Letalität und Todeszahlen
Die anfänglich von der WHOkommunizierte Sterberate (Letalität) von über drei Prozent der Fälle (»reported cases«) ist wissenschaftlich irreführend: Während das RKIheute mit Hilfe von Modellierungen eine Letalität von ca. 1,1 Prozent angibt, ermittelte das Studienteam KoCo19in einer Münchner Stichprobe auf Grundlage empirischer Daten 0,47 Prozent, die Forschergruppe um Professor Hendrik Streeck, ebenfalls durch empirische Untersuchungen, eine Infektionssterblichkeitsrate von 0,36 Prozent.
Und der Professor für Epidemiologie und Bevölkerungsgesundheit an der Stanford-Universität, John Ioannidis, ermittelte empirisch 0,23 Prozent. Dieser Wert liegt knapp über der Spanne, die in der wissenschaftlichen Literatur mit 0,1 bis 0,2 Prozent für die saisonale Grippe angegeben wird. Unter Berücksichtigung der weltweit unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung errechnete Ioannidis eine Letalität (Infektionssterblichkeitsrate) von 0,15 bis 0,2 Prozent.
Der aktuelle Altersmedian der Verstorbenen mit positivem SARS-CoV-2-Testergebnis liegt bei 84 Jahren (»Täglicher Lagebericht« des RKIvom 9. März 2021). Das sind zwei Jahre über der allgemeinen Lebenserwartung (Altersmedian Verstorbener) in Deutschland im Jahr 2019. In der Grippesaison 2018 / 19 lag der Altersmedian der an Influenza Verstorbenen, den Meldedaten zufolge, bei nur 78 Jahren (RKI:»Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland Saison 2018 / 19«).
Demnach wirkte sich die Influenza bei jüngeren Bevölkerungsgruppen öfter tödlich aus als COVID-19. Entsprechend sind jüngere Menschen deutlich weniger von SARS-CoV‑2 betroffen als von Influenza. Die Fallzahlen bei Kindern und Jugendlichen sind im Vergleich zur Influenza in der Grippesaison 2018 / 19 gering. Die Altersgruppen null bis vier und fünf bis 14 Jahre machen nur 1,8 und 4,3 Prozent der gemeldeten Fälle aus. Bei Influenza der Grippesaison 2018 / 19 waren es in diesen Altersgruppen dagegen 13 und elf Prozent.
Auch eine ungewöhnliche Übersterblichkeit war im Corona-Jahr bisher nicht feststellbar. Eine abschließende statistische Analyse zur Beurteilung einer sogenannten Übersterblichkeit liegt zwar noch nicht vor (Statistisches Bundesamt: »Sterbefälle 2016 – 2021«, Sonderauswertung zu den Sterbefällen 2016 bis 2021, Stand 8. März 2021), bisher wurden jedoch lediglich temporäre Erhöhungen gegenüber den Vorjahren festgestellt, etwa im Dezember um 29 Prozent, ähnlich der Hongkong-Grippe 1969.
Aber auch in den Jahren 2017 und 2018 gab es durch die saisonale Grippe im Frühjahr ebenfalls temporäre Häufungen von Todesfällen (Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 044 vom 29. Januar 2021). Schon der Altersmedian der Verstorbenen legt nahe, daß eine Infektion mit SARS-CoV-2vor allem bei ausgeprägt vorerkrankten Menschen zum Tode führt. Daraus entbrannte eine öffentliche Diskussion darum, ob die Todesopfer nun an oder nur mit Corona verstorben seien.
Normalerweise wird jemand, der fünf Jahre lang mit einer Lungenkrebserkrankung rang und zuletzt eine Lungenentzündung nicht überlebte, den an Krebs Verstorbenen zugerechnet. SARS-CoV-2-Infizierte zählte das RKI hingegen auch ohne Kausalzusammenhangin die Sterbestatistik dieser Epidemie. Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Mortalität in Deutschland blieben offensichtlich überschaubar. Der Anteil von COVID-19an den Atemwegserkrankungen und die durch COVID-19-Patienten belegten Intensivbetten machten nur jeweils einen Bruchteil der Gesamtheit aus, und auch eine temporär aufgetretene Übersterblichkeit war vergleichbar mit vorigen Jahren.
Maskenpflicht und Hygiene
Gegen die PCR-Tests zur Feststellung von Infektionen mit SARS-CoV-2wurden schwere Bedenken geäußert. Der Test kann zwar spezifisches Virusmaterial feststellen, nicht jedoch im Einzelfall sicherstellen, ob das nachgewiesene Virusmaterial intakt und der Getestete erkrankt oder gar infektiös ist. Für das Schreckgespenst der »asymptotischen Infektionen« konnten bis heute kaum belastbare empirische Belege erbracht werden. Dadurch erscheint eine allgemeine Maskenpflicht fragwürdig, vor allem im öffentlichen Raum außerhalb von Gesundheitseinrichtungen.
Auch die geringe Anzahl gemeldeter Fälle von Influenza in der COVID-19-Saison 2020 / 21 sind nichts Ungewöhnliches und sprechen nicht zwingend für das Tragen von Masken: In den Saisonjahren 2011 / 12 und 2013 / 14 gab es auch ohne Maskenpflicht ähnlich geringe Meldezahlen für Influenza. Und gerade für diese Infektionskrankheit hatte die amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDCeine Metaanalyse empirischer Daten aus randomisierten und kontrollierten Studien mit dem Ergebnis publiziert, daß diese keinen Nachweis für die Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum erbringen konnten.
Der Einbruch an gemeldeten akuten respiratorischen Erkrankungen (ARE) und Influenza-ähnlichen Erkrankungen erfolgte etwa ab der 36. Kalenderwoche 2020, also mitten im August, lange nach der Einführung des ersten Lockdowns im März oder der Maskenpflicht Ende April und lange vor Beginn der erneuten Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen im Februar 2021.
Die Ursachen für den Rückgang der akuten respiratorischen Erkrankungen seit dem Sommer bleiben unklar. Möglich ist auch, daß die Besinnung auf ein seit Jahrzehnten bewährtes konventionelles Hygieneverhalten – wie etwa, Gesellschaft zu meiden, wenn man Krankheitssymptome aufweist – zu dem Rückgang beigetragen haben könnte.
Belege für die Wirksamkeit sogenannter nicht-pharmazeutischer Maßnahmen (Lockdown) stützen sich vor allem auf theoretische Modellrechnungen. Dies auch mit empirischen Analysen nachzuweisen erwies sich offenbar als schwierig. So wie die Auswertung der Meldedaten nach dem Infektionsschutzgesetz durch das RKIsich nur schwierig oder gar nicht direkt mit den Kontaktbeschränkungen in Zusammenhang bringen läßt, kommen internationale Analysen zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach entwickelt sich das Infektionsgeschehen weitgehend unabhängig davon, ob und welche Maßnahmen ergriffen wurden.
Kollateralschäden und Ethik
Die Warnungen von Experten vor unverhältnismäßigen Kollateralschäden wurden weitgehend ignoriert, obwohl der Bundesregierung bereits im Mai 2020 die interne Evaluation des Corona-Krisenmanagements eines Regierungsrats aus dem für den Schutz kritischer Infrastrukturen zuständigen Referat KM4im Innenministerium vorgelegen hatte.
Die unter Beteiligung externer Expertise angefertigte Analyse diagnostizierte gravierende Fehlleistungen des Krisenmanagements und kam zu dem Ergebnis schwerwiegender gesundheitlicher Schäden durch die Maßnahmen zum Infektionsschutz: »Der Kollateralschaden ist inzwischen höher als der erkennbare Nutzen«, heißt es in dem Dokument. Damit wurden die Ergebnisse zahlreicher wissenschaftlicher Studien und Analysen vorweggenommen, die später zu ähnlichen Schlußfolgerungen kommen sollten.
Dabei wurde auch die Warnung vor den Folgen der ökonomischen Auswirkungen wie Arbeitslosigkeit und Armut von prominenter Seite wissenschaftlich gestützt. Die Ausarbeitung wurde vom Ministerium jedoch als Privatmeinung verworfen (Deutscher Bundestag: Drucksache 19 / 19928, 19 / 20309). Während man im März 2020 der Regierung noch eine allgemeine Verunsicherung und die möglicherweise empfundene Pflicht zugute halten konnte, im Zweifel die Gefahr einer unbekannten Seuche schwerer zu gewichten als mögliche Kollateralschäden, so fällt auf, daß nach dem Frühling 2020 eine fundierte Nutzen-Schaden-Abwägung und die Prüfung von Alternativen zur bisherigen Pandemie-Politik unterblieben.
Unter anderem hätte der Ausbau der Intensivbettenkapazitäten, die personelle und materielle Ausstattung der Gesundheitsämter sowie ein Schutzprogramm für vulnerable Bevölkerungsgruppen nahegelegen. Statt dessen hatte die Führung Deutschlands immer noch kaum Kenntnis darüber, welche medizinischen Risiken ihre Politik für die Bürger des Landes barg: »Dezidierte Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung in Deutschland, die in Zusammenhang mit den Pandemie-bedingten Veränderungen im Versorgungsgeschehen stehen könnten«, lagen der Bundesregierung Ende Juni nicht vor (Deutscher Bundestag: Drucksache 19 / 21298).
Durch Stellungnahmen aus dem deutschen Gesundheitssystem und Untersuchungen aus dem Ausland waren zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits Hinweise und Daten über die medizinischen Kollateralschäden der Maßnahmen bekannt, die eigentlich ergriffen wurden, um die Gesundheit der Bevölkerung vor COVID-19zu schützen (Deutscher Bundestag: Drucksache 19 / 21015).
Auch der Anstieg der Suizide bzw. Suizidversuche war seit Mai öffentlich dokumentiert (Abgeordnetenhaus Berlin: Drucksache 18 / 19026). Die Bundesregierung schien an den vorhandenen Informationen über Kollateralschäden nicht sonderlich interessiert. Im Gegenteil, ein ausgesuchter Kreis von Beratern aus der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina riet der Regierung, den bisherigen Kurs fortzusetzen und zu verschärfen (»7. Ad-hoc-Stellungnahme« vom 8. Dezember 2020).
Impfen und Vertrauen
Vor über einem Jahrzehnt initiierte Wolfgang Wodarg die Untersuchungen des Europarates zur Schweinegrippe-Pandemie H1N1 2009/10. Damit sollte der Einfluß von Pharmakonzernen auf internationale, europäische und nationale Gesundheitsbehörden aufgeklärt werden. In ihrer daraufhin verabschiedeten Resolution listete die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf, wie verantwortungslos die H1N1-Pandemie gehandhabt worden war, und zwar sowohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch von den internationalen, europäischen und nationalen Gesundheitsbehörden.
Kritikpunkte waren die Verzerrung der Prioritäten in der Gesundheitspolitik, die zu einer Verschwendung öffentlicher Gelder und zu ungerechtfertigten Befürchtungen hinsichtlich der Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung geführt habe, und gravierende Mängel in bezug auf die Transparenz der Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit der Pandemie, die zu Bedenken hinsichtlich des möglichen Einflusses der Pharmaindustrie auf einige der wichtigsten Entscheidungen im Zusammenhang mit der Pandemie führten.
Die Versammlung befürchtete, daß dieser Mangel an Transparenz und Rechenschaftspflicht zu einem Vertrauensverlust in die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen führen könnte. Im Laufe des folgenden Jahrzehnts wurden die Risiken verzerrter Prioritäten dieser Politik deutlicher. Bei einem der Impfstoffe gegen die Schweinegrippe, der zumindest für Teile der Fachwelt unerwartet schnell und nach dem Konzept der »Musterimpfstoffe« zugelassen werden konnte (»Pandemrix® vor der Markteinführung«, in: Deutsche Apotheker-Zeitung 41 / 2009), wurde eine seltene, aber schwere Nebenwirkung nachgewiesen. Das Präparat Pandemrix konnte Narkolepsie auslösen.
In der COVID-19-Pandemie setzte die Regierung erneut auf Impfstoffe als Lösung, womit sie in der Bevölkerung sowohl Hoffnungen weckte als auch Ängste schürte. Vorbehalte gegenüber den eilig entwickelten und bedingt zugelassenen Impfstoffen gegen SARS-CoV‑2 / COVID-19sind naheliegend, vor allem, weil es sich bei manchem der Präparate um keinen konventionellen, sondern um einen neuartigen Typ von Impfstoff handelt, der den Mechanismus natürlicher Erreger nachahmt und das Erbmaterial des Virus mit künstlichen Nanopartikeln in die Zelle schleust. Die Zulassungsdaten ließen bei der untersuchten Studienpopulation in dem Untersuchungszeitraum auf keine ungewöhnlichen Impfreaktionen und Nebenwirkungen schließen.
Das Paul-Ehrlich-Institut meldete Mitte Januar 2021 »keine Sicherheitsbedenken bei Corona-Impfstoffen bisher« (Ärztezeitung, 2021), wobei mögliche Langzeitfolgen bei dieser Bewertung keine Rolle spielen konnten. Für Beunruhigung in der Öffentlichkeit sorgte zuletzt vor allem der Impfstoff von AstraZeneca, bei dem es sich nicht um Lipid-Nanopartikel mit RNS handelt, sondern um einen Vektorimpfstoff mit einem Adenovirus, das DNS enthält.
Die gemeldeten und mit Besorgnis diskutierten Fälle schwerer Impfreaktionen heben die Notwendigkeit sorgfältiger Überwachung gesundheitlicher Folgewirkungen hervor. Viele europäische Länder, darunter am 15. März 2021 auch Deutschland, setzten die Anwendung daher zunächst aus. Auch durch diese Vorgänge wird die allgemeine Verunsicherung mit einhergehendem Vertrauensverlust in die Gesundheitsbehörden deutlich.
Angesichts dieser Irritationen und der moderaten epidemiologischen Lage stellt sich auch hier die Frage der Verhältnismäßigkeit, ein ganzes Volk »durchimpfen« zu wollen.
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Alter weiser Mann
Vorbildlich sachlicher Artikel. Zwei Dinge fehlen m.E. Die Frage der Infektiösität und Aussagen dazu, ob das Verbot von Großveranstaltungen hier gebremst hat - mit dem Effekt des Ausbleibens der Herdenimmunität und hoher Ad-hoc-Sterbezahlen, die sich im Langzeitvergleich dann in die gewohnte Sterbequote ausgeglichen hätten.