Wagener erregt derzeit großes Aufsehen. Er ist Politikwissenschaftler und lehrte als Ostasienexperte im Fachbereich der Nachrichtendienste an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Bekanntheit im rechten Lager erreichte er durch die Veröffentlichung migrationskritischer Bücher und Artikel. Was ihm am Montag widerfuhr und Auslöser für den Podcast war, kann tatsächlich nur mit “Gegenschlag” bezeichnet werden:
Der Verfassungsschutz, den Wagener in seinem jüngsten Buch kritisiert, schlug zurück. Dem Professor wurde de facto ein Lehrverbot erteilt, indem ihm sowohl Zugang zum Schulgebäude des Bundes, als auch Zugriff auf seine Lehrplattform verweigert wurde. Damit kann er seine Studenten nicht mehr kontaktieren. Am Ende des hervorragenden Podcasts, indem er das Vorgehen des VS und seiner Kollegen schildert, hören wir daher, wie sich Wagener nüchtern, mit einem Hauch Süffisanz, an seine Studenten wendet, Referate bespricht und das weitere Procedere des Seminars erklärt.
Der Verfassungsschutz wiederum hat Martin Wagener unter Verdacht, sich „gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ zu wenden. Der BND stufte prompt seine Sicherheitsfreigabe herab, was in dem besagten „Betretungsverbot“ des Professors für die Universität resultierte. Der Grund für das harte Vorgehen ist, wie gesagt, Wageners neues Buch.
Dessen Titel Kulturkampf um das Volk wird nun bittere Realität für den Autor. Das Werk umfasst nicht nur eine hochinteressante wissenschaftliche Untersuchung zum Volks- und Nationsbegriff, sondern listet auch akribisch die politischen Manipulationen des Verfassungsschutzes auf.
Wie von neurechter Seite stets moniert, wird in der BRD eine hochkomplexe, wissenschaftliche Problemstellung apodiktisch und ideologisch „scheingelöst“. Es gibt eine vom „ideologischen Staatsapparat“ (Althusser) vorgegebene Definition von „Volk“ und Kultur“, welche die Migrationspolitik des Staates vorzeichnet.
Wagener bezeichnet den dogmatischen Volksbegriff des VS als „multikulturelle Willensnation“ in einem JF-Interview zurecht als „krude“. Diese extremistische, einseitige und für Deutschland historisch widersinnige Auffassung von “Volk” wird vom Verfassungsschutz gleichsam zur staatlichen Legaldefinition erklärt. Das geschieht, indem jede Abweichung als „Rechtsextremismus“ diffamiert und, wie im Fall Wagener, effektiv bekämpft wird.
Diese Methoden, welche der „Zersetzung“ des MfS in der DDR insofern ähneln, als staatliche Behörden im vorstrafrechtlichen Raum ideologischen Druck ausüben, geben in Fragen der Identität und Migration einen engen Meinungskorridor vor. Dieser bildet den Rahmen für die politische Debatte – und in weiterer Folge die politischen Maßnahmen.
Dieser Korridor führt unweigerlich in Richtung Überfremdung, Islamisierung und Bevölkerungsaustausch. Der postnationale, krude, ja antideutsche Volksbegriff des Verfassungsschutzes wirkt wie eine selbstverwirklichende Prophezeiung auf das (noch) real existierende deutsche Volk. Es ist zur Auflösung verurteilt. Die einzig legitimen Fragen, über die “rechte” und linke Positionen streiten dürfen, ohne kriminalisiert zu werden, ist, wie schnell und geordnet dieses Schicksal vollzogen werden soll.
Nicht nur darf es über den Volksbegriff keine freien und sachlichen Debatte geben; auch darüber, dass man diese Debatte mit Repression und Zersetzung unterdrückt, darf man nicht öffentlich sprechen geben. Beides hat Martin Wagener in seinem Buch gewagt. Dazu war er sogar bereit, sich mit der Identitären Bewegung und meiner Person nicht nur auseinanderzusetzen, sondern – horribile dictu – mit mir zu sprechen.
Ich hatte im Zuge meiner seltsamen politischen „Karriere“ bereits zahllose Interviews. Das mit Martin Wagener, welches auch in gedruckter Form zu erwerben ist, stach dadurch hervor, daß das Gegenüber meine Position verstehen und nicht verzerren wollte. Keineswegs sind wir in allem einer Meinung.
Abseits des Meinungskorridors gibt es ein wildes Feld an Theorien und Ansätzen zum Volksbegriff, das Martin Lichtmesz in seinem großartigen Buch erforscht hat. Vor allem in einem Punkt gingen Wageners und meine Ansichten auseinander. Wagener selbst glaubte und glaubt an das Vorhandensein einer funktionalen Demokratie, in der das bessere Argument dank Wissenschaftlichkeit und Sachlichkeit langfristig siege. Ich habe, was die Reformierbarkeit des „Diskurses“ in der Bundesrepublik betrifft, keinerlei Illusionen.
Meine Diagnose lautet, daß wir uns in einer immer schlechter getarnten Demokratiesimulation befinden. Im “Sanften Totalitarismus” haben die Identitäts- und Bevölkerungspolitik den Status eines Dogmas und sind der Debatte entzogen, was die Demokratie dysfunktional macht. Deren gesellschaftliche Konsequenzen, welche das Mark unserer Staates berühren, sind damit undemokratisch. Die multikulturelle Gesellschaft ist meiner Meinung nach das Ergebnis einer komplexen, partiell totalitären Sozialtechnik, nicht das eines demokratisch gebildeten Willens.
Nach wie vor vertraut Wagener aber auf den Rechtsstaat, die prinzipielle Integrität des Verfassungsschutzes, die Schutzwirkung seiner Pragmatisierung und die Selbstheilungskraft des öffentlichen Diskurses. Ich kann nicht mehr daran glauben, ließe mich aber gern von der Realität widerlegen. Einig sind wir uns wohl wiederum darin, daß man aus Frust über herrschendes Unrecht den Rechtsstaat und Demokratie nicht ablehnen, sondern vielmehr einfordern muß.
In angenehm klaren Aussagen legt Wagener in besagtem Interview nach. Er sieht es verfassungsrechtlich bedenklich, daß das „Staatsvolk durch immer mehr Einwanderung verändert“ und der von ihm so genannte „Ursouverän“ durch den “Umbau der Bevölkerungszusammensetzung“ unterminiert wird. Damit wird der vorrechtliche Verfassungsgeber um sein Selbstbestimmungsrecht gebracht.
Daß Wagener den Begriff „Bevölkerungaustausch“ aufgrund eines möglichen semantischen Missverständnisses für „unsinnig, als ja nicht ein Volk außer Landes gebracht wird, damit ein anderes seinen Platz einnehmen kann“, hält, ist schade (und entspricht der Haltung von Sebastian Kurz). Einerseits habe ich ein gewisses Verständnis dafür, sich so aus der Affäre zu ziehen. Jedes Zugeständnis an die „rechtsextreme Terror-Verschwörungstheorie“, zu der die linksliberale Presse den Begriff, in einem kontrafaktischen Kraftakt, gemünzt hat, würde Wagner noch angreifbarer machen.
Aber aus dem Rest des Interviews ergibt sich, dass er das beschriebene Phänomen nicht leugnet. Meine Folgefrage an ihn wäre gewesen, ob er den Begriff der „Bevölkerungsersetzung“ für sachlich stimmig hält. Wie auch immer man es nennt, die Debatte über den Vorgang lässt sich langfristig nicht unterdrücken. Immerhin geben, auch aufgrund des Wirkens von Eric Zemmours in Frankreich, bereits 61% der Menschen in einer Umfrage an, dass ihrer Meinung nach ein Bevölkerungsaustausch stattfindet. Wagners Ablehnung des Begriffs ist deswegen verzeihlich, weil er sonst auf eine Art Klartext spricht, an die Sarrazin, Maaßen und andere „Renegaten“ des Mainstream nicht annähernd herankommen.
Was geschieht, ist ein Verbrechen am Volk und ein Bruch mit dem Telos der Verfassung. Nationen wie Ungarn und Israel haben in ihrer Verfassung klargestellt, was zu allen Zeiten, unausgesprochener Konsens war: das Staatsvolk ist in seiner Identität und Integrität zu schützen. Gewachsene Kulturnationen können niemals zu Willensnationen „geschlechtsumgewandelt“ werden. Versuchen sie das, werden sie zu Karikaturen klassischer „Einwanderungsländer“, mit denen sie nur eines gemeinsam haben: die Verdrängung der autochthonen Bevölkerung. Tatsächlich trifft auf das, was heute in Deutschland durch die Politik der Ersetzungsmigration („replacement Migration“) und Neubesiedlung („resettlement“) vollzogen wird, fast wortwörtlich die UN-Erklärung zu Völkermord und Kriegsverbrechen aus dem Jahr 1997 zu. In der „“Erklärung über Bevölkerungstransfers und die Seßhaftmachung von Siedlern“ heißt es in Artikel 6:
„Jedwede Praxis oder Politik, die das Ziel oder den Effekt hat, die demographische Zusammensetzung einer Region in der eine nationale, ethnische, sprachliche oder andere Minderheit oder eine autochthone Bevölkerung ansässig ist, zu ändern, sei es durch Vertreibung, Umsiedlung und/oder durch die Seßhaftmachung von Siedlern oder eine Kombination davon, ist rechtswidrig.“
Für alle Folgen dieses rechtswidrigen Handelns sind „nicht als rechtmäßig anzuerkennen“ und die Resolution fordert die „sofortige Beendigung und die Rückgängigmachung ihrer schädlichen Folgen“. Dem politischen Kampf um das Überleben unserer Identität geht ein geistiger Kampf um die epistemologische, ethnische und juristische Rechtfertigung ihrer selbst voraus. Wagener hat sich mit seinem Buch diesen Kulturkampf eingebracht. Das weiß der Verfassungsschutz und will an ihm ein Exempel statuieren, das seinen akademischen Kollegen gilt. Das linke Lager ist sich bewußt, was geschieht, wenn der „Verrat der rechten Intelligenz“ endet und Wagener Nachahmer findet.
Ich wünsche dem gelassen-widerständigen Professor viel Kraft für die kommenden Wochen. Sein Buch ist eine intellektuelle Herausforderung und ich nahm und nehme mir Zeit für eine gründliche Lektüre. (Eine Rezension wird auf diesem Blog erscheinen.) Keinesfalls stimme ich mit Wagener in jedem Punkt überein. Sein angekündigter Beitrag zur Identitären Bewegung auf „Tichys Einblick“, wird vielleicht auch von seiner Seite einige Trennlinien markieren. (Auch darauf werde ich hier gerne replizieren.)
Daß wir aus Sicht der Akteuren der Gegenseite, von VS bis Jan Böhmermann, allesamt „bräunliche Extremisten“ sind, entbindet uns nicht von der Aufgabe unsere Positionen sauber zu definieren und, wo nötig, voneinander abzugrenzen. Die Inklusivität und Exklusivität des Volksbegriffs, Qualität und Quantität der Assimilation, das Verhältnis von Ethnie und Kultur, sowie Staatsvolk und „Ursouverän“ sind Problemfelder, auf denen fruchtbare Debatten entstehen können. (Ein neuer wissenschaftlicher Ansatz, der „Ethnosymbolismus“, wird zum Beispiel gerade auf einem Gegenuni-Seminar vorgestellt.)
Wageners Buch wird hoffentlich zu einem Bestseller und er zu einem „zweiten Sarrazin“. Denn anders als viele faktenschwere “Buchhalter des Schreckens“ listet er nicht nur die Symptome des Verfalls auf, sondern geht an die eigentliche Wurzel des Problems: den dogmatische Volksbegriff und die daraus folgende Bevölkerungspolitik.
Wagener ist Wegbereiter einer überfälligen Debatte über die nationale Identität, die in Frankreich gerade die Mitte der Gesellschaft erreicht. Dafür gebührt ihm schon jetzt unser Dank, ganz gleich wie er sich in den kommenden Wochen verhält und äußert. Ich wünsche ihm, dass ich mit meiner Systemdiagnose nicht recht behalten werde.
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Laurenz
Der neue Volksbegriff ist deswegen so gefährlich, weil er ja global gemeint ist. Das führt unweigerlich zu internationalen Konflikten, die wir zukünftig eigentlich vermeiden wollten.