Sammelstelle für Gedrucktes (12)

Wer meint, die neue »Identitätspolitik« (die Durchsetzung von oft konstruierten Minderheitsinteressen) sei nur »links« beheimatet (mehr hier), liegt falsch.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Auch im aka­de­misch rück­ge­bun­de­nen Zen­tral­or­gan des bür­ger­li­chen, ten­den­zi­ell CDU/C­SU-freund­li­chen Trans­at­lan­tis­mus, der Zeit­schrift Inter­na­tio­na­le Poli­tik, dringt die­ser Trend des Zeit­geis­tes vor.

Jan-Wer­ner Mül­ler trägt in der neu­en Aus­ga­be des »Maga­zins für glo­ba­les Den­ken« (Nr. 2, März/April 2021) The­sen zur Iden­ti­täts­po­li­tik zusam­men – sie sind ein inter­es­san­tes Bei­spiel für einen uni­ver­si­tä­ren Zugang, der dem meist infan­ti­len wie hys­te­ri­schen Gepol­ter der »woken« Cla­queu­re eine Art wis­sen­schaft­li­che Basis beigesellt.

Mül­ler ist nicht irgend­wer: Als Roger Wil­liams Straus Pro­fes­sor of Social Sci­en­ces an der welt­weit hoch­ge­ach­te­ten Prince­ton Uni­ver­si­ty, Fel­low am Wis­sen­schafts­kol­leg zu Ber­lin und am Excel­len­sclus­ter »SCRIPTS« an der Hum­boldt- sowie Frei­en Uni­ver­si­tät, eben­falls Ber­lin, ist er einer der ein­fluß­reichs­ten Den­ker des neu­en hege­mo­nia­len Libe­ra­lis­mus mit glo­ba­ler Reich­wei­te. Wer ihn den­noch nicht kennt, sei dar­an erin­nert, daß Mül­ler auch der bekann­tes­te (deutsch­spra­chi­ge) aka­de­mi­sche Geg­ner des popu­lis­ti­schen Phä­no­mens ist – eine mehr­fach auf­ge­leg­te IfS-Stu­die ging bereits auf sein Wir­ken ein.

Hat Mül­ler inso­fern Recht, als daß jede popu­lis­ti­sche Erschei­nung auch eine Reak­ti­on auf die herr­schen­de Pra­xis von (reprä­sen­ta­ti­ver) Demo­kra­tie und (gesell­schaft­li­chem, wirt­schaft­li­chem oder poli­ti­schem) Libe­ra­lis­mus ist, so scheint sein Dik­tum, wonach »Popu­lis­mus an sich nicht demo­kra­tisch, ja der Ten­denz nach zwei­fels­oh­ne anti­de­mo­kra­tisch ist« poli­tisch inter­es­sen­ge­lei­tet. Mül­lers Ansatz lief ja dar­auf hin­aus, den Popu­lis­mus (unab­hän­gig sei­ner stark vari­ie­ren­den kon­kre­ten Erschei­nungs­form) außer­halb des Bereichs des Akzep­tier­ba­ren zu stellen.

Her­vor­he­bens­wert erscheint ins­be­son­de­re sein Ver­such, den ange­nom­me­nen Anti­plu­ra­lis­mus der Popu­lis­ten als beson­ders unred­lich dar­zu­stel­len. Mül­ler wirft Popu­lis­ten vor, einen »mora­li­schen Allein­ver­tre­tungs­an­spruch« zu bean­spru­chen. Mit Ver­weis auf Jür­gen Haber­mas betont Mül­ler in einer Ana­ly­se, daß Demo­kra­tie ohne Plu­ra­li­tät nicht zu haben sei. Was Popu­lis­ten eine, so Mül­ler pau­scha­li­sie­rend, sei der Anspruch, exklu­siv das Volk zu ver­tre­ten, wäh­rend sich alle ande­ren Akteu­re auf­grund des All­machts­an­spruchs aus­ge­schlos­sen sehen wür­den. In der logi­schen Kon­se­quenz sind Popu­lis­ten dem­zu­fol­ge Antidemokraten.

Der zen­tra­le Aspekt, den Mül­ler ver­kennt, ist frei­lich, daß die­se Vor­wür­fe vor allem auf ihre Urhe­ber zurück­fal­len und somit wenig zu einer genui­nen »kri­ti­schen Theo­rie des Popu­lis­mus« bei­zu­tra­gen hät­ten. Denn es ist schwer bestreit­bar, daß gera­de das Kri­te­ri­um des »mora­li­schen Allein­ver­tre­tungs­an­spruchs« exakt gegen­läu­fig zu dia­gnos­ti­zie­ren wäre.

Schließ­lich agiert, um das deut­sche Bei­spiel auf­zu­ru­fen, die poli­ti­sche und media­le Füh­rungs­schicht des Lan­des in bezug auf AfD, IfS, Ein Pro­zent und Co. – sprich: das rechts­al­ter­na­ti­ve Feld inner- wie außer­halb der Par­la­men­te – ins­be­son­de­re mit mora­li­scher Beweis­füh­rung: Die Aus­zu­gren­zen­den wer­den wie »Unbe­rühr­ba­re« vom soge­nann­ten Dis­kurs aus­ge­schlos­sen (das ist offen anti­plu­ra­lis­tisch), bei Koali­ti­ons­über­le­gun­gen von vorn­her­ein exklu­diert (das ist latent anti­de­mo­kra­tisch) und fer­ner mit pejo­ra­ti­ven bis offen dif­fa­mie­ren­den Attri­bu­ten ver­se­hen (das ist moral­po­li­ti­sche Entgrenzung).

Der »mora­li­sche Allein­ver­tre­tungs­an­spruch« kenn­zeich­net dem­zu­fol­ge nicht, wie Mül­ler offen­siv ablen­kend meint, »die Popu­lis­ten«, son­dern viel­mehr »die Herr­schen­den«. Es ist in den letz­ten Jah­ren ihr eher­ner Grund­kon­sens gewor­den und stellt einen Umstand mit Trag­wei­te dar, den popu­lis­ti­sche Pro­test­par­tei­en oder ‑bewe­gun­gen man­gels kon­kre­ter Ein­fluß­mög­lich­kei­ten auf ihre Art und Wei­se gar nicht durch­set­zen könn­ten, selbst wenn sie in ihrer momen­ta­nen Bewe­gungs­pha­se, die in der Post-Trump, Post-Sal­vi­ni- oder auch Post-Migra­ti­ons­kri­se-Pha­se deut­lich abklingt, eige­ne Unter­schei­dungs­kri­te­ri­en (etwa das »gute Volk« gegen eine »kor­rup­te Eli­te«) ver­tre­ten mögen.

Mül­ler bedient sich iro­ni­scher­wei­se dabei genau jener Art und Wei­se, die die Ent­ste­hung von Popu­lis­men gera­de­zu begüns­tigt, die en bloc spe­zi­ell »gegen die beleh­ren­de Art der libe­ra­len Poli­tik« oppo­nie­ren, »bei der der Ein­zel­ne als Schü­ler betrach­tet wird, der von einer Eli­te erzo­gen wer­den muss« (Bernd Ste­ge­mann). Ein Vor­wurf an Mül­ler wäre es in die­sem Sin­ne, sich als Wis­sen­schaft­ler zum aka­de­misch beglau­big­ten Sprach­rohr eben­je­ner erzie­he­ri­schen Eli­te zu sti­li­sie­ren, womit wir wie­der bei sei­nen aktu­el­len The­sen zur Iden­ti­täts­po­li­tik ange­langt wären.

Mül­ler springt für die­se neue Iden­ti­täts­po­li­tik in die Bre­sche, indem er sie­ben (kri­ti­sche) The­sen zu ihr »auf den Prüf­stand« stellt, bes­ser gesagt: indem er ver­sucht, sie in wis­sen­schaft­li­chen Jar­gon geklei­det zu wider­le­gen. Auf­schluß­reich ist ein­lei­tend sein Ver­such, die Kri­tik an Iden­ti­täts­po­li­tik zu dele­gi­ti­mie­ren; das erin­nert an sei­ne Gene­ral­ab­sa­ge an popu­lis­ti­sche Elemente.

»Laut­star­ke Kri­tik an Iden­ti­täts­po­li­tik« sei als Ver­such zu verstehen,

die Arti­ku­la­ti­on wich­ti­ger Ansprü­che von Men­schen, die bis­her kei­ne oder zumin­dest kei­ne star­ke Stim­me hat­ten, mit einer uni­ver­sa­lis­tisch auf­ge­putz­ten Spra­che abzu­weh­ren – anstatt sich auf die­se Ansprü­che zunächst ein­mal einzulassen.

Man fragt sich, in wel­chen Sphä­ren sich der Autor bewegt, wenn ihm anschei­nend ent­geht, daß die »Ansprü­che« der woken Iden­ti­täts­po­li­tik, also pri­mär die »Ansprü­che« von ali­men­tier­ten »LGBTQ+«- oder »BiPoC«-Aktivisten, längst durch umfas­sen­de För­de­rungs­stra­te­gien sei­tens des Estab­lish­ments beant­wor­tet wer­den, daß man sich also mehr als nur auf sie »ein­läßt«.

Ob Öffent­lich-Recht­li­che oder Kon­zern­me­di­en, Schul­bü­cher oder moder­ner Fuß­ball: Seit Jah­ren fin­det ein Vor­marsch ent­spre­chen­der Ideo­lo­gen statt, und ihr Anspruch auf mehr »Sicht­bar­keit« meint her­un­ter­ge­bro­chen die For­de­rung nach noch bes­ser bezahl­ten »Jobs« qua Zuge­hö­rig­keit zu einem Empö­rungs­zweck­ver­band, der danach trach­tet, noch sei­ne zag­haf­tes­ten Kri­ti­ker wegzusäbeln.

Die­ses erfolg­rei­ches Pro­ze­de­re könn­te man »Can­cel Cul­tu­re« nen­nen. Aber Mül­ler läßt die­sen Gedan­ken nicht zu, im Gegen­teil: Er warnt davor,

sich rech­te ame­ri­ka­ni­sche Kampf­be­grif­fe wie Can­cel Cul­tu­re zu eigen (zu) machen.

Ja, Can­cel Cul­tu­re, die­se Erfin­dung rech­ter Amis. Daß ges­tern (25. März) der You­tube-Kanal von »Wir klä­ren das« gelöscht wur­de, nach­dem man dort über – hor­ri­bi­le dic­tu – Can­cel Cul­tu­re berich­te­te, ist sicher auch nur »ein Zei­chen man­geln­der Fantasie«.

Aber Mül­ler macht sich die­se Argu­men­ta­ti­ons­wei­se der for­mier­ten Iden­ti­täts­po­li­tik­bla­sen eben bewußt zu eigen und kri­ti­siert, wie sie, alle erdenk­li­chen Skep­ti­ker des iden­ti­täts­po­li­ti­schen Furors, dar­un­ter Gesell­schafts­wis­sen­schaft­ler wie Wolf­gang Stre­eck, His­to­ri­ker wie Andre­as Röd­der, Dra­ma­tur­gen wie Bernd Ste­ge­mann oder auch Sozio­lo­gen wie Andre­as Reckwitz.

Bei letz­te­rem stößt Mül­ler wohl auf, daß die­ser in sei­ner Ana­ly­se des »aper­tis­tisch-dif­fe­ren­zi­el­len Libe­ra­lis­mus« der Jetzt­zeit (aper­tis­tisch: öff­nend) nicht aus­rei­chend Ver­ständ­nis für Black Lives Mat­ter (BLM) und ande­re Iden­ti­täts­po­li­tik-Akteu­re auf­bringt. Mül­lers Ver­klä­rung der BLM-Sze­ne gip­felt in einer unver­hüll­ten Apotheose:

Man for­dert am Ende ein eigent­lich selbst­ver­ständ­li­ches Grund­recht ein: nicht von der Poli­zei erschos­sen zu werden.

Die­se (selbst)gefällige, pseu­doh­u­ma­nis­ti­sche und moral­po­li­ti­sche Atti­tü­de zielt mei­nes Erach­tens dar­auf ab, Kri­ti­ker von BLM und Co. außer­halb des Sag- und Trag­ba­ren zu stel­len – wie »die Popu­lis­ten« (sie­he oben). Denn wer nach einem sol­chen Auf­schlag noch BLM kri­ti­siert, könn­te sich impli­zit so dar­ge­stellt sehen, als ob er das Grund­recht auf Nicht-Erschos­sen-Wer­den unter­mi­nie­ren möchte.

Dabei geht es natür­lich bei BLM nicht um die­se tat­säch­li­che Selbst­ver­ständ­lich­keit, son­dern um hand­fes­te Inter­es­sen zur Durch­set­zung eige­ner ideo­lo­gi­schen Zie­le; anders gesagt: Die Selbst­ver­ständ­lich­keit wird als Instru­ment ein­ge­setzt, um eben­je­ne hand­fes­ten Inter­es­sen unan­greif­bar zu machen.

Mül­ler hin­ge­gen ver­sucht nicht, Gegen­po­si­tio­nen ver­steh­bar zu machen, um sie dann zu kri­ti­sie­ren, son­dern er erklärt ihre Beweg­grün­de schlicht­weg für nich­tig. Das betrifft spe­zi­ell rechts­ori­en­tier­te Strömungen:

Rech­te iden­ti­tä­re Poli­tik ver­langt auf den ers­ten Blick auch Schutz – etwa vor “Umvol­kung”. Aber sie kann nicht plau­si­bel machen, wor­in Dis­kri­mi­nie­rung oder Lei­den hier eigent­lich bestehen sol­len; es wer­den gar kei­ne Iden­ti­tä­ten angegriffen.

Tat­sa­che: Die ohne­hin von innen ero­die­ren­den Iden­ti­tä­ten wer­den durch die fort­schrei­ten­de Ver­ein­heit­li­chung der Welt und eine unver­hoh­le­ne Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung min­des­tens Euro­pas nicht ange­grif­fen, son­dern auf­ge­löst, was man frei­lich nur dann bean­stan­den kann, wenn man einen posi­ti­ven Iden­ti­täts­be­griff bean­sprucht und nicht, wie Iden­ti­täts­po­li­ti­ker, rea­le oder kon­stru­ier­te Iden­ti­tät als blo­ßes Vehi­kel zur Inter­es­sen­durch­set­zung mate­ri­el­len und macht­po­li­ti­schen Cha­rak­ters ein­set­zen würde.

– –

Kann Jan-Wer­ner Mül­lers Auf­schlag in der Inter­na­tio­na­len Poli­tik unter Umstän­den als ein Bei­spiel für einen rela­tiv alten, wei­ßen For­scher gedeu­tet wer­den, der sich an die aka­de­mi­sche Spit­ze der jung-woken Bewe­gung set­zen will, um nicht selbst dem Säu­be­rungs- und Diver­si­fi­zie­rungs­wahn sei­ner Jün­ger zu ver­fal­len (wes­halb ver­zich­tet Mül­ler eigent­lich nicht auf einen sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Reno­mee­pos­ten, um dort eine nicht­bi­när-pan­se­xu­el­le, schwarz-asia­ti­sche Anti­fa­schis­tin »sicht­ba­rer« wer­den zu las­sen?), kann Armin Pfahl-Traugh­ber als ein Bei­spiel für ein vor­sich­ti­ges Schlin­gern um das Iden­ti­täts­po­li­tik-Pro­blem her­um gelten.

Kurz: Der eine will gefal­len, um dabei blei­ben zu dür­fen, indem er sich selbst an die aka­de­mi­sche Spit­ze des Trends setzt; der ande­re will den Furor kri­ti­sie­ren, wobei ihm pri­mär die Nähe sei­nes unter­such­ten Gegen­stands zu »rech­ten« Denk­mus­tern in den Sinn kommt, um sei­ner Kri­tik die not­wen­di­gen Anti-rechts-Wei­hen zu verleihen.

Daher dia­gnos­ti­ziert Pfahl-Traugh­ber, ein Schnell­ro­da dau­er­o­ber­ser­vie­ren­der Stamm­au­tor der Platt­form »Blick nach rechts« und Pro­fes­sor an der Hoch­schu­le des Bun­des für öffent­li­che Ver­wal­tung, in Die Zeit (v. 18.3.2021) eine »Gefähr­li­che Nähe« zwi­schen lin­ker Iden­ti­täts­po­li­tik und rech­tem Denken.

Gen­re­ty­pisch für sei­ne Text­art ist das ver­meint­lich ein­fa­che Erklä­ren kom­ple­xer Sachverhalte:

Es gibt eine Iden­ti­täts­lin­ke, und es gibt eine Iden­ti­täts­rech­te. Es gibt aber auch eine Soziallinke.

Ja nun, dafür bedarf es kei­nes Arti­kels. Pfahl-Traugh­ber will aber gar nicht zuvör­derst durch der­ar­ti­ge Bana­li­tä­ten punk­ten, son­dern Äqui­di­stanz her­stel­len. Das gelingt ihm nicht, denn der Iden­ti­täts­lin­ken spricht er Legi­ti­mi­tät zu, der Iden­ti­täts­rech­ten spricht er sie ab:

Die Iden­ti­täts­lin­ke will sich für Min­der­hei­ten enga­gie­ren, die in der Gesell­schaft dis­kri­mi­niert wer­den. Dazu gehö­ren Diver­se, Homo­se­xu­el­le, Mus­li­me oder Schwarze.

Womit er schlech­ter­dings das ent­schei­den­de Axi­om der post­mo­der­nen Lin­ken für bare Mün­ze nimmt, anstatt die­ses als Wis­sen­schaft­ler ideo­lo­gie­kri­tisch auf­zu­drö­seln. Aber es geht ja um den guten Zweck, wohin­ge­gen die Rech­ten einen sol­chen nicht kennen:

Wel­che Posi­tio­nen ver­tritt dem­ge­gen­über die Iden­ti­täts­rech­te? Sie behaup­tet, sich für die Inter­es­sen des gan­zen Vol­kes ein­zu­set­zen, wobei es meist um die Ver­tei­di­gung von Pri­vi­le­gi­en geht – die Beschwö­rung einer “natio­na­len Iden­ti­tät” ver­deckt nur die beson­de­re Interessenlage.

Wie wäre es damit: Die posi­ti­ve Bezug­nah­me auf natio­na­le Iden­ti­tät als gemein­schafts­för­dern­dem Fak­tor ver­deckt nicht die »beson­de­re Inter­es­sen­la­ge«, son­dern ist eine sol­che? Mit der­lei nicht uner­heb­li­chen Kate­go­rien­fra­gen hält sich der Wis­sen­schaft­ler von Welt nicht auf. Er kommt zu sei­ner Par­al­le­li­sie­rung, die kei­ne sein will:

Auch wenn ihre inhalt­li­chen Dif­fe­ren­zen zu einer Iden­ti­täts­rech­ten offen zuta­ge lie­gen, so las­sen sich doch for­ma­le Gemein­sam­kei­ten erken­nen, die län­ger­fris­tig eine nicht unge­fähr­li­che Wir­kung ent­fal­ten könn­ten. Oder mit einem Wort der Phi­lo­so­phin Sus­an Nei­man: »Lin­ke Iden­ti­täts­po­li­tik öff­net nicht nur Türen, sie öff­net gan­ze Häu­ser der Rechten.«

Pfahl-Traugh­ber erläu­tert den (iden­ti­täts­po­li­tisch wohl eigent­lich up-to-daten?) Zeit-Lesern eine Binsenweisheit:

Die Ange­hö­ri­gen der Mehr­heits­ge­sell­schaft gel­ten ihnen prin­zi­pi­ell als dis­kri­mi­nie­rend, die Ange­hö­ri­gen der Min­der­heits­kul­tu­ren ent­spre­chend als dis­kri­mi­niert. Bei­des erscheint dann als Essenz der Gesell­schaft, was aber in die­ser All­ge­mein­heit nicht der sozia­len Wirk­lich­keit ent­spricht. Dar­über hin­aus ten­diert die Iden­ti­täts­lin­ke dazu, die Eigen­schaf­ten und Beson­der­hei­ten einer bestimm­ten Kul­tur festzuschreiben.

Teil 1 ist kor­rekt, Teil 2 wäre der Iden­ti­täts­lin­ken, wür­de sie die­sen Umstand nicht so ver­stie­gen und ins Gro­tes­ke gewen­det arti­ku­lie­ren, nicht vorzuwerfen.

»Eigen­schaf­ten und Beson­der­hei­ten einer bestimm­ten Kul­tur« sind in der Tat nicht auf immer und ewig sta­tisch fest­ge­schrie­ben oder deter­mi­niert; aber sie prä­gen und kon­sti­tu­ie­ren erst den rela­ti­ven Natio­nal­cha­rak­ter, machen die bewah­rens­wer­te, einst­wei­len noch real­exis­tie­ren­de Viel­falt der »Völ­ker­psy­cho­lo­gie« (Andre­as Von­der­ach) über­haupt span­nend und garan­tie­ren die Viel­ge­stal­tig­keit der Welt gegen­über dem Kon­strukt eines mensch­heits­un­mit­tel­ba­ren, aus tra­dier­ten Ver­hält­nis­sen los­ge­lös­ten oder »eman­zi­pier­ten« Individuums.

Pfahl-Traugh­ber setzt unge­ach­tet ent­spre­chend nahe­lie­gen­der Ein­wän­de fort:

Der iden­ti­täts­be­zo­ge­ne Anti­ras­sis­mus behaup­tet nicht, dass die Haut­far­be kei­ne Bedeu­tung mehr haben sol­le, ganz im Gegen­teil. Viel­mehr nei­gen Iden­ti­täts­lin­ke dazu, die Gesell­schaft anhand der Haut­far­be in eine dis­kri­mi­nier­te und eine dis­kri­mi­nie­ren­de Grup­pe einzuteilen.

Das mag so sein und macht die post­mo­der­ne Iden­ti­täts­po­li­tik so pene­trant. Aber das Pro­blem löst man ja nicht, indem man die­ser kämp­fe­ri­schen Inter­es­sen­po­li­tik Ratio­na­lis­mus und Indi­vi­dua­lis­mus ent­ge­gen­hält, son­dern indem man bei­spiels­wei­se pos­tu­liert, daß man ihr nicht ent­ge­gen­kommt, sie nicht frei gewäh­ren läßt, ihr kei­ne Reso­nanz­räu­me ver­schafft – wofür gewiß eine umfas­sen­de Keh­re in Poli­tik, Medi­en und Gesell­schaft nötig wäre, aber das ist sie ohne­hin, Iden­ti­täts­po­li­tik hin oder her.

»Zudem kur­siert unter Iden­ti­täts­lin­ken«, setzt Pfahl-Traugh­ber sei­ne Auf­klä­rungs­ar­beit fort,

die Auf­fas­sung, jede Beru­fung auf Men­schen­rech­te erfol­ge von einem “über­le­ge­nen Stand­punkt” aus. So wäre auch hier die Homo­ge­ni­tät einer Grup­pe wich­ti­ger als die Ein­hal­tung von Menschenrechten.

Er ver­kennt dabei, daß die Men­schen­rechts­auf­fas­sung, wie wir sie aus der soge­nann­ten »west­li­chen Welt« ken­nen und wie sie seit 1789/93 expan­siv ver­tre­ten (und glo­bal ver­brei­tet) wird, tat­säch­lich west­li­chen Ursprungs ist und der genu­in euro­päi­schen Auf­klä­rung als Epo­che der genu­in euro­päi­schen Geis­tes­ge­schich­te ent­sprun­gen war.

Alain de Benoist weist daher seit Jahr­zehn­ten dar­auf hin, daß man ange­sichts der glo­ba­len Viel­falt an zir­ku­lie­ren­den Men­schen­bil­dern bes­ser von »kul­tur­kreis­spe­zi­fi­scher Men­schen­wür­de« spre­chen soll­te anstatt von »uni­ver­sel­len Men­schen­rech­ten«. Ruft man letz­te­re nicht nur als (gewiß legi­ti­me) Wunsch­vor­stel­lung aus, son­dern als zu errei­chen­de glo­ba­le Pflicht, nimmt man das Bei­wort »uni­ver­sell« ernst und stülpt sie als »West­ler« geis­tig, volk­lich und/oder reli­gi­ös anders kon­sti­tu­ier­ten Kul­tur­räu­men auf, käme ein Wer­te-Impe­ria­lis­mus zu sich selbst – und das kam die­ser in der Geschich­te oft genug. Die Fol­ge waren in der Regel Inter­ven­ti­ons­krie­ge unter Anru­fung und bei Nutz­bar­ma­chung men­schen­rechts­uni­ver­sa­lis­ti­scher Theoreme.

Dies fest­zu­stel­len mag für einen Estab­lish­ment­schrei­ber eine »gefähr­li­che Nähe« nahe­lie­gend erschei­nen las­sen. Doch trifft dies nicht den Kern des Pro­blems. Es ist viel­mehr so, daß die pseu­do­kol­lek­ti­ve Iden­ti­täts­po­li­tik von links die Kehr­sei­te einer hyper­in­di­vi­dua­lis­ti­schen Gesell­schaft ist, gewis­ser­ma­ßen eine grund­fal­sche, hys­te­ri­sche Über­re­ak­ti­on auf Auf­lö­sungs- und Ver­ein­ze­lungs­pro­zes­se in Tat­ein­heit mit berech­nen­der Inter­es­sen­po­li­tik – hybri­de Iden­ti­täts­kon­struk­tio­nen als Geschäfts­mo­dell des woken Karrierismus.

Und auch die Beschwö­rung der »Spal­tung der offe­nen Gesell­schaft« führt nicht dort­hin, ist – einer­seits – die zeit­ge­nös­si­sche libe­ra­le Gesell­schaft doch bereits von sich aus und natur­ge­mäß man­nig­fal­tig gespal­ten (kul­tu­rell, reli­gi­ös, klas­sen­be­zo­gen, eth­nisch usf.) und bleibt – ande­rer­seits – das Ide­al­bild einer »offe­nen Gesell­schaft« selbst eine ideo­lo­gisch moti­vier­te Pro­jek­ti­on, kei­ne rea­le Bestandsbeschreibung.

In die­ser Kri­tik des uni­ver­sa­lis­ti­schen Einer­leis sieht Pfahl-Traugh­ber »for­ma­le Gemein­sam­kei­ten von Iden­ti­täts­lin­ken und Iden­ti­täts­rech­ten« auf­schei­nen, und:

Was Anti­uni­ver­sa­lis­mus und Men­schen­rechts­re­la­ti­vis­mus angeht, sind sie sich trotz unter­schied­li­cher ideo­lo­gi­scher Vor­zei­chen lei­der einig.

Abge­se­hen davon, daß »lei­der« als Wer­tung eines Wis­sen­schaft­lers ein wenig depla­ziert wir­ken könn­te, kann auf eine sol­che gleich­set­zen­de Art und Wei­se bei frap­pie­ren­der Igno­ranz der unter­schied­li­chen zugrun­de geleg­ten welt­an­schau­li­chen, anthro­po­lo­gi­schen und geis­ti­gen Para­dig­men wirk­lich alles irgend­wie par­al­le­li­siert werden.

Berüh­rungs­punk­te fin­det man immer, wenn man sich einen klei­nen Teil einer Theo­rie oder Ideo­lo­gie vor­nimmt und die­sen exklu­siv mit einem pas­sen­den, eben­so klei­nen Teil einer Theo­rie oder Ideo­lo­gie, von dem man aus­ge­hen kann, daß sie sich par­ti­ell über­schnei­den, vergleicht.

Das allei­ne recht­fer­tigt kei­ne Nähe-Zuschrei­bung und zeigt lapi­dar, daß sich die Estab­lish­ment-imma­nen­ten Kri­ti­ker der Iden­ti­täts­po­li­tik nicht (zu)trauen, ihr ent­spre­chen­des Werk zu ver­rich­ten, ohne sich gleich­zei­tig mit einer Huf­ei­sen­theo­rie für poli­tik­theo­re­tisch Arme »gegen rechts« abzusichern.

Der erfolg­rei­che Vor­marsch aggres­si­ver Iden­ti­täts­po­li­tik von links ist das Resul­tat der Unfä­hig­keit der bis dato hege­mo­nia­len »Mit­te«. Deren aka­de­mi­sche Ver­tre­ter wäh­len vor­aus­ei­len­de Sub­or­di­na­ti­on (Jan-Wer­ner Mül­ler) oder lavie­ren­de Äqui­di­stanz (Armin Pfahl-Traugh­ber). Bei­des ver­ge­gen­ständ­licht eine Kapi­tu­la­ti­ons­er­klä­rung des Geistes.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (12)

Laurenz

26. März 2021 09:12

@BK

Diesmal ist der Artikel etwas schwieriger zu lesen & zu verstehen, ließ sich wohl nicht vermeiden.

Wenn ich Ihre Recherche & Analyse über diese linken Papierverschwender lese, ob die nun Müller oder Hanswurst heißen, so macht mich das wütend.

"den Populismus (unabhängig seiner stark variierenden konkreten Erscheinungsform) außerhalb des Bereichs des Akzeptierbaren zu stellen."

Wer definiert das Akzeptierbare?

Desweiteren geht mir der latente Rassismus des Herrn Müller auf den Sack. Diese linke Minderheiten-Repräsentanz wider die Mehrheiten, existiert nur dort, wo Weiße Menschen leben, die nur ein achtel der Erdbevölkerung -, also selbst eine eklatante globale Minderheit darstellen. Es leben mehr Schwarze, & noch mehr Asiaten, als Weiße auf dem Planeten. Müller ist ein "anti-paleface"-Rassist.

Die linke Denklogik basiert nachwievor auf der ewig gestrigen "Weltrevolution", man möchte über den gesamten Planeten herrschen. Da ist es dann egal, ob sich der Neger in Europa oder Afrika aufhält, Hauptsache ist, daß man selbst zu den Herrschenden gehört.

RMH

26. März 2021 10:24

So, wie sich die Gesellschaft entwickelt, sind Deutsche recht bald die Minderheit in diesem Land. Wenn man alle, die auf dem "Irgendwer in der Ahnenreihe soll wohl deutsch gewesen sein- Ticket" gereist sind, abzieht, dann könnten sie es bereits sein. Nach der schrägen "Nur Opfer und Minderheiten haben Rechte Logik", die man natürlich nicht so simpel, wie sie ist, verkauft sondern mit einem elaborierten Code verbrämt, dann dürfen wir bald diese Identitätstheoretiker an ihre eigenen Thesen erinnern und fragen, na, haben wir jetzt Minderheitenschutz oder dann lieber doch nicht? Oder wie viele sollten besser noch wegsterben, bis dem Rest rudimentäre Rechte zugebilligt werden?

Gotlandfahrer

26. März 2021 12:06

Wer auf Habermas verweist ist raus. Für Professuren ist hinreichend, gequirlten Mist eloquent drapieren zu können. Der beste Begriff, den ich für die sich hinter geblähter Fassade zutragende Implosion des Geistigen, die uns mitreißen will, aufschnappte, ist „Wokoharam“.

„Müller verkennt… Müller bedient…, Müller springt…, Müller lässt nicht zu…“

Die Müllers verkennen alles, was ihnen nicht schmeckt.  Arbeiten Sie sich doch bitte nicht daran ab.  Es ist Projektion selbst nicht wahrnehmbarer Überforderung, mit Schlaraffenlanddenken ans Ruder gekommen zu sein.  Jedes Schlingern des Kahns lasten sie uns an, die wir beklagen, wie nicht zu steuern sei. Der Seelenverkäufer, auf dem wir alle fahren, hat einen Reeder, der für seinen Untergang Versicherungsprämien kassieren will.  Dafür hat er gezielt ihr eigenes Dasein verachtendes Charaktergesocks als Kommandoebene angeheuert, dem wir im letzten Hafen noch durch Arschtritte klargemacht haben, dass verlogene Witzfiguren keine Ansagen zu machen haben.  Die Fahrt zur Hölle ist suizidaler Rachekick an uns.  Zum Tatmotiv hier. Dieser C-Level hat die Blödesten, Gutgläubigsten und in ihr Sprechkönnen Selbstverliebtesten (die Müllers wie oben) aus der Crew zu Aufsehern und Steuermaaten hochgemobbt, die im Kentern die Hintertreibung ihrer Künste sehen.

Imagine

26. März 2021 12:24

Jede Politik ist sowohl interessen- wie auch ideologiegeleitet. Deshalb ist jede Politik „Identitätspolitik“.

Die materiellen Interessen der konkurrierende Gruppen und Klassen werden mit Ideologie verdeckt. Es wird so getan, als diene alles dem Gemeinwohl bzw. dem Volke.

Alle demokratische Politik in einem Parteienstaat mit antagonistischen Klassen ist durch Lüge und Heuchelei gekennzeichnet. Darin unterscheiden sich Liberale, Rechte und Linke nicht.

 

Laurenz

26. März 2021 13:57

@Imagine

"ist durch Lüge und Heuchelei gekennzeichnet. Darin unterscheiden sich Liberale, Rechte und Linke nicht."

Dem widerspreche ich. Jeder korrupte & heuchelnde "Rechte" ist kein Rechter. Er ist nur Salon-Linker in rechter Kostümierung.

Schauen Sie Sich das aktuelle, etwas lange Video/Interview mit Herrn Höcke an, interviewt von Herrn Stein (1%). Da definiert Herr Höcke recht genau, wo der Gegner sitzt & welchen Preis man dafür als Oppositioneller zu zahlen hat.

Amos

26. März 2021 20:34

Also, dass linke und rechte Identitätspolitik nur das Vorzeichen unterscheidet ist der Grundbaustein von Egon Flaigs „Niederlage der politischen Vernunft“. Er führt das hin bis zu sprachlichen Vergleichen Fanons und Rosenbergs. Die Überlegung hat ja was für sich. Die universelle Gültigkeit von Menschenrechten als Idee europäischen Ursprungs bringt das Problem der Intervention und der Überwältigung nichteuropäischer Kulturen hervor. Antwort linksidentitär: Ablehnung der universellen Gültigkeit bzw. Koppelung an die Bedingungen eines Täter-Opfer-Schemas und kulturell begründete Ausnahmen. Antwort rechtsidentitär: Verweis der universellen Gültigkeit in das Reich der Theorie, weil Rückbindung der Idee an ihre reale Durchsetzbarkeit in einem rechtlich definierten Raum, der notwendigerweise mit der Nation, also einem Fundus vor- rechtlicher, kultureller, sittlicher und religiöser Grundprägungen überlappt. In langen saturierten Friedenszeiten aufgrund einer einigermaßen funktionierenden rechtsidentitären Grundannahme wird die Frage nach der universellen Gültigkeit wieder en „woke“. Man legt die Axt an die Wurzel und das Ganze wird wieder „Idee“.

Imagine

27. März 2021 10:13

2/2

Die AfD erreichte ihren Zenit bei der Bundestagswahl 2017 und den Landtagswahlen 2019. Seitdem geht es unaufhaltsam bergab. Der Grund dafür ist offensichtlich: Die Anhängerschaft für eine explizit rechte Partei wie die AfD und die damit verbundene rechtspatriotische Kultur ist im heutigen Deutschland sehr gering.

Die AfD hat die Migrationspolitik und damit verbundene Umvolkung nicht beeinflussen können, die Rechten haben keine klaren Zukunftsziele und es fehlt die klare Abgrenzung zum Nazi-Milieu.

Das rechte Milieu spricht nicht die Mitte und die Intelligenzschichten an, sondern hauptsächlich bildungsferne Schichten. Das wird sich verstärken, weil der rechte Flügel in der AfD dort sein Wählerpotential sieht und deshalb auf Rechtspopulismus mit Björn Höcke an der Spitze setzt.

Wie sieht die Bilanz sechs Jahre nach 2015 aus?

Die nationalen Rechten und die AfD haben verhindert, dass sich eine breite und starke Sammlungsbewegung von links bis rechts gegen die Migrationspolitik in der BRD entwickelt. Der AfD ist es nicht gelungen, wirkliche alternative und realistische Zukunftsziele zu entwickeln und zu propagieren.

Die Rechten waren und sind Anhänger von Donald Trump, obwohl die USA seit langer Zeit einen Wirtschaftskrieg gegen die EU und insbesondere Deutschland führen. Es sind noch Fans von Trump und dessen Politik. obwohl dieser „America first!“ propagierte und mit Europa als eine Art US-Kolonie behandelt.

Gracchus

27. März 2021 13:20

Sehr starke Analyse, die es verdient hätte, dass ihre Gegner sich ernsthaft mit ihr auseinandersetzten. Leider ist die Linke, mit Steuergeldern gemästet, geistig träge geworden. Einst ein wildes Denken proklamierend, begnügt sich das linke Denken mit Warnhinweisen: "Gefahr!" Wo ist Hölderlin geblieben?

Ich plädiere für Universalität der Menschenrechte. Um daraus militärische Interventionen abzuleiten, bedarf es aber sichtlich Zusatzannahmen. Universalität an sich verteilt keine Mandate. Militärische Interventionen sind zwangsläufig mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. Ganz offensichtlich folgen sie auch ganz anderen Interessen. Letztlich handelt es sich um eine Perversion. Man kann darin die säkulare Fortsetzung christlicher Missionierung sehen, die man heute kritisch sieht (in manchen christlichen Kreisen fällt man heute in das andere Extrem). Insoweit ist nicht die Universalität kritisch zu sehen, sondetn die Missionierungsidee. 

Gracchus

27. März 2021 14:28

Die linke Identitätspolitik ist in heillosen Paradoxien verfangen. Klonovsky hat das schon mehrfach prägnant aufgespießt. Bestes Beispiel ist die Frauenquote, die ganz selbstverständlich an das biologische Geschlecht anknüpft, nicht an Gender. 

Jede Identität markiert eine Unterscheidung und ist ab- und ausgrenzend. Das beisst sich mit dem linken Egalitarismus. Hinzu tritt eine Quasi-Essentialisierung von Tätern und Opfern. Durch die Hintertür wird auch die Erbsünde eingeführt. Insoweit findet sich darin auch viel schlechte, weil unreflektierte Metaphysik. Absurd ist der aus dieser Rollenverteilung resultierende Diskurs, in dem von Angehörigen der Opfergruppe laufend die Unterschiede thematsiert werden, die von den Angehörigen der Tätergruppe nicht thematisiert, ja nicht wahrgenommen werden dürfen. Ungefähr so sinnvoll wie: Denk nicht an ...! 

Linke und rechte Identitätspolitik unterscheiden sich m. E. in der Zielsetzung. Die rechte Identitätspolitik zielt darauf, bestimmte Identitäten und Unterschiede zu stabilisieren und zu verstetigen; linke darauf, diese Unterschiede zum Verschwinden zu bringen. Abgesehen davon vertritt die identitäre Linke eigentlich keine gefestigte Identitäten, sondern Identitätsproblematiken. 

Unter Individualpsychologen dürfte es Konsens sein, dass ein Klient nur dann seine Probleme löst, wenn er sich vorher aus seiner Opferrolle löst. Wenn ich auf der Opferrolle meine Identität aufbaue, ist dieser Weg aber versperrt. 

Niedersachse

27. März 2021 20:09

@Imagine

1.) Mir geht Ihr links/ rechts- Gerede etwas gegen den Strich. Sie benutzen unzeitgemäße, weil nicht genau definierbare Begriffe. Nach der althergebrachten Bedeutung sind "Linke" die sich für die Interessen derer einsetzen, die man allgemein als die "kleinen Leute"bezeichnet, "Rechte" dagegen als die Interessenvertreter des Großkapitals und der Finanzwirtschaft. Dieser Logik nach zu urteilen, sind sämtliche Altparteien in Deutschland rechtsextreme Parteien, von den "Linken" bis zur "CSU". Ich denke nicht, das ein Ernst Thälmann heute noch in einer dieser Parteien wäre, auch nicht in der Linkspartei. Alle vertreten Konzerninteressen, wozu natürlich auch die Migrations, Klima wie auc die C19- Politik gehört . Es ist durch die Bank weg der gleiche globalisierungsfanatische, antideutsche,  zersetzende und Profitinteressen dienende Totaldreck, der auch die Medien durchsetzt hat. Die einzige Partei, die zumindest annähernd die Interessen des kleinen Mannes vertritt - auch wenn immernoch viele Funktionäre aus dem Großbürgertum in den Führungsgremien sitzen - ist nunmal die AfD.

Niedersachse

27. März 2021 20:44

2.)  Es stimmt, das die AfD vornehmlich von Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen gewählt wird. Und das ist ja auch folgerichtig. Sind die doch die ersten, die unter den Folgen der globalitischen  Konzerndiktatur, die die Altparteien vornehmlich umsetzen, zu leiden haben. Und die omminöse "Mitte"die Sie ansprachen, wäre gut beraten, es ihnen gleichzutun,.Auch sie hätte ein Interesse daran, in einem Land zu leben, wo die Politik dem Volkswohl dient. Natürlich könnte es eine breite antiglobalitische und patriotische  Sammlungsbewegung geben die sich dem Gemeinwohl und der Freiheitsrechte verschrieben hat. Gut zu sehen an den Corona- Protesten, wo neben der AfD und Deutschlandfahne, auch die Regenbogenfahne weht. Von der AfD wird "Querdenken" zu 99 Prozent zurecht unterstützt, wieviel sind es bei den Altparteien? Zumindest parlamentarisch ist eine Querfront momentan schlechterdings unmöglich. Wenn sich Mitglieder der Altparteien systemkritisch äussern oder betätigen, als Beispiel seien hier genannt David Claudio Siber (Ex- Grüne), Martin Heipertz (Ex- CDU) oder Ingo Paeschke (Ex- Linke), oder Sarrazin (Ex- SPD) dann werden sie von ihrer jeweiligen Partei  angefeindet oder ausgeschlossen.

Laurenz

27. März 2021 23:32

@Imagine (2)

"Die nationalen Rechten und die AfD haben verhindert, dass sich eine breite und starke Sammlungsbewegung von links bis rechts gegen die Migrationspolitik in der BRD entwickelt."

Nennen Sie uns doch bitte eine linke Kraft, die bereit wäre, mit Rechten zusammenzuarbeiten...? Reine Faselei....

"Der AfD ist es nicht gelungen, wirkliche alternative und realistische Zukunftsziele zu entwickeln und zu propagieren."

Sie haben das Parteiprogramm der AfD gelesen? Wohl eher nicht.

"Die Rechten waren und sind Anhänger von Donald Trump, obwohl die USA seit langer Zeit einen Wirtschaftskrieg gegen die EU und insbesondere Deutschland führen."

Sie theoretisieren doch sonst so gerne. Hätte Donald Trump keine Wirtschaftskriege gegen Mitbewerber-Staaten geführt (die EU ist der größte Protektionist der Welt), wäre er auch kein Nationalist. Deswegen kann man trotzdem den Mann gut finden, was nichts mit der Gestaltung von Politik gegenüber der USA aussagt. Trump war wohl der friedlichste Präsident in der us amerikanischen Geschichte.

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