Ich will mich weder an den Zahlenspielen (Wieviele Teilnehmer waren es wirklich? Die Mainstreammedien und die konservativen meinen: 35.000, wohingegen die Veranstalter und filmende Köpfezähler meinen: das Zehnfache) beteiligen, noch an Strategieplanungen – das ist Martin Sellners oder Martin Rutters Beritt. Ich gehe vom Erlebten aus und denke über die grundsätzliche Lage nach.
Es gibt ein Gefühl des Gespenstischen, das sich einstellen will, wenn alles Widerständige so durchläuft. Da schreien Teilnehmer unablässig “Widerstand!” bis sie heiser sind. Was im letzten Jänner noch umkämpft war, wo man sich der Polizei gegenüber fand, deren unkalkulierbare Bewegungen ständig antizipieren wollte usw., bis endlich “der Ring genommen” wurde – all das lief am Samstag so durch. Die Polizei ließ laufen. (Ganz zu Beginn gab es Maskenstrafen und sicher, das übliche Geplänkel am Rande, das die Medien dann ins Zentrum rücken, Flaschenwürfe, Rauchbomben, Festnahmen, kam auch alles vor.) Die Masse ging einmal um den Ring.
Es ist so: wenn man sich einem Gegner gegenübersieht, sei es der Antifa, buhrufenden Bürgern (einen sahen wir am Rande, auf dessen Papplakat stand “Impfen ist schön”), sei es gar der Polizei (obwohl Rechte das gewohnheitsmäßig nicht gern haben, der Staatsmacht mißtrauen zu müssen) oder der im Bundeskanzleramt verschanzten Regierung, bildet man sich unmittelbare Wirkmächtigkeit ein. Wenn das nicht der Fall ist, stellt sich bei nicht allzu großem Eiferertum, Alkoholgenuß (erstaunlich viele Bierdosen!) oder Missionstrieb (ein Tiroler animierte auf der Wiese am Heldenplatz über zwei Stunden lang mit einem Megaphon zu Gebet und Gesang) nach ein paar Stunden spätestens ein schales Gefühl ein.
Angesichts unserer Lage ist ein schales Gefühl fast unerträglich, denn es bleibt nicht schal, sondern wird rasch bitter und brennend. Was, wenn wir jetzt am Großaufgebots-Erfolg merken, daß wirklich – nicht nur aus dem Blickwinkel notorischer Unken, Blackpiller und Bedenkenträger, zu denen ich mich sowieso zähle – alle Selbsterregung eitel ist? Wenn selbst die größte mobilisierte Masse, die die Zweite Republik (vielleicht seit dem Lichtermeer gegen rechts in den 90ern) je gesehen hat, nur sich selbst in Bewegung setzt?
Ich traf Freunde und Bekannte, man kennt sich, man erkennt sich, auch wenn bei über 300.000 Leuten nicht mehr von “Szene” die Rede sein konnte. Doch suchte man sich bald ein einigermaßen ruhiges Plätzchen ohne Trommler, Kuhglocken und Trillerpfeifen, um die wirklichen Fragen anzusprechen. Wie umgehen mit bereits im voraus für uns fixierten Impfterminen, empfindlichen Geldstrafen, dem, was auf die Kinder zukommt? Kann man “dann eben ins Gefängnis” gehen oder ereilt einen dort sowieso der Stich? Wie verläßlich ist der Rechtsstaat noch in Sachen Klageweg durch die Instanzen? Hat das Warten auf den verheißenen “Totimpfstoff” einen Sinn oder unterwirft man sich (trotz möglicherweise besseren Gesundheitschancen beim russischen Roulette) damit genauso dem Zwang?
Fragen müssen besprochen werden, nicht Parolen skandiert, Himmelsakramentnochmal!
A propos: Vor Beginn der eigentlichen Demonstration traf sich der “katholische Widerstand” in der Minoritenkirche, woselbst ein Rosenkranz für Österreich und das “Sturmgebet in höchster Drangsal” gebetet wurden. Der Veranstalter Alexander Tschugguel erklärte kurz vor dem Abmarsch dann noch mithilfe der früheren Päpste Johannes XXIII (Enzyklika Pacem in terris) und Leo III. unter Berufung auf Thomas von Aquins Summa Theologiae (die ich gerade, immer wenn ich Zeit finde, nach und nach lese), wieso es im äußersten Falle gerechtfertigt ist, gegen die Obrigkeit aufzustehen – nämlich dann, wenn sie der göttlichen Ordnung fundamental zuwiderhandelt.
“Alle Welt schaut nach Wien”, hieß es. Was wollte die da eigentlich sehen? Sich an Bildern berauschen? Endlich eine echte Revolution, die nicht aus der Elitenretorte stammt, begucken? Sich solidarisieren gemäß dem kommunistischen Motto “Solidarität heißt Widerstand, Kampf dem Faschismus in jedem Land”? Schluß mit der Polemik – so wirken die eingespielten Widerstandsformen nun einmal bei Produzenten und Rezipienten. Und es befremdet selbst mich, daß Österreich sich mit der “Impfpflicht für alle” in zweifelhafter internationaler Gesellschaft befindet.
Wenn die Demonstrationsteilnehmer in einem repräsentativen Verhältnis zu den bis dato noch impffreien (Sellner prägte dieses Wort) Menschen in diesem Lande stehen, dann kann ich nur konstatieren: das wichtigste ist, daß sie ihre Illusionen verlieren. Und schleunigst zusehen, daß sie einen Anwalt und einen Hausarzt finden, sich aufeinander verlassen können und dessen gewahr werden, daß wir allesamt (nicht nur die “Schlafschafe”) in einer Psy-Op drinstecken. Auch wir sollen emotional gepackt und dadurch handlich verpackt und eingetütet werden.
Einen kühlen Kopf bewahren heißt dieser Tage, mit dem Schlimmsten zu rechnen (und das ist nicht allein “die Impfung”, die ist nur der Rückgratbrecher), dabei gute Kontakte und nächstmögliche Schritte auf dem Schirm haben, diese mit klugen Mitmenschen besprechen und alle Mittel zur Psychohygiene anwenden, die wir kennen und halbwegs beherrschen.
Elvis Pressluft
In der brd werden wir auch zukünftig Mächte im Regiment haben, auf die eine Aversion gegen "unschöne Bilder" (in den Medien) wirken dürfte: Menschen, die wegen Impfverweigerung zwangsvorgeführt, womöglich zur Injektion "fixiert" werden müssen (ich denke gerade an "Clockwork Orange") ... macht sich nicht so gut. Vielleicht lässt sich noch darauf setzen - ansonsten: Mein langjähriger Hausarzt - JF-Abonnent, politisch vernunftanfällig, aber tendenziell leider auch coronagläubig - setzt sich in Wochen zur Ruhe, und einen Anwalt könnte ich kaum bezahlen. Ich höre auch vermehrt von Bekannten, die das "Gift" (Zitat) Impfstoff ablehnen und auch durchaus durchschauen, was politisch gespielt wird - aber dennoch einknicken. Man will den Arbeitsplatz nicht riskieren; man will sich im Alltag nicht ständig rechtfertigen müssen. Will darüber nicht richten, aber am Ende muß jeder damit rechnen, seinen eigenen Kampf durchziehen zu müssen. Genau darauf spekulieren natürlich die Machthaber. Ist es schon zu spät, diese Rechnung zu durchkreuzen?