Kritik der Woche (16): Vom jüdischen Witz

„In letzter Zeit war viel von sexuellen Belästigungen zu lesen“, begann Larry David 2017 einen Monolog in der Comedy-Show Saturday Night Live.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Das The­ma war #MeToo, er setz­te fort: „und ich konn­te nicht umhin, ein beun­ru­hi­gen­des Mus­ter zu erken­nen, näm­lich, daß vie­le der Täter… nicht alle, aber vie­le von ihnen…“ Nun biß er die Zäh­ne zusam­men, leg­te hän­de­rin­gend die Stirn in Fal­ten und spie es aus: „…Juden sind! Dazu habe ich drei Wor­te zu sagen: Oy vey is mir!“

David, Ver­tre­ter eines dezi­diert jüdi­schen Humors, fuhr fort:

Ich mag es nicht, wenn Juden aus nega­ti­ven Grün­den in die Schlag­zei­len gera­ten. Ich will lesen: Ein­stein ent­deckt die Rela­ti­vi­täts­theo­rie! Was ich nicht lesen will? Wein­stein hat ihn herausgeholt!

Ein Jahr spä­ter erzähl­te die öster­rei­chi­sche, goy­ische Komi­ke­rin Lisa Eck­hart einen ähn­li­chen Witz. In ihrem cha­rak­te­ris­tisch affek­tier­ten Stil zähl­te sie zun­gen­schla­gend ein paar Namen auf:

Har­vey Wein-stiehn… Roman Pol­an­ski… Woo­dy Allen, gebo­re­ner Allen Königs­berg… Kann man deren Fil­me noch guten Gewis­sens schau­en? Wo wir nun doch schmerz­lich wis­sen, daß es sich bei die­sen drei alle­samt um…

Eck­hart hol­te tief Luft, kniff die Augen zu.

Na, ich mag es gar nicht sagen. Und als wär das nicht schlimm genug, beläs­ti­gen sie auch noch Frau­en! Fin­den Sie die­ses #MeToo nicht auch – antisemitisch?

Mun­ter leg­te sie noch ein paar Schei­te nach, und führ­te ihren Mono­log in die Sack­gas­se der poli­tisch kor­rek­ten Opfer­hier­ar­chie: Was tun wir, frag­te sie, „wenn die Unan­tast­ba­ren begin­nen, ande­re anzu­tas­ten?“ Es ver­steht sich von selbst, daß Eck­hart für die­se Num­mer „Anti­se­mi­tis­mus­vor­wür­fe“ kassierte.

Unter­schie­den durch die Per­spek­ti­ve des Spre­chers basier­ten Davids und Eck­harts Stand-up-Mono­lo­ge auf dem Tabu­bruch, im Ver­hal­ten von Juden und ande­ren Min­der­hei­ten bestimm­te „Mus­ter“ wahr­zu­neh­men und aus­zu­spre­chen. „Darf“ denn nun auch ein Nicht-Jude Juden kri­ti­sie­ren oder sich gar über sie lus­tig machen? Haben wir es im einen Fall zwangs­läu­fig mit „ver­bo­te­nem“ Anti­se­mi­tis­mus, im ande­ren mit „erlaub­ter“ iro­ni­scher Selbst­kri­tik zu tun? Wann schlägt der jüdi­sche Witz in den „Juden­witz“ um? Zu die­ser Fra­ge fin­det sich in der vor­lie­gen­den kul­tur­his­to­ri­schen Stu­die des jüdisch-kana­di­schen Aka­de­mi­kers Lou­is Kaplan reich­li­ches Material.

Exem­pla­risch ist die Kon­tro­ver­se um Sal­cia Land­manns Bücher Der jüdi­sche Witz (1960) und Jüdi­sche Wit­ze (1962), die in der frü­hen Bun­des­re­pu­blik Best­sel­ler mit hohen Auf­la­gen waren. Der jüdi­sche Schrift­stel­ler Fried­rich Tor­berg warf sei­ner Stam­mes­ge­nos­sin nicht nur vor, „anti­se­mi­ti­sche Ste­reo­ty­pe“ zu repro­du­zie­ren, son­dern stieß sich auch an ihrem unbe­fan­ge­nen Ges­tus, der eine ver­früh­te und fal­sche Ver­söh­nungs­stim­mung zwi­schen Juden und Deut­schen auf­kom­men lasse.

Die „Witz­trau­er“, so Kaplan, wird aus die­ser Sicht „als ein Ver­fah­ren beschrie­ben, das sich der Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung wider­setzt“. Hier spitzt der Leser der Sezes­si­on die Ohren und erin­nert sich an die Freund­schaft Land­manns zu Armin Moh­ler und ihre Mit­ar­beit an der Zeit­schrift Cri­ticón.

Es trifft zu, daß der klas­si­sche jüdi­sche Witz vie­le Vor­wür­fe der Anti­se­mi­ten wider­spie­gelt: Häu­fig dre­hen sie sich um die Ober­fläch­lich­keit und „Mimi­kry“ der Assi­mi­la­ti­on, um den „luf­ti­gen“, „ent­wur­zel­ten“, mer­ku­ria­len Geist, der zu sei­ner Umwelt im Ver­hält­nis der per­ma­nen­ten, mit­un­ter nihi­lis­ti­schen Iro­nie steht oder auch um das Kli­schee des abge­feim­ten jüdi­schen Geschäfts­sinns. Sei­ner Nuan­cen beraubt und ins Gehäs­si­ge gedreht, dien­te der jüdi­sche Witz der NS-Pro­pa­gan­da als grobs­a­ti­ri­sche Waf­fe und bered­tes, ver­nich­ten­des Selbstzeugnis.

Hier kommt es zu uner­war­te­ten Über­schnei­dun­gen: So erfah­ren wir von Kaplan, daß sich der NS-Ideo­lo­ge Sieg­fried Kad­ner, Autor des Buches Ras­se und Humor, und Gers­hom Scholem dar­in einig waren, daß dem jüdi­schen Witz eine „tal­mu­di­sche“ Denk­wei­se zugrundeliege.

Der jüdi­sche Schrift­stel­ler Erich von Kah­ler, ein Freund Tho­mas Manns, pos­tu­lier­te einen tief­sit­zen­den Unter­schied und Kon­flikt zwi­schen „jüdi­schem Intel­lek­tua­lis­mus“ und „deut­scher Kör­per­lich­keit“, der jüdi­sche Mar­xist Edu­ard Fuchs, Her­aus­ge­ber der Samm­lung Die Juden in der Kari­ka­tur, stand nach Kaplan „unter dem Ein­fluss der ste­reo­ty­pen Vor­ur­tei­le über Juden, Geld und Kapi­ta­lis­mus“ im Gefol­ge von Marx und Sombart.

Als Kron­zeu­gen des „jüdi­schen Selbst­has­ses“ dür­fen natür­lich auch die eher humor­lo­sen Wie­ner Otto Wei­nin­ger und Arthur Tre­bit­sch nicht feh­len. In Kaplans Buch selbst wer­den nur weni­ge Wit­ze zitiert, die er dann auch noch auf eine äußerst umständ­li­che Wei­se zu Tode „erklärt“. Bei­spiels­wei­se die­sen: „‘Haben Sie schon gehört? Der Davidl Bramson will sich tau­fen las­sen!’ – ‘Das ist echt jüdisch!’“, kom­men­tiert Kaplan so:

Die kom­ple­xe trans­for­ma­ti­ve Logik die­ses wit­zi­gen Aus­tauschs erzählt von einer authentisch/nichtauthentischen jüdi­schen Erfah­rung und kon­sta­tiert allein schon in ihrer Anti­the­se einen Aspekt jüdi­scher Identität.

Sät­ze die­ser Art lesen sich bei­na­he unge­wollt par­odis­tisch und machen die Lek­tü­re des Buches mit­un­ter zur eher zähen Ange­le­gen­heit. Was nun zeit­ge­nös­si­sche jüdi­sche Ver­tre­ter eines „trans­gres­si­ven“ Humors wie den ein­gangs erwähn­ten Lar­ry David, Sacha Baron Cohen oder auch Milo Yiann­o­pou­lous angeht, so erschei­nen sie Kaplan nicht ganz koscher, weil sie „Poten­ti­al für anti­se­mi­ti­sche Spöt­te­lei­en“ bie­ten. Sor­gen berei­ten ihm auch die „iro­ni­schen Nazis“ der Alt-Right, die sich in „Trumps Ame­ri­ka“ breit­ge­macht haben, eine Pose, die sie sei­ner Mei­nung nach den „sich selbst iro­ni­sie­ren­den Juden“ abge­guckt haben.

– – –

Lou­is Kaplan: Vom jüdi­schen Witz zum Juden­witz. Eine Kunst wird ent­wen­det, 300 S., 44 €  – hier bestel­len

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (65)

RMH

16. Februar 2022 21:10

In diesem Zusammenhang sei an Ephraim Kishon erinnert, der in (West?) Deutschland in den 70er und frühen 80er Jahren eine ganze Reihe von Millionenbestsellern hatte. Mittlerweile vermutlich schon komplett vergessen (wenn man aktuell einen Nachlass sortiert: Ein Buch von Kishon ist meistens dabei).

ML: Ich kenne ihn noch und lese ihn gern!

Silent Reader

16. Februar 2022 21:35

Eine kleine Korrektur:

Milo Yiannopolous ist gar kein Jude, weder ethnischer, noch religiöser. Ich folge ihm auf Telegram. Der Mann ist britisch und zypriotisch und auch gläubiger Katholik.

ML: Früher hat er ausgiebig damit geprahlt, mütterlicherseits Jude zu sein. Das tut er nicht mehr, seit er einen "Imagewechsel" vollzogen hat.

Grobschlosser

16. Februar 2022 23:12

E.Kishon war der große Langweiler der 70er Jahre ; in Dauerschleife beim "Großen Preis" und "Dalli -Dalli" ; die Intellektuellen haben ihn geliebt , meine Lehrer haben mich mit lustigen Kishontexten drangsaliert , inzwischen stehen seine großartigen Werke in der Tauschbörse für Bücher und Schlümpfe .

Laurenz

16. Februar 2022 23:40

@RMH

"Kishon"

Richtig! In der Schule lasen wir mehrere Kishon-Bücher und bei meiner eigenen kürzlichen Bücher-Entsorgungs-Aktion waren auch 2 Kishon-Bücher die in den Orkus des Endlichen gerieten.

Was den @ML-Artikel angeht, so läßt sich einfach nicht leugnen, 

daß im Theater-, Film-, Musik- & westlichen Komödianten-Stadl - Geschäft viele Juden abhängen. Bei uns wären 3 bekannte Beispiele Ilja Richter & Hans Rosenthal oder Christian Berkel. Bei der erfolgreichen Nerdcom "TheBigBangTheory" sind im überschaubaren Ensemble mindestens 3 Juden und durch einen der beiden Produzenten, Chuck Lorre, wird der jüdische Witz explizit in der Serie breit getreten. Dasselbe galt für 2 and a half men.

Dazu kommen noch alle Juden in der Politiker-Kaste. Bei so viel Öffentlichkeit fällt man eben auf. Auf der ökonomischen Ebene ist viel von der einstigen jüdischen Pracht verloren gegangen. Asien holt hier jeden ein. Eine generelle angemessene Quote in der Politik oder Rundfunkräten wäre hier durchaus dienlich.

Gracchus

16. Februar 2022 23:48

Klingt für mich, als hätte Kaplan ein eher problematisches Verhältnis zu Witz und Humor. Selbstironie und Nazitum - schließt sich für meine Begriffe aus.

Ephraim Kishon stand auch im Bücherregal meiner Eltern. Der Titel: "Picasso war kein Scharlatan" gab mir als Kind jahrelang Rätsel auf. Entgegen @Grobschlosser fand ich ihn nicht langweilig.

tearjerker

17. Februar 2022 00:37

In der von David mitgestalteten Serie Seinfeld geht der zum Judentum konvertierte Zahnarzt des jüdischen Protagonisten diesem während der Behandlung vor Allem deswegen auf die Nerven, weil er jüdische Witze erzählt. Der Humor hätte „unser“ Volk ja seit Anbeginn der Zeit überleben lassen usw. Der jüdische Witz ist nur wirklich komisch, wenn er selbst der Witz ist. Manchmal sogar doppelt wie z.B. bei Krusty, der nicht nur im Shalom-Viertel von Springfield geboren wurde, sondern auch noch als Clown arbeitet.

Grobschlosser

17. Februar 2022 01:55

re Gracchus : der "deutsch-französischen" Sender "arte" erklärt den deutschen Film ( und alle machen mit : Lang , Mabuse , der naive Deutsche an sich , die vielen Irrungen und Verwirrungen - immer öfter sind es diese off-Stimmchen - Erklärbären mit der frohen , mit der modernen Botschaft - alles kann "irgendwie" erklärt werden; Fatih Ackim , Filmemacher : " es sind die Wälder" (lacht) und die politischen Parallelen , Weimar - der Film , und ja : der kluge Mann aus New York kann dann AUFLÖSEN und dem dummen Michel ganz genau erläutern wie alles irgendwie zusammenhängt .METROPOLIS - "der politische Film" sagt das weiche off-Stimmchen .  artige off-Stimmchen erklären uns die Welt .Da reichen keine Worte - die Hände reden mit .Redende Erklärbärhände .Und ja : Psychoanalyse muss sein - kommt vom Experten .

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diese tiefsitzende Angst - auf allen Kanälen ; WAS wenn der "gute , moderne Geist" die Deutungskunst endgültig verliert ; wenn plötzlich die Narrativgeneratoren verstummen und sich niemand mehr für den grinsenden Dauerlächler aus New York interessiert .WAS passiert wenn der dummdreiste Quatschkopf seinen modernistischen Müll einpackt und geht - wenn er endlich wieder verschwindet . 

Franz Bettinger

17. Februar 2022 06:30

@"konnte nicht umhin, ein beunruhigendes Muster zu erkennen, nämlich…“ dass die Freiheits-Beschränkungen im Ramen des C-Komplotts mit den Maßnahmen gegen die Juden im frühen 3. Reich sehr wohl vergleichbar sind. C-Maßnahmen-Kritiker und Impf-Gegner werden als Volkschädlinge verfemt, abgestempelt und ausgegrenzt. Sie werden wie die Juden ab 1934 von Polizei, Presse, Regierung und sog. Zivilgesellschaft verhöhnt, erpresst, und ihrer Jobs und Existenz-Grundlagen beraubt. Sie sollen auch keine Renten, keine Versicherungen, keine Krankenbehandlung mehr erhalten, heißt es. Sogar rein formal stimmt der Vergleich. Wie unter Hitler hat sich das Regime unter Merkel und nun unter Scholz selbst-ermächtigt und setzt mit Notstands-Gesetzen die Zumutungen ihrer kriminellen Agenda durch. 1934 waren's gelbe Sterne, heute zwingt man die Menschen hinter Masken und Impf-pässe. Das alles sind Zeichen des Gehorsams, der Demütigung, Entwürdigung und der Diktatur. Jawohl. Wir stehen nicht kurz davor, nein, wir haben sie schon. Deshalb ist der Vergleich mit unseren 2 vergangenen Diktaturen berechtigt.“ So etwa lautete die Replik unseres Beritts auf das geforderte Vergleichs-Verbot des O-Bürgermeisters meiner Heimatstadt St.Ingbert. Dieser OB will überall grasen und ernten, wo es billig was abzugreifen gibt, und was wäre billiger … na, ihr wisst schon. 

Nemo Obligatur

17. Februar 2022 08:58

Kishons Familiengeschichten interessieren heute wohl niemanden mehr. Seine Geschichten um den Schauspieler Jarden Podmanitzki spiegeln das Zeitkolorit einer längst vergangenen Epoche. Sein Blick für menschliche Schwächen ist zeitlos. Mit einigen seiner politischen Satiren war seiner Zeit sogar voraus.

Einen nicht geringen Teil seines Erfolges in Deutschland verdankte Kishon dabei wohl seinem Übersetzer Friedrich Torberg, der vielen Geschichten einen Kaffeehaus-Ton gab, bei dem man sich eher in Wien als Tel Aviv wähnte. Zu jener Zeit, Zufall oder nicht, feierte übrigens auch Peter Alexander in Deutschland seine Erfolge.

RMH

17. Februar 2022 09:10

@Grobschlosser,

ich denke eher, dass die Intellektuellen in Deutschland damals Kishon im Stillen verachtet haben und ihm den ungeheuren Erfolg geneidet haben. Aber offen einen HC-Überlebenden mit ihren Kritiken anzugreifen, haben sie eben nicht gewagt. Es war aber damals noch eine Zeit, in der nicht nur Intellektuelle (das sind die meisten Lehrer gerade nicht) gelesen haben, sondern gerade die Leute, die den breiten, damals noch vorhandenen Mittelstand ausmachten. Überhaupt waren die 70er Jahre noch eine Zeit, in der das Lesen hoch gehalten wurde und es ein ungeheures Bildungsinteresse gab. Kishon scheint irgendeinen Nerv bei diesem sehr breiten Publikum gefunden zu haben und irgendwann ab Mitte/Ende der 80er Jahre war es dann vorbei. Ich habe bei der Rezension von M.L. an Kishon denken müssen, da aus meiner Sicht Kishon schon einige von den in dem Beitrag genannten Kriterien für "jüdischen" Humor erfüllt, bspw. kann man die genannte "nihilistische Ironie" aus meiner Sicht schon finden.

Gotlandfahrer

17. Februar 2022 11:32

Da hatte sich Tacitus dann offenbar doch getäuscht, wenn er im fünften Buch der „Historien“ über die Juden schrieb: „Abgesondert sind sie beim Essen, getrennt beim Schlafen, und obwohl sie ein der Sinnlichkeit ganz hingegebenes Volk sind, enthalten sie sich des Geschlechtsverkehrs mit fremdländischen Frauen.“

Tja, nun sind sie halt da.  So hieß es wohl schon in Colonia Claudia Ara Agrippinensium.  Ich habe immer Sympathie für die, die ihr eigenes Ding durchziehen wollen, erst recht, wenn das über Jahrtausende durchgehalten wird.  Neben meinem Benehmen anderen gegenüber kommt es aber immer auch auf das Benehmen der anderen mir gegenüber an.  So sollte es jedenfalls sein, wenn das Miteinander nicht durch ein Herrschaftsgefälle gekennzeichnet ist.  Wenn zum Beispiel „Narrative“ genutzt werden, um mein Benehmen anders zu bewerten als das von anderen, dann besteht ein Herrschaftsgefälle.  Gut, ohne Herrschaft geht es nicht auf Erden.  Nur ist es gleichfalls irdisches Gesetz, dass Herrschaft unter Machbarkeitsvorbehalt steht.  Wer also Herrschaft ausübt, muss damit rechnen, dass er sich darin bewähren muss.  Jeder Herrscher ist gut beraten, hier seinen aussichtsreichsten Weg zu wählen.

Laurenz

17. Februar 2022 12:24

@Franz Bettinger

Was Deinen Vergleich des III. Reichs zu der jetzigen Corona-Situation angeht, sollte man schon ins Detail gehen. Heute sind ein Vielfaches an Bürgern betroffen, als Minderheiten im III. Reich verfolgt wurden. Die existentiellen Schwierigkeiten unterscheiden sich. Wir haben zwar heute Tafeln im Einsatz, aber das ist mit der Menge an Suppenküchen & Unterernährung in der Weimarer Zeit nicht zu vergleichen. Desweiteren ermächtigte sich seinerzeit fast jeder Staat, nicht nur die Nationalsozialisten. Heute, wie damals, werden Täter als solche nicht benannt. Bei jüdischen Investoren gab es historisch Täter (Sassoons), nur will die jüdische "Community" dafür keine Verantwortung übernehmen. Das tut sie nur in der Opferrolle, nicht bei ihren Tätern. Aber wie kann jemand, der nicht geimpft werden will, zum Täter werden? Schwierig, nicht? Die Nicht-Geimpften hatten nichts getan, um Reaktionen zu provozieren. Die Nationalsozialisten hingegen waren zu 100% eine Reaktion auf Vorangegangenes. Heute haben wir nur die Impflamisten, die sich die Taschen füllen wollen. Einige europäische Politiker haben verstanden, daß, wenn sie nicht die Reißleine ziehen, tatsächliche systemverändernde Reaktionen folgen werden. Aber wer weiß, vielleicht ist es dazu schon zu spät.

Gracchus

17. Februar 2022 12:24

Ich finde die Serie Seinfeld noch immer witzig. Ebenso Billy Wilder. Kafka hat auch eine komische Seite. 

Das neu übersetzte Buch von Joshua Cohen heißt "Witz": "Gegen die Verkitschung des Holocaust zieht Joshua Cohen, der vielbeachtete Autor von Buch der Zahlen, alle Register der Komik und Parodie, mischt Biblisches mit Stand­up-­Comedy, Hochkultur mit Trash, Familiengeschichte mit Slap­stick. So gelingt ihm ein fulminantes Opus magnum: mit Witz." 

Laurenz

17. Februar 2022 12:38

Wen der Inhalt dieses ML-Artikels interessiert, sollte sich mit Gilad Atzmon beschäftigten, der neben seiner Existenz als Jazz-Saxophonist sich eben auch politisch als Autor & mit Vorträgen engagiert. Seine bekanntestes Buch ist "The wandering Who?". 

https://www.buecher.de/shop/politische-bildung-und-kultur-zivilgesellschaft/the-wandering-who/atzmon-gilad/products_products/detail/prod_id/33443389/

Wenn man sich eingehender mit Atzmon beschäftigt, wird offensichtlich, wofür er sich selbst hält. Wie bei intellektuellen Linken üblich, so würde ich behaupten, hält sich Atzmon für den intelligentesten jüdischen Nicht-Juden überhaupt. Er hat aus Seiner gedanklichen Position heraus Schwierigkeiten, einfaches Brauchtum als identitätsstiftend wahrzunehmen.

Hier ein recht aktuelles Interview über Deplatforming https://youtu.be/8NP1ewzFP0c

Und die echten Rechten (also nicht wir Konservativen) haben sich längst mit Atzmon auseinandergesetzt, weil Er ihnen in den Kram paßt.

https://www.hagalil.com/01/de/Antisemitismus.php?itemid=1741

Grobschlosser

17. Februar 2022 12:38

re Gotlandfahrer : immerhin : Sie greifen nach 3 Sätzen das Thema "Herrschaft" auf - und die moderne Form der Herrschaft besteht wesentlich aus Sprache , diversen Codes , Einhaltung soz. Normen usw. Gut - wenn ich einen Proleten beobachte wie er seine Bierdose in die Landschaft wirft verdamme ich eben "alle" Proleten ; kann sich eine Gruppe deutscher Touristen nicht angemessen verhalten wird man ganz selbstverständlich "alle blöde Krautz" ganz selbstverständlich für Vollidioten halten - nun Sie wieder : Quizfrage : welche Gruppen dürfen Sie NICHT kritisieren ( ohne einen entsprechenden soz.Preis zu bezahlen ) .

 

Genau : gut organisierte Gruppen die über informelle , demo. nicht leg. Macht verfügen ( SPD Lehrer in einer spd Stadt , saublöde Offiziere wenn Sie zufälligerweise nur Gefreiter sind , Beamte wenn Sie regelmäßig auf deren Wohlwollen angewiesen sind ( zB : Baugenehmigungen ) - also : wenn die Schere im Kopf die hier geführte Debatte deutlich einschränkt wissen Sie sehr wohl wo das Problem liegt ( und ja : es gibt auch Gegenbeispiele - sie USA oder EU Ausland : ein komisch gekleideter freak will am Flughafen eine Sonderbehandlung - kann er haben - schon oft erlebt 

zeitschnur

17. Februar 2022 13:01

Immer, wenn einer meint, er müsse über Humor oder Witz schreiben, wird es krampfig. Das Gegenteil von Humor ist der Kitsch. Übrigens ein Wort, das aus dem Deutschen direkt ins Ivrit übernommen wurde.

Humor bedeutet, dass man den Dingen, egal, wie sie daherkommen, mit Gelassenheit begegnet, die sich im Wort, in der Sprache, im Reden ausdrückt. Dem Humor ist das Lachen beigesellt. Die Facetten des Lachens sind vielfältig und hängen von bestimmten kulturellen Konstellationen ab.

Die beklemmendsten, magisch-rituellen Zeiten der Deutschen waren auch stets Zeiten des Kitsches und des versiegten Lachens. Ich behaupte, dass jede wahre Kunst auch ein Lachen oder Lächeln ist.

Interessant ist dazu S. Friedländers "Kitsch und Tod", wo es im Klappentext heißt: Die ästhetische Faszination durch Kitsch und Tod unterzieht Friedländer einer kritischen Analyse und kommt zu dem Fazit, dass dieses Phänomen nicht mit den Mitteln der Ästhetik bewältigt werden könne - es sei denn, man wollte einer geistig-moralischen Verwirrung Vorschub leisten.

So ist es auch mit dem Humor - er kann nicht mit Mitteln der Ästhetik oder gar der Ethik beschrieben oder anaylsiert werden. Er wird damit sofort umgekehrt ins Gegenteil.

zeitschnur

17. Februar 2022 13:15

Hätte es einen Kishon nicht auch auf Katholisch geben können?

Auf Katholisch deswegen eher nicht, weil das katholische Milieu todes- und nicht gottesfürchtig ist, sondern dem Kitsch und der Starre zuneigt. Nicht weil es nicht solche Schnäbel dort geben könnte, aber wenn sie ihn öffneten, würde sofort draufgehauen.

Ich kann mit solchen Diskussion fast nichts anfangen - auch hier ist das "Terrain" alles, und der Keim fast nichts, wie es Pasteur auf dem Sterbebett zugab.

Hat vielleicht einen tiefen Sinn, dass die gnadenlose Humorlosigkeit der ganzen Welt Voraussetzung für die C-Krise war und ist, ebenso wie für den NS, ebenso wie für den Genderismus, ebenso wie ... den Kommunismus und Katholizismus. Und natürlich auch den verklemmten Protestantismus.

Wenn der verknöcherte Solidaritäts- und Demutswahn Blüten treibt, wenn die verbissen beanspruchte Ungeborgenheit und Todesfürchtigkeit gesellschaftliches Leitbild werden, bleibt das Lachen im Halse stecken, und wenn es das nicht tut, knallt man eine Maske drauf. So siehts aus. Und dann philosophiert man auch noch über den Humor. O Mann.

heinrichbrueck

17. Februar 2022 13:20

@ Bettinger
Thema "beunruhigendes Muster". Sie relativieren die NWO. 

Diese Mischung aus Wehleidigkeit und Grausamkeit, ein weiteres Muster, auch wenn das Herrschaftsgefälle inzwischen klar sein dürfte. Mit Selbstironie und Witz, die Waffen des Vorbehalts. 

Monika

17. Februar 2022 13:26

Ein alter Jude läuft schwerbepackt über einen Bahnhof in einer Kleinstadt und fragt einen Mitreisenden: „Was halten Sie eigentlich von Juden ? “Darauf sagt der Mann: „Ich bin ein großer Bewunderer des jüd.Volkes.“ Der Jude bedankt sich und geht weiter zu einem anderen Mann. Dieser antwortet auf die gleiche Frage:“Ich bin fasziniert von den Leistungen jüdischer Mitmenschen in Kultur und Wissenschaft.“ Der Jude dankt und fragt einen dritten Mann. Der antwortet: „Ich mag Juden nicht besonders und bin froh, wenn ich  nichts mit ihnen zu tun habe.“ Darauf der alte Jude: „Sie sind ein ehrlicher Mann, könnten Sie bitte auf mein Gepäck aufpassen, ich muss zur Toilette.“ Mein Vater war ein ehrlicher Mann. Den „Blaumilchkanal“ von Kishon mochte er gar nicht:  „Warum soll man lachen über eine wandernde Waschmaschine? Die kann man doch feststellen...“🤔

Laurenz

17. Februar 2022 13:49

@Zeitschnur

Was haben Sie gegen den Kitsch? Zumindest war Umberto Eco anderer Meinung als Sie, wie man hier nachlesen kann.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kitsch

Bis auf ein paar Drucke, echte Gemälde & wenige Accessoires ist meine Wohnung mittlerweile spartanisch eingerichtet. Das Haus & der Garten meiner Mutter (quasi das Gegenmodel) ist ein Sammelsurium aus Echtem & Kitsch, den meine Mutter ganz bewußt gestalterisch gesammelt hat, um ihre Umwelt explizit nach Jahreszeit zu gestalten.

Für Kitsch scheint es doch einen immensen Bedarf zu geben, warum wollen Sie das den Menschen nehmen?

Maiordomus

17. Februar 2022 14:12

@Zeitschnur. Selbstverständlich sind der Humor bzw. das Komische der Analyse zugänglich, kann man über Hintergründe, psychologischen und phänomenologischen Ursachen, Klarheit gewinnen, wiewohl zum Beispiel Kants Definition des Komischen, hier nicht weiter auszuführen, an sich humorlos wirkt, schon weil jede Analyse des Lachens und des Komischen nicht etwa objektsprachlich, sondern metasprachlich zu verstehen ist, so wie Roland Barthes den Satz "Ich liebe dich" perfekt verständlich machte, was für sich keineswegs ein liebevoller Vorgang ist. Von Interesse, echt weiterführend ist diesbezüglich die  Abhandlung von Henri Bergson "Le rire". Dort wird als Basis des Komischen eine Art "Erstarrung" ausgemacht wird, so die skurrile Sturheit des Geizigen, des eingebildeten Kranken, des Bürgers, der glaubt sich wie ein Edelmann präsentieren zu müssen usw. Es ist für die philosophische Menschenkunde keine Kleinigkeit, dem Wesen des Lächerlichen auf die Spur zu kommen; spannend, wie Eco sich damit befasste und warum die Benediktsregel vor dem Lachen warnt. Haben Sie sich damit schon befasst?

zeitschnur

17. Februar 2022 14:56

@ MD

Nur mal zur Benediktsregel: Warnt die generell vor dem Lachen, also dem echten Lachen?

Was steht denn dort? Lesen wirs: Albernheiten aber, müßiges und zum Gelächter reizendes Geschwätz verbannen und verbieten wir für immer und Überall.

Ich habe das nie so verstanden, dass man nicht lachen darf! Ich habe es so verstanden, dass das Lachen gewissermaßen nur auf höchstem Niveau angestrebt wird. Albernheit und müßiges Geplapper sind ja hoffentlich auch aus Ihrer Sicht nicht dasselbe wie Humor. war lange Gast in einem Kloster mit Benediktsregel: da wurde sogar viel gelacht, aber niemals auf dem besagten Niveau. Also: keine Zoten, kein Lachen über konkrete andere ("Lästern").

Kositza: Dazu "witzigerweise" dies: Letzte Woche habe ich meine Freundin besucht, die Benediktinerin ist. Bevor sie mit 21 eingetreten ist (Kloster mit Klausur) war sie berüchtigt für ihre unaufhaltbaren Lachanfälle.
Nun hatte sie nach Jahren genau diese Macke während der Lektüre im Refektorium heimgesucht.
"Ich dachte gleich, das ist jetzt der Dammbruch. Und wirklich ist es mir am nächsten Tag wieder passiert. Es war so eine alberne Stelle, die ich vorlesen mußte." Sie mußte dann vor der Äbtissin knien & um Entschuldigung bitten...
Allerdings wird in diesem Kloster durchaus viel herzlich gelacht. Das Lachverbot in der Benediktsregel wird dort genau so ausgelegt, wie Zeitschnur es tat.

Maiordomus

17. Februar 2022 15:21

@Laurenz. Niemand will den Leuten den Kitsch nehmen; vor den kitschigsten Muttergottesstatuen brennen am meisten Kerzen, sie kommen vielfach dem "Volksempfinden" am nächsten, wohingegen die erhabensten künstlerischen Gestaltungen womöglich zu weit weg vom Verstehen und Empfinden vieler sind. Ein Kunsturteil, bei dem es darum geht, analytisch, "zu begreifen, was mich ergreift" (Emil Staiger), bedarf zwar durchaus einer subjektiven Berührung, wohingegen aber das vertiefte Verständnis in den geistigen Bereich gehört. 

Sie haben wohl insofern etwas recht, als Sie sich für das unterschätzte Phänomen Kitsch stark machen; Kitsch, als oft epigonale handwerkliche Weiterverwendung einer ursprünglichen hochkreativen Leistung bzw. Idee, erfordert beim Ausführenden Können; um guten Kitsch zu fabrizieren, muss man vielfach ein ausgezeichneter Kunsttechniker sein. Zumal Literaturkitsch, der Millionen Leser findet, ist in der Regel zumal gekonnt und der Autor hat gewiss einiges, vielleicht sogar das Meiste, richtig gemacht. Gilt auch für den Film. 

 

RMH

17. Februar 2022 15:54

"Zumindest war Umberto Eco anderer Meinung als Sie,"

"wie Eco sich damit befasste"

@L. und MD;

richtig, Umberto Ecos erfolgreichster Roman, "Der Name der Rose", drehte sich bekanntlich ja auch um das Lachen, in dem ein Mönch einen Text Aristoteles zur Komödie mit allen Mitteln versteckt und geheim halten will.

Der Gehenkte

17. Februar 2022 16:47

Wenn ich Sie recht verstehe, @ zeitschnur, dann wollen Sie den Humor und das Lachen der rationalen Analyse entziehen, weil er im Akt der Analyse zerstört würde, weil das analytische Zerlegen selbst nicht lustig sein kann? Habe ich das richtig verstanden?

Sakralisieren Sie damit nicht das Lachen und versetzen es damit - wohl entgegen Ihrer Intention - in einen divinen Status?

Man dürfte mit Ihrem Argument auch keine Archäologie betreiben, denn sie fördert zwar zutage, zerstört aber zugleich den Gegenstand ihres Interesses, indem sie ihn seinem gewachsenen Kontext entzieht, oft auch beschädigt oder der Verwitterung aussetzt. Und so in vielen Bereichen ...

Es gibt übrigens jede Menge sehr humorvoller theoretischer Auseinandersetzungen mit dem Humor. Ich hatte letztens Carl Julius Weber erwähnt, auch bei Sloterdijk findet man Entsprechendes oder bei Deleuze. Auch bei Lukian, Wieland oder Lewis Carroll kann man fündig werden und ganz explizit selbst in der Pop-Art, etwa bei Frank Zappa oder dem erwähnten Helge Schneider.

Aber vermutlich habe ich sie nur falsch verstanden.

Monika

17. Februar 2022 16:48

@ Zeitschnur

Den ( vorkonziliaren) Katholizismus meiner Kindheit in Frankfurt habe ich als sehr humorvoll in Erinnerung. Wo es tiefen Ernst gibt, da gibt es auch Lachen. Und mein Opa hat auch Witze über Juden und Katholiken erzählt. Die hatten vor dem Krieg gute Kontakte. Also:

 Ein kath. Pfarrer bestellt beim Tuchhändler Hirsch feine Stoffe für neue Messgewänder. Ein paar Wochen später lädt er den Juden in die Sonntagsmesse ein. Dieser ist völlig begeistert, als er „sein“ Monogramm in die Messgewänder eingestickt sieht. „Dass sie Isaak Hirsch Söhne ( IHS) eingestickt haben, freut mich ungemein, sagt der Jude zum Pfarrer, „kommen Sie mit Ihrer Frau doch mal zum Kaffee.“ Sagt der Pfarrer: „Aber das geht nicht, wir haben doch den Zölibat“. Darauf Isaak Hirsch: “Das macht  nichts, das Zölibaatsche  können Sie ruhig mitbringen.“ 

RWDS

17. Februar 2022 18:10

@Franz Bettinger

Man kann es auch übertreiben. Es gibt eine ganz einfache Lösung. Lassen Sie die Maske einfach ab. Das ist ganz leicht.

Ich fahre im ÖPNV generell ohne Maske. Die Schnabelmasken schauen betreten weg, aber jedes maskenlose Gesicht lässt die Leute innerlich grübeln.

"Ab morgen mach ich es auch."

Mir ging es nämlich ganz genauso. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich den Schritt gewagt habe. Es ist befreiend, was an sich schon bescheuert ist.

Deshalb muss man sich aber nicht wie 1934 fühlen.

kikl

17. Februar 2022 19:55

Wenn der jüdische Witz darin besteht, dass Juden aussprechen, was wir als Goyim und insbesondere wir Deutsche nicht sagen dürfen, dann ist das ein ziemlich billiger Trick und eine Form der Demütigung. Beweist es doch nur, dass wir auch heute Über- und Untermenschen haben und der vermeintliche Humor besteht darin, den Untermenschen ihren Platz unausgesprochen zuzuweisen. Witz geht anders.

Ich bin jüdischem Humor gegenüber aufgeschlossen, aber den gibt es erst, wenn wir nicht nur über Deutsche sondern auch über Juden lachen dürfen. Denn Humor beweist nur, wer über sich selber lacht. Davon kann ich bei Juden aber auch bei Deutschen sehr sehr wenig erkennen, weil beide Juden und Deutsche eine Identitätskrise erleben.

Nur wer so unverstellt, männlich und selbstbewusst lieben kann, wie der Sänger in Schuberts Lied "Mein!", der kann auch unverstellt über sich lachen:

https://www.youtube.com/watch?v=5lU3-cxF6HM&list=RDGMEM8h-ASY4B42jYeBhBnqb3-w&index=5

Franz Bettinger

17. Februar 2022 21:42

Wer mehr wissen will über "das Muster", das immer dann nicht benannt werden darf, wenn es dem heutigen Regime auf die Füße knallen würde, der lese die Lügenpresse und überlege, warum der St. Ingberter OB diese Bürgerin zu Wort kommen ließ. (Er dachte, der Schuss ginge in die andere Richtung; da hat er sich getäuscht): https://www.bild.de/regional/saarland/saarland-news/nazi-eklat-im-stadtrat-frau-zeigt-mehrfach-hitlergruss-79175494.bild.html?

Gracchus

17. Februar 2022 21:43

Ist das Problem nicht, dass jüdischer Humor nicht zu einer Art Markenartikel geworden - wie Klezmer? Was unterscheidet jüdischen Humor genau von z. B. englischem oder deutschen? Und falls ein Unterschied besteht; wieso können Nichtjuden drüber lachen? Wer erzählt sich überhaupt noch Witze? Ich kenne kaum Leute, die das noch können. 

Wenn Humor - wie @zeitschnur sagt - Gelassenheit bedeutet, würde ich auch nochmal differenzieren. Denn nicht jeder Witz transportiert ja eine solche Gelassenheit. Es gibt ja auch eine verzweifelte Komik, wie bei Kafka oder Dostojewski. 

Gracchus

17. Februar 2022 21:54

Seit Beginn der Pandemie warte ich auf den Moment, dass sich die Leute, z. B. in der U-Bahn, lachend die Maske vom Gesicht reißen. 

Man kann Komik, Witze, Humor natürlich philosophisch betrachten; wer dies tut, sollte sich aber ggf. an das Lachen der Thrakerin erinnern und sich nicht wundern, wenn er neuen Anlass zum Gelächter gibt. Ebenso die, die sich rechtlich (darf man Witze machen) oder ökonomisch (bringen Witze Geld) damit befassten. Will heißen: Komik verträgt es, dass man sie von einem ihr fremden Standpunkt betrachtet - und findet's komisch.. 

zeitschnur

17. Februar 2022 22:16

@ Gracchus

Ich schrieb ja oben: Die Facetten des Lachens sind vielfältig und hängen von bestimmten kulturellen Konstellationen ab. Und nicht nur kulturellen, sondern situativen K. aller Art. Natürlich gibt es auch das Lachen der Verzweiflung.

Und genau deswegen, @ Gehenkter, denke ich, dass es sich der Analyse letztendlich entzieht. Wie ein Springteufel kann es sich aus wirklich jeder Nische der Kisten oder auch Nicht-Kisten herausklabautern lassen. Man kriegt es nicht eingefangen in einer Analyse. Es ging mir nicht um "Zerstörung" durch Analyse (jene gelingt nicht, wo ein echtes Lachen lebendig ist!), sondern wie im Zitat oben um die Nicht-Bewältigung durch Analyse. Besser: Nicht-Bewältigbarkeit. Das Lachen ist jeder Analye immer voraus. Hase und Igel ...

Von daher ist die Benediktsregel auch wieder sehr weise, wenn sie den Sinn dafür schärfen will, was zum Lachen ist und was ein Absturz in die Dumpfheit des Unernstes wäre.

Laurenz

18. Februar 2022 00:24

@Maiordomus & RMH (1)

Man kann dem Linken Eco jetzt nicht wirklich vorwerfen, schlecht recherchiert zu haben. Das hat Er wohl in der Tat recht genau im Detail getan.

Da ist die Nummer mit dem Lachen ganz anders beschrieben, als es EK, Monika oder Zeitschnur im heute festgestellt haben. Denn im Buch handelt es sich ja um eine Benediktiner-Abtei, während die Hauptfigur William von Baskerville Franziskaner ist, dessen Orden ca. 100 Jahre vor der Handlung im Buch gegründet wurde, während sein Adlatus, Adson von Melk, ebenso Benediktiner ist.

Daß man heute den Papst verunglimpfen oder sich über ihn lustig machen kann, hat rein mit der Aufklärung zu tun. Sonst war die politische Nummer seinerzeit totalitär, etwa so ähnlich, wie wenn man heute grundsätzlich anti-semitische Judenwitze vom Stapel läßt.

Eine der beiden entscheidenden Stellen im Film, jeweils mit Jorge de Burgos, & wohl auch im Buch ist hier, schlechte deutsche Version,  https://youtu.be/sg3fWUeAeMU   & bessere englische Version  https://youtu.be/jUUB96c6EpY

Laurenz

18. Februar 2022 00:25

@Maiordomus & RMH (2)

Leider habe ich die andere Stelle, daß das Lachen den Zweifel im Glauben schürt, nicht gefunden. 

Das 2te, verschollene Buch "Poetik" des Aristoteles über die Komödie ist das Epizentrum des gesamten Werkes Ecos. Hier noch mal eine kurze Abhandlung des Buches & dem damaligen Zeitgeist. https://www.geschichtskreis-dornholzhausen.de/neue-abhandlungen-zur-geschichte-1/das-bild-der-ketzer-in-umberto-ecos-roman-der-name-der-rose/

Dieser theologische Konflikt, der natürlich politisch wirkt, hält bis heute an. Vor allem bei dem aktuellen Papst, der im Amt ist, einem Jesuiten, der sich Franziskus nennt.

Man muß hier auch @Zeitschnur widersprechen, da Zeitschnurs Aussagen völlig inhuman sind. Humor ist oft recht individuell. Und jeder hat das Recht auf seine eigene Art zu lachen. Niemand braucht hierbei Regeln, Ansprüche oder Vorschriften. 

links ist wo der daumen rechts ist

18. Februar 2022 07:34

@ zeitschnur

… und genau aus diesem Grund maßen Sie sich an apodiktisch festzulegen (zuletzt im Bernd Zeller-Kommentarstrang), was Humor NICHT zu sein habe.

Oder stellen vage Fragen (wie zuletzt im Toel-Strang; im Übrigen ein absolut humorloser Typ), um dann gleich wieder in Ihren missionarischen Tonfall zu verfallen. Und ohne Satan oder „Seher“ geht es bei Ihnen eh nie.

Oder sprechen ein absolutes Kitsch-Verdikt (via Klappentext!) aus; über die Thesen eines Hermann Broch könnte man ja z.B. diskutieren.

Nein, Sie wollen um jeden Preis Recht behalten und sehen dabei nicht, wie Sie jedes Mal haarscharf an Ihrer Selbstparodie vorbeischrammen.

Sie haben ein fugendichtes (i.e. totalitär-manichäisches) Weltbild, in dem sogar die Einbruchstellen (wie das Lachen) genau definiert sind.

Schwimmen Sie sich frei (frei nach Kafka - oder Erhart Kästner).

zeitschnur

18. Februar 2022 10:22

Oje, da wird ja wohl einiges angetriggert bei manchen Herren hier ... und plötzlich fehlt jeder Humor ...

Zur Versachlichung: Nicht ich, sondern die Benediktsregel formuliert eine sehr apodiktische Scheidung unguten und albernen Gelächters von echtem Lachen. Das zitierte ich, gewann dem eine tiefe Weisheit ab. Die Benediktsregel brachte ebenfalls nicht ich, sondern @ Maiordomus ins Gespräch. EK bestätigte diese Differenz dann aufgrund einer persönlichen Erfahrung mit einer befreundeten Benediktinerin. Mir ging es zunächst darum, MDs Aussage, St. Benedikt habe vor dem Lachen gewarnt, etwas zu differenzieren.

In dem, was ich selbst an Thesen aufstellte ging es nicht darum, ob einer individuell seinen speziellen Humor habe oder nicht oder haben dürfe, sondern um eine literaturwissenschaftlich-philosophische Analyse-Möglichkeit dessen, was Humor genau ist. Ich vertrete bis dato die These, dass diese Möglichkeit nicht besteht oder nur so, dass sie dem, was Humor ist, stets hinterherhinkt.

Maiordomus

18. Februar 2022 10:29

@Zeitschnur/Monika. Die Benediktsregel äussert sich an 6 Stellen über das Lachen, stets kritisch. Im 7. Kap. lesen wir über "die 10. Stufe der Demut": "Der Mönch ist nicht leicht und schnell zum Lachen bereit, steht doch geschrieben: 'Der Tor bricht in schallendes Gelächter aus.'" Es ist der Primat der Demut, der wohl weniger das Lachen als das Auslachen verbietet, sowie letztlich, vgl. die Lachtheorie von Bergson, die stark auf dem Beispiel von Molière (Jubiläumsjahr!) aufruht, Komik noch und noch zunächst zwar auf Selbstentlarvung, im Prinzip aber doch häufig auf Entlarvung eines Dünkelhaften beruht. Wer lacht, zeigt sich überlegen!

@Laurenz. Als Leser von Eco, "Der Name der Rose", zwar miserabel verfilmt, da hätte es einen Russen gebraucht, liegen Sie als eher sparsamer Leser von Belletristik und philosophischer Originallektüre m.E. goldrichtig. Halte das Werk für den am stärksten geschriebenen europäischen Roman der letzten 50 Jahre, dies bei Lektüre von Neuerscheinungen in seither vierstelliger Höhe. Eco bringt sowohl philosophisch wie auch als historiografische Erzählung zum zentralen Motiv des Universalienstreites , brillant geschrieben, mehr als jeder seitherige Nobelpreisträger, wobei der Italiener wie Dürrenmatt aussen vor blieb. 

zeitschnur

18. Februar 2022 10:39

Ich frage mich gerade, ob es überhaupt einen spezifisch jüdischen Humor gibt. Ist das nicht ein Phantom, das durch Traumatisierungen im deutschsprachigen Raum des 20. Jh ausgegoren wurde? Kishon hat das ja mal angedeutet in einem Text mit dem Titel Gibt es einen jüdischen Witz, und wenn ja, warum nicht? (oder so ähnlich).

Seit wann wird der spezifische jüdische Humor thematisiert und rezipiert? Ich habe das nicht genau verfolgt, aber so wie es aussieht, doch erst im 20. Jh und da insbesondere nach der Shoah.

Es scheint mir eher so, als sei die Teilhabe am jüdischen Witz, der ja v.a. auf Jiddisch bekannt ist, eine Art Ebene, auf der das, was gespalten und zerbrochen war, unschuldig wieder zusammengedacht werden konnte: Die Gemeinschaft der Deutschsprecher, zu denen die allermeisten Juden gehören. Das alte Bewusstsein, das im 19. Jh von Philo- und Antisemiten ausgesprochen wurde, in Wahrheit Brüder zu sein, wieder zu erlangen.

Es ist doch symptomatisch, dass Torberg Landmann vorwarf, sie wolle damit eine zu schnelle Wiedervereinigung und Versöhnung herstellen. Damit spricht er genau das aus: Der Riss sollte verstetigt werden, obwohl auch dieser Riss künstlich hergestellt worden war wie der, später auch noch den Rest der Deutschen politisch zu zerreißen.

Dass Humor, als Massenprodukt vermarktet, schal wird, ist nicht nur bei Kishon oder jüdischen Witzbüchern der Fall, sondern auch bei allen anderen Ausdrucksformen des Humors.

Der Gehenkte

18. Februar 2022 10:41

@ zeitschnur

"dass es sich der Analyse letztendlich entzieht. Wie ein Springteufel kann es sich aus wirklich jeder Nische der Kisten oder auch Nicht-Kisten herausklabautern lassen. Man kriegt es nicht eingefangen in einer Analyse."

Da haben Sie vollkommen Recht - man kann es nicht einfangen.

Aber das ist nie der Sinn einer Analyse von Konzepten und Kategorien gewesen, das offenbart nur ein seltsames Verständnis von Erkenntnis. Man kann sich diesen Dingen immer nur approximativ nähern: Angst, Glück, Panik, das Schöne ..., Volk, Nation ..., Gott. Alles nicht-Materielle - und auch das oft nicht -, alles nicht-Physikalische, nicht-Mathematische ... läßt sich nicht einfangen im Sinne der kompletten Verfügung darüber. Schon weil wir Sprache und Begriffe nutzen müssen und die eine ganz andere ontologische Kategorie darstellen, weil es eine Schere gibt - wie Foucault uns lehrte - zwischen Sprache und Sein. (Das ist ja der Punkt, den ich an Ihren Büchern kritisiere, daß sie diesen ontologischen Hiatus überspringen oder glauben, ihn übersprungen zu haben, was natürlich objektiv unmöglich ist. Daher mögen ihre Ergebnisse hübsch anzusehen sein, sind methodologisch aber fraglich und man muß Ihnen glauben, um Ihre Argumente überzeugend zu finden.)

Und gerade daraus, aus dieser Schere, ergibt sich die Pflicht, sich den Phänomenen beschreibend, analytisch zu nähern. Vor allem dem Lachen als Entgrenzungsphänomen.

Maiordomus

18. Februar 2022 11:20

@Zeitschnur. Die unübertreffliche Dokumentation schlechthin des jüdischen Witzes, den es z.B. als Ausdruck des immer vorhandenen jüdischen Selbsthasses (vgl. Heine, Theodor Lessing, sogar beim eher humorlosen Marx) stets gab, diese beste Dokumentation findet man bei den Judenanekdoten in Johann Peter Hebels "Schatzkästchen des Rheinischen Hausfreundes", zwar kein Wunder. Hebel  ist und bleibt der mit Abstand erzählstärkste Prosaschriftsteller des oberdeutschen Raumes und auch noch ein echter Volksschriftsteller, was in der Art der Präsentation (zumindest aus heutiger stark sensibilisierter Sicht) Antisemitismus nicht ausschliesst. Dabei ist Hebel bloss weder ein Philosemit noch ein Antisemit, sondern einfach ein grosser Schriftsteller, notabene der einzige Klassiker, vielleicht nebst Kleist und Goethes "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter(, von dem man noch im 21. Jahrhundert für das Erzählen mehr lernen kann als in jedem Literaturseminar; letzteres z.B. ein Urteil noch von Elias Canetti selig, der den jüdischen Witz von jeher stets beherrschte. 

Simplicius Teutsch

18. Februar 2022 11:32

Lachen muss auch geübt und gelernt werden (dürfen). Was der eine bloß albern findet, ist für einen anderen witzig. Heranwachsende haben andere Probleme und einen anderen Blick auf die verrückte Realität als alte intellektuelle Säcke mit Prostatabeschwerden.

Gemeinsames Lachen basiert auf einem gemeinsamen Einverständnis und auf gemeinsamen überspitzten, witzigen Erkenntnissen.

Lachen irritiert allerdings Machthaber, wenn an Stellen (örtlich und inhaltlich) gelacht wird, wo nicht gelacht werden darf.

Humor und Gelächter können auch Notwehr des Schwächeren sein; dann kann ein Witz zur Waffe und zur wirksamen Provokation des Gegners verwendet werden.

Mal abgesehen vom arroganten Auslachen zum Zwecke des Erniedrigens des Schwächeren und vom Zum-Gespöttmachen desjenigen, der sich nicht auf gleicher Ebene wehren kann (z.B. nach der öffentlich-rechtlichen Methode von Berufsblödian Böhmermann), ist so ziemlich jeder Witz in passender Runde erlaubt. Ausgelebter Humor im passenden Kreis entspannt; siehe Feuerzangenbowle.

zeitschnur

18. Februar 2022 11:35

@ Der Gehenkte

Widerspreche Sie sich da nicht selbst? Das Approximative des Analytischen, weil es "Schere gibt zwischen Sprache und Sein" (jedenfalls unserer Sprache als Menschen!) gebe, werfen Sie dann mir umgekehrt vor?! Denn nichts anderes tun Sie ja. Sie unterstellen mir zwar suggestiv, dass ich den Hiatus zwischen Sprache und Sein überspringen würde, begreifen aber nicht, dass er im Bereich des Analytischen immer übersprungen werden muss, denn andernfalls wüssten Sie ja nicht einmal ansatzweise, woran Sie sich annähern. Das ist ein logisches Argument. Sie analysieren nicht im luftleeren Raum und v.a. nicht ziellos, sondern tasten sich dabei an einer Idealvorstellung entlang, die etwas Konkretes meint. Denken Sie hier an den alten Streit um die Universalien. Sie vertreten wie es aussieht, einen realistischen Standpunkt, aber mir ist nicht klar, ob Sie dabei einen ontologischen oder rein semantischen Realismus vertreten.

ff

Laurenz

18. Februar 2022 11:39

@Maiordomus @L.

Finde den Film "Der Name der Rose", im Gegensatz zu Ihnen, im Grunde ziemlich gut gedreht. Der Haken an dem Film ist seine Kürze. Annaud traute sich einfach nicht, etwas Monumentales, wie die Trilogie "Der Herr der Ringe" zu drehen. Der Film Annauds reduziert sich im wesentlichen auf die "Kriminalgeschichte". Der Rest, die Ketzer, die Strömungen (beim Lesen der ersten 100 Seiten nahm ich damals einen Notizzettel zur Hand, um die vielen Sektierer irgendwie im Kopfe zu behalten), alles um zentrale Handlung herum fällt flach oder wird nur angedeutet. Da ist tatsächlich bedauerlich. Andererseits, Maiordomus, wäre es aber auch schwierig, das, was Ihnen am Film fehlt, einem Massenpublikum spannend näher zu bringen. Filme wollen auch verkauft werden. Deswegen drehte Herzog mit Kinski abstruse Produktionsfilme zum Film (sogenanntes Arthouse-Exkrement) um Aufmerksamkeit beim Publikum zu erzeugen.

@Zeitschnur

"Die Gemeinschaft der Deutschsprecher, zu denen die allermeisten Juden gehören."

Sehen Sie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jiddisch

Das ist ca. 1/15 der weltweit lebenden Juden, wobei ich selbst davon ausging, daß es ein paar Mio. mehr auf dem Planeten sind.

zeitschnur

18. Februar 2022 11:40

ff

Sie werfen mir vor, ich würde glauben, man könne sich mittels unserer menschlichen Sprache dem Sein absolut verbinden. Sie müssten schon so gut sein und nachweisen, wo ich das behauptet haben soll. Gerade ich weiß mit Paulus und Johannes vom Kreuz um die Unzulänglichkeit unseres Sprechens angesichts der unaussprechlichen Worte, von denen Paulus in einer visionären Himmelsreise Kenntnis erhielt. Auch ist Ihr Hinweis, am müsse mir glauben, andernfalls käme man argumentativ nicht heran an das, was ich schreibe, falsch. Sie müssen sich nur öffnen für eine ganz andere Denkweise, die ja nicht im luftleeren Raum steht. Ich stehe in geistiger Korrespondenz zu bestimmten Denktraditionen. Nur weil Sie jene nicht kennen oder ablehnen, sind sie ja nicht illegitim oder irgendwo nicht nachvollziehbar. Das sind folglich unfaire Argumente bzw eigentlich keine echten Gegenargumente.

Vielleicht gehe ich nicht wie Sie davon aus, dass Humor ein Art Technik sei, mithilfe derer man sich entgrenzen könne. Ich sehe ihn als eine ontologische Verfasstheit an, deren Verlust oder Vergröberung oder auch Versumpfung (das ist alles gleich im Ergebnis) einen Absturz ins Hoffnungslose bedeutet. Vielleicht liegt hier der Dissens zwischen Ihnen und mir.

zeitschnur

18. Februar 2022 11:47

@ MD

Zu Hebel: Ja, sicher - keine Frage, aber Hebel nimmt das hinein wie er auch alles mögliche andere Kurios-Witzige hineinnimmt. Das Jüdische nimmt hier keine spezifische Größe ein, es ist Phänomen der Vielfalt in deutschen Landen. Daher meinte ich ja, die spezifische Aktivierung des jüdischen Witzes nach dem Krieg ist ein Versuch, ein Terrain zu finden, auf dem man die alte Bruderschaft wieder lebbar und spürbar machen wollte, was aber nicht gelang. Denken Sie nur an die Traditionen der Grotesken und Schwänke, an Schilda (das Lalenbuch), das Narrenschiff - all das könnte man auch als Zeugnisse des Selbsthasses werten. Das Deutsche und das Jüdische ist hier kaum klar unterscheidbar, es ähnelt sich aufs Haar und stiftet daher auch so etwas wie "Heilung", wenn man es zulässt. Man hat aber nicht, und das bis heute.

anatol broder

18. Februar 2022 11:49

treffen sich jüdischer witz, judenwitz und antiwitz in einer bar.

jüdischer witz. ich fühle mich lebendig. lchaim.

judenwitz. ich fühle mich tot. muss heim.

antiwitz. ich fühle mich authentisch-nichtauthentisch. geheim.

Der Gehenkte

18. Februar 2022 11:53

@ Maiordomus

"den am stärksten geschriebenen europäischen Roman der letzten 50 Jahre"

Solche Urteile sind stets problematisch - aber Sie haben natürlich Recht, daß Eco hier einen Meilenstein geschrieben hatte, den man allerdings unbedingt mit dem "Foucaultschen Pendel" ergänzen sollte.

Die Stärke Ecos in seinen Romanen - die danach, seit "Die Insel des vorigen Jahres", leider immer schwächer wurden - ist zugleich seine Schwäche. Romane, die komplexe weltanschauliche Theorien abhandeln wollen - man siehe nur Sartre - haben immer etwas Unlebendiges an sich. Und Eco wollte hier alles hineinpacken - man kann den Roman überhaupt nur umfassend erschließen, wenn man seine theoretischen Arbeiten zum "Offenen Kunstwerk" - womit er führender Protagonist des Poststrukturalismus wurde - zur Semiotik, zur Logik der Abduktion, zur Ästhetik und zur Historie kennt. Glücklicherweise hat er immerhin seine politischen Gedanken außen vor gelassen.

Sein weiter Zugang hat ihn in Italien zum Orakel der Nation gemacht, eine Rolle, die er souverän spielte. Nationen brauchen solche Autoritäten - in D dürfte die Rolle nun an Sloterdijk vergeben worden sein ... immerhin eine Entmachtung der 68er.

Laurenz

18. Februar 2022 11:57

@Maiordomus @Zeitschnur

"Selbsthaß im Judentum"

Ich kann Ihre Definition so nicht teilen, glaube aber zu verstehen, was Sie meinen. Der innere Widerspruch im Judentum liegt an der häufigen Zwietracht mit Adonai, wofür das Judentum, in den Augen der Orthodoxen, über die Jahrhunderte hinweg immer wieder bestraft wird. Der grundsätzliche Fehler liegt in der Sicht der Schriftgelehrten. Nicht Moses ist der Führer der Hebräer/Israeliten, sondern Aaron. Die Juden tanzen seit Moses nachwievor um das Goldene Kalb. Da sind die Juden nicht die einzigen, auch die Asen (abseits der Wanen) sind in der EDDA dem Golde erlegen.

Ich hatte das Forum auf Gilad Atzmon hingewiesen, welcher, in Israel geboren & aufgewachsen, aus dem inneren Widerspruch zwischen Zionisten & Diaspora-Juden Seine Konsequenzen zog & "Brite" wurde.

Maiordomus

18. Februar 2022 12:14

@Der Gehenkte. Sie, der George-Leser, also eines notorisch unhumoristischen Schriftstellers, bringen es mit Ihrer Wortmeldung wirklich auf den Punkt. Schliesse nicht aus, dass wir uns, bei allen Meinungs-Schattierungen, auf Ihre Debatten-Zusammenfassung einigen können. Ausgangspunkt einer mutmasslich als "intellektuell" hoffentlich anerkennungsfähigen Auseinandersetzungen war nicht zufällig Martin Lichtmesz, der Shakespeare-Kenner, dessen weltberühmte Figur "Shylock" einerseits eine komische Figur bleibt, andererseits heute als Beispiel für literarischen Antisemitismus, freilich auf höchstem Niveau, herhalten muss. Sehr weiterführend war überdies der skeptische Einwurf von @Zeitschnur. @kiki werfe ich vor, dass er offenkundig nie mit jüdischen Intellektuellen von anderer Liga als die deutschen Talkshow-Juden einen Kaffee getrunken hat; die wären in der Tat humor- und selbstironiefähig. Galt auch für Willi Schlamm, den ich zwar nicht mehr persönlich kennenlernen durfte, wie heute Broder einst ein grossartiger Spielverderber sogar für die Antisemiten-Jäger.  

Gracchus

18. Februar 2022 15:03

@MD

"Martin Lichtmesz, der Shakespeare-Kenner, dessen weltberühmte Figur "Shylock" ..." bedeutet: Shylock wäre eine Figur von Lichtmesz. Heißt das, Sie halten Lichtmesz für eine Reinkarnation Shakespeares bzw. de Veres?

Maiordomus

18. Februar 2022 15:22

@Simplius Deutsch: "Ausgelebter Humor in passendem Kreis." Das trifft'es, selbst wenn es nicht zahm sein muss, vgl. die oft humoristischen Geschichten bei Boccaccios Decamerone, von gebildeten Oberschicht-Italienern einander in der Pest-Quarantäne erzählt! Auch religiös äusserst gewagt, viel Spott über katholische Kirche, Ärztesatiren, auch kaum mit sex. Tabus usw. Noch Molière kannte die Breite seines Publikums, dessen Sinn für Humor er - nicht immer risikolos - voll traf. 

Eco nicht überbewerten, aber Sloterdijk ist als krass unbegabter Romanschriftsteller nicht bei den 10 000 Besten. In der Art v. Eco philosophische Gleichnisse illustrieren schaffte Hollywood fast nie, jedoch Kubrick in Schluss-Szene von Odyssee im Weltraum, Tarkowski mit Stalker u. Nostalghia, auch Bunuel konnten es. Ecos erste ca. 60 Seiten NdR bilden fast unübertreffliche Illustration des von Sellner auf ein Klischee reduzierten Universalienproblems, man beachte die Geschichte um den Rappen Prunellus! Weltklasse, für Heutige transparenter als das Höhlengleichnis von Platon. 

Maiordomus

18. Februar 2022 16:02

@Gracchus. Sie verstehen sehr wohl, wessen Figur Shylock ist aus dem "Kaufmann von Venedig."

Niekisch

18. Februar 2022 16:09

Ein Medienhinweis zum jüdischen Witz: Upcoming Events at the Center for Jewish History (cjh.org)

kikl

18. Februar 2022 16:20

"@kiki werfe ich vor, dass er offenkundig nie mit jüdischen Intellektuellen von anderer Liga als die deutschen Talkshow-Juden einen Kaffee getrunken hat, die wären in der Tat humor- und selbstironiefähig"

Der Vorwurf ist berechtigt, ich kenne diese jüdischen Intellektuellen nicht persönlich. Aber vielleicht kann ich das nachholen, ich würde mich freuen.

Man könnte ja mal ein Experiment machen: Es werden abwechselnd Witze über Deutsche und Juden erzählt. Wer zuletzt lacht, hat gewonnen. Mit Briten oder Amerikanern kann man das machen.

Meine Prognose: Der Spaß wäre wohl sehr bald zu Ende, weil Witze über Juden "antisemitisch" sind und "Hass" ist bekanntlich verboten in Deutschland. Vermutlich einigte mach sich, fortan nur noch Witze über Ostfriesen oder Österreicher zu machen.

Aber vielleicht irre ich mich und jemand kann mir von einem derartigen Ereignis im weiteren Sinne berichten.

Der Gehenkte

18. Februar 2022 16:57

@ Maiordomus

Die Eingangsgeschichte um das verschwundene Pferd "Brunellus" ist zuvörderst eine literarische Verarbeitung der Theorie der Abduktion nach Charles Sanders Peirce, auf die sich Eco immer wieder - vor allem in seinen drei Semiotiken - bezieht, ganz explizit zusammengefaßt in "Hörner, Hufe, Sohlen" in "Der Zirkel oder im Zeichen der Drei". Ähnlich auch in "Die Grenzen der Interpretation". Die literarische Vorlage ist Voltaires "Zadig", in dem wir exakt diese Geschichte vorgeführt bekommen. Brunellus' Name ist ja selbst Teil der Lösung des Rätsels, denn so nannte Buridan sein Pferd, woraus William v. Baskerville auf die Namensgebung durch den Abt schließen konnte.

Die Szene ist zugleich eine Anlehnung an Arthur Conan Doyles "Sherlock Holmes", der - unabhängig von Peirce - die Abduktion in literarische Form kleidete, so wie William - der Name deutet das ja schon an - eine Verkörperung des Detektiven ist. Allein das deutet schon an, wie komplex und anspielungsreich das Buch ist ...

zu Sloterdijk: Sie sollten dem "Zauberbaum" noch einmal eine Chance geben. Das "Schelling-Projekt" habe ich bisher vermieden zu lesen - man hört darüber nichts Gutes. Aber Sloterdijk muß nicht nach seinen zwei Romanen beurteilt werden.

links ist wo der daumen rechts ist

18. Februar 2022 16:59

Bei der Frage nach dem Wesen des Lachens (und davon abgeleitet nach der des Witzes oder Humors) treffen wir doch auf den Kern jeder Bestimmung, die ein Vermögen beschreiben will, ohne zu einer Setzung zu werden; im Grunde ist das die Problematik der frühromantischen Ästhetik.

Manfred Frank („Einführung in die frühromantische Ästhetik“) hat sich dem als Systematiker, Werner Hamacher („Entferntes Verstehen“) als mimetisch-poetischer Analytiker genähert.

O-Ton Hamacher zu Fichtes absolutem Grundsatz und seiner Fortschreibung durch Schlegel:

„Die Einbildungskraft treibt also ein doppeltes Spiel mit dem absoluten Grundsatz: sie ermöglicht ihn und bedroht ihn mit seiner Verunmöglichung; das Vermögen der Setzung hält die Setzung und hält, an sich haltend, die Setzung zurück. Es ist nur der Schwäche der Einbildungskraft zuzuschreiben, daß sie aus einer Kraft der Ermöglichung in die Wirklichkeit der Setzung übergeht.“

Carl Schmitt hat als Dezisionist versucht, sich dieses Dilemma eines ewigen Okkasionalismus vom Leib zu halten; gelungen ist es ihm – in der Interpretation von Krockows – nicht.

Wer sich dem in seiner Schreibart sehr stark angenähert hat, war übrigens Canetti.

Zitat:

„Die Systemlosigkeit des aphoristischen Denkens als ein nur Scheinbares; das System, das sich darunter befestigt, umso gefährlicher, es enthüllt sich nur in seltenen Aspekten, es bleibt für den Betroffenen selbst ein Geheimnis.“

zeitschnur

18. Februar 2022 17:22

@ Laurenz

MD nannte es "Selbsthass", meine ich zu erinnern, aber im Grunde ist es "Selbstironie".

Zum Jiddischen: Bedenken Sie, dass tatsächlich gerade dieser wesentliche Teil der weltweiten Judaer von den eigenen Brüdern ermordet wurde. Das ist aus mS das Dilemma. Es sind heute nur noch so wenige Sprecher, weil sie es waren, die vernichtet wurden und mit ihnen eine wichtige kulturelle Spur, die den christianisierten Deutschen einen Hinweis darüber geben konnte, wer sie sind. Die Tragik ist die, dass nur Deutsche den jüdischen (überwiegend jiddischen) Witz so tradieren können, dass er weite Kreise ziehen kann - aus sprachlichen Gründen.

Die Selbstironie ist wiederum das, was ich mit einer regelrechten Seinsform in Zusammenhang brachte. Genauso wenig, wie man Gottes- und Nächstenliebe analytisch fassen kann, kann man es bei der Selbstironie bzw dem Humor. Ein Humor ohne Selbstironie ist mE keiner ...

Laurenz

18. Februar 2022 17:24

@Der Gehenkte @Maiordomus

 "Das Foucaultsche Pendel" 

Ich verstehe diese Buch, wie auch "Der Name der Rose" ganz anders als Sie. Eco schaffte, daß seine Bücher Bestseller wurden. Wie, weiß ich nicht.

Letzteres wurde über 50 Mio. x verkauft. Denn gerade bei Eco-Büchern können wir davon ausgehen, daß die so gut, wie niemand gelesen hat. Als ich diese Bücher las, hatte ich erstmal Schwierigkeiten über die ersten 100 Seiten hinaus zu kommen. Ich erachte dies als Selbstschutz Ecos. Es sollte nur derjenige verstehen, welcher wirklich verstehen sollte/wollte. Außerdem war Eco nicht nur Autor, sondern eben auch Wissenschaftler.

@Zeitschnur

https://de.wikipedia.org/wiki/Anatevka

Wie Sie hier feststellen können, gab es den jüdischen Humor oder Witz schon vor dem letzten Krieg. 

"Gerade ich weiß mit Paulus und Johannes vom Kreuz um die Unzulänglichkeit unseres Sprechens angesichts der unaussprechlichen Worte, von denen Paulus in einer visionären Himmelsreise Kenntnis erhielt."

Paulus war der erste Bolschewist, der die Lehre Ihres Herrn verfälschte. Wenn Sie keinen Zugang zu meiner Denk-Tradition haben, können Sie das natürlich nicht verstehen.

anatol broder

18. Februar 2022 17:40

@ zeitschnur 13:01

danke für den hinweis auf den kitsch. im folgenden zeige ich, dass wir beiden in dieser frage übereinstimmen.

das gegenteil von humor ist der kitsch. (1)

humor bedeutet, dass man den dingen, egal, wie sie daherkommen, mit gelassenheit begegnet, die sich im wort, in der sprache, im reden ausdrückt. (2)

nehmen wir zweierlei an

dinge, egal, wie sie daherkommen, sind dinge. (3)

und

gelassenheit, die sich im wort, in der sprache, im reden ausdrückt, ist bescheidenheit. (4)

aus (2), (3) und (4) folgt

humor bedeutet, dass man den dingen mit bescheidenheit begegnet. (5)

aus (5) und (1) folgt

kitsch bedeutet, dass man den dingen mit falscher bescheidenheit begegnet. (6)

nichts anderes behauptete ich bereits in diesem forum:

kitsch ist falsche bescheidenheit. (7)

Laurenz

18. Februar 2022 18:45

@Anatol Broder @Zeitschnur

"Falsche Bescheidenheit = Kitsch/ "richtige" Bescheidenheit = Humor"

Ich kann Ihrer Argumentation zwar folgen, aber sie ist nicht einmal für 1% der Menschen dienlich. Ihnen Selbst unterstelle ich materielles Privileg & Zeitschnur das Privileg des Mitleids/Mitgefühls Ihres Umfelds.

Das ist in etwa wie mit dem Fasten. Es kann nur der freiwillig hungern, der genug zu essen hat. Und es kann sich nur der bescheiden, der auch etwas zum bescheiden besitzt.

Ihnen fehlt es hier wohl auch etwas Zugang zum teutonischen Sein, 

Georg Schramm hat davon schon mehr abbekommen ...

https://youtu.be/D0l2OJYZlAw

Laurenz

18. Februar 2022 19:03

@Zeitschnur @L.

Wissen Sie, wo ich die Zahl der Juden auf dem Planeten hergenommen habe? Hiervon 

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1173885/umfrage/anzahl-der-juden-weltweit/#:~:text=Entwicklung%20der%20j%C3%BCdischen%20Bev%C3%B6lkerung%20weltweit%20bis%202019&text=Im%20Jahr%202019%20gingen%20rund,rund%203%2C7%20Millionen%20Gl%C3%A4ubige.

Allerdings steht hier auch "gläubige" Juden. Vielleicht sind die säkularen Juden nicht dabei, weiß ich nicht. Wenn Sie die Statistik aufklappen, sind es 1945 immer noch 11 Mio. Insofern sind die Zahlen seit dem 19. Jahrhundert schwer zu überprüfen, da in der jüdisch dominierten us amerikanischen Presse auch im zaristischen Rußland hin zur Jahrhundertwende immer die Gefahr von potentiellen 6 Mio. Opfern verlautbart wurde. Propaganda lutscht sich halt ab. Wir können aber davon ausgehen, daß die meisten Juden, welche im II. Reich lebten, aus Rußland eingewandert waren.

Daß der größte Anti-Semit aller Zeiten Leo Trotzki war, weiß ich. Aber zumindest haben die Juden Zuwachs. Die Zahl der indigenen Deutschen ist seit 1939 leicht gesunken. Ich kann Ihnen nur empfehlen, nicht so leichtfertig mit historischen Fakten oder Ungewißheiten umzugehen. Denn sonst nimmt uns auf der SiN kein Mitleser mehr für voll.

Laurenz

18. Februar 2022 19:25

@Zeitschnur

"Jiddischer Witz"

Nachtrag.

Hier sehen Sie Simon Helberg. Das muß nicht Ihre Sache sein, war aber extrem erfolgreich. https://youtu.be/8m89mVbvY3o oder hier https://youtu.be/DDBl5s5WU9s

oder hier https://youtu.be/BORINSYgIqc

 

Maiordomus

18. Februar 2022 20:17

Habe bei Sloderdijk sehr wohl etwas salopp ausgeholt auf der Basis eines Gesprächs mit Karl Popper über Belletristik verfassende Wissenschaftler. Sein Urteil war noch viel vernichtender. @ Der Gehenkte. Ihre Hinweise sind sehr wertvoll; die Sache mit Buridans Esel ist bekannt, wiewohl der Rappe im Vergleich zu einem Esel nahe an platonische Vollkommenheit herankam, weswegen es dem philosophierenden Detektiv möglich ist, ihn zu beschreiben, ohne ihn je gesehen zu haben. In Sachen Semiotik ging ich selber als Eco-Leser immer gleich auf die antiken, auch gnostischen und mittelalterlichen Vorläufer zurück sowie zu den mittelalterlichen Quellen, das Lachen betreffend, inbegriffen die Mönchregeln und die mystischen Texte bis hin zu Meister Eckhart. 

Noch klar schlechter als Slotderdijk als Romanautor fand ich, wie an dieser Stelle schon mal ausgeführt, den an dieser Textsorte gescheiterten Katholen Mosebach. Es gelang ihm nie, auch nur an eine Seite von Boccaccio heranzukommen, zu schweigen von Cervantes. Genügt man diesem Standard nicht, wäre, wie Popper grundsätzlich betonte, Papiersparen angesagt. 

Kositza: Ich erlaube mir hier nochmals zu sagen, daß Sie sich apropos Mosebach verlesen haben MÜSSEN. Pardon - aber erst recht der Vergleich mit Sloterdijk (als Romancier) ist echt "unter aller Kanone".

ML: Als Vergleichswert Autoren aus dem 14. und 17. Jahrhundert heranzunehmen, finde ich nun einigermaßen skurril.

Gracchus

18. Februar 2022 22:47

@MD

Ich schon, aber auch der mitlesende VS? Nicht auszudenken! Teufel und Komik stecken eben in der Grammatik, und ich wette, Ihren Schülern hätten Sie's angestrichen. 

 

Gracchus

18. Februar 2022 23:36

@EK, ML, MD: 

Ich finde Boccacio und Cervantes als Referenzen auch etwas - komisch. Gut, vielleicht eint alle drei eine gewisse Fabulierlust. (Unklar auch, weshalb ein Russe "Der Name der Rose" verfilmen sollte.) 

Mosebach kann natürlich schreiben. Er scheitert auch nicht am Roman; kommt natürlich drauf an, was man für eine Theorie vom Roman hat, man kann sich fragen, ob es sich nicht um Kabinettstücke handelt, die nur sehr lose zusammengehalten werden (aber so geht ungefähr die Definition Benjamins vom Roman). Oder ob es von seiner Anlage zu konventionell ist (womit Mosebach aber spielt). Am erzählerisch stärksten fand ich ein kürzeres Stück "Der Mond und das Mädchen".

Vor allem: Mosebach kann sehr witzig und komisch sein. 

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