Für den einen ist er ein »lupenreiner Demokrat«, für den anderen steuert Putin »Rußland direkt in die Diktatur«. Beim Gros der westlichen Beobachter überwiegt indes die Verachtung. Putin, das ist ein rücksichtsloser Autokrat, der einer friedlichen Welt aus liberalen Demokratien im Weg steht.
Die jüngste geopolitische Zuspitzung rund um den Zankapfel Ukraine rücken Rußlands Präsidenten nach seinem außenpolitischen Coup in Syrien erneut in den Mittelpunkt des Weltgeschehens.
Da paßt es, daß eine 2020 im Englischen von der ehemaligen Financial Times Moskau-Korrespondentin Catherin Belton verfaßte »Biographie« das Bild einer kriminellen KGB-Junta mit Putin als Aushängeschild zeichnet.
»How the KGB took back Russia and then took on the West« prangt es auf dem Cover in bester Thriller-Manier. Rußland in den Klauen von Verbrechern und wir sind die nächsten in ihrem Visier. Das transatlantische, liberale Gruselszenario ist perfekt.
Rußlandexperte Thomas Fasbender würde diese Zerrbilder wohl dem Lager der Putin-Verächter zuordnen. Oder um es vom Mann auf den Staat zu übertragen: Solche Stimmen gehören zu den Leuten, die sich an einem autokratischen, selbstbewußten Rußland stören, das sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eben nicht sang- und klanglos in den Reigen des liberalen Westens eingereiht hat.
Fasbender läßt sich derweil auf solche undifferenzierten Verunglimpfungen nicht ein. Er zeichnet die Wiederauferstehung Rußlands entlang der Person Putin nach. Herausgekommen ist eine ausführliche Biographie des russischen Präsidenten, die es tunlichst vermeidet, in Bewunderung oder Abscheu abzudriften.
»Bevor wir daran denken, von Putin zu lernen«, schildert Fasbender im Interview mit dem Manuscriptum Verlag, »sollten wir versuchen zu begreifen, wofür er steht, was er verkörpert, wie er denkt und fühlt, wie er auf seine Umwelt reagiert. Dazu müssen wir die Umstände verstehen, unter denen sein politisches Wirken stattfindet. Mit einem Wort: wir müssen uns mit Putin und seinem Land, seiner Zeit erst einmal beschäftigen.«
Hier geht es zum gesamten Interview. Und hier können Sie die lesenswerte Biographie direkt bei Antaios, dem größten konservativen Versandbuchhandel, bestellen.
Für die Freunde des bewegten Bildes hier noch eine ältere ARTE-Doku, die zwar im typisch verurteilenden Ton gehalten ist, jedoch interessante Einblicke in den Machtwechsel von Boris Jelzin zu Wladimir Putin gibt:
Im Vergleich zum russischen Präsidenten verfügt der deutsche Bundespräsident nur über eingeschränkte Macht. Alle fünf Jahre von der Bundesversammlung gewählt, erfüllt er lediglich eine »repräsentative, sinnstiftende und integrative« Funktion.
Eigenschaften, die der Regierungsstil des amtierende Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier vermissen läßt. Doch bereits in knapp zwei Wochen, am 13. Februar, steht die nächste Bundespräsidentenwahl ins Haus. Aller Voraussicht nach wird es wieder Steinmeier werden; der Einheitsblock aus CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP versammelt sich hinter dem SPD-Mann.
Nur Linke und AfD schicken Ihre eigenen Kandidaten ins Rennen. Die Linke den Professor für Sozialmedizin Gerhard Trabert und die AfD den Ökonomen und Noch-Vorsitzenden der CDU-Werteunion, Max Otte.
Hat die AfD mit Otte das richtige Händchen gehabt? Kann man sogar von einem Coup sprechen, durch den die neue Merz-CDU ins Schlingern gerät, weil sie sich zur Kandidatur Ottes zwangsläufig eindeutig positionieren muß?
Hat man damit der von Beginn an in der CDU bedeutungslosen Werteunion den Todesstoß verpaßt und raubt den Christdemokraten damit das konservative Feigenblatt? Oder sind das alles Spielchen, die sowohl bei der AfD-Basis als auch beim Wähler – die sich eher die Frage stellen, warum keiner aus unseren eigenen Reihen – nicht durchdringen wollen?
Und was ist vom Ökonomen aus dem Sauerland überhaupt zu halten? Eine wirkliche Kippfigur oder doch nur ein Liberalkonservativer, der indirekt den Status quo stabilisiert? Fragen über Fragen, die in der Neuen Rechten unterschiedlich beantwortet werden.
Während für Sezession-Chefredakteur Götz Kubitschek der AfD mit der Nominierung Ottes ein Coup gelungen ist (hier der zugehörige Artikel »Max Otte, die AfD und die Rutschpartie der CDU«), bleibt man bei Jungeuropa skeptischer.
Philip Stein, Benedikt Kaiser und Volker Zierke halten die Nominierung zum einen schlicht für irrelevant und zum anderen als Ausdruck der rechten Selbstverzwergung, sich stets mit fremden Lorbeeren schmücken zu wollen. In der neusten Jungeuropa-Podcastfolge reflektieren sie die Nominierung Ottes durch die AfD:
Gute Nachrichten! Die Livestream-Literaturgespräche aus Schnellroda werden fortgesetzt. Das letzte Literaturgespräch fand im Rahmen des Tags der offenen Tür vor Publikum im Schäfchen zum Autor Hans Bergel statt (hier anschauen).
Mit Ernst Wiechert haben sich Götz Kubitschek und IfS-Leiter Erik Lehnert nun den nächsten großen Literaten vorgenommen. Beim Verlag Antaios hat man eine Auswahl seiner Werke schon einmal ausgelegt:
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Die Sendung zu einem der wichtigsten Autoren der »Inneren Emigration« geht am Mittwoch, den 2. Februar, um 19:30 Uhr auf dem kanal schnellroda live.
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Maiordomus
Zu gegen Schluss hin, betrifft Literaturgespräch: Ich habe den Ausdruck "Innere Emigration", der mir noch als Abiturient von einem braven geistlichen Lehrer beigebracht worden war, vor 45 Jahren bereits in einer grösseren Publikation zurückgewiesen. Bei den Autoren von Relevanz muss von "innerer Präsenz" gesprochen werden.