2010 – Mein Mishima
Den genauen Tag weiß ich nicht mehr, aber irgendwann im Winter 2010/11 brachte die Post einen großen Briefumschlag in mein Schülerzimmer, den ich neugierig erwartet hatte. Daß sich darin Material mit Sprengkraft befinden würde, ahnte ich zwar, hatte aber keine wirkliche Vorstellung von dem neuen Drall, den dieses Dynamit meiner Lebensbahn geben sollten.
Ein guter Freund, der längst ein Linker geworden ist und heute in Berlin lebt, hatte mich aufmerksam gemacht auf einen politischen Geheimtip, der sich wie ein Schwelbrand durch das musikalische Szeneamalgam aus Black Metal und Neofolk fraß, welchem ich mich damals zugehörig fühlte. Ein Magazin, rechts, radikal und selbstbewußt, aber auf eine andere Weise, als man das bisher kannte.
Der Name Yukio Mishima war mir – so möchte ich heute behaupten – damals nicht bekannt. Ich las ihn zum ersten Mal zwischen einer Handvoll anderer Überschriften auf dem Deckblatt der Zeitschrift, die ich aus dem Briefumschlag zog. Er wird mir nicht sogleich aufgefallen sein – irritierender erschien mir zu dem Zeitpunkt ein Aufsatz “Zur jüdischen Frage” – ein kurioser Titel, der nicht so ganz passen wollte zum eigentlichen Habitus der Veröffentlichung.
Die meisten Texte fand ich damals auch wenig zugänglich, einer jedoch erregte nachhaltig mein Interesse: Es war ein Autorenportrait von Daniel Napiorkowski, welches anläßlich seines 40jährigen Todestages das Leben ebenjenes Yukio Mishima skizzierte. Vier Seiten lang las ich gebannt über das undurchsichtige, facettenreiche Leben des Japaners – aber eigentlich las ich die ganze Zeit nur über seinen Tod, der mich – 17jährig – nach der Lektüre des Artikels nicht mehr losließ.
Irgendetwas war angefacht worden von dieser flüchtigen Bekanntschaft durch die Augen der Sekundärliteratur. Wenig später verschlang ich schon wie im Rausch Schnee im Frühling und Unter dem Sturmgott, nahmen die beiden Romane doch jeweils auf ihre Weise das gewaltsame Ende das Autors literarisch vorweg. Die schöne Geste und der große Tod hatten mich gefangengenommen. Keine Frage: Hätte damals jemand eine neue “Schildgemeinschaft” gründen wollen – ich wäre dabei gewesen.
Natürlich verhält es sich mit Mishima, wie mit den meisten literarischen Jugendhelden – je mehr man vom Menschen hinter den Büchern erfährt, desto größer wird das Unbehagen. Die meisten werden wissen: Mishimas Leben stand in seiner Sprunghaftigkeit und Perversion jenem anderer Bohemiéns in nichts nach. Das berüchtigte “Geständnis einer Maske” habe ich dementsprechend nie angerührt – ein Umstand, den ich auch heute nicht zu ändern gedenke.
Mit der Zeit, mit den Jahren verblaßte die Begeisterung – Der Tempel der Morgendämmerung steht bis heute nur zu einem Drittel gelesen in meinem Regal, Die Todesmahle des Engels tauschte ich gern gegen eine Ausgabe von Evolas Revolte. Denn obgleich man dem Japaner seinerzeit den Literaturnobelpreis zutraute, obgleich seine Erzählungen und Romane nach meinem Empfinden eine hohe literarische Qualität haben, bleibt doch die zentrale Achse, an der sich das Phänomen Mishima ausrichtet, jener 25. November, der nun ein halbes Jahrhundert zurückliegt.
Vor der düsteren und abgründigen Kulisse seines Lebens strahlt Mishimas Tat allerdings umso heller. Und ob er dabei selbst das Schwert führte, ob der Wahn einer aufbrechenden Psychose ihm den Stahl in die Gedärme rammte, oder ob es der Archetyp des Samurai-Ritters war, der seinen Körper in letzter Konsequenz für sich beanspruchte, das gehört zu den Mysterien, die dem Bild des abgeschlagenen Kopfes mit der aufgehenden Sonne auf der Stirn seinen bitter-süßen Geschmack geben.
Der Dichterkrieger an der Spitze seines Ordens, ein großes Fanal gegen die Entzauberung der Welt, gegen den umrühmlichen Fall eines göttlichen Kaisers, auch gegen den Schmutz, der auf der eigenen Seele liegt: “Vollendete Reinheit ist möglich, wenn Du Dein Leben in ein Gedicht verwandelst, das mit Blut geschrieben ist.”
Zehn Jahre ist meine erste Bekanntschaft mit Mishima, der Neuen Rechten und der Sezession nun her. Heute schreibe ich für die Zeitschrift, die ich damals neugierig aus dem Umschlag zog und nach der Lektüre mit gemischten Gefühlen zur Seite legte. Man kann also sagen: Heute gehören Tat und Wort, Blut und Gedicht für mich zusammen.
Hat mich also Mishima zu einem Rechten gemacht? Vermutlich war ich das auch schon vorher. Und es ist auch nicht so, daß mich die Lektüre jenes Autorenportraits von Napiorkowski unmittelbar zur politischen Aktion geführt hätte. Aber das Gesicht auf Seite 5 der Sezession Nr. 39 wird doch das erste bleiben, das mir auf dieser Seite des Ufers begegnet ist. Und gleichsam wie diese meine erste Druckausgabe als ein liebgewonnenes Erinnerungsstück in meinem Bücherregal liegt, so bleibt das Portrait Mishimas einstweilen weiter an der Wand meines Zimmer hängen, mit strengem Blick auf die Hantelbank und den Schreibtisch.
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In der aktuellen Ausgabe des Podcasts “Am Rande der Gesellschaft” findet Mishimas Todestag ebenfalls eine kurze, intensive Erwähnung.
Eine Graphic Novel über Mishimas Leben ist zudem beim jungen Comic-Verlag “Hydra Comics” erschienen.
Dietrichs Bern
Ich würde - wenn es so etwas gibt - Anstand, Ehrgefühl im besten Sinne, Pflichtbewusstsein, Aufrichtigkeit und Selbstdisziplin usw. als "rechts" identifizieren.
Ein Familienvater der des Nachts durch Homosexuellenbars streift hat nichts davon.
Und irgendwie typisch für solche Gestalten - gedient hat er natürlich auch nicht.