Galt dies »rechts« einst (auf ihre jeweilige besondere Art) für Autoren wie Carl Schmitt, Arnold Gehlen oder auch Armin Mohler, ist es heute etwa bei Alain de Benoist der Fall. Aber auch im »linken« Beritt ließen sich hierfür – damals wie heute – markante Beispiele finden.
Zu den dort angesiedelten Denkern der Gegenwart zählt der Soziologe Wolfgang Streeck. Der ehemalige Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung hatte mit Gekaufte Zeit (2013/2015) einen Meilenstein zeitgenössischer Gesellschaftsanalyse vorgelegt (dessen Analysen auch Eingang in die Grundrisse des Solidarischen Patriotismus gefunden haben); im Sommer erscheint dann Streecks umfassende Fortsetzung: Zwischen Globalismus und Demokratie.
Streeck ist ein skeptischer, realistischer Linker, und als ein solcher diagnostiziert er die »Spätzeit der Demokratie insofern«, »als die Demokratie, wie wir sie kennen, auf dem Weg ist, als redistributive Massendemokratie sterilisiert und auf eine Kombination von Rechtsstaat und öffentlicher Unterhaltung reduziert zu werden« (in: Gekaufte Zeit).
Doch ausgerechnet das positive, zu bewahrende Element dieser bundesdeutschen Spätdemokratie, der Rechtsstaat, sieht sich bedroht, wenn die Politik auf Anraten ihrer akademisch beleumundeten Souffleure Lockdownregelungen implementiert, die juristisch angefochten werden und im Volk als zunehmend rational schwer vermittelbar gelten müssen.
Wolfgang Streeck interveniert deshalb und greift im druckfrischen April-Cicero (4/2021) zur Feder: »Die Gesellschaft ist keine Herde!« ruft er darin aus. Lediglich der Einstieg des Textes sieht sich bereits von den Entwicklungen überholt:
Am 4. März 2021 kam die Lockdown-Strategie der Pandemiebekämpfung unter dem Druck der Bevölkerung und im Angesicht der anstehenden Landtagswahlen zu ihrem verdienten Ende.
Von einem »Ende« kann freilich keine Rede sein, die Scharfmacher bringen sich täglich in Stellung – nach Ostern ist vor dem Pfingstlockdown? Indes: Streecks Einwurf setzt sich meinungsstark fort. Ihm scheint es,
als sei die Regierung Merkel endgültig in die Hände einer radikalen Minderheit von Epidemiologen, Virologen und Philosophen gefallen, die die Gesellschaft durch noch längere, noch härtere Kontaktverbote („nur noch zwei bis drei Wochen“) auf Zero-Covid bringen wollte.
Wollte? Nungut, partiell überholt, wie gesagt, weshalb die Vergangenheitsform einfach als Präsens gelesen werden muß. Gültig bleibt dann die grundsätzliche Analyse:
Die Politik des Lockdowns beruhte auf der epidemio-virologischen Prämisse, dass eine Gesellschaft zu Zwecken der Pandemiebekämpfung wie eine Herde behandelt werden kann: als Anzahl gleichartiger, in undifferenziertem Kontakt nebeneinander lebender, durch Infektionswege zufallsverteilt verbundener Organismen.
Mithilfe dieses Modells, so erklärt Streeck, lasse sich nach Ansicht der Verantwortlichen vorstellen,
wie schnell ein gegebenes Virus sich in einer solchen, als Herde stilisierten Population mit welchen Folgen verbreitet, insbesondere mit wie vielen Erkrankungen und Sterbefällen zu rechnen ist und wann, wenn überhaupt, die Zahl der genesenen Individuen hoch genug sein wird, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen oder gar zu beenden („Herdenimmunität“). Interventionen auf dem Weg dorthin bestehen vor allem aus Kontaktunterbrechungen und Impfungen, administriert von den Hirten.
Die Crux dabei bleibt:
Eine Gesellschaft ist aber keine Herde,
weshalb Streeck diese Herangehensweise in toto verwirft:
Gesellschaften haben eine Struktur, ihre Mitglieder unterscheiden sich mehr, als Schafe sich unterscheiden. Sie gehen unterschiedlichen Tätigkeiten nach – teilen sich die Arbeit – und bilden Untergruppen und Teilgesellschaften mit eigenen Lebensweisen und eigensinnigen Überzeugungen.
Weil aber die moderne, in sich zerklüftete Gesellschaft (die längst keine Gemeinschaft mehr darstellt) Widersprüche in sich birgt, werde Politik benötigt, und zwar
zur Ordnung des Pluralismus der gesellschaftlichen Zwecke, am besten in einem offenen Prozess, der die Gesellschaft als aktive, zu Einsicht und Selbstreflexion fähige Gesellschaft einbezieht, statt über sie zu verfügen: Demokratie statt Herdenbewirtschaftung.
Man kann einwenden, daß Streeck hier den entscheidenden Schwachpunkt seines eigenen Politik- und Gesellschaftsbildes offenlegt (ein optimistisches Menschenbild), aber dies zu bekritteln ist hier nicht das Entscheidende.
Wichtiger ist, daß er jenen »offenen Prozeß« anspricht, der sich längst durch Kungelrunden (aka Merkel + Ministerpräsidentenkonferenz) negiert sieht, die – auf selektive Weise wissenschaftsgläubig – ihren Entscheidungen objektiv schwer haltbare Prämissen zugrundelegen.
Als allseits bekanntes
Beispiel mag die sogenannte „Sieben-Tages-Inzidenz“ (STI) dienen, mit der im Herdenansatz die Schwellen definiert werden, an denen verschiedene Kontaktverbote einsetzen oder gelockert werden sollen. Eine STI von 50 bedeutet, dass in den zurückliegenden sieben Tagen 50 Menschen pro 100000 Einwohner positiv getestet wurden, also 150 in einer Stadt mit 300 000 Einwohnern oder rund 21 pro Tag, entsprechend 0,007 Prozent. Auch wenn die meisten dies für die Zahl der Neuinfizierten halten – ein Irrtum, der von den Medien nur selten aufgeklärt wird –, handelt es sich tatsächlich nur um die Zahl der positiven Tests, soweit diese dem zuständigen Gesundheitsamt angezeigt wurden.
Aber die Art und Weise der angezeigten Sieben-Tages-Inzidenz erfüllt noch eine andere Funktion in der Wahrnehmungspolitik der Etablierten:
Eine STI von 50 hört sich nach mehr an als 0,05 Prozent (ein Zwanzigstel eines Prozents), und das soll sie wohl auch; tatsächlich aber ist die Zahl zu niedrig. Eine Konsequenz davon ist, dass der Anteil der Angesteckten, die Symptome entwickeln, sowie der schwer Erkrankten und der Verstorbenen, also das mit einer Ansteckung verbundene Risiko, gut dreimal höher erscheint, als es in Wahrheit ist.
Das Absurd-Reale ist nun, daß auf Basis dieser fragwürdigen STI-Ausgestaltung tatsächlich über das Schicksal Hunderttausender, wenn nicht Millionen Arbeitsplätze entschieden wird. Wissenschaftlich ummäntelte Willkür, irrationale Lockdownpolitik, schwer belegbare Ziffernspiele.
Denn:
Jede STI als Schwellenwert für Lockerungen oder Verschärfungen, etwa 50, ist offenkundig gegriffen; niemand weiß, was sie wirklich aussagt, und tatsächlich wird ja immer, je nach Bedarf und Interesse, stattdessen mit 100, 35 oder gar Null geliebäugelt.
Rückhalt holt sich die Bundesregierung für dieses gesellschaftsspaltende Spektakel nicht nur bei dem offiziellen »Narrativ« verpflichteten Virologen und Philosophen, sondern der Weltgesundheitsorganisation. Auch für sie ist ja der pauschalisierende Lockdown in seiner jetzigen Gestalt »das Mittel der Wahl«.
Streeck behält einmal mehr Recht, wenn er schlußfolgert, daß dies
nicht überraschend für eine Organisation (sei), die zu weit von den Besonderheiten einzelner Gesellschaften entfernt ist, um sie berücksichtigen zu können.
Nebenbei kann man »Abweichler« vom Lockdown-Kurs stringenter maßregeln; Streeck nennt dieses Prozedere »soziale Disziplinierung durch moralischen Druck«.
Man nutze die Chance, der
in der Globalisierung sich auflösenden, immer unregierbarer werdenden Krisengesellschaft
eine »unbedingte Solidarität« zu verordnen. Solidarität –
nicht zuletzt mit der Regierung!
Ohne es wörtlich auszusprechen stellt Streeck die Mehrheitslinke in Deutschland unter Kollaborationsverdacht mit der Merkel-Regierung, indem er direkt im Anschluß die Lockdown-Verschärfungsforderungen von »Zero-Covid, Null-Covid, 10-Covid-Enthusiasten« als »tendenziell totalitäre Ordnungsvisionen« geißelt.
Nur seinem Optimismus kann man sich – einmal mehr – nicht anschließen. Streeck meint, die herrschende Politik des Lockdowns lasse sich »nicht lange durchhalten«, schon jetzt beginne »die Arbeit an Prävention und Therapie«.
Ich fürchte vielmehr, Streeck kann diese Passage für den April-Cicero 2022 zur Wiedervorlage einreichen.
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Streeck steht, der Einwände ungeachtet, für eine vernunftorientierte Minderheitslinke, wie es sie im publizistischen, wissenschaftlichen und politischen Feld noch in Einzelpersonen gibt. Neben Streeck wären auf diesen drei Feldern unter anderen auch Hannes Hofbauer, Bernd Stegemann oder Sahra Wagenknecht anzuführen.
Die Mehrheitslinke hingegen ist mehr denn je antifaschistischen und damit eben »tendenziell totalitären« Ideologiefragmenten verfallen, radikalisiert sich zunehmend und kann dabei auf die Relativierung ihres Tuns durch Mainstreampresse und Mainstreampolitik vertrauen, immer häufiger auch auf das Wegsehen des Rechtsstaates.
Das Compact-Magazin hat sich dieser Problematik verschrieben und ein Sonderheft vorgelegt: »Antifa. Die linke Macht im Untergrund«. Man kann über den Titel streiten, da sich »die Antifa« gar nicht immer des Untergrundes bedienen muß, weil ein buntes, vielfältiges und eben antifaschistisches Milieu namens »Zivilgesellschaft« ihr jenen öffentlichen Operationsraum samt elementarer Sicherheitsstrukturen verschafft, der für ihr Tun nötig ist. Aber dieser Einwand ist ebenso vernachlässigbar wie der Produkttext dieses Compact-Spezials, der Unsinniges von Ignazio Silone wiedergibt.
Wichtiger ist hervorzuheben, daß dieses Heft eben gerade nicht all den Vorurteilen, die man mittlerweile dem Magazin gegenüber hegt, entspricht. Vielmehr handelt es sich dabei um Gegenaufklärung im besten, allgemeinverständlichen und damit zur weitesten Verbreitung sich eignenden Sinne.
Alleine das einführende Zitate-Konvolut kann man sich abheften, spricht es doch Bände über die Fremd- und Eigenwahrnehmung antifaschistischer Strukturen in der BRD. Klassiker (»Linksextremismus ist ein aufgebauschtes Problem«, Manuela Schwesig) sind ebenso enthalten wie Fundstücke verschiedener Art:
Es ist erschreckend, wie sehr sich das nihilistische Mantra von der ”freien Meinungsäußerung” in den öffentlichen Diskurs eingebrannt hat. (antifa-kampage.info nach Angriff auf AfD-Wahlstand in Schorndorf, 21.2.2021)
Wenn Sophie Scholl heute noch am Leben wäre, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie Teil einer lokalen Antifa-Gruppe wäre. (Carola Rackete, Twitter, 22.2.2021)
Niemand muss zwei Meter groß sein und krasse Muskeln haben, um Nazis anzugreifen. Dazu gibt es Waffen. (…) Wenn wir Nazis angreifen, ist das für uns kein Sport. Das hat nichts mit Fairness zu tun. Nazis sind für uns keine Gegner in einer Sportart. Deswegen sind wir immer mehr, und es ist immer unfair. (Antifa-Aktivist, Vice, 20.8.2019)
Nach den Zitaten folgt ein Grundlagenbeitrag des dieses Heft prägenden Compact-Redakteurs Mario Alexander Müller. Sein mehrseitiger Text über die Geschichte der Antifa-Bewegung mit dem Schwerpunkt der militanten 1990er Jahre ist sowohl eine kundige Einführung in ein notorisch kriminelles wie gut vernetztes Milieu als auch ein Abräumen von diversen Mythen über Antifa-Erscheinungsformen.
Daß Müller hierbei am Ende die Wendung von der »Staats-Antifa« bemüht, wirkt nur auf den ersten Blick effektheischend. Er versucht es durchaus stringent zu belegen und kann deren eigene Zeitzeugen als Gewährsleute anrufen, denn:
Die Frage, was die linken Gewalttäter von damals heute machen, beantworten sie selbst: «Die sind heute Lehrer oder Geschichtsprofessor oder in einer PR-Abteilung beschäftigt, wo auch immer», sagt Roger Ottenheimer, Gründungsmitglied des Süddeutschen Antifa-Treffens, 2014 im Interview mit Neues Deutschland. Aus den autonomen Terrorzellen der 1980er Jahre ist die Staats-Antifa von heute geworden.
Flankiert wird Müllers Aufklärungsarbeit durch einen Aufsatz Manfred Kleine-Hartlages. Er widmet sich dem Antifaschismus als Verhaltensmuster und zeigt Kontinuitäten von den 1920er Jahren bis heute auf.
Deutlich wird: Antifaschismus ist primär keine rational verstehbare Geisteshaltung, die sich realen faschistischen Bestrebungen entgegensetzt, sondern ein Vehikel zur Gesellschaftstransformation und ein Begründungstool zur Ausschaltung politischer Gegner, da jeder zum »Faschist« erklärt werden kann, der antifaschistischen Haßproduzenten bei ihren Vorhaben widerspricht: Antifaschismus heißt im eigentlichen Sinne Ausschaltung des Andersdenkenden, nur die Methoden variieren.
Kleine-Hartlage bilanziert treffend:
Geändert haben sich die Parolen, nicht die Mentalität der Leute. Es ist immer derselbe Typ – ein Typ, den man nicht an seiner politischen Ideologie, sondern an seinem Charakter oder vielmehr dessen Abwesenheit erkennt.
Zwischentöne gibt es zu diesem Thema von Chefredakteur Jürgen Elsässer, der beschreibt, wieso die Antifa-Bewegung nicht immer »volksfeindlich« gewesen sei und was dies mit der deutschen Wende von 1989–1991 zu tun hat.
Da er den Atombomben-Aufruf aus der Feder Wolfgang Pohrts von 1991 erwähnt, mit dem er 1993 auf dem legendären konkret-Kongreß (vgl. »Sammelstelle« 9) auftrat, hätte man sich als Leser gefreut, wenn Elsässer seinen persönlichen Weg durch die radikale Linke, die ja mehr als nur das Antifa-Milieu beinhaltet, beschrieben hätte, sprich: Wie war das mit Wagenknecht und Held, Gremliza und Ebermann, Held und Fülberth?
Vielleicht ist Elsässer diese Geschichte aber auch zu persönlich – oder sie paßt nicht ins Konzept des Heftes, in dem nach dem Analyseteil ein Dossier über die linke Gewaltszene und aktuelle Fälle in Stuttgart, Berlin und Leipzig folgt, die von der Konzern- und GEZ-Presse weitgehend relativiert, wo nicht gänzlich verschwiegen werden.
Die Autoren um das Trio Mario Alexander Müller, Paul Klemm und Martin Müller-Mertens beleuchten daraufhin das bundesdeutsche Antifa-Milieu und ihre markanten Figuren der Öffentlichkeit; Martin Sellner bietet Einblicke in die austriakischen Besonderheiten des Antifaschismus; die Redaktion holt zum Teil aggressiv agierende Antifa-Photographen und ‑Journalisten samt Gönner aus der Deckung; eine Landkarte mit Antifa-Brennpunkten verdeutlicht die ubiquitäre Verankerung entsprechender Gruppierungen; Netzwerke rund um den antifaschistischen Multiplikator Matthias Quent und die Amadeu Antonio Stiftung werden vorgestellt und vieles mehr.
Wer diese Texte gelesen hat, ist erstens gut informiert, wenn wieder mal ein Gesprächspartner mit Relativierungen oder »Whataboutism« auf Erläuterungen über Wesen und Gestalt des Antifaschismus reagiert.
Zweitens kann kein AfD-Politiker oder sonstiger rechter Akteur von Verstand künftig Begriffe wie »Rotfaschisten«, »SAntifa«, »rote Nazis« und dergleichen Absonderlichkeiten verwenden – und tut er es doch, entlarvt er sich bereitwillig als jemand, dessen politische Aufnahmefähigkeit noch nicht einmal 80 Seiten Compact-Spezial verkraftet, womit er unter anderem belegen würde, daß ein Parlament nicht unbedingt das passende Habitat für seinesgleichen darstellte.
Drittens bleiben keine Zweifel mehr offen: Zeitgenössischer Antifaschismus ist nicht »nur« gegen »Nazis« oder »nur« gegen »Faschisten« gerichtet, sondern gegen alle, die vom linksliberalen bis linksradikalen »Grundkonsens« abweichen. Das Feld der bereits erfolgten Feindbestimmung reicht vom christlichen Abtreibungsgegner über professorale Euroskeptiker und Liberalkonservative zur AfD und Neuer Rechten und rechts darüber hinaus – weswegen dieses Thema auch alle Strömungen und Richtungen betreffen kann.
Abgeschlossen wird das Heft mit einem Aufruf Martin Sellners (»Wie wir den Terror stoppen können«). Sein Vorschlag: Die AfD als Zentrum des parlamentspolitischen patriotischen Lagers beruft »eine nationale Sicherheitskonferenz« ein.
Möglich wäre zudem, daß
völlig im Rahmen der Gesetze und keinesfalls klandestin eine private Sicherheitsfirma gegründet wird, die exklusiv für die Partei arbeitet und ihre Mitglieder gezielt für die Möglichkeit legaler Notwehr und Nothilfe schult. Regelmäßige Sicherheitsstreifen müssen AfD-Gebäude schützen.
Mag der Hinweis, daß »kein Infostand mehr ohne Security-Einheit statfinden« darf, regional ausdifferenziert und abgeschwächt werden, behält Sellner in einem entscheidenden Punkt Recht:
Die AfD hat die Mittel und Möglichkeiten dazu. Ihr bisheriges Vorgehen – der bizarre Opferstolz, mit dem man jeden neuen Anschlag als Beleg für das unfaire System präsentiert, aber sonst nichts unternimmt – ist selbstzerstörerisch. Beim Gegner ruft das kein Mitgefühl, sondern nur Hohn hervor. Auf die eigenen Leute wirkt es schwach und konzeptlos.
Sellner schließt seinen zweiten Beitrag (und damit auch das Compact-Spezial) mit einer direkten Ansprache an AfD-Sympathisanten und ‑Aktive:
Jeder Leser kann diesen wichtigen Schritt beschleunigen, indem er seinen örtlichen AfD-Politiker auf das Thema anspricht und ihm dieses Heft als Impulsgeber überreicht.
Das ersetzt nicht die zwingend erforderliche Weiterbildung der eigenen Abgeordneten, Funktionäre und Mitglieder in Fragen politischer Grundlehren, Grundbegriffe und Grundüberzeugungen – aber wäre immerhin ein Anfang.
Die anhaltende Naivität im Politischen führt ansonsten immer näher an den Abgrund.
Gustav Grambauer
15 x den Topos "Gesellschaft" gezählt. Muß man eigentlich den linken Wahnsinn übernehmen, sich anstatt auf Stamm, Volk und Nation notorisch auf das Konstrukt "Gesellschaft" zu beziehen?
Eine Übung hierzu: die ganze Skurrilität wird plastisch, wenn man sich mal in die Zeit zurückversetzt, in der die spitzzüngig-mokierend-anklagend-vernichtende Zuschreibung "Gesellschaft" noch unvorstellbar war und sich dann vorstellt, ein sinisterer arger Großwüterich (Karl Marx) käme daher und führte sie ein.
Wie ist denn die Zuschreibung "Gesellschaft" bei Marx zu verstehen? Sie kommt bei ihm von "feine Gesellschaft" und bezieht sich auf die empfundene proletarisch-revolutionäre Unbrauchbarkeit; in Analogie in dem Sinne, in dem meine Klassenlehrerin früher die Mädels, deren Habitus ihr nicht prol-rev genug war, voller Klassenhaß mit "Frollein" (Fräulein) angeschrien bzw. angegiftet hat.
"Nie sollt ihr so tief sinken ..." - Kästner
"Obzwar es Wahnsinn ist, so ist doch Methode darin" - Shakespeare
- G. G.