Der Herausgeber, Caspar von Schrenck-Notzing, hatte bei der Gründung 1970 lediglich an eine »Sammelstelle in der Sturzflut des Gedruckten« gedacht.
Die Autoren der »Sammelstelle« sollten für jene Leser des eigenen Milieus Pressematerial sichten und von klarem Standpunkte aus kommentieren, die selbst nicht oder nur unzureichend »quer« lesen könnten – etwa aus zeitlichen Gründen.
Nach wenigen Ausgaben war klar, daß Criticón mehr sein müßte als nur dies: Die Zeitschrift wuchs quantitativ wie qualitativ an, zu ihren prägenden Stammautoren zählten – neben weiteren – Armin Mohler, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Robert Hepp, Hans-Dietrich Sander, Alain de Benoist, Hans Werner Neulen und Günter Maschke. Die Spannbreite der Positionen war immens, der Blick auf das (und aus dem) Ausland obligatorisch, und fast jedes Heft versprach vielgestaltigen Lesegenuß.
Die Geschichte von Criticón endet – je nach Deutung – entweder im Jahr 1999, als von Schrenck-Notzing das mittlerweile ein wenig überlebte Projekt an mediokre Marktradikale übergab, oder aber erst im Jahr 2005, als
das Blatt den Gnadentod starb, ausgezehrt auch durch den Umstand, daß sich eine Neugründung unter dem Namen Sezession »am Markt« durchgesetzt hatte,
wie Martin Lichtmesz bilanzierte.
Das ursprüngliche Anliegen von Criticón, einen Anlaufpunkt in Gestalt präziser Presseauswertung und dergleichen zu bieten, bleibt jedoch zeitlos bestehen. Trotz Digitalisierung und dem wiederholt verkündeten »Ende der Zeitung« erweist sich die Medienwelt auch im Printbereich einstweilen als lebendig – was freilich nichts über die Qualität des Gedruckten aussagen mag.
In der Kolumne »Sammelstelle in der Sturzflut des Gedruckten« werde ich fortan in wöchentlichem Rhythmus auf Beiträge aus ganz unterschiedlichen Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und – erheblich seltener – virtuellen Formaten verweisen, indem ich diese kurz zusammenfasse und dort, wo nötig, kommentiere.
Eine Überschneidung mit den beliebten »Netzfundstücken« des Kollegen Jonas Schick wird vermieden – daher der Versuch einer Selbstbeschränkung auf Gedrucktes. Übrigens: In der Kommentarspalte des jeweiligen freitags veröffentlichten Beitrags können seitens der Leserschaft Artikelhinweise und Empfehlungen eingereicht werden – bis Donnerstagabend vor der nächsten Veröffentlichung. (Diese Kommentare gehen nicht online, sondern werden von mir gesichtet und auf mögliche Verwendung geprüft.)
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Der Debütbeitrag wird von Alexander Kissler eröffnet. Der pointiert schreibende Journalist, ehemals Cicero, arbeitet derzeit als Berliner Korrespondent für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Ist die Jubelarie, die im patriotischen Bereich ob der NZZ angeschlagen wird, oft übertrieben und gelegentlich auch bizarr, so birgt doch jede Ausgabe lesenswerte Berichte, Gespräche und Analysen.
Zu letzterem Segment zählt Kisslers Beitrag vom 5. Januar 2021 (zitiert wird bei der NZZ fortan stets nach der »Internationalen Ausgabe«). »Im Wahljahr 2021 kehren die Probleme zurück« versammelt sieben Grundannahmen zum Superwahljahr der Bundesrepublik Deutschland (Bundestagswahl, sechs Landtagswahlen, ferner Kommunales in Hessen und Niedersachsen).
Kisslers Thesen zusammengefaßt:
- Karten in Parteienlandschaft werden neu gemischt
- Die Verordnungspolitik kommt an ihr Ende
- Virologen sind wieder Virologen
- Die wirtschaftliche Krise spitzt sich zu
- Die Migrationsfrage kehrt zurück
- Der Niedergang der Kirchen beschleunigt sich
- Es bleibt turbulent
Fokussiert wird sich hier auf jene Belange, die für uns von besonderer Bedeutung sind. In vorliegendem Fall sind das die Thesen 4 und 5.
4. Die wirtschaftliche Krise spitzt sich zu
Der Spitzenkoch und selbständige Unternehmer Tim Raue erwartet, dass die Insolvenzen im neuen Jahr «rieseln werden wie Nadeln vom Weihnachtsbaum». Der Gastronom hat vor allem die eigene Branche im Blick, und da ist die Lage verheerend. Im Lockdown sind Hotels und Restaurants bis auf wenige Ausnahmesituationen geschlossen. Kein Hol-und-bring-Service kann die Verluste aus dem Weihnachtsgeschäft kompensieren.
(…)
Firmen ohne Kunden lassen sich nicht dauerhaft erhalten. Insolvenzen ohne Arbeitslosigkeit gibt es nicht. (…) Da ist es schwer, den Optimismus des Kanzlerkandidaten Scholz zu teilen: «Ich mache mir keine Sorgen um die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.»
Das Scholz-Zitat kann man recherchieren; es ist authentisch. Eines ausführlichen Kommentars bedarf es nicht, zeigt es doch auf, daß es sich Scholz und Konsorten längst in einem Paralleluniversum bequem gemacht haben, das durch jene Allgemeinheit finanziert (aber auch häufig: bewußt durch sie gewählt) wird, die mit Propagandafloskeln wie der obigen bei Laune gehalten wird.
Spannender wird es danach:
5. Die Migrationsfrage kehrt zurück
Die grösste Herausforderung der Jahre 2015 und 2016 wurde nicht gelöst. Sie wird mit Wucht wiederkehren: die Migrationsfrage. (…) Man wird sich in der deutschen Innenpolitik des Jahres 2021 wieder an die vertrauten Maximalpositionen zwischen einem Bleiberecht für alle und einem Aufnahmestopp für jeden erinnern. (…) Auf jeden Fall fände die Debatte unter verteilungsökonomischen Gesichtspunkten und deshalb in gereizter Atmosphäre statt.
Dies ist der entscheidende Unterschied zu 2015: Vor sechs Jahren traf die massive Zuwanderungsbewegung auf ein allem Anschein nach prosperierendes Land; die Migrationsfrage war tatsächlich primär eine migrationspolitische.
Sie schied Befürworter einer vollständig multikulturalisierten Gesellschaft (Grüne, Linke, teils SPD) von Anhängern einer etwas moderateren multikulturalisierten Gesellschaft (CDU/CSU, teils SPD) und einer nach Wohlstandsverträglichkeit optimierten multikulturalisierten Gesellschaft (FDP), während die Gegner einer multikulturalisierten Gesellschaft und Vertreter einer relativen ethnokulturellen Homogenität sich um die AfD scharten.
2021 wird dies anders sein, wie Kissler mit Recht vermerkt: Die »verteilungsökonomischen Gesichtspunkte« kontrastieren dann nicht nur Innen und Außen (vulgo: Einheimische und Fremde), sondern werfen in der anhaltenden und sich durch die Lockdownpolitik verschärfende Coronakrise auch die Frage nach dem »Wer profitiert?« und »Wer trägt die Last?« auf (vulgo: Oben und Mitte & Unten).
Denn profitieren werden, wie fast in jeder Krise, die Reichen und Superreichen (selbst Hans-Georg Maaßen monierte dies zuletzt), während das Rückgrat Deutschlands, der ehrwürdige Mittelstand, weiter erodiert und die Last in Form von erwartbaren Steuerbelastungen (offen oder verdeckt) zu zahlen hat.
Hier bedarf es einer unmißverständlichen Positionierung, die dem Wahlvolk verdeutlicht, daß mit einer patriotischen Kraft weder weitere Umverteilung von unten und der Mitte nach oben noch von Innen nach Außen geduldet würde. Politik für die Bevölkerungsmehrheit verknüpft fundierte Migrationskritik mit einer volkswirtschaftlichen Parteinahme für Arbeiter, Selbständige und standortgebundenen Mittelstand. Das wäre nicht nur inhaltlich korrekt, sondern ist auch das einzig mögliche Alleinstellungsmerkmal einer Alternative.
Denn fest steht: Wirtschafts- und Migrationspolitik, die Thesen 4 und 5 Kisslers, verschmelzen 2021 mehr denn je. Es ist dies eine gigantische Chance für die AfD im Superwahljahr. Jedenfalls wäre sie es dann, wenn ihre Basis – erstens – den Spaltungstendenzen »von oben« einen Riegel vorschiebt, und zweitens, wenn die Impulse vom Bundesparteitag 2020 aufgegriffen werden in Richtung eines sozialkonservativen Patriotismus für die Bevölkerungsmehrheit, nicht für die oberen Schichten und Klientel, um die sich Teile des Bundesvorstandes aus ideologischen wie habituellen Motiven scharen möchten.
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Die »Sammelstelle« soll keine parteipolitische Analysekategorie werden – aber angesichts des Auftakts zum Superwahljahr sei diese Ausnahme gewährt. Denn auch in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit (2/2021) vom 7. Januar beginnt man 2021 mit einem Thesenbeitrag zu ebenjenem Jahr der Urnengänge.
In der Rubrik »Zeit im Osten« äußern sich Jana Hensel und Martin Machowecz zum Thema. »Ein Abgang in Würde« bezieht sich dabei auf Angela Merkels Abschied von der Bundeskanzlerschaft, die so in Stein gemeißelt noch gar nicht erscheint. Vielleicht wird sie auch, gebeten vom loyalistischen Apparat, zu einer weiteren Amtszeit zur Verfügung stehen, wenn Merz, Spahn, Laschet und Co. sich als unfähig erweisen, parteiintegrierend zu wirken?
Aber zum Beitrag: Entsprechend der Rubrik fokussiert man sich auf den Osten. Im April wird – Stand jetzt – in Thüringen gewählt, im Juni in Sachsen-Anhalt, im frühen Herbst in Mecklenburg-Vorpommern und natürlich bundesweit.
Hensel und Machowecz treffen dabei zunächst einen Punkt, denn »die AfD wird nicht einschmelzen oder verschwinden«. Auch die beiden Zeit-Journalisten verweisen einerseits auf die Rolle der Migrationsfrage und andererseits auf die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise: Werden diese »dramatisch«, würde die Alternative erheblich profitieren.
Hinzu komme, daß die AfD im Osten all jene repräsentiere, die sich gegen die Coronamaßnahmen der Bundesregierung wie der Länder stelle. In der Tat sorgt dies für Sympathien und Zustimmung seitens der eigenen Wählerschaft. Dies ist eindeutig ein Ost-Spezifikum. Denn im Westen der Republik gibt es erheblich höhere Zustimmungswerte zu Lockdown, rigiden Maßnahmen usw. als im Osten – für die AfD ein widersprüchliches Feld.
Die Thesen 2 und 5 sind an dieser Stelle vernachlässigbar. Denn daß der nächste Kanzler nicht aus Ostdeutschland stammen wird, ist marginal: Was half Ostdeutschland die Ära Merkel? Welche Relevanz hat im Multikulti-Berlin, ob der Regierende Bürgermeister ostdeutsch sozialisiert worden wäre? Und auch These 3 – »Manuela Schwesig wird ein Star. Oder sie bekommt ein Problem« – ist subaltern.
Spannend ist demgegenüber These 4. Dort heißt es: »Der Druck auf den Osten wird steigen«. Viele Westdeutsche seien von der Überrepräsentation ostdeutscher Themen und Probleme »genervt«, und jedes ostdeutsche Insistieren auf Lösungsansätzen für dort aufgeworfene Fragen sei nun »mit dem Risiko behaftet, eine gereizte Reaktion, eine Watsche zu ernten«. Nun, dies würde der Rolle der AfD als Repräsentationskraft des ostdeutschen Sonderweges eher dienlich sein, zumal dort, wo 2021 gewählt wird, bereits jetzt Ergebnisse von 20 % + erwartet werden dürfen.
Das führt zu These 6 der Autoren: »Kenia liegt im Osten«, sprich: Dreierkoalitionen nach dem Farbschema Schwarz-Grün-Rot werden zur Normalität. Woran das liegt, verraten Hensel und Machowecz nicht: an der starken Ost-AfD in den einzelnen Ländern, die Mehrparteienregierungen – oder gar Allparteienbündnisse einschließlich der Linkspartei? (siehe These 7) – erfordern, solange der Cordon sanitaire standhält.
Sollte dieser neuerliche antifaschistische Schutzwall, eine Wiederholung der Geschichte als Farce, jemals erodieren, so meine These zur These, wäre Sachsen-Anhalt die naheliegende Dammbruchstelle, weil dort in Teilen (!) jene christdemokratische Restvernunft anzutreffen ist, die Meuthen und Co. wohl bei einer Bundes-CDU »ohne Merkel« wittern.
Das führt zur Annahme Nummer 8: »Die Debatte um CDU und AfD wird nicht enden«. Die Kernaussage paßt hervorragend zur Sachsen-Anhalt-These. Hensel und Machowecz fassen objektiv die »Regel« der »ostdeutschen CDU« gut zusammen, was sich aus subjektivem Erleben durchaus bestätigen ließe:
Je weiter man hierarchisch nach unten schaut, umso geringer sind die Berührungsängste mit der AfD.
Nur: Haben im – auch in Ostdeutschland gut geölten – Apparat der Christdemokratie wirklich Basisavancen eine Chance auf Verwirklichung? 2021 ff. wird es zeigen. Nur dann wäre es, wie in These 9, nachvollziehbar, von einem »massiven Rechtsruck in Teilen der Gesellschaft« zu sprechen, der dringend notwendig ist; nur dann wird der Osten, wie in These 10 als Option präsentiert, »das Land erschüttern«.
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Erschüttert ist man beim – für den Autoren obligatorischen – Blick nach links. Was ist nur aus der traditionsreichen konkret (Gründungsjahr 1957) geworden? Das linksradikale Magazin (Untertitel: Politik & Kultur), bundesweit flächendeckend am Kiosk präsent, verfügt zwar noch über eine geschätzte Auflage im Zwischenbereich von 30.000 bis 40.000, aber auch über ein handfestes Problem.
Denn nach dem Tod des politisch dauerhaft irrlichternden, aber stilistisch genialen Hermann L. Gremliza im Dezember 2019 – ein starkes Porträt verfaßte Siegfried Gerlich – siecht die Qualität vor sich hin. Das unterstreicht die aktuelle Ausgabe (1/2021) einmal mehr.
Es geht dabei gar nicht um die Beanstandung ihrer Themen. Daß eine Zeitschrift der äußersten »progressiven« Linken entsprechend das Augenmerk auf Abtreibungspropaganda, Geschichtsverdrehung oder einen negativen NS-Fetisch legt: geschenkt. Daß die Autoren, etwa Peer Heinelt, allerorten »Nazis« in der Bundeswehr oder gar im Militärischen Abschirmdienst diagnostizieren: ebenso.
Und doch gelang es dem Magazin noch unter Gremliza, »wider den Stachel zu löcken«, und das hieß in diesem Kontext: Stamm- und Gastautoren stießen kontroverse, die Zeiten überdauernde Diskussionen in der linken Szene an, verärgerten das eigene Publikum oder beschimpften schlichtweg interne Kontrahenten. Das ist vorbei: Konformistische Rebellion und organisierte Langeweile begegnen einem in (fast) jedem Beitrag.
Eine Ausnahme ist das ideologiekritische Brüderpaar Johannes und Paul Simon, deren Buch zur Capitol-Stunde – »Eine Welt voller Wut«. Donald Trump und das Ende der US-Hegemonie – in der 100. Sezession (Februar 2021) rezensiert wird. Naturgemäß sind auch sie dem antifaschistischen Denkgebäude verhaftet, aber für heutige konkret-Relationen liest man ihre Artikel – beide Simons sind regelmäßige Beiträger – als wohltuende Ausnahmen.
Johannes Simon widmet sich in der aktuellen Ausgabe dem »Kapital in Dosen« – der Problematik der Impfstoffbeschaffung durch die Nationalstaaten. Angelegt an den Rechtswissenschaftler Axel Metzger formuliert er die zugespitzte Einsicht:
Im Kapitalismus geschieht nur, was Profit bringt (beziehungsweise bringen soll) – diesem Kriterium sind auch lebensrettende Medikamente unterworfen.
Man wird zweifellos nicht jedem Argumentationsschritt Simons zustimmen können. Aber daß man die Position der Kritik des Profitstrebens sowie der Konkurrenz in bezug auf medizinische Produkte auch rechts wahrnimmt, kann so falsch nicht sein.
Ohnehin ist der Text ein lehrreiches Stück über machtpolitische Interessen zwischen den Impfgiganten China, USA und der EU einerseits und eben dem Grundproblem einer dem freien Markt anheimgestellten Preisbildung bei womöglich lebensrettenden Pharmazeutika. Daß unabhängig von der aktuellen Coronaimpfdebatte jeder Staat in der Lage sein sollte, seinen Staatsbürger eine effektive Versorgungssicherheit zu bieten, wäre Simons Sache wohl nicht – kann aber als ein Zwischenfazit aus seinem Artikel gezogen werden.
Paul Simon nimmt sich derweil den aktuellen Bestseller und Everybody’s Darling der Buchwelt vor: den ersten Band der Autobiographie von Barack Obama: Ein verheißenes Land. »Nothing left« bietet einen Rückblick auf Obamas Präsidentschaft. Er zitiert Obama aus diesem Buch, der einräumt, bei Amtsantritt 2008 »eine leere Leinwand gewesen« zu sein, »auf die Unterstützer aus dem gesamten ideologischen Spektrum ihre Visionen von Veränderungen projizieren konnten«. Wer fühlt sich bei der Lektüre dieser Zeile nicht an den heutigen Kult um den »Anti-Trump« Joe Biden erinnert?
Simon klärt die Beweggründe für die »Verehrung«, die besonders in Deutschland auf ebenjene Leinwand projiziert wurde und zieht eine – recht desaströse – Bilanz der oftmals so verklärten Ära Obama. Daß Obama mehr Ausländer abschob als Donald Trump verwundert sicherlich sowohl konkret-Abonnenten als auch ihre rechten Gegner, aber sei nur am Rande vermerkt. Denn die schwerwiegenden Aspekte berührt Simon, wenn er Obamas moralisierende Kritik an den immanenten Fehler der US-Hegemonie und ihrer Folgen aufgreift und zeigt, daß der wohlfeilen Argumentation selten Handfestes folgte:
Obama beendete die CIA-Folterprogramme, stellte aber nie jemanden vor Gericht; er reduzierte Truppenstärken in aller Welt, verstärkte aber den bisweilen barbarischen Drohnenkrieg; er kritisierte die verhängnisvolle Nahostpolitik des Westens, reproduzierte diese aber (etwa in Syrien, was Simon unterschlägt) … kurz: Auch Obama nahm keinen Abstand vom ewigen Ziel, »den amerikanischen Einfluss in der Welt zu vergrößern«.
In diesem Sinne kann die erste Folge der »Sammelstelle« mit einem sprechenden Bild US-amerikanischer Kontinuität abgeschlossen werden:
Realsatire:
Diese drei zusammen haben Millionen Menschen in illegalen Kriegen rund um den Globus töten lassen, aber wollen heute die Gewalt im #CapitolHill verurteilen.
🤡🤡🤡 pic.twitter.com/dDBfmjvveN
— Manaf Hassan (@manaf12hassan) January 8, 2021
Maiordomus
@Criticon hatte zwar schon damals eine a u c h nationalkonservative Ausrichtung, war aber nicht nur nationalkonservativ, eher schon international-konservativ; nicht unwesentlich war natürlich damals auch die Auseinandersetzung mit Solschenizyn und Amalrik, sowie Grundsatzfragen mit Schwerpunkt Konservatismus. Der junge Martin Rhonheimer schrieb einen brillanten Essay über die drei Arten der Legitimation: die traditionale, die pragmatische und die transzendentale, wobei nur die letztere, welche dann auch wieder nicht überzubewerten war, ins Prinzipielle ging. Bei den Debatten stand sehr im Vordergrund die Frage, was "immer gilt", jedoch durchaus in traditionaler und pragmatischer Brechung. Selber las ich mit einem engen Kollegen, der es abonniert hatte, Criticon seit 1970, wurde dann mit der Zeit selber Abonnent. Das Ende habe ich unguter Erinnerung, es ging in Richtung Opportunismus, wie später "Mut".