengung“, die den Pflegenotstand langfristig behebt. Kurzfristig und nur mit Geld wird das Problem nicht zu lösen sein. Jedoch werden Worte wie „nationale Kraftanstrengung“ von unserer Kanzlerin oft in anderen Zusammenhängen, meist ohne Bezug zum eigenen Volk, benutzt. Letztlich könnte man zu dem Schluß kommen, daß sich das Pflegeproblem „aussterben“ soll.
Jedenfalls könnte man so die zweite o.g. Meldung deuten, ebenso wie das letzte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum ärztlich assistierten Suizid. Hierzu führt das Gericht aus: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.“ Und weiter: „Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.“
Das Leben beginnt mit der Befruchtung der Eizelle bzw. der Geburt und endet mit dem Tod. Warum ich zwar den Anfang meines Lebens nicht selbstbestimmen darf, das tun wohl durch den Akt der Zeugung andere für mich, jedoch das Ende meines Lebens, erschließt sich der Autorin nicht.
Außerdem kann ich jederzeit selbstbestimmt sterben, ich kann aufhören zu essen und zu trinken. So stirbt man zwangsläufig. Daß dies ein nicht wirklich angenehmer Prozeß ist, sollte klar sein. Aber Sterben war schon immer ein zumeist elendiger Prozeß, welcher jedoch dem Leben zugehörig ist. Daher entwickelte sich die Palliativmedizin, welche den Sterbevorgang erträglicher machen soll, ihn jedoch nicht aktiv herbeiführt.
Zuletzt sei noch auf das Wort „selbstbestimmt“ verwiesen. Kann ein tief depressiver Mensch tatsächlich „selbstbestimmt“ entscheiden – oder ein Demenzkranker? Oder entscheiden dann in seinem Sinne Gerichte und Gutachter, was oftmals schon im Kontext von Betreuung und Zwangseinweisung zu kritischen ethischen Entscheidungen führt? Wollen wir tatsächlich Richtern oder Gutachtern solche Entscheidungen aufbürden? Die Autorin vertritt die Ansicht, daß die Selbstbestimmung bzgl. des Verzichts auf die „bestmögliche“ Therapie hier ausreichend ist. Mit einer Patientenverfügung kann man für sich selbst festlegen, welche Therapie man wünscht, solange man noch Herr seiner Sinne ist. Diese Entscheidung gilt es dann ärztlicher- und pflegerischerseits zu akzeptieren, auch wenn es noch Therapieoptionen gäbe. Gerade diese Akzeptanz ist in unserem meist auf Kuration, also Heilung, ausgelegten fortschrittsgläubigen Gesundheitssystem bei den handelnden Personen sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Im Zeichen der Corona-Krise ist es der Autorin unverständlich, warum unsere Intensivmedizin an ihre Grenzen stoßen sollte. Wenn tatsächlich multimorbide ältere Menschen besonders betroffen sind, stellt sich die Frage, ob der mehrfach vorerkrankte 84-Jährige zwangsläufig beatmet werden muß bzw. ob er das überhaupt wünscht. Es erscheint reichlich paradox, auf der einen Seite die „Sterbepille“ verteilen zu wollen und auf der anderen Seite bei multimorbiden Hochbetagten jedwede Maximaltherapie einzusetzen.
Lotta Vorbeck
Daran, wie eine "Gesellschaft" mit tatsächlich Schutzbedürftigem und Schutzbedürftigen umgeht, läßt sich ermessen, wie es um diese Gesellschaft außerhalb von Schönwetterperioden bestellt sein wird.
Schutzbedürftig sind Kinder, Alte, Kranke, Behinderte, Tiere und deren Refugien, kurzum alle die sich nicht selber zu schützen vermögen.
Und zwischen einer wahllos zusammengewürfelten Gesellschaft, deren Individuen nichts untereinander verbindet als dekadente Konsumsucht, Vollkaskomentalität und Verantwortungsabwälzung auf Dritte, aka "die Gesellschaft" auf der einen Seite und einem um seine tradierte Kultur und Herkunft wissenden, auf Zukunftssicherung bedachten Volk auf der anderen Seite, besteht nochmals ein fundamentaler Unterschied.
Treten zwei zahlenmäßig gleichstarke, auf gleichem materiellen Niveau ausgerüstete, gleich gut ausgebildete Armeen gegeneinander an, dann gewinnt immer die Armee, die ihre Heimat gegen den Angreifer verteidigt. Die Verteidiger der Heimat kämpfen für ihre eigenen Interessen. Die in ein fremdes Land eindringenden Invasoren dienen Interessen, die nicht ihre eigenen sind.
Ein chinesisches Sprichwort besagt sinngemäß: "Locke den Feind auf Dein Territorium, um ihn dort zu vernichten."
Conclusio:
Lautet die Aufstellung der Mannschaften "Gesellschaft vs. Volk", dann darf sich "die Gesellschaft" schon mal schön warm anziehen.