Dies ist eine logische Abfolge jüngster Entwicklungen, die man schablonenartig in zwei Stränge einordnen kann.
Erstens ist die fortwährende Verschärfung der Nutzung des Instrumentariums VS durch die Große Koalition und ihre eventuellen Ergänzungsspieler zu nennen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die 16 Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) dienen seit jeher, verstärkt aber seit dem Aufkommen wirkmächtiger Oppositionsströmungen in Deutschland, als Schild und Schwert des Establishments gegen dessen politischen Gegner.
Damit ist aber die ureigene Aufgabe des Geheimdienstes ins Gegenteil verkehrt, wie der Leiter des IfS, Erik Lehnert, zusammenfaßte:
Die Behörde verwendet ihre gesamte Kraft darauf, Gruppierungen zu beobachten und zu stigmatisieren, die nicht in der Lage sind, die Verfassung abzuschaffen. Womit sie sich nicht beschäftigt, sind diejenigen, die es aufgrund ihrer Machtposition tun können und derzeit auch tun.
Das Bundesamt und die Landesämter sind – im Regelfall – als dem jeweiligen Innenministerium unterstellte Einrichtungen explizit Entscheidungsträgern der »Altparteien« verantwortlich. Diese sind – ob rot, grün oder schwarz gefärbt – im Regelfall Gegner der Alternative für Deutschland (AfD) und ihres vorpolitischen Umfeldes.
Weil die AfD und ihr nahestehende patriotische Strukturen die »alternativlos« deklarierte Herrschaft der Altparteien kritisieren, die Bürger aber trotz massenmedialer Hatz immer noch in relevanten Teilen AfD-Sympathien kundtun, war die VS-Beobachtung von Teilen der Partei und ihres Vorfeldes eine logische Konsequenz – jedenfalls aus Sicht der Regierenden und ihren Verbündeten in Zivilgesellschaft und Medien.
Es geht also nicht um Inhalte, nicht um die Bekämpfung aggressiver Aktivitäten gegen Grundgesetz und Grundrechte – es geht um reine Machtfragen. Opposition, und zwar jede grundsätzlich ausgerichtete, soll behindert und ausgeschaltet, abweichende Meinungen sanktioniert werden. Der VS ist kein neutrales Instrument, sondern Machtmittel, keine abwägende Behörde, sondern politischer Akteur.
Zweitens muß in diesem Zuge an die erfolgreichste metapolitische Setzung der jüngsten Zeit erinnert werden: die linke Umdeutung des Charakters des bundesdeutschen Grundgesetzes (GG). Der frühe antitotalitäre Grundkonsens, der in der etablierten Politikwissenschaft der letzten Jahrzehnte extremismustheoretisch normiert wurde, ist aufgelöst.
Verkürzt dargestellt umfaßte dieser, daß die Verfassung durch eine »wehrhafte Demokratie« gegen all jene zu verteidigen sei, die beabsichtigen, die Grundrechte und ehernen Regeln des Grundgsetzes tatkräftig zu unterminieren. Dies bedeutete: Radikale Meinungsäußerungen von links bis rechts blieben innerhalb des Verfassungsbogens verortet, extremistische Auffassungen und gewaltaffine Ideologeme, die in die Praxis hineinwirken, nicht.
Diese Vorstellung, prominent vertreten durch Politikwissenschaftler um den Chemnitzer Forscher Eckhard Jesse und seinen Dresdner Kollegen Uwe Backes, wurde gekippt; das lag an Unzulänglichkeiten der eigenen Extremismustheorie ebenso wie an nachhaltigen Dekonstruktionsarbeiten linker Pressure groups bei fortwährender Wühlarbeit durch politmediale Akteure.
Besagten Interessengruppen von Antifa-Netzwerken über die Linkspartei und die ihr nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung bis ins sozialdemokratische und liberale Feld hinein gelang es, die Extremismustheorie auszuhöhlen und neue Inhalte zu plazieren. Antifaschismus, nicht Antitotalitarismus, Kampf gegen Rechts, nicht Äquidistanz gegenüber den Extremen – so wird die »wehrhafte Demokratie« als Gesinnungskomplex neu justiert, in der selbst für moderat patriotische Abweichungen gesellschaftliche Ächtung die Folge ist.
Um zu zeigen, daß es den »zivilgesellschaftlichen« Kräften genau darum geht, muß nicht in Antifa-Postillen und Gewerkschaftsverlautbarungen geblickt werden. Hier reichen bereits mainstreamigere Akteure aus. Thomas Dudek, Cicero-Autor für polnische und ostmitteleuropäische Angelegenheiten, ließ nach Bekanntgabe der VS-Beobachtung des IfS tief blicken:
Warum eigentlich erst jetzt? Das IfS verbreitet schon seit 20 Jahren rechtes Gedankengut.
Darum geht es dem Einheitsblock: Jedwedes »rechtes Gedankengut« soll fortan sanktioniert werden. Diese Projektion ist immanent verfassungswidrig, weil rechte Standpunkte naturgemäß von der GG-verbrieften Meinungsfreiheit gedeckt sind. Doch die antifaschistische Selbstentlarvung führt eben nicht, wie von antitotalitären Kräften in der Rechten geraunt, zu neuem Widerstandspotential breiter Schichten – im Regelfall interessiert das nur die ohnehin bereits Überzeugten.
Dies festzustellen, bedeutet nicht, vor dem zweifellos existierenden Kartell aus etablierten Medien, »Zivilgesellschaft« und Altparteien einzuknicken. Es gilt, so nüchtern wie nachdrücklich die eigenen Sympathisantenkreise und Umfeld darauf hinzuweisen, daß es diesem Kartell beileibe nicht um »Extremismus« geht: Sein Vorhaben ist die Denunziation aller rechter Standpunkte, obwohl diese, möglicherweise sogar »radikal« formuliert, vom Grundgesetz geschützt sind.
Der Ablauf war dabei so banal wie erfolgreich: Antifa-Gruppen, bei denen Verfassungsfeindlichkeit und Gewaltneigung obligatorisch sind, üben Druck aus, Journalisten, die zum Teil selbst in entsprechenden Strukturen sozialisiert wurden, greifen deren Recherchen in staatsnahen wie privaten Medien auf und erzeugen so eine Simulation, wonach deren »Analysen« (vulgo: Diffamierungen) gesellschaftlich relevant wären.
Daraufhin reagiert die »große Politik«, die ihrerseits auf den VS einwirkt – ein Beispiel hierfür ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh, der unverhohlen preisgab, daß diesbezüglich mit dem BfV-Chef Thomas Haldenwang (CDU) interagierte. Ist das schon der Anlauf zur Aufhebung der – grundgesetzlich garantierten – Gewaltenteilung? Es ist in jedem Fall ein weiterer Offenbarungseid eines Staates, der zur Beute von Union und SPD wurde.
Die diesen Kräften unterstehende Behörde verwendet ja seit Jahrzehnten ihre Kraft darauf, Gruppierungen zu beobachten und zu stigmatisieren, die nicht in der Lage sind, die Verfassung abzuschaffen. Womit sie sich nicht beschäftigt, sind just diejenigen, die es aufgrund ihren unangefochtenen Positionen in Ämtern und Würden tun können und immer dann, wenn es ihrem Komplex hilfreich erscheint, tatsächlich auch tun.
Das IfS hat derartige Probleme seit längerem als Forschungsbereich auf seinem Schirm. Der Jurist Josef Schüßlburner und der Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter hatten daher vor mehr als 12 Jahren im Auftrag des IfS einen – längst vergriffenen, aber aktuell bleibenden – Alternativen Verfassungsschutzbericht (580 S.) erstellt, der in der Frage mündete, ob der Verfassungsschutz nicht selbst verfassungswidrig sei oder wenigstens seiner eigentlichen Pflicht nicht nachkomme. Die Antwort lautete: ja.
Vollständig ausgeblendet werden in den VS-Berichten, die normale Demokratien nicht kennen, verfassungsfeindliche Positionen und entsprechendes Verhalten der etablierten politischen Kräfte. Diese einseitige Darstellungsweise der amtlichen VS-Berichte wird durch den bei amtlicher Verwendung rechtsstaatswidrigen Begriff des “Extremismus” herbeigeführt, der vermittels seines primär gegen politische Ideologien gerichteten Charakters unterstellt, daß etablierte politische Kräfte aufgrund ihrer weltanschaulichen Position, die stillschweigend von Staats wegen als gut und positiv eingestuft wird, von vornherein nicht verfassungsfeindlich sein können.
Im Alternativen VS-Bericht zeigen die Autoren, daß es aus den etablierten politischen Kräften (!) unter anderem Bestrebungen gegen
- die freiheitliche demokratische Grundordnung als rechtsstaatliche Herrschaftsordnung,
- das Selbstbestimmungsrecht des Volkes und die Volkssouveränität,
- die Verantwortlichkeit der Regierung,
- die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
- die Unabhängigkeit der Gerichte und
- die Gewaltenteilung gibt.
Neben diesem Buch waren es – wiederum – Schüßlburner und der Jurist Thor v. Waldstein, die einzelne Aspekte des VS-Komplexes untersuchten. Beide Studien sind für einen symbolischen Preis lieferbar (Schüßlburner: »Verfassungsschutz«; v. Waldstein: »Wer schützt die Verfassung vor Karlsruhe?«) und müssen als grundlegende Standortbestimmungen für Kommendes herangezogen werden – und zwar lagerübergreifend, weil dies bei weiterer doktrinären Antifaschisierung der Gesellschaft alle nonkonformen Kräfte betreffen kann und wird.
Schüßlburner analysiert beispielsweise, wie der VS das Mittel der »Zersetzung« anwenden kann. Die staatlich organisierte self-fulfilling prophecy der vermeintlichen »Radikalisierung« der Rechten kann heute problemlos nachgezeichnet werden. Man verschiebt das Fenster des Sagbaren kontinuierlich nach links, um dann vermeintlich sorgenbeladen festzustellen, daß der rechte Protagonist damit einen »Rechtsruck« forciert hätte, dessen logische Folgen eine Verdachtsfall-Beobachtung oder die verschärfte, also vollumfängliche Beobachtung seien.
In diesem Sinne weist Schüßlburner darauf hin, daß es einzig und allein in der BRD bereits ausreicht, verbal, womöglich unter Zuhilfenahmen von »kräftigeren Ausdrücken«, ins Visier des Inlandgeheimdienstes zu geraten, der entsprechende Vorgänge mittels V‑Leuten und anderen beauftragten Akteuren problemlos jederzeit selbst in Gang setzen kann. Wird eine Partei dem Establishment zu gefährlich, wird der Konkurrenzschutz in Gang gesetzt, das heißt Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, dann Steuerung einzelner Akteure einer Oppositionspartei, vermeintliche oder tatsächliche Radikalisierung, gefolgt von entsprechender kriminalisierender Berichterstattung der gebrieften Medien oder, bei politischer Relevanz des Akteurs, gar künftige Verbotsverfahren.
Dies alles ist eminent verfassungswidrig, so wie der Verfassungsschutz es in seiner derzeitigen Verfaßtheit ohnehin ist. Schüßlburner verweist auf Art. 3 (3) GG, wonach ein absolutes Diskriminierungsverbot der »politischen Anschauung« gebe, ferner verletze der VS die Allgemeinheit des die Meinungsfreiheit rechtmäßig einschränkenden Gesetzes im Sinne von Artikel 5 (2) GG. Damit aber sei der VS gegen das Rechtsstaatsprinzip gerichtet, welches eine weltanschaulich neutrale Staatsverwaltung garantiert.
Wird der VS aber wie heute verwendet – als Instrument der Herrschenden gegen unerwünschtes Gedankengut –, ist er selbst demokratietheoretisch fragwürdig. Art. 3 und 5 GG sind so zu verstehen, wie sie geschrieben stehen, worauf Josef Schüßlburner für das IfS hinweist:
Man darf eine politisch rechte Auffassung haben und sie in aller Freiheit auch verbreiten, um Anhänger und (bei Parteien) Wähler zu gewinnen, natürlich mit dem Ziel, Wahlen zu gewinnen, um dann parlamentarisch die Regierung stellen zu können.
Mit Schüßlburner kann aber auch darauf hingewiesen werden, daß die Notwendigkeit, eine Politik zu betreiben, die dem Erhalt des Souveräns des Grundgesetzes, des deutschen Volkes also, staatlicherseits – durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zementiert – ohne große Widersprüche als »extremistisch« gebrandmarkt werden kann.
Hier knüpft nahtlos eine zweite IfS-Studie an, die von Thor v. Waldstein erarbeitet wurde. Er zeigt, daß das, was bis vor wenigen Jahren eine Selbstverständlichkeit war – die Vorstellung, Deutsche in Deutschland sind das konstituierende Staatsvolk – zunehmend als Beleg für »Extremismus« herangezogen wird. Karlsruhe hat im zweiten NPD-Verbotsverfahren klargemacht, daß es die ethnokulturelle Existenz eines Volkes als verfassungswidriges Konstrukt begreift.
Damit, so v. Waldstein, passe sich das politisch besetzte Bundesverfassungsgericht auf juristischer Ebene der herrschenden Politik an, deren wesentliches Kennzeichen es ist, die Rechte des losgelösten Individuums gegen die Rechte der Gemeinschaft in Stellung zu bringen, was am Ende zu einer Auflösung aller Strukturen und Institutionen führe, in denen der Mensch Halt finden konnte (Ehe, Familie, Stamm, Volk usw.).
Diese Rechtsprechung sei weder mit Entstehungsgeschichte, Geist und Buchstabe des Grundgesetzes noch mit der bisherigen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, noch mit einer über Jahrzehnte hinweg geltenden Gesetzeslage in der BRD in Übereinstimmung zu bringen.
Die Studie kann hier bestellt werden, während ein entsprechender Vortrag v. Waldsteins im kanal schnellroda abzurufen ist:
Neben dem Alternativen VS-Bericht und den zwei Studien hat das IfS bei seinem Staatspolitischen Kongreß im vergangenen Jahr zudem mit Roland Hartwig den AfD-Fachmann für VS-relevante Fragen eingeladen.
Hartwig referierte am 1. Juni 2019 über die an v. Waldstein angelehnte Frage »Wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz?«. Auch dieses Video und diese Veranstaltung zeigen, daß das IfS den VS als Instrument der Herrschenden ernst nimmt, ohne die eigene Arbeit und die eigenen Gedanken ausschließlich entlang der drohenden Beobachtung auszurichten.
Das IfS wird nun rechtliche Schritte prüfen, eine Klage vorbereiten – aber dabei nie vergessen, daß auch diese zu beschreitenden Wege vom gegnerischen Komplex fest eingeplant sind: als Beschäftigungstherapie, als zu reißendes Finanzloch, als permanentes und lähmendes Ablenkungsgefecht.
Wer solidarisch sein und uns auf diesem schwierigen Weg begleiten möchte, ist herzlich eingeladen, seinen Beitrag zu leisten – jeder Cent hilft uns, die konstruktive Arbeit einer alternativen Denkfabrik in Theorie und Praxis fortzusetzen.
Zur Beobachtung des IfS an sich hat Institutsleiter Lehnert bei den Kollegen der Tagesstimme abschließend den Nagel auf den Punkt getroffen:
Das Prädikat „Verdachtsfall” wird in letzter Zeit derart inflationär vom Bundesamt für Verfassungsschutz verteilt, dass dieses „Geburtstagsgeschenk” keine richtige Überraschung für uns ist. Es ist aber interessant, dass das BfV und ausgerechnet jetzt damit bedenkt, weil sich an der Ausrichtung unserer Arbeit in den letzten 20 Jahren nicht besonders viel geändert hat. Auf Seiten des Verfassungsschutzes ist es dagegen zu einer Instrumentalisierung des Extremismusbegriffes gekommen, um mit seiner Hilfe unliebsame Meinungen zu stigmatisieren.
Mit Thomas Haldenwang steht dem BfV ein Präsident vor, der seinen Auftrag politisch interpretiert. Alles, was die linke Diskurshoheit gefährdet, soll entsprechend markiert, isoliert und schließlich vernichtet werden. Aber das Schwert „Verfassungsschutz” wird immer stumpfer, weil sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass es nicht zur Verteidigung des Grundgesetzes geführt wird, sondern um politische Konkurrenz auszuschalten. Das Spiel ist jedesmal dasselbe, ob es nun die AfD, die IB oder das IfS trifft.
micfra
Dazu kommt, dass unsere Verfassungsschützer den Sonntagsabendkrimi Tatort akribisch analysieren und für ihre Bewertungen nutzen. Jedenfalls muss man zu diesem Schluss kommen, wenn man Kommentare wie diesen auf Twitter lesen kann: "Der heutige #Tatort zeigt, dass #Extremismus & #Rassismus leider in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Das Problem #Rechtsextremismus wird noch immer als „männl.“ Problem wahrgenommen. Doch auch Frauen können extrem sein!" Abgegeben wurde diese brillante Analyse vom Verfassungsschutz-Präsidenten von Niedersachsen Bernhard Witthaut.