Alexander Wallasch im Gespräch mit Götz Kubitschek
Wallasch: Es ist stiller um Sie geworden. Ihre Freunde wie Martin Sellner und Teile der AfD sind mit dem stärksten Bannstrahl der Republik bedacht, stehen im Verfassungsschutzbericht und wer auf den konventionellen Kanälen noch über diese Personen berichtet oder mit ihnen kommuniziert, wird ebenfalls gebannt mindestens auf Facebook, YouTube und Twitter. Was haben Sie also besser / anders gemacht oder nicht gemacht, daß Sie nicht im aktuellen Verfassungsschutzbericht auftauchen? Aber halt, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatte Sie extra noch auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Berichtes erwähnt, fast so, als wären Sie ihm versehentlich im Druckwerk durchgeflutscht. Was ist da passiert?
Kubitschek: Ich weiß nicht, was da passiert ist. Vielleicht mußte sich Thomas Haldenwang in der Nacht vor dieser Pressekonferenz mit schlechtem Sex zufriedengeben oder hatte einen Alptraum. So jedenfalls erklärten wir uns beim Militär neunzig Prozent aller schrägen oder bösartigen Befehle. Haldenwang, von dem ich keinesfalls Befehle annehmen würde, bezeichnete auf seiner Pressekonferenz Leute, unter anderem mich, als die eigentlichen »Superspreader von Haß und Gewalt«, obwohl wir gar nicht in seinem blöden Bericht auftauchen. Ihm trudelte also irgendeine Corona-Analogie durchs Gehirn, während er tat, was man tut, wenn man jemand ist, der sonst nicht viel hinkriegt: dummes Zeug quatschen, »liefern«, den politischen Beamten spielen. Ich muß Ihnen sagen: Eigentlich interessiert mich das alles gar nicht mehr. »Das alles« ist nämlich so sehr auf den Hund gekommen und zugleich so sehr systemisch abgesichert, daß an Reparatur, Reform oder Abschaffung gar nicht zu denken ist. Daher: Abwendung. Sollen die doch Staat spielen. Ich guck noch nicht mal mehr zu dabei.
Wallasch: Nach über eintausendfünfhundert Artikeln, die ich seit 2016 veröffentlicht habe, und der Erkenntnis, daß damit zwar viele erreicht wurden, aber nichts erreicht wurde, bin ich leider auch ziemlich ratlos geworden. Aber Sie und ich, wir beide publizieren, teilen uns also schon von Berufs wegen anderen mit. Das will ja nicht aufhören. Und Ihr Verlag erreicht auch immer mehr Menschen. Erzählen Sie bitte etwas über diesen Teil Ihrer Arbeit. Wo sind die Erfolge, wo die Schwierigkeiten, was hat gar nicht geklappt, was soll zukünftig klappen, was machen die Mitbewerber?
Kubitschek: Ich bin viel bescheidener als Sie. Ich ging nie und gehe nicht davon aus, daß mit den Mitteln, die dem Publizisten und dem Verleger zur Verfügung stehen, im großen Rahmen etwas erreicht werden könnte. Wir haben mit unserem Verlagsstand die Berichterstattung über die Frankfurter Buchmesse 2017 dominiert und 2018 mit dem Fake-Verlag »Loki« nachgelegt: Auch damit waren wir Messegespräch. Und dann? Dieses bunte Treiben aus Mainstreamverlagen, gepamperten »Unabhängigen«, Förderprogrammen, Literaturpreiskarussells, Selbstreferentialität, Selbstbeweihräucherung, Selbstgefälligkeit, Selbstzufriedenheit, Selbstbefriedigung und dauernder Selbstbestätigung: Das geht einfach so weiter. Das ist noch nicht mal mehr eine »Gesellschaft des Spektakels«, sondern zu neunzig Prozent eine verhuschte Branche, die jedes Jahr schwitzend darauf hofft, daß ihr »der Steuerzahler« den ganzen Müll, den sie produziert, auch weiterhin finanzieren wird. Diese neunzig Prozent sind gar keine »Mitbewerber«, sondern die vom Staatstropf abhängige soziale Unterschicht meines Berufszweigs. Das einzige, was mich an solchen Verlegern interessiert, ist: Woher kommt bei denen das Selbstbewußtsein, an Ständen, die sie nicht bezahlt haben, Häppchen zu fressen, die sie nicht bezahlt haben, und über Bücher zu plaudern, deren Autoren und Übersetzer und deren Satz und Druck sie nicht bezahlt haben und deren Inhalte bloß wieder diejenigen interessieren, die sich von Berufs wegen dafür interessieren müssen (und meist ist dieses Interesse auch noch geheuchelt)?
Wallasch: Nun führen wir nicht das erste Interview über die Jahre, also stelle ich zunächst mal fest, daß Ihre Sprache härter geworden ist, unbedingter. Was konkret ist da passiert in den letzten drei Jahren von außen und von innen? Denn noch im Oktober 2017 berichtete keine Geringere als die New York Times über »The Prophet of Germany’s New Right« – eine Headline, die Sie sich selbst wohl kaum getraut hätten. Wie fällt so etwas nieder auf einen gläubigen Katholiken Kubitschek, fragt man sich da? Davor standen die großen deutschen Altmedien bei Ihnen auf der Matte zum Ziegenmelken und zum heimlich schüchtern-lauernden Blick ins Bücherregal. Redakteurinnen wie Melanie Amann vom Spiegel schienen bald Ihre persönliche Hofberichterstatterinnen zu werden. Jetzt ist Stille, einige Ihrer engen politischen Freunde und Weggefährten stehen im Verfassungsschutzbericht. Also ausgerechnet wieder dort, wo man schon meinte, sich von da aus zurück ins bürgerliche Leben gearbeitet zu haben. Der Marsch durch die Institution jäh beendet?
Kubitschek: Meine Sprache ist nicht hart, sondern gelangweilt abschließend. Ich will keine Zeit mehr darauf verschwenden, von den Überempfindlichen verstanden zu werden, also anschlußfähig, ertragbar, kompatibel zu sein. Was vor drei Jahren geschah, hätte zu ausführlichen Debatten mit uns über die Lage und die Zukunft führen müssen, in allen großen Sendern und Medien. Statt dessen köchelt man dort lieber weiter im selben Sud, diskutiert mit denen, die schon immer diskutierten, über das, wovon alle dieselbe Meinung haben. Das bedeutet: Man hat auf keinem Feld, weder in der Politik noch im Vorfeld, die jeweils einzige Opposition als das begrüßt, was sie qua Wahl oder Auflage oder Aufmerksamkeit automatisch war und ist: eine Notwendigkeit, ein notwendiges Anzeichen, eine Massenäußerung. Aber: Mit aller Macht, mit Lüge, Verdrehung, Kriminalisierung, mit Denunziation, Ämtermißbrauch und auf Kosten des Steuerzahlers bekämpft und besudelt die selbstgefällige, fette Mitte die Opposition. Das lasse ich nicht mit mir machen, dem weiche ich aus. In diese Institutionen will ich gar nicht mehr einwandern, und vielleicht könnte das Ihren Begriff von Bürgerlichkeit korrigieren: Bürgerlich in diesem Sinne bedeutet Abstand vom Dreck, von der Verkommenheit, bedeutet Abstand von Personen, die ihr Leben auf Gefasel und Intrige aufbauen. Man wendet sich lieber ab und macht schöne Bücher oder geht Beschäftigungen nach, die in den Augen der Beutemacher völlig sinnlos sind.
Wallasch: Sie stehen zwar nicht im Verfassungsschutzbericht, wurden aber Ende Frühjahr 2020 ein sogenannter Verdachtsfall wegen »Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung«. Was bedeutet das genau für Sie? Gab oder gibt es dazu eine Kommunikation mit Ihnen von Amts wegen, wird so was also offiziell in Schnellroda mitgeteilt? Stehen da jetzt verdunkelte Fahrzeuge ums Eck, womit müssen Sie da rechnen, was für Folgen hat das für Ihren Tagesablauf und was machen Sie automatisch anders?
Kubitschek: Als ich davon hörte, beschleunigte oder verlangsamte sich mein Puls nicht um einen Schlag. Ich bin selbständiger Verleger, habe die beste Leserschaft, die man sich denken kann, und es ist mir und meinem Ruf völlig egal, was irgendein Amt für Einstufungen vornimmt, um weitere Arbeitsstellen für jene Art Soziologe oder Jurist zu schaffen, die es bloß auf kahle Zweige bringt. Als in dem Dorf, in dem ich lebe, nach der Wende aufflog, wer für die Stasi gearbeitet hatte, hat man die beiden Typen beinahe aufgeknüpft. Heute zecht man längst wieder mit ihnen und macht Scherze. So wird’s wieder kommen, hoffentlich: erst ein bißchen Angst, dann geläutert und leutselig. Fürs »Schwamm drüber« bin dann sowieso ich zuständig, ich kann einfach nicht anders. Ich schau mir selbst jemanden wie Anetta Kahane oder wie Haldenwang an wie Romanfiguren, wie schäbige Nebenrollen in einem Theaterstück.
Wallasch: Allerdings gehört es auch zur Wahrheit, daß eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz – gar eine Erwähnung im Bericht – eine gesellschaftliche Ächtung nach sich zieht. Insbesondere Plattformen wie Facebook, YouTube, Twitter und Co. löschen Accounts stringent. Solche Protagonisten wie beispielsweise Martin Sellner, der einmal einer ihrer engen Vertrauten war, sind damit faktisch nicht mehr öffentlich und müssen eine Art Gegenöffentlichkeit erst noch aufbauen via Telegram usw. Das führt mich zur Frage der Radikalisierung. Wie sehr radikalisieren solche Maßnahmen beispielsweise auch die AfD? Wer nirgends mehr publiziert wird, weil die Verlage schon die drei Buchstaben AfD scheuen, wie der Teufel das Weihwasser, bzw. wo die Öffentlich-Rechtlichen in keine Talkshow mehr einladen, da bleiben selbst den Bundestagsabgeordneten der AfD nur noch zweifelhafte und radikalere Räume. Wer radikalisiert hier eigentlich wen?
Kubitschek: Ich lasse mich nicht radikalisieren, nicht vom Verfassungsschutz und nicht vom sogenannten politischen Gegner. Ich kann da gleich für meine Frau, die Publizistin Ellen Kositza, mitreden: Unser Leben ist ein gewachsenes Gewebe aus Verlag, Kinder, Schreibtisch, Garten, Alltag, Küche, Glaube, Lektüre, Freiheit und Pflicht. Entscheidend ist, daß der handwerkliche Anteil so groß ist: Wir schreiben nicht nur, wir machen Bücher, lagern sie ein, verkaufen sie, haben zuvor das Papier, den Einband ausgewählt, haben das alles in der Hand gehabt und arbeiten mit, wenn die Paletten abgeräumt und in Einzelsendungen für die Post fertig gemacht werden – wie will jemand, den wir zum Kotzen finden, so ein Leben radikalisieren? Für Sellner, der nach wie vor eng mit uns zusammenarbeitet und einer der wichtigen strategischen Köpfe ist, sieht die Sache anders aus: Das »Deplatforming« muß ihn ganz anders, sehr vehement treffen: Wir sind analog, er ist digital. Aber: Wir passen aufeinander auf, er ist hier jederzeit willkommen, und das weiß er auch.
Wallasch: Welches Gefühl haben Sie bei der Querdenken-Bewegung? Überraschend, daß die überhaupt so wachsen konnte, nicht überraschend, daß es mutmaßlich so enden wird wie PEGIDA und AfD? Angela Merkel hat dazu im ZDF gerade formuliert: »Das übliche Argumentieren hilft da nicht. Und das wird vielleicht auch eine Aufgabe für Psychologen sein oder für … also wir werden da noch sehr viel erforschen müssen: Wie verabschiedet man sich eigentlich aus der Welt der Fakten und gerät in eine Welt, die sozusagen eine andere Sprache spricht und die wir mit unserer faktenbasierten Sprache gar nicht erreichen können? Es gibt ja dann eine richtige Diskussionsverweigerung: Man arbeitet nicht auf einer Ebene. Sie aus dieser Welt wieder in eine Welt zu holen, wo wir uns gegenseitig zuhören können, das wird sehr, sehr schwer sein, und da muß man auch noch mal verstehen, was soziale Medien zum Teil machen, was diese Räume machen, in denen man eigentlich nur sich bestätigt fühlt und hinreichend viele Leute hat, die einen unterstützen, die aber gar keine Verbindung mehr zu anderen Räumen haben. Ich habe darauf die perfekte Antwort nicht, aber das beschäftigt uns in der Politik auch sehr.«
Kubitschek: Angela Merkel spricht aus ihrer Blase heraus über Leute, die nicht drin sind, und behauptet, es seien immer nur diese anderen, deren Räume keine Verbindung mehr zu den anderen Räumen hätten. Sie behauptet, die Fakten seien auf ihrer Seite, und vermutet, daß denen, die das nicht so sehen, nur noch ein Psychologe helfen könne. Sie begreift nicht, daß sie immer wieder eine der Urheberinnen des immer wieder gleichen Vorgangs ist: Protest und Opposition werden für dumm erklärt, ausgesperrt und kriminalisiert, und wenn dadurch die Opposition die Gesprächsbereitschaft aufgibt und zur Parole und zur Verweigerungshaltung übergeht, wird ihr genau dies vorgeworfen. Am Ende kommt immer »Cancel Culture«, »Deplatforming«, Verbotsbestrebung, Kriminalisierung heraus. Ob Merkels »Raum«, dieser Riesenraum, dieser politisch-mediale Komplex, genau diese Art Gegner braucht – das ist die Frage, die mich seit PEGIDA beschäftigt, und mit derselben Fragestellung denke ich auch über die Querdenker nach.
Wallasch: Haben die Deutschen nicht die Merkel bekommen, die sie wollten bzw. verdient haben?
Kubitschek: Ja und nein. Unser Volk wird auf denkbar sanfte Art umgebaut und aufgelöst. Dieses Ergebnis kann das Volk nicht wollen, aber die Angebote zum Nicht-Widerstand sind einfach zu gut und zu verlockend. Selbstkastration unter wirkungsvollster örtlicher Betäubung, Wärmetod, totale Abhängigkeit bei gleichzeitig suggerierter totaler Unabhängigkeit, Gesellschaftsformierung ohne offensichtliche Brutalität. Wollen wir das, haben wir das verdient? Nochmals: Ja und nein.
Wallasch: Aber der Deutsche will doch, er wählt doch. Und er feindet sogar in überwältigender Mehrheit an, was Sie wollen. Aber viel wichtiger und Ihren Überlegungen hier einmal folgend: Wer sind denn die Umbauer konkret, wer sind die Auflöser, wenn nicht das Wahlvolk mit seinen demokratischen Entscheidungen selbst?
Kubitschek: Ja, der Deutsche wählt, und in Sachsen-Anhalt wählte jeder vierte die Alternative zur Alternativlosigkeit, gegen das mediale, politische und zivilgesellschaftliche Dauerfeuer eines Parteienblocks von ganz links bis zur CDU. In Thüringen und in Sachsen ebenfalls, auch in Brandenburg. Und wenn man mit Leuten spricht, die das noch nicht getan haben, dann findet man oft keine inhaltliche Hürde vor, aber eine emotionale: Es ist dem Gegner gelungen, die inhaltliche Auseinandersetzung (bei der er wenig Chancen hätte) zu einer Empörungsschleife in Sachen Stil und Vergangenheitspolitik umzubauen: Feindmarkierung mittels Vergangenheitsbewirtschaftung, Feindmarkierung mittels professioneller Vokabelsensibilität – das Ganze 24 / 7 auf allen Kanälen. Wer dagegen anwählt, ist mündig.
Wallasch: Und zum zweiten Teil der Frage?
Kubitschek: Der Umbau der Welt und unserer Nation zu einer diversen, individualisierten, offenen Gesellschaft ist zugleich eine Gesamtbewegung der Moderne, ein weltinnenpolitisches Projekt, eine kapitalistische Folgerichtigkeit, ein bürokratischer Vorgang und eine Karrierechance. Dekonstruktion, Realtranszendenz und die Auflösung aller Dinge liegen im Zuge der Zeit. Wen wollen wir dafür verantwortlich machen? Die Aufklärung? Die Seinsgeschichte? Die menschliche Konstitution an sich? Es läuft ab und bekommt im laufenden Prozeß Gesichter: Mark Zuckerberg, Steve Jobs, Peter Thiel, Angela Merkel, Christine Lagarde und so weiter, bis hinunter zu denen, die Sie persönlich kennen oder über die Sie immer wieder schreiben, weil sie eben das Gesicht des Gegners sind: Anetta Kahane, Melanie Amann, Georg Restle, und immer weiter runter, bis zum Antifa-Faktotum von nebenan. Alle diese Leute sind auf den Stromschnellen der Fließbewegung unserer Zeit sehr geschickt unterwegs und treiben die Sache voran, während wir mit unserer Unzeitgemäßheit die Getriebenen sind. Von oben betrachtet, mag sich unser Engagement gegen oder für etwas sogar rührend ausnehmen. Aber unter denjenigen, die ebenfalls zu den Getriebenen gehören, gilt es als richtungsweisend, und der daraus erwachsenden Verantwortung wollen wir gerecht werden, solange wir es können.
Alexander Wallasch und Götz Kubitschek führten dieses Gespräch Ende Dezember als Online-Briefwechsel. Danach wurde es auf der Seite alexander-wallasch.de veröffentlicht.